Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** M*****, vertreten durch Mag. Günter Novak-Kaiser Rechtsanwalt GmbH in Murau, gegen die beklagte Partei W***** M*****, vertreten durch Dr. Erich Moser und Dr. Martin Moser, Rechtsanwälte in Murau, wegen 26.830,67 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 19. November 2018, GZ 2 R 228/18f-43, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 30. August 2018, GZ 1 C 15/16f-38, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil in Pkt 2. bis 5. des Spruchs des Erstgerichts lautet:
„2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 26.830,67 EUR für zu viel geleisteten Unterhalt für den Zeitraum 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2016 zu zahlen, besteht hinsichtlich des Zeitraums 1. 1. 2011 bis 31. 12. 2016 mit 19.579,50 EUR zu Recht.
3. Die eingewendete Gegenforderung der beklagten Partei auf Zahlung von Unterhalt für den Zeitraum 1. 6. 2017 bis 31. 12. 2017 besteht mit 3.206,14 EUR zu Recht.
4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 16.373,36 EUR für zu viel geleisteten Unterhalt für den Zeitraum 1. 1. 2011 bis 31. 12. 2016
samt 4 % Zinsen ab 2. 1. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 2. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 3. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 4. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 5. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 6. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 7. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 8. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 9. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 10. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 11. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 12. 2011 aus 221,79 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 1. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 2. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 3. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 4. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 5. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 6. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 7. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 8. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 9. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 10. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 11. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 12. 2012 aus 329,33 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 1. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 2. 2013 aus 346,58 EUR, 4 % Zinsen ab 2. 3. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 4. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 5. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 6. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 7. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 8. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 9. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 10. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 11. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 12. 2013 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 1. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 2. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 3. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 4. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 5. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 6. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 7. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 8. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 9. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 10. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 11. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 12. 2014 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 1. 2015 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 2. 2015 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 3. 2015 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 4. 2015 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 5. 2015 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 6. 2015 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 7. 2015 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 8. 2015 aus 346,58 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 1. 2016 aus 251,24 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 2. 2016 aus 251,24 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 3. 2016 aus 251,24 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 4. 2016 aus 250,24 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 5. 2016 aus 250,24 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 6. 2016 aus 251,24 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 7. 2016 aus 251,24 EUR, samt 4 % Zinsen ab 2. 8. 2016 aus 251,24 EUR
zu zahlen, dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution.
5. Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen für zu viel gezahlten Unterhalt für den Zeitraum 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2010 einen weiteren Betrag in Höhe von 10.457,31 EUR samt 4 % Zinsen ab dem in der Schuldnerinformation jeweils angegebenen Fälligkeitsdatum zu zahlen, dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, wird abgewiesen.“
Pkt 1. (Abweisung der Feststellung der Verwirkung des Unterhalts seit 1. 9. 2010, in eventu seit 1. 3. 2016) und Pkt 6. (Kostenvorbehalt) im Spruch der Entscheidung des Erstgerichts bleiben unverändert aufrecht; vom Kostenvorbehalt sind auch die Kosten des Revisionsverfahrens erfasst.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Neumarkt vom 7. 11. 1988 einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung eines (auf Basis des VPI 1986 unter Berücksichtigung eines Schwellenwerts von 10 %) wertgesicherten Unterhalts in Höhe von 3.500 ATS an die Beklagte. Bei einem Einkommen der Beklagten über 8.500 ATS sollte der Unterhaltsanspruch ruhen, bei einem Einkommen über 5.000 ATS und unter 8.500 ATS sollte sich der Unterhaltsanspruch um den Mehrbetrag vermindern. Im Jahr 2006 überschritt das Einkommen der Beklagten erstmals den vereinbarten Grenzwert von 5.000 ATS, der damals wertgesichert 538,80 EUR betrug. In den Jahren 2013 bis Mitte 2016 erzielte die Beklagte ein Einkommen über dem vereinbarten Grenzwert von 8.500 ATS, der wertgesichert 1.009,38 EUR betrug. Die Beklagte teilte diese Umstände dem Kläger nicht mit. Erstmals Anfang 2016 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach der Höhe ihres Einkommens. Daraufhin informierte die Beklagte den Kläger über ihre Alterspension; ihr Einkommen aus der Tätigkeit als Ordinationsassistentin erwähnte sie nicht. Die Beklagte ging davon aus, dass ihr die vom Kläger 2015 und 2016 geleisteten Unterhaltszahlungen nicht zustehen und sie diese nicht hätte annehmen dürfen.
Mit (später verbesserter) Klage vom 22. 3. 2016 begehrte der Kläger, die Beklagte zur Vorlage ihrer Einkommensunterlagen zu verpflichten und festzustellen, dass der von ihm zu leistende Unterhalt ab 17. 3. 2016 auf 108,31 EUR herabzusetzen sei. In der Folge modifizierte er sein Begehren dahin, dass er die Rückzahlung des von der Beklagten zu Unrecht bezogenen Unterhalts für den Zeitraum 2008 bis 2016 forderte. In der Tagsatzung vom 21. 12. 2017 begehrte er die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten seit 1. 9. 2010 (in eventu seit 1. 3. 2016 laut Berufung des Klägers) verwirkt sei. Die Beklagte habe ab 1. 9. 2010 ihren Unterhaltsanspruch gemäß § 74 EheG verwirkt, weil sie ihr tatsächliches Einkommen verschwiegen habe. Für den Zeitraum 2008 bis 2016 stünden ihm aus dem von der Beklagten zu Unrecht bezogenen Unterhalt Rückforderungsansprüche zu, die er auf Bereicherung sowie auf Schadenersatz stütze. Ende 2015 seien seine Unterhaltszahlungen rücküberwiesen worden, weil die Beklagte ihr Konto geschlossen habe. Selbst auf seine daraufhin erfolgte Erkundigung habe die Beklagte wahrheitswidrig nur ihre Alterspension bekanntgegeben. Die Beklagte habe ihre Informationspflichten schuldhaft verletzt.
Die Beklagte entgegnete, dass sie sich mit dem schwer verständlichen Scheidungsvergleich nicht im Detail hätte auseinandersetzen können. Ihr Unterhaltsanspruch sei daher nicht verwirkt. Der Anspruch auf Rückzahlung von zu viel bezahltem Unterhalt verjähre in drei Jahren, weshalb die geltend gemachten Forderungen vor dem 21. 6. 2013 verjährt seien. Ab Juni 2017 beziehe sie ausschließlich die Alterspension, weshalb ihr Unterhaltsanspruch wieder aufgelebt sei. Ab Juni 2017 habe der Kläger jedoch keine Unterhaltsleistungen erbracht, weshalb der daraus resultierende Unterhaltsrückstand aufrechnungsweise als Gegenforderung eingewendet werde.
Das Erstgericht wies das Begehren auf Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten seit 1. 9. 2010 (in eventu seit 1. 3. 2016) verwirkt sei, ab. Darüber hinaus stellte es die Klagsforderung für den Zeitraum 1. 3. 2013 bis 31. 12. 2016 mit 11.786,82 EUR und die eingewendete Gegenforderung mit 3.206,14 EUR als zu Recht bestehend fest und erkannte die Beklagte daher schuldig, dem Kläger 8.580,68 EUR an zu viel geleistetem Unterhalt zurückzuzahlen; das Mehrbegehren wies es ab. Die Beklagte sei zwar gehalten gewesen, den Kläger über die Entwicklung ihres Einkommens zu informieren. Die Verletzung der Mitteilungspflicht wiege allerdings nicht so schwer, dass sie eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs rechtfertige. Den Rückforderungsanspruch habe der Kläger auf den Titel der Bereicherung gestützt, weshalb er nur die Überzahlungen an Unterhalt in den letzten drei Jahren vor Klagseinbringung zurückfordern könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, indem es einen Rechenfehler des Erstgerichts hinsichtlich des Jahres 2016 korrigierte; im Übrigen bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichts und teilte dessen Rechtsansicht zum Nichtvorliegen eines Verwirkungsgrundes sowie zur Frage der Verjährung. Dem Erstgericht sei darin beizupflichten, dass die Beklagte ihre Informationspflicht gegenüber dem Kläger verletzt habe, weil sie es unterlassen habe, ihn ab 2007 von ihren Einkünften in Kenntnis zu setzen. Der Kläger hätte aber bei der Beklagten nachfragen können, was er unterlassen habe. Im konkreten Einzelfall könne nicht von einer besonders schwerwiegenden Verfehlung der Beklagten ausgegangen werden. Auch die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach der Unterhaltspflichtige bereits gezahlten Unterhalt über den Dreijahreszeitraum des § 1480 ABGB hinaus wegen Verjährung nicht zurückfordern könne, entspreche der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Für das Zahlungsbegehren des Klägers komme es daher nur auf den Zeitraum zwischen März 2013 und Dezember 2016 an. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Rückforderbarkeit zu viel gezahlten Unterhalts höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die darauf abzielt, die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten seit 1. 9. 2010, in eventu seit 1. 3. 2016, auszusprechen sowie dem Zahlungsbegehren hinsichtlich eines weiteren Betrags von 12.461,22 EUR sA stattzugeben und die eingewendete Gegenforderung der Beklagten abzuweisen.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, der Revision des Klägers den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil sich die Vorinstanzen mit der Frage der Verjährung des vom Kläger ebenfalls geltend gemachten Schadenersatzanspruchs nicht auseinandergesetzt haben. Die Revision ist auch teilweise berechtigt.
Der Kläger macht in seiner Revision geltend, dass hinsichtlich der Verjährung des Bereicherungsanspruchs wegen rechtsgrundlos geleisteten Unterhalts in der Rechtsprechung nicht geklärt sei, wann die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen beginne. Außerdem habe er seine Rückforderungsansprüche auch auf den Titel des Schadenersatzes gestützt. In dieser Hinsicht sei Verjährung nicht eingetreten, weil die Verjährungsfrist erst mit Kenntnis von Schaden und Schädiger und damit erst während des vorliegenden Verfahrens zu laufen begonnen habe. Schließlich habe die Beklagte ihren Unterhaltsanspruch auch verwirkt, weil sie den Tatbestand des Betrugs durch Unterlassung begangen habe.
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
I. Zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs:
1.1 Die Unterhaltsverwirkung wegen nachträglicher schwerer Verfehlung gegen den Unterhaltsverpflichteten nach § 74 EheG setzt ein besonders gravierendes, das Maß schwerer Eheverfehlungen im Sinn des § 49 EheG übersteigendes schuldhaftes Fehlverhalten gegenüber dem früheren Ehegatten voraus, sodass dem Verpflichteten die Unterhaltsleistung nicht mehr zumutbar ist (RIS-Justiz RS0078153; RS0057404). Die Beurteilung, ob die konkret angelastete Verhaltensweise den Verwirkungstatbestand des § 74 EheG erfüllt, richtet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0047080 [T7]). Dafür steht dem Gericht ein nicht zu enger Ermessensspielraum zur Verfügung.
1.2 In dem der Entscheidung 3 Ob 245/05h zugrunde liegenden Fall legte die beklagte Unterhaltsberechtigte in einem vorangegangenen Oppositionsverfahren, in dem der frühere Ehemann die Vollzeitbeschäftigung der Beklagten behauptete, zum Beweis vergeblicher Beschäftigungsbemühungen zwei gefälschte Urkunden vor, weshalb sie in der Folge strafrechtlich verurteilt wurde. Der 3. Senat des Obersten Gerichtshofs gelangte zum Ergebnis, dass die Urkundenfälschung nicht als schwere Verfehlung gegen den Unterhaltsverpflichteten qualifiziert werden könne, weil der Straftatbestand die Interessen der Allgemeinheit schütze und die Urkunden auch keinen Einfluss auf das Verfahrensergebnis gehabt hätten.
Die Entscheidung 3 Ob 209/99b betraf die Inanspruchnahme von Unterhaltsleistungen trotz aufrechter Lebensgemeinschaft. Dazu führte der Oberste Gerichtshof aus, dass nach den Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen sei, dass der Beklagten bewusst gewesen sei, dass sie zu Unrecht Unterhaltszahlungen entgegengenommen und sie die dadurch bewirkte Schädigung des Klägers zumindest in Kauf genommen habe. Auch wenn die Beklagte die Unterhaltsleistungen mit zumindest bedingtem Vorsatz in Anspruch genommen habe, sei dieser Umstand noch nicht derart gewichtig, dass er die Annahme der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs rechtfertigen könne.
1.3 Ausgehend von diesen Grundsätzen, wonach zu Unrecht bezogene Unterhaltsleistungen die Annahme des Verwirkungstatbestands in der Regel nicht rechtfertigen, ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Verletzung der Informationspflicht der Beklagten ab dem Jahr 2007 keine derart besonders schwerwiegende Verfehlung bewirke, dass dem Kläger die Unterhaltsleistungen für alle Zukunft nicht mehr zumutbar seien, nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung der vereinbarten Grenzwerte aufgrund der Indexanpassung mit Schwellenwerten von jeweils 10 % für die Beklagte im Detail kaum überschaubar war.
Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten ist damit nicht eingetreten.
II. Zur Verjährung der Schadenersatzansprüche:
2.1 Der Kläger weist in der Revision zutreffend darauf hin, dass er die geltend gemachten Ansprüche auch auf den Titel des Schadenersatzes gestützt und der Beklagten vorgeworfen hat, dass sie ihm das jährlich steigende Einkommen nicht mitgeteilt und daher bewusst, zumindest aber schuldhaft gegen die sie treffende Mitteilungspflicht verstoßen habe. Dieser schuldhafte Verstoß der Beklagten löse auch Schadenersatzansprüche aus. Der Schaden aus den ungerechtfertigten Unterhaltszahlungen für den Zeitraum 2008 bis 2016 sei ihm erst im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur Kenntnis gelangt, weshalb die Rückforderungsansprüche nicht verjährt seien.
2.2 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sowohl für die Geltendmachung als auch für die Abwehr von Unterhaltsansprüchen auch zwischen geschiedenen Ehegatten wechselseitige Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche über alle unterhaltsrelevanten Umstände bestehen (vgl RIS-Justiz RS0122058; RS0122059). In der Entscheidung 10 Ob 47/07w führte der Oberste Gerichtshof dazu aus:
„Im Rahmen der persönlichen Ehewirkungen ist von der in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Verpflichtung auszugehen, sich wechselseitig über alle wesentlichen Umstände des Berufs- und Privatlebens zu informieren; diese Informationspflicht besteht für die Belange des Unterhalts vor allem auch hinsichtlich des Einkommens. Ein Ehegatte, der dem anderen Ehegatten Bestandteile seines Einkommens verschweigt, handelt pflichtwidrig. Diese wechselseitigen Informationspflichten wirken auch noch nach der Eheauflösung aufgrund des nachehelichen Abwicklungsinteresses weiter fort. […] Unter diesen Gesichtspunkten muss auch zwischen geschiedenen Ehegatten ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung betreffend die für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Umstände anerkannt werden“ (vgl dazu auch 4 Ob 175/07z).
Nach diesen Grundsätzen ist der Unterhaltsberechtigte im Allgemeinen dazu verpflichtet, dem Unterhaltspflichtigen wesentliche Änderungen, die den Unterhaltsanspruch dem Grunde oder der Höhe nach betreffen, aus Eigenem mitzuteilen.
2.3 Im Anlassfall hat das Einkommen der Beklagten erstmals im Jahr 2006 den (wertgesicherten) ersten Grenzwert überschritten. Die Überschreitung war jedoch minimal, weshalb der Beklagten dieser Umstand – vor allem wegen der kaum überschaubaren Indexanpassung – nicht auffallen musste. Das Gleiche gilt für die Folgejahre bis einschließlich 2010.
Ab 2011 ergab sich im Einkommen der Beklagten jedoch ein markanter Sprung, der ihr bei pflichtgemäßer Bedachtnahme auf den Scheidungsvergleich nicht verborgen bleiben konnte. Ab diesem Zeitpunkt ist eine schuldhafte Verletzung der Mitteilungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger anzunehmen.
3.1 Die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs richtet sich nach § 1489 ABGB. Danach ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt wurden. Zum Vorliegen eines Schadens wird auch eine Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten angenommen, die allerdings nicht überspannt werden darf (RIS-Justiz RS0113916; RS0034327). Nur dann, wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie dem Geschädigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Bei der Frage des Ausmaßes der Erkundigungspflicht des Geschädigten über den die Verjährungsfrist auslösenden Sachverhalt kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (typisch: RIS-Justiz RS0113916).
Die angeführten Grundsätze gelten auch für die Rückforderung zu Unrecht empfangener Unterhaltsbeiträge aus dem Titel des Schadenersatzes. Dementsprechend führte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 169/08x
– die ebenfalls einen Fall betraf, in dem die unterhaltsberechtigte Beklagte dem unterhaltspflichtigen Kläger unterhaltsrelevante Änderungen nicht mitteilte – aus, dass die Klage gemäß § 1489 ABGB nicht verjährt sei, weil der Kläger erst 2006 Kenntnis davon erlangt habe, dass die Beklagte bereits seit 1. 11. 1992 einer Ganztagsbeschäftigung nachgegangen sei.
3.2 Im Anlassfall bestanden für den Kläger erstmals im Sommer 2015 Anhaltspunkte dafür, dass das Einkommen der Klägerin die vereinbarten Grenzwerte übersteigt, weil sie ihr Girokonto geschlossen hatte und ihm über seine Erkundigung mitteilte, dass er bis zu ihrem Pensionsantritt im Jahr 2016 keine Unterhaltszahlungen mehr zu leisten brauche. Vor diesen Geschehnissen bestand für den Kläger mangels konkreter Hinweise keine Erkundigungsobliegenheit. Zudem durfte er auf eine redliche Vorgangsweise der Beklagten, ihm alle relevanten Einkommensänderungen mitzuteilen, vertrauen. Der Schaden, nämlich die konkrete Höhe der von der Beklagten zu Unrecht bezogenen Unterhaltsleistungen, gelangte dem Kläger überhaupt erst im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur Kenntnis.
Davon ausgehend sind die vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzansprüche ab dem Zeitpunkt der der Beklagten anzulastenden Verletzung der Mitteilungspflicht (ab 2011) nicht verjährt.
III. Zur Verjährung der Bereicherungsansprüche:
4. Die geltend gemachten Ansprüche für die Zeit vor 1. 1. 2011 kann der Kläger nicht auf den Titel der Bereicherung stützen, weil diese Ansprüche, wie die Vorinstanzen zutreffend beurteilt haben, verjährt sind.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Anspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Unterhaltsbeiträge, deren Empfang typischerweise zum Verbrauch für die Bedürfnisse des täglichen Lebens bestimmt ist, analog § 1480 ABGB in drei Jahren vor Klagseinbringung verjährt (RIS-Justiz RS0131583). In der Entscheidung 8 Ob 92/16m wurde dazu klargestellt, dass bereits gezahlte Unterhaltsbeiträge vom Unterhaltspflichtigen über den Dreijahreszeitraum hinaus wegen Verjährung nicht zurückgefordert werden können, weil auch eine Unterhaltsforderung nur für einen bis zu drei Jahre zurückliegenden Zeitraum (vor Klagseinbringung) geltend gemacht werden kann und kein Anlass besteht, dem Unterhaltspflichtigen „asymmetrisch“ einen längeren Zeitraum einzuräumen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Rechtsprechung zum Scheinvaterregress (vgl 4 Ob 201/07y; 4 Ob 46/13p) hier nicht einschlägig, weil in den Fällen der Scheinvaterschaft der Rückforderung des Unterhalts die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft (als objektives Hindernis für die Geltendmachung des Anspruchs) vorangehen muss.
IV. Ergebnis:
5. Zusammenfassend hält die Entscheidung des Berufungsgerichts in Bezug auf die Verjährungsfrage zu dem vom Kläger ebenfalls geltend gemachten Schadenersatzanspruch der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Ausgehend von der der Beklagten anzulastenden Verletzung der Mitteilungspflicht gegenüber dem Kläger über die Höhe des von ihr bezogenen Einkommens ab Jänner 2011 sind die Rückforderungsansprüche des Klägers ab diesem Zeitpunkt nicht verjährt. Die angefochtene Entscheidung war in dieser Hinsicht teilweise abzuändern und im Übrigen zu bestätigen.
Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 1 und 2 ZPO bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten. Dieser Kostenvorbehalt erstreckt sich auch auf das Rechtsmittelverfahren (§ 52 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E124470European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00015.19P.0226.000Im RIS seit
04.04.2019Zuletzt aktualisiert am
12.12.2019