TE OGH 2019/2/27 6Ob13/19h

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei M***** H*****, vertreten durch Gärtner Perl-Böck Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei G***** H*****, vertreten durch Mag. Anna-Maria Freiberger, Rechtsanwältin in Wien, wegen (einstweiligen) Unterhalts, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 6. Dezember 2018, GZ 2 R 250/18s-22, womit über Rekurs der klagenden Partei die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 8. Oktober 2018, GZ 8 C 17/18s-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig, die klagende Partei die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

1.1. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es gebe offenbar „bloß eine einzige höchstgerichtliche Entscheidung zum Schicksal des Unterhaltsanspruchs eines während aufrechter Ehe in Lebensgemeinschaft Lebenden“ und den Argumenten des Antragsgegners könne Gewicht nicht abgesprochen werden.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung reicht auch das Vorliegen einer Entscheidung, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet und mehrfach veröffentlicht wurde, zu der gegenteilige Entscheidungen nicht vorliegen und die auch vom Schrifttum ohne Kritik übernommen wurde, für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung aus (RIS-Justiz RS0103384). Eine „ständige“ Rechtsprechung wird nicht gefordert (RIS-Justiz RS0042833).

2. Mit der Frage des Unterhaltsanspruchs eines Ehegatten trotz einer während aufrechter Ehe eingegangenen Lebensgemeinschaft hat sich der Oberste Gerichtshof in der eingehend begründeten Entscheidung 1 Ob 56/14p ausführlich auseinandergesetzt. Demnach lässt sich der der neueren Judikatur zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs während einer Lebensgemeinschaft zugrundeliegende Gedanke, ein in Lebensgemeinschaft lebender Geschiedener dürfe nicht besser gestellt sein als ein wiederverheirateter, dessen Unterhaltsanspruch nach § 75 EheG – ohne weitere sonstige Voraussetzungen – erlösche (vgl RIS-Justiz RS0047108 [T7, T10]) auf die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft während (formell) aufrechter Ehe schon deshalb nicht übertragen, weil in diesem Fall dem Unterhaltsberechtigten gar nicht die Möglichkeit einer (von § 75 EheG erfassten) Wiederverheiratung offensteht. Diese Auffassung wurde von Wagner-Reitinger in einer Glosse (EF-Z 2014/133) gebilligt.

3.1. Der erkennende Senat verkennt nicht, dass die Rechtsprechung zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs in der Literatur teilweise kritisiert wird (vgl Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht, § 75 EheG Rz 9; vgl auch Verschraegen, ZfRV 1983, 134 ff). Nach diesen Lehrmeinungen gebe es keinen positiv rechtlichen Ansatz für das Ruhen des Unterhaltsanspruchs. Auch die Analogie zu § 75 EheG sei schwer zu ziehen, weil der Unterhaltsanspruch gerade nicht endgültig erlöschen solle (Gitschthaler aaO).

3.2. Im vorliegenden Fall erübrigt sich jedoch ein näheres Eingehen auf die Kritik der Literatur schon deshalb, weil die Übernahme der zitierten Lehrmeinungen zum schon von den Vorinstanzen erzielten Ergebnis führen würde. Der vom Revisionsrekurswerber angestrebte Entfall seiner Unterhaltspflicht lässt sich aus den dargestellten Auffassungen der Literatur gerade nicht ableiten.

4.1. Dies bedeutet freilich keineswegs, dass das Eingehen einer Lebensgemeinschaft während aufrechter Ehe unterhaltsrechtlich irrelevant wäre. Vielmehr kann ein Verwirkungstatbestand nach § 94 Abs 2 ABGB vorliegen. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der neue Lebenspartner tatsächlich zur Deckung des Unterhalts beitragen würde oder der Zuspruch eines Unterhalts trotz Lebensgemeinschaft aus anderen Gründen grob unbillig im Sinne des § 94 Abs 2 ABGB erschiene, weil etwa gerade diese Lebensgemeinschaft zur Ehezerrüttung führte (vgl Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 94 ABGB Rz 16 ff; 9 Ob 50/18w ua). Diesbezügliche Behauptungen hat der Revisionsrekurswerber im vorliegenden Fall aber nicht erhoben.

4.2. Nicht stichhaltig ist auch der im Revisionsrekurs erhobene Einwand, die Irrelevanz der Lebensgemeinschaft sei im vorliegenden Fall deswegen nicht sachgerecht, weil nach der Rechtsprechung zu § 69 Abs 2 EheG im Falle einer Scheidung nach § 55 EheG mit Schuldausspruch der während aufrechter Ehe erwirkte Unterhaltstitel weiter wirke, sodass er die möglicherweise dann noch fortdauernde Lebensgemeinschaft nicht mehr aufgreifen könne. Vielmehr ist nach der zitierten Rechtsprechung davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung aufgrund der Bestimmung des § 75 EheG und der dazu ergangenen Rechtsprechung zur Gleichbehandlung von Lebensgemeinschaften der Unterhaltsanspruch der sodann geschiedenen Ehefrau jedenfalls, also unabhängig davon, ob diese Lebensgemeinschaft bei Schaffung des Unterhaltstitels bestand oder nicht, erlischt. Der Eintritt der Rechtskraft der Scheidung in Verbindung mit der zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs führenden Lebensgemeinschaft wäre ein neues Sachverhaltselement, das eine Oppositionsklage bzw eine negative Feststellungsklage rechtfertigen würde (vgl RIS-Justiz RS0102900, RS0000987 [T2]).

5. Nicht stichhaltig sind auch die Ausführungen zur Höhe des zuerkannten Unterhaltsanspruchs. Bei schwankendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist das in einem längeren Beobachtungszeitraum erzielte Durchschnittseinkommen als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen, wobei sich die Beurteilung der Angemessenheit des Beobachtungszeitraums nach den Umständen des Einzelfalls richtet (RIS-Justiz RS0113405, RS0047509). Einmalige Zahlungen sind dabei nach der Rechtsprechung in angemessener Weise nach den Umständen und Lebensverhältnissen angemessen aufzuteilen (RIS-Justiz RS0009667 [T7]). In der Auffassung des Rekursgerichts, im vorliegenden Fall sei im Hinblick auf die starken Einkommensschwankungen des Ehemanns und nicht jährlich erhaltene Bonuszahlungen ein 4,5-jähriger Beobachtungszeitraum sachgerecht, ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

6. Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurs daher keine Rechtsfragen der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung.

7. Der Revisionsrekurs war daher spruchgemäß zurückzuweisen.

8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm § 50 ZPO.

Textnummer

E124451

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00013.19H.0227.000

Im RIS seit

04.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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