TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/22 97/06/0247

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Veröffentlicht am 22.04.1999
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §30 Abs1;
BauO Tir 1989 §30 Abs2;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §6 Abs4;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde 1. des R, 2. des D, und 3. des E, alle in I, alle vertreten durch D, A und E, Rechtsanwälte in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 6. Oktober 1997, Zl. I-4603/1997, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: T Gesellschaft m.b.H. in Innsbruck, vertreten durch D, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Innsbruck insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- (je zu gleichen Teilen) und der mitbeteiligten Partei insgesamt Aufwendungen in der Höhe von 12.500,-- (je zu gleichen Teilen) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bauansuchen (eingelangt beim Magistrat der Landeshauptstadt Innsbruck am 3. März 1997) wurde von der Mitbeteiligten die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit Tiefgarage auf einem näher angeführten Baugrundstück beantragt. Die Wohnanlage gliedert sich in vier in Ost-West-Richtung verlaufende Bauteile (D, E, F und G), die im Osten durch den in Nord-Süd-Richtung parallel zum W-Weg verlaufenden als Bauteil H bezeichneten Längstrakt miteinander verbunden werden. Die Wohnanlage sowie die durch die Baukörper gebildeten Hofflächen sind zur Gänze u.a. mit Tiefgarage, Schutzräumen, Technikräumen, Abstellflächen unterkellert. Die gesamte Anlage verfügt neben dem Untergeschoß über Erdgeschoß und zwei Obergeschosse und die Quertrakte zusätzlich über ein ausgebautes Dachgeschoß, wobei der entlang des W-Weges befindliche Längstrakt auf Stützen steht und im Bereich des Erdgeschosses die Müllräume sowie versperrbare Abstellflächen für Fahrräder situiert sind. Die Einfahrt in die Tiefgarage mit 123 PKW-Stellplätzen erfolgt über die von der K-Straße erreichbare Abfahrtsrampe, während die Ausfahrt der verfahrensgegenständlichen Wohnanlage (im Unterschied zu der auf dem westlichen Nachbargrundstück gelegenen Mietwohnanlage, die nicht Gegenstand des vorliegenden Bauvorhabens ist) in der Nordostecke der Anlage gleichfalls auf die K-Straße führt. In dieser Wohnanlage sind 118 Wohnungen vorgesehen.

Die Grundstücke des Erst- bzw. des Zweitbeschwerdeführers liegen nordöstlich gegenüber dem beschriebenen Bauvorhaben an dem im Eigentum der Landeshauptstadt Innsbruck gelegenen W-Weg und einer öffentlichen Wegparzelle. Das Grundstück des Drittbeschwerdeführers befindet sich schräg gegenüber dem südöstlichsten Eckpunkt des Baugrundstückes (gleichfalls am W-Weg gelegen), wobei dieses Grundstück im Ausmaß von nur ca. 3,5 m dem in diesem Bereich (entlang der südlichen Grundgrenze) unbebauten Baugrundstück gegenüberliegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 1997 erhoben die Beschwerdeführer folgende Einwendungen:

"1. Die Situierung des Projektes zum W...weg, insbesondere der Abstand zur Straße, widerspricht den Bestimmungen des TROG (§ 115), weil dadurch die Sicherheit, Flüssigkeit des Verkehrs am W...weg beeinträchtigt wird. Der W...weg ist nach diesem Projekt nicht in der Lage, das zusätzliche Verkehrsaufkommen (fließend als auch stehend) aufzunehmen. Ein verkehrstechnisches Gutachten wird beantragt.

2. Die Bebauungsdichte des Objektes widerspricht der durchschnittlichen Bebauungsdichte der umgebenden Grundflächen und stellt eine übermäßige Beeinträchtigung dieses Gebietes dar."

Die im erstinstanzlichen Verfahren befasste Magistratsabteilung VI, Tiefbau-Instandhaltung, hat die Vorschreibung etlicher Auflagen für erforderlich erachtet. Auf einer ergänzenden Stellungnahme vom 1. April 1997 findet sich ein Aktenvermerk vom 7. Juli 1997, in dem festgehalten ist, dass die Situierung der Gebäude in Bezug auf den W-Weg mit dieser Abteilung abgestimmt worden sei. Es sei kein Einwand erhoben worden.

Mit Bescheid des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 4. Juli 1997 wurde dem angeführten Projekt die Baubewilligung nach Maßgabe der einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Pläne und Projektunterlagen unter Vorschreibung von Auflagen erteilt (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt V.1. und 2. wurden die beiden angeführten Einwendungen der Beschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Schreiben der Mitbeteiligten vom 18. September 1997 teilte diese der Berufungsbehörde mit, dass der Dachraum der Häuser G und F nicht ausgebaut werde. Weiters wurde eine Darstellung der Möglichkeit einer Gruppenbildung an der gemeinsamen Grundgrenze der beiden Baugrundstücke entlang der Gebäudefront an der genannten Grundgrenze der Häuser E, F und G (wobei in der zeichnerischen Darstellung die geplante Gruppenbildung mit Bauteil "G" nicht aufscheint) übermittelt, für die auch die Erteilung der Baubewilligung beantragt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid unter Hinweis auf § 31 Abs. 10 Tiroler Bauordnung im Rahmen des Berufungsvorbringens mit der Maßgabe bestätigt, dass die "Einwendungen, den Abstand gegenüber dem W...weg betreffend, abgewiesen werden und die gegenständliche Baubewilligung um den Dachgeschoßausbau in den Gebäudeteilen 'G' und 'F' eingeschränkt wird". Diese Entscheidung wurde - soweit es für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung ist - im Wesentlichen damit begründet, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Eigentümer eines dem Bauplatz gegenüber liegenden und durch eine öffentliche Verkehrsfläche getrennten Grundes ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung jener Entfernungsvorschriften habe, die zu seiner Verkehrsfläche in Beziehung stünden. Demgegenüber sei die Wahrnehmung des öffentlichen Interesses hinsichtlich der Beeinflussung der Verkehrsverhältnisse durch eine geplante Bauführung ausschließlich Angelegenheit der als Baubehörde einschreitenden Stelle. Die Zurückweisung aller darauf aufbauenden Einwendungen der Beschwerdeführer durch die Baubehörde erster Instanz sei sohin zu Recht erfolgt. Nach den zur Genehmigung eingereichten Planunterlagen grenze der Bauplatz ostseitig an die öffentliche Wegparzelle 2948, KG P., an. Zwischen dem Bauplatz und den Grundstücken der Beschwerdeführer sei zudem die im Eigentum der Landeshauptstadt Innsbruck stehende Grundparzelle Nr. 1708/1, KG P. gelegen. Der ostseitig, zum W-Weg hin situierte Gebäudeteil "H" halte dabei einen Abstand zur Verkehrsfläche von ca. 3,0 m im Norden, über 4,57 m bis zu 4,12 m im Süden. Hinsichtlich der Abstände baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen bestimme die im vorliegenden Fall relevante Bestimmung des § 6 Abs. 4 Tiroler Bauordnung, dass dann, wenn kein Bebauungsplan bestehe (im Anlassfall sei eine Baufluchtlinie im anzuwendenden Änderungsplan Nr. 29/n nicht normiert), bauliche Anlagen von Verkehrsflächen mindestens so weit entfernt sein müssten, dass sie das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigten. Soweit bestehende Gebäude einen einheitlichen Abstand von den Verkehrsflächen hätten, sei auch bei weiteren baulichen Anlagen mindestens dieser Abstand einzuhalten. Den dem Bauansuchen beigeschlossenen Lageplänen sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass die derzeit am in Nord-Süd-Richtung verlaufenden W-Weg bestehenden Gebäude in keinem Falle einheitliche Abstände einhielten, sodass zu prüfen gewesen sei, ob durch die straßenseitige Situierung des Vorhabens das Orts- und Straßenbild einerseits bzw. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs andererseits am W-Weg beeinträchtigt würden. Zu diesem Fragenkomplex hätten im erstinstanzlichen Verfahren der jeweils zuständige Sachverständige des Stadtplanungsamtes (Ortsbild) und des städtischen Tiefbauamtes (Verkehrssicherheit) durchaus überzeugend dargelegt, dass bei Einhaltung vorzuschreibender Auflagen eine Beeinträchtigung im oben dargestellten Sinne nicht zu erwarten sei. Der verkehrstechnischen Stellungnahme sei, wie sich dies aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ergebe, zu entnehmen, dass eine bloße Vermehrung des Verkehrsaufkommens auf dem bisher eher wenig befahrenen W-Weg jedenfalls nicht ausreiche, von einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu sprechen, noch dazu wo die Ein- und Ausfahrten zur geplanten Tiefgarage in der nördlich gelegenen K-Straße vorgesehen seien. Keinesfalls sei es den Beschwerdeführern gelungen, eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit aufgrund des Faktums der gegebenen Situierung des Gebäudes zur Verkehrsfläche hin nachvollziehbar darzulegen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die Erstmitbeteiligte - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Die Beschwerdeführer erstatteten zu diesen Gegenschriften eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorschriften über die Einhaltung bestimmter Abstände als Entfernungsvorschriften subjektiv-öffentliche Nachbarrechte begründeten. Im konkreten Fall würden die Abstandsvorschriften einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der Abstände gemäß § 6 Tiroler Bauordnung zugunsten jener Eigentümer, die einer öffentlichen Verkehrsfläche gegenüber lägen, gewähren. Die belangte Behörde führe dazu aus, dass der Bauteil "H" (ostseitig zum W-Weg situiert) zur Verkehrsfläche Abstände zwischen "3 m (im Norden), über 4,57 m bis 4,12 m (im Süden)" einhalte. Mangels Vorliegens eines Bebauungsplanes gelte § 6 Abs. 4 Tiroler Bauordnung, wonach bauliche Anlagen von den Verkehrsflächen mindestens so weit entfernt sein müssten, dass sie das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigten. Weiters werde - von der belangten Behörde jedoch nicht beachtet - als Regelungshilfe festgelegt, dass, soweit bestehende Gebäude einen einheitlichen Abstand von den Verkehrsflächen hätten, bei weiteren Anlagen mindestens dieser Abstand einzuhalten sei. Es sei unzutreffend, wenn die belangte Behörde feststelle, dass die "derzeit am in Nord-Süd-Richtung verlaufenden W...weg bestehenden Gebäude in keinem Falle einheitliche Abstände einhalten". Die am W-Weg bestehenden, insbesondere die westseitig situierten Gebäude wiesen sehr wohl einheitliche Abstände zur Verkehrsfläche auf (es folgt eine nähere Aufstellung von den Abständen der Gebäude einerseits ostseitig des W-Weges von 4,50 m, 4,70 m, 5,30 m, 5,70 m, 6,7 m und 10 m und andererseits westseitig des W-Weges von 5,30 m bzw. 5,0 m). Aus all diesen Abständen ergebe sich ein Mindestabstand von 4,50 m und ein durchschnittlicher Abstand von 5,90 m. Im Hinblick auf die bestehenden Abstände auf der Westseite des W-Weges, für die derselbe Verbauungsplan wie für das vorliegende Baugrundstück zur Anwendung komme, sei der Abstand des bewilligten Bauprojektes auf dieser Seite viel zu gering. Die Mindestabstände des § 6 Abs. 4 Tiroler Bauordnung dürften nicht unterschritten werden. Im vorliegenden Fall würden sie im überwiegenden Teil und nicht nur in Randbereichen unterschritten. Die belangte Behörde habe weiters die sich aus dem Verbauungsplan 29/n ergebende Straßenfluchtlinie nicht beachtet. Diese Festlegung des Verbauungsplanes hätte in die Beurteilung des § 6 Abs. 4 Tiroler Bauordnung mit einbezogen werden müssen. Es sei auch nicht zutreffend, dass der W-Weg bisher eher wenig befahren gewesen sei. Dieser Weg sei Hauptzufahrtsstraße für mehrere südlich des Bauprojektes gelegene und weiters für in der Zukunft projektierte Betriebsstätten. Es sei auch nicht richtig, dass die Ein- und Ausfahrten zur geplanten Tiefgarage ausschließlich über die nördlich gelegene K-Straße vorgesehen seien. Nach den Plänen erfolge für beide Wohnanlagen die Zufahrt über die K-Straße. Die Ausfahrt der Tiefgarage der Mietwohnanlage befinde sich jedoch in der W-Gasse, sodass die ausfahrenden Fahrzeuge über die W-Gasse und den W-Weg auf die K-Straße führen.

Gemäß § 30 Abs. 1 Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), sind Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, dass durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist, Nachbarn. Wird von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendung), so hat die Behörde gemäß § 30 Abs. 4 TBO über diese Einwendung abzusprechen, indem sie die Einwendung als unbegründet abweist, die Baubewilligung unter Bedingungen oder mit Auflagen erteilt oder die Baubewilligung überhaupt versagt.

Subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A). Diese Präklusionswirkung ist auch für die Aufsichtsbehörde und den Verwaltungsgerichtshof beachtlich.

Die Beschwerdeführer haben im erstinstanzlichen Verfahren in dem dargelegten Sinne rechtzeitig die eingangs wörtlich wiedergegebenen Einwendungen erhoben, dass die Situierung des Projektes zum W-Weg, insbesondere der Abstand zur Straße, den Bestimmungen des TROG (§ 115) widerspreche, weil dadurch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs am W-Weg beeinträchtigt werde. Der W-Weg sei nach diesem Projekt nicht in der Lage, das zusätzliche Verkehrsaufkommen (fließend als auch stehend) aufzunehmen. Weiters meinten die Beschwerdeführer, die Bebauungsdichte des Objektes widerspreche der durchschnittlichen Bebauungsdichte der umgebenden Grundflächen und stelle eine übermäßige Beeinträchtigung dieses Gebietes dar.

Die angeführte Beschränkung in Bezug auf wirksam erhobene Einwendungen des Nachbarn gilt allerdings u.a. dann nicht, wenn es im Laufe des Verfahrens zu Änderungen des Projektes kommt, die zwar zulässig sind, aber Nachbarrechte berühren. Im Berufungsverfahren ist das eingereichte Projekt dahingehend geändert worden, dass vom an sich geplanten Dachgeschoßausbau in den Gebäudeteilen "G" und "F" Abstand genommen wurde. Diese Abänderung des Bauvorhabens hat im Spruch des angefochtenen Bescheides entsprechenden Niederschlag gefunden. Die gleichfalls im Berufungsverfahren beantragte Gruppenbildung an der den Grundstücken der Beschwerdeführer abgewendeten Grundgrenze zu dem westlich gelegenen Baugrundstück entlang der Gebäude "G", "E" und "F" kann nicht als von der Berufungsbehörde genehmigt angesehen werden, da diese beantragte Änderung weder im Spruch des angefochtenen Bescheides noch in den genehmigten Plänen zum Ausdruck kommt. Gemäß der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 1997, Zl. 95/06/0025) sind Änderungen eines Projektes, die nicht dazu führen, dass eine andere Sache vorliegt, wenn also das Wesen des Projektes nicht geändert wird, insbesondere wenn die Änderung deshalb erfolgt, um einen Abweisungsgrund zu beseitigen, zulässig. Die vorliegende Änderung im Bereich des Dachgeschosses der Gebäudeteile "F" und "G" ist jedenfalls nicht derart, dass nicht mehr von derselben Sache gesprochen werden könnte. Im Rahmen dieser Änderung steht den Nachbarn, sofern dadurch Nachbarrechte berührt werden, neuerlich die Möglichkeit offen, neue, diese Änderung betreffende Einwendungen zu erheben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0020). Bei den in der Beschwerde erhobenen Rügen in Bezug auf die Bauhöhe der Bauteile "D" und "E", die Einhaltung des Flächenwidmungsplanes und der Bauweise (insbesondere die Gruppenbildung an der den Grundstücken der Beschwerdeführer abgewendeten westlichen Grundgrenze des Baugrundstückes) handelt es sich nicht um neue Einwendungen, die im dargelegten Sinne im Hinblick auf die Änderung des Projektes zulässig gewesen wären. Auf dieses Beschwerdevorbringen war daher nicht einzugehen.

Gemäß § 113 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 10 (TROG 1997), bleiben im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (mit Ausnahme von § 115 Abs. 4 leg. cit.) am 26. Februar 1997 noch bestehende Verbauungspläne (Wirtschaftspläne) aufrecht, soweit sie den Flächenwidmungsplänen nach diesem Gesetz vergleichbare Festlegungen enthalten. Gemäß § 114 Abs. 1 erster Satz TROG 1997 dürfen die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden Bebauungspläne nach § 18 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 nicht mehr geändert werden. Sie treten mit der Erlassung des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes für die betreffenden Grundflächen außer Kraft. Bis dahin ist auf die Festlegungen solcher Bebauungspläne, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes stehen, im Bauverfahren Bedacht zu nehmen. Gemäß § 114 Abs. 3 TROG 1997 gilt Abs. 1 für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch bestehende Verbauungspläne (Wirtschaftspläne), soweit sie den allgemeinen und den ergänzenden Bebauungsplänen nach diesem Gesetz vergleichbare Festlegungen enthalten, sinngemäß. Gemäß § 55 Abs. 4 TROG 1997 darf die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden u.a. nur erteilt werden, wenn für das betreffende Grundstück der allgemeine und der ergänzende Bebauungsplan bestehen. Gemäß § 115 Abs. 1 TROG 1997 darf auf Grundstücken, die nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 als Bauland oder als Sonderflächen gewidmet worden sind, und auf Grundstücken, für die Verbauungspläne (Wirtschaftspläne) bestehen, abweichend von § 55 Abs. 4 eine Baubewilligung auch erteilt werden, wenn der allgemeine und der ergänzende Bebauungsplan für das betreffende Grundstück noch nicht bestehen. Soweit diese Bebauungspläne jedoch bestehen, darf die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden zu bestehenden Gebäuden nur erteilt werden, wenn die darin festgelegte verkehrsmäßige Erschließung rechtlich sichergestellt ist. Die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden zu bestehenden Gebäuden darf gemäß § 115 Abs. 2 TROG 1997 auf Grundstücken nach Abs. 1 erster Satz bis zur Erlassung des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nur erteilt werden, wenn

"a) die Bebauung des betreffenden Grundstückes einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung nicht zuwiderläuft;

b) unbeschadet des Abs. 1 zweiter Satz die Bebauung des betreffenden Grundstückes einer zweckmäßigen verkehrsmäßigen Erschließung und Erschließung des betreffenden Gebietes mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse einer geordneten Gesamterschließung des Gemeindegebietes nicht entgegensteht und

c) der Neubau eine zweckmäßige und bodensparende Bebauung des betreffenden Grundstückes gewährleistet."

Gemäß § 6 Abs. 1 TBO wird der Abstand baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen durch die im Bebauungsplan festgelegte Baufluchtlinie bestimmt, soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist. Abs. 2 regelt jene Ausnahmefälle, in denen Gebäudeteile und bauliche Anlagen vor die Baufluchtlinie vorragen oder vor dieser errichtet werden dürfen, wenn dadurch das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden, während Abs. 3 die Ausnahmefälle regelt, dass Gebäudeteile und bauliche Anlagen vor die Straßenfluchtlinie vorragen oder vor dieser errichtet werden dürfen. § 6 Abs. 4 TBO sieht vor, dass, soweit kein Bebauungsplan besteht, bauliche Anlagen von den Verkehrsflächen mindestens so weit entfernt sein müssen, dass sie das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigen. Soweit bestehende Gebäude einen einheitlichen Abstand von den Verkehrsflächen haben, ist auch bei weiteren baulichen Anlagen mindestens dieser Abstand einzuhalten.

Der für das vorliegende Baugrundstück geltende Verbauungsplan "Änderungsplan 29/n" des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 25. September 1964 (betreffend das Gebiet zwischen K-Straße und W-Gasse/Kulturzentrum) sieht im nördlichen Bereich des vorliegenden und des westlich davon gelegenen Baugrundstückes die "offene Bauweise, Gruppen; für Kirche und Turm größere Bauhöhe als Bauklasse I zuläss." und "Bauklasse I" (Gebäudehöhe 4 - 9 m) und für einen Teilbereich im südöstlichen Bereich des vom Verbauungsplan erfassten Gebietes "Wohnbaufläche, offene Bauweise" und Bauklasse I vor, während ein zwischen nördlichem und südlichem Teil gelegener Mittelteil mit einer Breite von ca. 87 m mit der Widmung "öffentliche Baufläche" versehen ist. Die Straßenfluchtlinie verläuft westseitig des W-Weges entlang der Grundstücksgrenze des Baugrundstückes und der öffentlichen Wegparzelle Nr. 2948, KG P. Der vorliegende Verbauungsplan enthält - soweit er Wohnfläche und öffentliche Baufläche vorsieht - den Flächenwidmungsplänen nach dem TROG 1997 vergleichbare Festlegungen. Er ist somit im Sinne des § 113 weiter gültig. Was die Festlegung der Straßenfluchtlinie, der Bauweise und der Gebäudehöhe betrifft, handelt es sich um den allgemeinen und den ergänzenden Bebauungsplänen nach diesem Gesetz vergleichbare Festlegungen, die auch nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes stehen. Solche Festlegungen in Verbauungsplänen sind gemäß § 114 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 TROG im Bauverfahren anzuwenden.

§ 6 Abs. 4 TBO betreffend den einzuhaltenden Abstand zu Verkehrsflächen dient nicht dem Schutz jedes, sondern nur dem Schutz des jeweils angrenzenden Nachbarn. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung jener Abstandsvorschriften, die zu einer Verkehrsfläche in Beziehung stehen, steht daher (nur) dem Eigentümer eines dem Bauplatz gegenüber liegenden und von diesem durch die öffentliche Verkehrsfläche getrennten Grundes zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/06/0170).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Behörden, dass auch in dem vorliegenden Fall, in dem der geltende Verbauungsplan zwar Festlegungen enthält, die nach dem TROG 1997 in Bebauungsplänen festzulegen sind, aber keine Abstandsregelung vorsieht, davon auszugehen ist, dass § 6 Abs. 4 TBO zur Anwendung kommt. Dem Nachbar kommt aber in Bezug auf die in § 6 Abs. 4 TBO verankerten Kriterien der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit der Verkehrsfläche sowie des Orts- und Straßenbildes im Rahmen der Tiroler Bauordnung kein Mitspracherecht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/06/0170). Es erübrigte sich daher, auf die diesbezüglichen vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Bedenken einzugehen.

Die Beschwerdeführer wenden sich weiters dagegen, dass die Einschränkung des Bauprojektes im Berufungsverfahren erfolgt sei, ohne dass ihnen Parteiengehör eingeräumt worden sei. Insbesondere hätte neuerlich eine mündliche Verhandlung stattfinden müssen. In diesem Zusammenhang wenden sich die Beschwerdeführer allein gegen die im Berufungsverfahren beantragte Gruppenbildung an der westlichen Grundstücksgrenze des Baugrundstückes. Wie bereits dargelegt, wurde diese im Berufungsverfahren beantragte Änderung des Bauvorhabens von der Berufungsbehörde nicht genehmigt. Sie findet weder im Spruch noch in den bewilligten Planunterlagen einen Niederschlag. Eine Verletzung der Beschwerdeführer kommt daher in dieser Hinsicht nicht in Betracht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. April 1999

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997060247.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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