TE Bvwg Beschluss 2018/12/28 W153 2197000-1

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Veröffentlicht am 28.12.2018
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Entscheidungsdatum

28.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §9
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W153 2197000-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, Zl. 1104288100-160173428, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige aus Afghanistan, kam mit ihren Eltern nach Österreich und diese brachten für sie am 03.02.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

Aufgrund der geistigen Einschränkung der Beschwerdeführerin fand keine Befragung ihrer Person statt.

Mit Bescheid vom 27.04.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigter gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, idgF, ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.05.2019 erteilt (Spruchpunkt III.). Der Bescheid wurde an die Beschwerdeführerin zugestellt.

Am 25.05.2018 wurde gegen Spruchpunkt I des Bescheides fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde u.a. ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin unter multiplen und physischen Einschränkungen und Behinderungen leiden würde. Aufgrund der Beeinträchtigung sei sie im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan in hohem Ausmaß gefährdet, Opfer von Übergriffen zu werden, wogegen kein ausreichender staatlicher Schutz zur Verfügung stehe. Zudem könne sie wegen ihrer Behinderung nicht ihr grundlegendes Auslangen finden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist eine ( XXXX ) volljährige Staatsangehörige aus Afghanistan und reiste mit ihren Eltern nach Österreich. Ihre Eltern brachten für sie am 03.02.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

Mit Bescheid des BFA vom 27.04.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten abgewiesen und ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.05.2019 erteilt.

Bei der Beschwerdeführerin wurde basierend auf einem Sachverständigengutachten (mit folgendem Ergebnis der durchgeführten Begutachtung: XXXX ) ein Grad der Behinderung von 100% festgestellt, weshalb ihr auch ein unbefristeter Behindertenpass ausgestellt wurde.

Eine Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes beim BFA vom 18.12.2018 bestätigt, dass es für die Beschwerdeführerin kein Beschluss über die Sachwalterschaft und die Obsorge aktenkundig ist.

Die Beschwerdeführerin war daher im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides des BFA nicht in der Lage, die Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und die sich aus diesem ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Prozessunfähigkeit der Beschwerdeführerin stützen sich auf die glaubwürdigen Aussagen ihrer Eltern sowie auf die Beurteilung der Behörde selbst.

Daher ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin schon seit ihrer Kindheit und somit auch zum Zeitpunkt der Zustellung des gegenständlichen Bescheides nicht prozessfähig war.

Die geistige Funktionseinschränkung wird durch ein Sachverständigengutachten vom 04.09.2017 bestätigt. Darin wurde nach der durchgeführten Begutachtung folgende Diagnose gestellt: XXXX . Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 100% bewertet. Zudem wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin während der Untersuchung nicht selbst gesprochen, sondern ihre anwesende Mutter die Fragen beantwortet habe. Seit der Geburt bestehe eine geistige und körperliche Entwicklungsverzögerung und ein deutlicher Kleinwuchs mit multiplen Gelenksdeformitäten. Die Beschwerdeführerin höre sehr schlecht und könne nur mit der Mutter kommunizieren. Einfache Anforderungen könnten nicht erfüllt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten, insoweit sie in Frage kommt, von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiellrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft. Es gilt der Grundsatz, dass die Rechtsfähigkeit, die Parteifähigkeit und die Handlungsfähigkeit die Prozessfähigkeit begründen (vgl. VwGH 25.05.1993, 90/04/0223). Die Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit durch Willenserklärung gegenüber der Behörde Rechtsfolgen auszulösen (vgl. VwGH 30.03.1993, 92/08/0183).

Für die prozessuale Handlungsfähigkeit (Prozessfähigkeit) ist entscheidend, ob die Partei im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in ihm ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (zuletzt VwGH 28.04.2016, Ra 2014/20/0139, siehe auch VwGH 20.02.2002, 2001/08/0192).

Für die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung kommt es darauf an, ob der Zustellungsempfänger handlungsfähig war, und nicht darauf, ob für ihn bereits ein Sachwalter bestellt worden ist (VwGH 16.04.1984, Slg. Nr. 11.410/A, nur RS; zuletzt VwGH 28.04.2016, Ra 2014/20/0139 mit Verweis auf VwGH 14.12.2012, 2011/02/0053, mwN).

War eine nicht voll handlungsfähige Partei in einem Verwaltungsverfahren nicht durch ihren Vertreter vertreten, so kann der in diesem Verwaltungsverfahren ergangene Bescheid dieser Partei gegenüber nicht wirksam werden (VwGH 08.07.1971, 487/71). Mangels tauglichen Anfechtungsgegenstands ist in solchem Fall die Berufung als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 11.11.2009, 2008/23/0764).

Aufgrund der Aktenlage sieht es das Bundesverwaltungsgericht als erwiesen an, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Erhalts des Bescheides der belangten Behörde nicht in der Lage war, Bedeutung und Tragweite eines Verwaltungsverfahrens und der sich in diesem ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen.

Die an sie erfolgte Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides war daher aufgrund der bei ihr zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegenen Prozessfähigkeit rechtsunwirksam, da weder ihre Eltern noch eine andere Person zum Sachwalter bestellt war. Dies hat den Umstand zur Folge, dass der Bescheid rechtlich nicht existent geworden ist. Das Fehlen eines Sachwalters beeinträchtigt zudem bereits die Integrität des vorangegangenen Verfahrens.

Die Beschwerde vom 25.05.2018 richtet sich somit, weil der verfahrensgegenständliche Bescheid nicht rechtwirksam erlassen wurde, gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde ist, und ist deshalb wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes als unzulässig zurückzuweisen. Insofern ist mangels Zuständigkeit auch auf eine inhaltliche Prüfung nicht näher einzugehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Entscheidungsfindung im gegenständlichen Fall war nicht von der Lösung einer (grundsätzlichen) Rechtsfrage abhängig, sondern von der Würdigung der individuellen Situation der Beschwerdeführerin und erging in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Prozessfähigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf eine klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Bescheiderlassung, Bescheidqualität, Handlungsfähigkeit,
Nichtbescheid, Nichtigkeit, Prozessfähigkeit, prozessuale
Handlungsfähigkeit, Sachwalter, Zurückweisung, Zustellung,
Zustellwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W153.2197000.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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