TE Bvwg Beschluss 2019/1/16 L527 2212542-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2019
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Entscheidungsdatum

16.01.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3
ZustG §6
ZustG §9 Abs3

Spruch

L527 2212542-2/5E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA. Pakistan, beschließt das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter MMag.

Christian Aufreiter, LL.B.:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 20.08.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) stellte das Verfahren im Oktober 2015 gestützt auf § 24 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 AsylG 2005 ein und setzte es in der Folge wieder fort. Nach einer Einvernahme am 23.01.2017 wies die Behörde den Antrag mit Bescheid vom 28.04.2017 ab. Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die belangte Behörde mit 14 Tagen fest.

Am 17.08.2017 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Die Behörde stellte das Verfahren gestützt auf § 24 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 AsylG 2005 ein (Aktenvermerk vom 20.04.2018) und setzte es in der Folge wieder fort. Am 24.04.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen. Zu diesem Antrag findet sich im Akt eine als Bescheid bezeichnete Erledigung vom 08.05.2018, wonach der Antrag vom 17.08.2017 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen werde.

Nachdem er sich zeitweise nicht in Österreich aufgehalten hatte, stellte der Beschwerdeführer am 13.12.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Einen Tag darauf fand die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 und § 15a AsylG vom 19.12.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, es sei beabsichtigt, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

Nach erfolgter Rechtsberatung wurde der Beschwerdeführer am 09.01.2019 von der belangten Behörde einvernommen. Im Anschluss hob die Behörde mit dem verfahrensgegenständlichen, mündlich verkündeten Bescheid vom 09.01.2019 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a AsylG 2005 auf. Sie begründete dies damit, dass sich an den Fluchtgründen des Beschwerdeführers nichts geändert habe. Ein glaubwürdiger Kern des neuen Vorbringens sei nicht ersichtlich bzw. sei das Vorbringen nicht asylrelevant. Daher werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache erfolgen. Es bestehe eine aufrechte Rückkehrentscheidung und weder die allgemeine Lage im Herkunftsland noch die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers hätten sich derart geändert, dass ihm eine Verletzung nach § 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005 drohen würde.

Die Akten der belangten Behörde langten am 14.01.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein, wovon die belangte Behörde am selben Tag verständigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 20.08.2015:

Der Beschwerdeführer stellte am 20.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 28.04.2017 wies die belangte Behörden den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung sowohl des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigen ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen fest.

Zur Zustellung des Bescheids ist festzuhalten: Am 09.05.2017 fand ein Zustellversuch an der damaligen Meldeadresse des Beschwerdeführers statt, die Verständigung über die Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung eingelegt, die Abholfrist begann am 10.05.2017. Der Beschwerdeführer behob den Bescheid nicht (AS 129 ff des Verwaltungsverfahrensakts zum ersten Antrag (VA 1)). Die belangte Behörde ordnete eine erneute Bescheidzustellung an. Auf dieser Grundlage fand ein Zustellversuch am 06.06.2017, wiederum an der damaligen Meldeadresse des Beschwerdeführers statt, die Verständigung über die Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung eingelegt, die Abholfrist begann am 07.06.2017. Den Bescheid hat der Beschwerdeführer nicht behoben (AS 133, 139 VA 1).

Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.

1.2. Zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.08.2017:

Am 17.08.2017 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. In seiner Einvernahme am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, durch den Verein XXXX vertreten zu werden. Der Akt der Behörde beinhaltet eine schriftliche Vollmachtsurkunde vom 13.08.2017 (AS 24 des Verwaltungsverfahrensakts zum zweiten Antrag (VA 2)). Der Beschwerdeführer hat nach dieser Urkunde "[s]einem Verein [XXXX], als jur. Person, den Organen und bestellten Vereinsvertretern, XXXX" eine umfassende Vollmacht samt Zustellvollmacht erteilt. Der Akt enthält weiters ein von XXXX unterfertigtes Schreiben vom 05.04.2018 mit folgendem Inhalt:

"Betreff: Zurückziehung der Vollmacht des XXXX [sic!], geb. XXXX, StA. v. Pakistan

Hiermit gebe ich, XXXX, bekannt, dass ich die Vollmacht des im Betreff genannten Antragstellers zurückziehe."

Dem Schreiben lag eine Kopie des Reisepasses von XXXX bei. (AS 47 f VA 2) Wann das Schreiben bei der belangten Behörde eingegangen ist, ist aus dem Akt nicht ersichtlich. Die belangte Behörde hat sich - nach Aktenlage - mit den rechtlichen Wirkungen dieses Schreibens nicht auseinandergesetzt. Sie ist vielmehr in weiterer Folge davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer keinen Bevollmächtigten und auch keinen Zustellbevollmächtigten mehr habe.

Die belangte Behörde entschied, den Antrag des Beschwerdeführers vom 13.08.2017 gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (AS 122 ff VA 2). Sie ersuchte Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die entsprechende Erledigung vom 08.05.2018 dem Beschwerdeführer persönlich zuzustellen (AS 158, 161 VA 2). Mit Schreiben vom 22.05.2017 teilte die Landespolizeidirektion Wien der belangten Behörde mit, dass der Beschwerdeführer an der von der Behörde verfügten Zustelladresse nicht angetroffen werden konnte (AS 168 VA 2). Die Landespolizeidirektion habe Nachforschungen angestellt, den Beschwerdeführer aber nicht ausfindig machen können. In der Folge entschied die belangte Behörde, den Bescheid dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung im Akt zuzustellen (AS 171 ff VA 2). Die belangte Behörde geht - ohne dies zu begründen oder rechtlich darzulegen - davon aus, dass diese Zustellung rechtswirksam war und der Bescheid rechtskräftig geworden ist (AS 205 des Verwaltungsverfahrensakts zum dritten Antrag (VA 3)).

1.3. Zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.12.2018

Am 13.12.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren (den dritten) Antrag auf internationalen Schutz (AS 1 VA 3). In seiner Einvernahme am 14.12.2018 gab er an, dass kein aufrechtes Vertretungsverhältnis bestehe. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 und § 15a AsylG vom 19.12.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, es sei beabsichtigt, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben (AS 79 ff VA 3).

Am 09.01.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen (AS 195 ff VA 3). Im Anschluss an die Einvernahme hob die Behörde mit dem verfahrensgegenständlichen, mündlich verkündeten Bescheid vom 09.01.2019 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a AsylG 2005 auf. Sie begründete dies damit, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.12.2018 voraussichtlich zurückzuweisen sei (AS 316 (VA 3). An den Fluchtgründen des Beschwerdeführers habe sich nichts geändert. Ein glaubwürdiger Kern des neuen Vorbringens sei nicht ersichtlich bzw. sei das Vorbringen nicht asylrelevant. Daher werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache erfolgen. Es bestehe eine aufrechte Rückkehrentscheidung und weder die allgemeine Lage im Herkunftsland noch die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers hätten sich derart geändert, dass ihm eine Verletzung nach § 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005 drohen würde.

Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Bescheid festgehalten, dass der Bescheid, mit dem über den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.08.2015 abgesprochen worden sei, am 01.08.2017 in Rechtskraft erwachsen sei. Der Bescheid, mit dem über den Antrag des Beschwerdeführers vom 17.08.2017 abgesprochen worden sei, sei am 20.06.2018 in Rechtskraft erwachsen. (AS 205 f VA 3) Eine Begründung dafür oder rechtliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik kann das Bundesverwaltungsgericht dem gegenständlichen Bescheid und dem sonstigen Akteninhalt nicht entnehmen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der festgestellte Sachverhalt zum bisherigen Verfahren ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde; vgl. die jeweils angegebenen Aktenseiten. Einwände, dass die Verwaltungsakten unvollständig oder unrichtig wären, wurden nicht erhoben. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Hinweise aufgefallen, dass die Akten unvollständig oder bedenklich wären. Dass das Bundesverwaltungsgericht dem gegenständlichen Bescheid nicht entnehmen konnte, dass sich die Behörde mit der oben näher bezeichneten Thematik befasst hat, deutet nicht auf die Unvollständigkeit des Aktes hin, sondern liegt vielmehr daran, dass sich die Behörde damit offensichtlich im Bescheid tatsächlich nicht befasst hat. Die Feststellungen zu den Zustellvorgängen waren auch aus dem Akteninhalt, namentlich anhand der unbedenklich erscheinenden Urkunden, zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Voraussetzungen für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

3.1.1. Gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 kann das Bundesamt, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs 1 Z 23 leg cit) gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG 2005 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn 1.) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht, 2.) der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und 3.) die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 12a Abs 6 AsylG 2005 bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs 2 und 3 FPG festgesetzt.

3.1.2. Nach der Judikatur des Asylgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ist die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes außerdem nach § 12a Abs 2 AsylG 2005 nur zulässig, wenn die faktische Durchführung der Abschiebung alsbald nach Aberkennung möglich erscheint.

Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), K12 zu § 12a AsylG 2005.

3.2. Zur Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts in Verfahren, in denen es über die Rechtsmäßigkeit von Bescheiden gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 abzusprechen hat, ist grundsätzlich festzuhalten: Entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nicht bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der vom BFA zu übermittelnden Verwaltungsakten, hat dies weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Antragsteller bzw. Beschwerdeführer; ihre Abschiebung kann jederzeit erfolgen. Dabei ist dem Bundesverwaltungsgericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Anwendung des § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG untersagt. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus ein in mehrfacher Hinsicht erheblich eingeschränkter Beurteilungsspielraum, wobei zudem die kurze Entscheidungsfrist der Nachholung von Ermittlungen entgegensteht. Es ist daher lediglich aufgrund der Verwaltungsverfahrensakten zu entscheiden, die dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde vorgelegt wurden.

3.3. Zur Frage, ob die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 Z 2 AsylG 2005 erfüllt sind:

3.3.1. Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts lag der Bescheid der belangten Behörde vom 28.04.2017 nach einem erfolglos gebliebenen Versuch, den Bescheid am 09.05.2017 dem Beschwerdeführer an der Abgabestelle zuzustellen, erstmals am 10.05.2017 zur Abholung bereit. Davon wurde der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs 2 ZustellG verständigt.

Das hinterlegte Dokument ist gemäß Abs 3 leg cit mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Angewandt auf den zu beurteilenden Sachverhalt folgt daraus, dass der Bescheid dem Beschwerdeführer am 10.05.2017 zugestellt wurde. Dadurch wurde der Lauf der - nach damaliger Rechtslage - zweiwöchigen Beschwerdefrist in Gang gesetzt.

Der Beschwerdeführer erhob kein Rechtsmittel. Der Bescheid ist folglich mit Ablauf der ungenutzten Rechtsmittelfrist rechtskräftig geworden. Auf die von der Behörde veranlasste "erneute Bescheidzustellung" ist nicht einzugehen. § 6 ZustellG besagt nämlich: Ist ein Dokument zugestellt, so löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen aus. Vgl. auch VwGH 11.11.1992, 92/02/0294; 16.05.2001, 2001/09/0083.

Damit ist der Behörde im Ergebnis beizupflichten, dass sie über den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.08.2015 rechtskräftig abgesprochen hat. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die Auffassung der Behörde, der Bescheid sei am 01.08.2017 in Rechtskraft erwachsen.

Ein in weiterer Folge gestellter Antrag auf internationalen Schutz ist bzw. weitere Anträge auf internationalen Schutz sind als Folgeantrag bzw. Folgeanträge iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005 zu qualifizieren.

3.3.2. Dass die belangte Behörde, wie sie selbst - ohne dies zu begründen - meint, auch über den Antrag des Beschwerdeführers vom 17.08.2017 rechtskräftig entschieden hätte, lässt sich hingegen auf Grundlage der dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Akten nicht verifizieren.

3.3.2.1. Voraussetzung für die Rechtskraft des Bescheids ist jedenfalls seine wirksame Zustellung. Der Bescheid kann daher - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - nur dann in Rechtskraft erwachsen sein, wenn die durch die belangte Behörde bewirkte Hinterlegung im Akt rechtskonform und damit wirksam war.

Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs 3 ZustellG, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Eine Zustellung an den Vertretenen ist unwirksam; siehe Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6 (2018) 411. Wird nicht der Bevollmächtigte, sondern der Vertretene als Empfänger bezeichnet, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Dass für den vorliegenden Fall relevante gesetzliche Regelungen bestünden, die von § 9 Abs 3 ZustellG Abweichendes anordnen, ist nicht ersichtlich; vgl. § 11 BFA-VG in der hier anzuwendenden Fassung, nach Inkrafttreten der Änderungen durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (BGBl I 145/2017), der z. B. besondere Bestimmungen für u. a. für Ladungen im Zulassungsverfahren, nicht aber für die Bescheidzuststellung enthält. Durch die Hinterlegung im Akt konnte der Bescheid dem Beschwerdeführer also nur zugestellt werden, wenn er zum fraglichen Zeitpunkt keinen Zustellungsbevollmächtigten (mehr) hatte.

Dass der Beschwerdeführer im Verfahren zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz gegenüber der belangten Behörde wirksam Vertreter (mehrere - siehe die entsprechenden Feststellungen; inklusive Zustellvollmacht) bestellt hat, und zwar bevor die Behörde erstmals eine Zustellverfügung getroffen hatte, ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gemessen an § 10 AVG unzweifelhaft. Die weite Formulierung als Generalvollmacht steht ihrer Wirksamkeit für das Verfahren, in dem sie vorgelegt wurde, nicht entgegen; vgl. VwGH 08.07.2004, 2004/07/0080. Vgl. näher zur Erteilung einer Zustellbevollmächtigung Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6 (2018) 409.

3.3.2.2. Keineswegs unzweifelhaft ist allerdings, ob die begründeten Vertretungsverhältnisse (inklusive Zustellvollmacht) auch wieder vollständig rechtswirksam beendet worden sind. Dieser Auffassung liegen folgende Überlegungen zugrunde:

Von der Behörde zu klären wäre jedenfalls gewesen, ob in Bezug auf die von XXXX erklärte "Zurückziehung der Vollmacht" alle im Innen- und Außenverhältnis erforderlichen Voraussetzungen für eine wirksame Beendigung eines Vollmachtsverhältnisses überhaupt erfüllt waren. Vgl. mit Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 insbesondere Rz 7, 26 (Stand 1.1.2014, rdb.at) sowie zu den zivilrechtlichen Aspekten z. B. Rubin in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1020 und § 1021 (Stand 1.3.2017, rdb.at) sowie Strasser in Rummel, ABGB3 § 1026 ABGB (Stand 1.1.2000, rdb.at)

Selbst im Falle der grundsätzlichen Rechtswirksamkeit des von XXXX ausgesprochenen Beendigungsakts ist im Lichte der im Akt enthaltenen Erklärung äußerst fraglich, ob dadurch sämtliche vom Beschwerdeführer erteilten Vollmachten (inklusive Zustellvollmachten) erloschen sind. Der festgestellte Wortlaut der von XXXX abgebebenen Erklärung spricht jedenfalls nicht dafür, dass dieser auch in einem anderen als seinem eigenen Namen aufgetreten ist. Im Übrigen lässt sich weder dieser Erklärung noch den sonstigen Aktenbestandteilen entnehmen, für wen XXXX allenfalls befugt gewesen wäre, rechtserhebliche Erklärungen abzugeben. Neben einer entsprechenden Erklärung wäre aber auch die Befugnis erforderlich gewesen, für alle juristischen und natürlichen Personen, die der Beschwerdeführer im Verfahren bevollmächtigt hatte, die Zurücklegung der Vollmacht auszusprechen. Die belangte Behörde hätte nicht ohne Weiteres davon ausgehen dürfen, dass durch diese Erklärung von XXXX sämtliche vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13.08.2017 erteilten und der Behörde bekanntgegebenen Vollmachten (inklusive Zustellvollmachten) erloschen sind.

Die Frage, ob (und wann allenfalls) die vom Beschwerdeführer begründeten Vertretungsverhältnisse (inklusive Zustellvollmachten) vollständig rechtswirksam beendet worden sind, ist im vorliegenden Fall wesentlich und, wie eben dargelegt, nicht trivial. Dem von der Behörde vorgelegten Akt ist, wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, nicht zu entnehmen, dass sie sich mit dieser Frage in irgendeinem Verfahren(sstadium) auseinandergesetzt hätte. Das Bundesverwaltungsgericht kann diese rechtserhebliche Frage anhand der Akten nicht beantworten, zumal sich das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren, wie ausgeführt, auf eine Grobprüfung beschränken muss. Die belangte Behörde hätte sich mit der Thematik jedenfalls im gegenständlichen Bescheid befassen müssen.

Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in seiner Befragung am 14.12.2018 angegeben hat, dass kein aufrechtes Vertretungsverhältnis bestehe, ist für die Frage, ob durch die am 22.05.2018 bewirkte Hinterlegung im Akt der Erledigung vom 08.05.2018 eine wirksame Zustellung erfolgt ist, nichts zu gewinnen.

3.3.2.3. Aus den dargestellten Erwägungen kann nicht festgestellt bzw. rechtlich subsumiert werden, ob die Erledigung der belangten Behörde vom 08.05.2018, mit der der Antrag des Beschwerdeführers vom 17.08.2017 zurückgewiesen werden sollte, jemals wirksam zugestellt, und insofern ein Bescheid erlassen worden ist. Die belangte Behörde hätte dies aber - nach allenfalls erforderlichen Ermittlungen - nachvollziehbar dartun müssen.

Der Akteninhalt trägt damit eine der wesentlichen Voraussetzungen, von denen die Behörde im Bescheid vom 09.01.2019 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ausgeht, nämlich dass sie über den Antrag vom 17.08.2017 rechtskräftig abgesprochen hat, nicht. Sollte der Antrag vom 17.08.2017 noch nicht rechtskräftig entschieden sein, wäre er (samt dem dazu erstatten Vorbringen) in die Prüfung der Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes, namentlich § 12a Abs 2 Z 2 AsylG 2005, einzubeziehen (gewesen). Die belangte Behörde hat sich jedoch im gegenständlichen Bescheid - ausgehend von der, wie dargelegt, nicht begründeten Annahme, über den Antrag vom 17.08.2017 sei rechtskräftig entschieden worden - darauf beschränkt zu prüfen, ob der Antrag des Beschwerdeführers vom 13.12.2018 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird.

Das Bundesverwaltungsgericht kann daher nicht erkennen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen - namentlich § 12a Abs 2 Z 2 AsylG 2005 - für die Erlassung des gegenständlichen Bescheids erfüllt sind oder waren. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes erweist sich damit als rechtswidrig.

3.3.3. Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht die von der Behörde mit Bescheid vom 09.01.2019 verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtswidrig zu erklären und den Bescheid aufzuheben hatte. Es war daher spruchgemäß (Spruchpunkt A) zu entscheiden. Darauf, ob die übrigen Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG 2005 erfüllt sind, war nicht mehr einzugehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies folgt schon daraus, dass gegenständlich - im Zusammenhang mit der Frage der Beendigung begründeter Vollmachtsverhältnisse und der Frage, ob sich die Behörde im zugrundeliegenden Verfahren und Bescheid mit dieser Thematik beschäftigt hatte - eine auf das konkrete Verfahren beschränkte Einzelfallentscheidung zu treffen war. Die dahinterliegende Rechtsfrage, wie Vollmachtsverhältnisse wirksam beendet werden können, die gegenständlich aber im Ergebnis gar nicht beurteilt werden musste, ist klar bzw. durch Judikatur geklärt. Vgl. die in der zitierten Literatur genannten Entscheidungen insbesondere des Verwaltungsgerichtshofs. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß (Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, Behebung der Entscheidung,
Bevollmächtigter, faktischer Abschiebeschutz, faktischer
Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig, Folgeantrag, Identität
der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale Gefahr,
Rechtskraft der Entscheidung, rechtswirksame Zustellung, Vollmacht,
Zustellbevollmächtigter, Zustellung, Zustellung durch Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2212542.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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