TE Bvwg Beschluss 2019/1/30 W173 2185964-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2019
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Entscheidungsdatum

30.01.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W173 2185964-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.1.2019, Zl 1096796508/181056181, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, folgenden Beschluss:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1.Herr XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 25.11.2015 (erstmals) einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.Am 26.11.2015 wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich zu seinen Fluchtgründen erstbefragt. Zusammengefasst gab er an, in Afghanistan von unbekannten Leuten attackiert worden zu sein, die beabsichtigt hätten, ihn und seine Familie umbringen. Zuletzt sei diese Attacke von vier Personen zu Hause passiert, die seiner Familie die Waren und das Geld abgenommen hätten. Aus Angst um sein Leben sei er geflüchtet. Sein Vater habe aus Geldmangel nicht mitreisen können. Auf Basis eines medizinischen Altersfeststellungsgutachtens vom 27.4.2016 wurde die Volljährigkeit des BF festgestellt und das Geburtsdatum des BF mit XXXX festgesetzt.

1.3. Im Rahmen der Einvernahme des BF durch die belangte Behörde am 16.8.2017 bezog sich der BF auf private Probleme im familiären Umfeld aufgrund einer heimlich geführten Beziehung zu einem Mädchen.

1.4.Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.1.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFG-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Unter Spruchpunkt V. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage betrage. In der Begründung wertete die belangte Behörde die Ausführungen des BF zur intimen Beziehung als unglaubwürdig. Es fehle an personenbezogenen Daten und Fakten zur angeblichen Freundin. Der BF habe sogar eingeräumt, ein bisschen gelogen zu haben. Eine asylrelevante Verfolgung sei nicht vorgelegen. Als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann seien die Teilnahme an Berufsleben bzw. Erwerbstätigkeit zumutbar. Es fehle bei ihm auch eine exzeptionelle Gefährdungslage in Afghanistan.

1.5. Gegen den Bescheid vom 15.1.2018 erhob der BF Beschwerde, die sich auf die glaubhaft gemachte persönliche Bedrohung des BF aufgrund seiner Beziehung zu dem Mädchen stützte. Die Familie des BF sei mit dem Tod bedroht worden. Sein Vater habe eine Anzeige über die Entführung des BF aufgegeben. Ungeachtet dessen sei seine Familie nach wie vor belästigt worden. Die vom BF in der Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgebrachten Fluchtgründe würden auf dem Ratschlag des Schleppers beruhen, eine Geschichte mit Involvierung der Taliban zu erzählen. Diese Lüge habe er ohnehin auflösen wollen. Eine Erstbefragung sei zudem auf die zu ermittelnde Identität und der Reiseroute und nicht primär auf Ausführungen zur Fluchtgeschichte ausgerichtet. Eine Rückkehr des BF nach Afghanistan sei wegen der ihm drohenden Blutrache nicht zumutbar.

1.6. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.5.2018 gab der BF an, eine Schwester in Österreich zu haben, die über einen anerkannten Flüchtlingsstatus und Konventionspass verfüge. Er habe als Schneider in seinem eigenen Supermarkt in Afghanistan gearbeitet. Als schiitischer Tadschiken habe er ein paschtunisches Mädchen mit sunnitische Glaubensrichtung umworben. Sein Vater habe für ihn um die Hand des Mädchens angehalten. Eine Hochzeit sei jedoch von der Familie des Mädchens abgelehnt worden. Die gemeinsame Flucht mit den Mädchen in den Iran sei gescheitert. Von seinem Vater habe er vom Überfall im Haus seiner Familie durch die Familie des Mädchens erfahren, die gedroht habe, die ganze Familie umzubringen, wenn sie ihn nicht finden würden. Als er von seinem Vater vom Tod des geliebten Mädchens erfahren habe, sei er geflüchtet. Über den Fluchtgrund seiner Schwester sei er nicht informiert. Er würde von den Pashtunen überall bedroht in Afghanistan. Zur Integration brachte der BF vor, Deutschkurse absolviert haben und als Trainer in Kagran eine Sportmannschaft zu trainieren. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.10.2018, W105 2185964 - 1/8E, wurde die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde am 29.10.2018 seiner Rechtsvertretung zugestellt.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1.Der BF stellte am 6.11.2018 einen Folgeantrag. Im Rahmen seiner Erstbefragung am 6.11.2018 vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF als Grund für seinen neuerlichen Asylantrag an, vor vier Monaten von der Ausreise seine Eltern wegen der Drohung eines ihrer Kinder zu töten, aus Afghanistan erfahren zu haben. Bereits vor neun Monaten sei sein Bruder in Herat entführt worden. Auch er befürchte getötet zu werden. Dieser Fluchtgrund sei ihm seit cirka August 2018 bekannt. Der BF wurde mehrfach zur Einvernahme durch die belangte Behörde geladen.

2.2. Bei seiner niederschriftlichen festgehaltenen Einvernahme durch die belangte Behörde am 24.1.2019 gab der BF in Anwesenheit eines Dolmetschers und seiner Rechtsberatung an, seit drei Jahren mit seiner Schwester, XXXX , im XXXX zu wohnen. Er könne bei ihr gratis wohnen. Er sei gesund und würde jede Arbeit akzeptieren. In Österreich organisiere und trainierte er afghanische Flüchtlinge. Die Vereinsgründung befinde sich in der Phase der Anmeldung. Dazu legte der BF Bestätigungen über den Besuch eines Deutschkurses, eine Fußballurkunde, Fotos mit einer Sportmannschaft sowie Teilnahmebestätigung über Interface XXXX -Kurse vor. Der Fluchtgrund aus dem Vorverfahren werde aufrechterhalten. Er habe auch ein neues Problem, zumal seine Familie im Juni 2018 im Familienhaus in Afghanistan in Herat von sechs Personen aufgesucht worden sei, die seinen XXXX Bruder XXXX vor 6,5 Monaten entführt hätten. Eine Vermisstenanzeige sei bei der Polizei eingebracht worden, wobei sein Vater auf die Probleme vor 2,3 Jahren hingewiesen habe. Trotz Anratens habe sein Vater von der Zurückziehung der Anzeige abgesehen, worauf einige Tage später das Familienhaus in Herat von zehn Männern in der Nacht überfallen worden sei. Es sei brutal vorgegangen worden. Seine Familie habe einen Tag später in der Nacht das Haus verlassen und darüber seine Schwester informiert. Seit diesem Vorfall im Juni 2018 bestünde kein Kontakt mehr zu seinen Eltern. Die Personen, die im Juni 2018 seine Familie überfallen hätten, seien die auch im Vorverfahren genannten Feinde, die Ursache für seine Flucht aus Afghanistan im Jahr 2015 gewesen seien. Seine Eltern seien auch mündlich bedroht worden, im Fall der Unterlassung der Zurücknahme der Anzeige mit der Tötung aller vorzugehen. Dieser Fluchtgrund sei ihm seit sechs Monaten bekannt und habe sich ein Monat nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ereignet. In Afghanistan habe er außer weitschichtige Verwandte niemanden mehr, zumal ihm der Aufenthaltsort seiner Eltern und seiner Geschwister unbekannt sei. Es könne ihm niemand helfen. Zu den ersten drei erfolglosen Ladungen führte der BF aus, krank gewesen zu sein. Zu den vorgelegten und übersetzten Länderfeststellungen verzichtete der BF auf ein Vorbringen. Er vertrat die Meinung, er sei - wie seine Familie - auch gefährdet. Im Fall der Rückkehr würde er getötet werden. Nach einer Rückübersetzung bestätigte der BF die Richtigkeit und Vollständigkeit der Protokollierung mit seiner Unterschrift.

2.3. Mit im Anschluss an die Einvernahme gegenständlich mündlich verkündetem Bescheid vom 24.1.2019 hob die belangte Behörde gemäß § 12a Abs. 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 auf. Begründend wurde ausgeführt, dass sein erstmals am 25.11.2015 gestellte Antrag auf internationalem Schutz mit Bescheid der belangten Behörde abgewiesen und gleichzeitig die Abschiebung nach Afghanistan festgestellt sowie die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgesprochen worden sei. Diesbezüglich sei am 29.10.2018 Rechtskraft eingetreten. Nach der am 6.11.2018 durchgeführten Erstbefragung über den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz würden seine Eltern in Afghanistan mit dem Umbringen ihre Kinder bedroht und hätten daraufhin Afghanistan verlassen. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel stellte die belangte Behörde fest, dass der BF weder an psychischen, noch physischen Krankheiten leide. Der Fluchtgrund des Erstantrages sei seine Liebesbeziehung zu einem Mädchen gewesen, das von der eigenen Familie ermordet worden sei. Eine Eheschließung mit ihr sei an der unterschiedlichen Zugehörigkeit zur Volks- und Religionsgruppe gescheitert. Der BF befürchte dasselbe Schicksal wie das von ihm geliebten Mädchens erleiden. In der gegenständlichen Erstbefragung habe der BF vorgebracht, dass seine Eltern in Afghanistan bedroht worden seien und deshalb das Land verlassen hätten, was ihm seit August 2018 bekannt sei. In der nunmehrigen Befragung durch die belangte Behörde stütze der BF seinen Fluchtgrund auf den Überfall seiner Eltern und die Entführung seines Bruders. Diese Bedrohung sei durch die selben Personen erfolgt, die schon 2015 der Anlass für seine Flucht aus Afghanistan gewesen seien. Andere Feinde gebe ich nicht, die Anlass für die darauffolgende Flucht seiner Eltern gewesen wären. Damit würde sich der BF auf Fluchtgründe beziehen, die bereits von ihm im vorhergehenden abgeschlossenen Verfahren genannt worden sein. Der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt habe sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert und sei auch im gegenständlichen Verfahren nicht glaubwürdig. Es werde daher sein neuer Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Die Zurückweisung, Zurück - oder Abschiebung nach Afghanistan stellt auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar. Dies würde auch für ihn als Person keine Bedrohung des Lebens oder seiner Unversehrtheit wegen willkürlicher Gewalt im Rahmen des internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Die Sicherheitslage in Kabul sei relativ gut. Die Stadt Kabul könne über den Flughafen erreicht werden, ohne einer besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Der BF verfüge über weitschichtige Angehörige in Afghanistan. Der gesunde, junge, als arbeitswillig einzustufende und über eine Schulbildung verfügende Mann mit Berufserfahrung als Schneider könne auch selbst in Afghanistan für seinen Lebensunterhalt sorgen. Zum Privat - und Familienleben hielt die belangte Behörde fest, dass der BF als ledige Mann, dem der Aufenthaltsort seiner Eltern und seine Geschwister unbekannt sei, keine Kinder oder sonstige Sorgeverpflichtungen habe. Seiner in Österreich seit 2012 aufhältigen Schwester sei mit 11.7.2013 der Status der Asylberichtigten zuerkannt worden. Nach Wiedergabe der Länderfeststellungen zu Afghanistan mit Stand 22.1.2019 führte die belangte Behörde aus, dass sich im Vergleich zum

Vorbringen im vorangegangenen Asylverfahren an seinen Fluchtgründen im nunmehrigen Vorbringen nichts geändert habe. Es fehle an einem glaubwürdigen Kern, was voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrages zur Folge haben werde. Bereits aus den bei der ersten Befragung (6.11.2018) vom BF behaupteten Angaben ergebe sich, dass seine Eltern ca. im Juli 2018 Afghanistan verlassen hätten und die Enfführung seines Bruders ca. im Februar 2018 stattgefunden habe, was dem BF im August 2018 erfahren habe. Im Gegensatz dazu sei nach seinen Angaben bei der heutigen Einvernahme sein Bruder im Juni 2018 entführt worden und hätten seine Eltern ca. zwei Wochen später Afghanistan verlassen. Das auf Behauptungen gestützte Vorbringen sei einer Verifizierung unzugänglich. Seine Angaben würden sehr vage, unkorrekt und ohne Details erfolgen. Darüber hinaus würde sich aus seinen Aussagen ergeben, dass die nunmehrige Bedrohung von jenen Personen ausgegangen sei, die bereits für ihn im Jahr 2015 Anlass zur Flucht aus Afghanistan gewesen seien. Der Folgeantrag würde sich daher auf einen Fluchtgrund des Vorverfahrens stützen. Zudem wisse der BF seit August 2018 von dem nunmehr behaupteten Geschehen und habe es aus eigenem Verschulden unterlassen, diese Vorfälle der belangten Behörde bzw. dem Bundesverwaltungsgericht vor Rechtskraft des Erstverfahrens am 29.10.2018 mitzuteilen. Es sollte nunmehr die wiederholte Aufrollung der bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt werden, sodass von einem Vorliegen einer entschiedenen Sache iSd § 68 AVG auszugehen sei. Dies habe voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrages zur Konsequenz. Die Bestimmung des § 12a Abs. 2 beziehe sich auf eine Prognoseentscheidung. Die voraussichtliche Zurückweisung stütze sich auf das Fehlen einer erkennbaren entscheidungswesentlichen Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes. Auch hinsichtlich der Gefährdungssituationen habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens der maßgebliche Sachverhalt nicht geändert. Kabul sei u.a. eine innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan. Dem BF drohe keine Verletzung im Sinne des § 12a Abs. 2 Z. 3. Der Folgeantrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zur Angabe, bei der Schwester in Österreich seit drei Jahren im gemeinsamen Haushalt zu leben, führte die belangte Behörde aus, keine finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten feststellen zu können. Zudem könnte die Schwester den BF auch bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mittels Überweisung auf ein Bankkonto unterstützen. Die Beibehaltung der Kontakte via E-Mail, Telefon oder Briefe bleiben aufrecht. Das Leben des BF bei seiner Schwester im gemeinsamen Haushalt sei im Hinblick auf die Judikatur des VwGH unter dem Aspekt zu betrachten, dass der BF erwachsen sei. Es wären zusätzliche meiner Merkmale der Abhängigkeit erforderlich, die über die üblichen Bindungen hinausgehen. Beim BF liege keine Beziehung vor, die als ein im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben einzustufen sei, sodass auch eine Außerlandesbringung des BF aus Österreich keine Verletzung dieser Bestimmung darstelle. Die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung bzw. Ausweisung sei aufrecht. Der BF verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich mangels neuen Sachverhalt und fehlender Glaubwürdigkeit voraussichtlich zurückgewiesen. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeit für eine Abschiebung sei bereits gegeben und würde unmittelbar bevorstehen. Es liege auch keine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsland vor. Es habe sich auch keine entscheidungswesentliche Änderung weder bei den persönlichen Verhältnissen noch aufgrund des körperlichen Zustandes des BF seit der letzten Entscheidung ergeben. Eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat habe keine Bedrohung der Menschenrechte zur Folge. Auch bezüglich der persönlichen Verhältnisse des BF sei keine Änderung eingetreten. Den BF drohe keine Verletzung im Sinne des § 12a Abs. 2 Z. 3, sodass die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen würden. Der BF kündigte die Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid an.

2.4. Der Verwaltungsakt langte am 28.1.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein, worüber das BVwG die belangte Behörde gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit Mitteilung vom selben Tag informierte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF mit dem Namen XXXX ist am XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und bekennt sich als Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er stammt aus der Provinz Herat. Die Muttersprache des BF ist Dari.

Am 26.11.2015 stellte der BF einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.1.2018 in erster Instanz abgewiesen wurde. Mit dieser Entscheidung wurde auch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen. Die gegen den Bescheid vom 15.1.2018 erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 24.11.2018, Zl W105 2185964-1/8E als unbegründet abgewiesen und erwuchs mit Zustellung am 29.10.2018 in Rechtskraft.

Der BF stellte in Folge am 16.11.2018 einen neuerlichen (den gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz.

Die Stellung des Antrages begründete der BF damit, Angst zu haben, im Fall der Rückkehr nach Afghanistan von jenen Personen getötet zu werden, die ihn bereits 2015 bedroht hätten und Anlass für seine damalige Flucht aus Afghanistan gewesen wäre. Wegen der Drohungen und Gewalttätigkeit dieser Personen sowie deren Entführung seines Bruders XXXX , sei seine Familie aus Afghanistan geflüchtet, wobei ihm der nunmehrige Aufenthaltsort seiner Familie unbekannt sei. Diese Vorfälle sind ihm seit sechs Monaten bekannt. Selbst im Fall der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF kann nicht festgestellt werden, dass es sich dabei um einen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklicht worden wäre.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen ist keine entscheidungsmaßgebliche Änderung eingetreten.

Der gesunde, über eine mehrjährige Schulbildung verfügende BF, der in Afghanistan als Schneider gearbeitet hat, ist ledig. Der Aufenthaltsort seiner Eltern und Geschwister ist ihm unbekannt. Er hat weitschichtige Verwandte in Afghanistan. Der erwachsene BF wohnt seit 3 Jahren bei seiner ebenfalls erwachsenen, über den Status der Asylberechtigen verfügenden Schwester in XXXX gratis. Der BF hat Deutschkurse sowie Kurs von Interface XXXX besucht und trainiert hobbymäßig eine Sportmannschaft.

Dem BF würde bei einer Überstellung nach Afghanistan kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere in die Stadt Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif liefe er nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF an einer schweren physischen oder psychischen Erkrankung leidet, die akut lebensbedrohlich wäre oder eine Rückkehr nach Afghanistan ein sehr außergewöhnliches Ausmaß an Leidenszuständen zur Folge hätte.

Der BF ist in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht im Bundesgebiet nicht verfestigt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Fremden, seiner Herkunft, seiner Religion und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich ebenso wie die Feststellungen zum Familienstand des BF, zum Aufenthaltsort seiner in Österreich lebenden Schwester und zu den sozialen Kontakten des BF in Österreich auf die diesbezüglich widerspruchsfreien, plausiblen und folglich glaubhaften Angaben des BF in den Verfahren über den ersten und den zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz sowie zu dessen bescheidmäßiger Erledigung durch die belangte Behörde und zum Abspruch über die dagegen erhobene Beschwerde des BF durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts sowie zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz, insbesondere zum diesbezüglichen Vorbringen des BF, ergeben sich aus dem Akt.

Die Feststellung, dass des sich bei der vom BF nunmehr geltend gemachten Angst, von den Personen in Afghanistan getötet zu werden, die ihn bereits zum Zeitpunkt seiner Flucht im Jahr 2015 aus Afghanistan bedroht hätten, nicht um einen Sachverhalt handelt, der erst nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens zu seinem ersten Asylantrag verwirklicht worden wäre, ergibt sich aus folgender Darlegung. Selbst wenn von der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens des BF ausgegangen würde, wäre ihm die nunmehrigen behaupteten Bedrohungen und Gewalttaten gegenüber seiner Familie durch jene Personen, die auch seinen Bruder entführt hätten, sowie der Flucht seiner in Afghanistan aufhältigen Familienangehörigen an einen ihm unbekannten Ort, bereits im Sommer 2018 bekannt gewesen. Dies sagte der BF auch in der Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.1.2019 aus und ist in der Niederschrift vom 24.1.2019, die vom BF vorbehaltslos unterschrieben wurde, festgehalten.

Die Feststellungen, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, gründen auf den im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.10.2018 wiedergegebenem Länderinformationsmaterial. Das gegenständliche Länderberichtsmaterial stützt sich im Wesentlichen ebenfalls auf das Länderinformationsmaterial, zuletzt aktualisiert am 22.01.2019. Die zugrundeliegenden Länderfeststellungen basieren auf Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der BF sah sich trotz Vorhalt und Übersetzung der Länderberichte bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 24.1.2019 nicht veranlasst, ein Vorbringen zu erstatten.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des BF in Afghanistan, insbesondere in der Stadt Kabul, oder Herat oder Mazar-e-Sharif ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - insbesondere aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, zuletzt aktualisiert am 22.1.2019, in Zusammenschau mit den persönlichen Umständen des BF, insbesondere unter Berücksichtigung seines Vorbringens, wonach er Berufserfahrung als Schneider in Afghanistan hat und auch durch seine Schwester finanziell bzw. weitschichtige Verwandte in Afghanistan unterstützt werden könnte.

Der BF hat in keiner Weise konkret dargestellt, inwiefern seine Abschiebung nach Afghanistan für ihn eine reale Gefahr bedeuten würde, oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Abgesehen davon ist seine Behauptung, im Falle seiner Rückkehr durch jene Personen getötet zu werden, die ihn bereits bei seiner Flucht im Jahr 2015 bedroht hätten, nicht glaubhaft.

Die Anmerkung des BF, dass in Afghanistan keine Sicherheit herrsche, ist per se auch nicht geeignet, darzutun, inwieweit ihn dieser Umstand persönlich betreffen kann.

Den Länderberichten zur Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan insbesondere in den großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif im gegenständlichen Verfahren der BF nicht substantiell entgegengetreten. Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des BVwG im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten nach Herat oder Mazar-e-Sharif hat. Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif sind über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Städte. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Zuletzt hat es Angriffe auf schiitische Muslime gegeben. Jedoch allein der Umstand, dass an diesen Orten ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet bei der derzeitigen Gefahrenlage für den BF noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor (VwGH 25.04.2017, 2017/01/0016, mwN).

Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.

Zusammenfassend ergibt sich beim BF das Bild, dass der BF schlicht nicht gewillt ist, Österreich zu verlassen und nach Afghanistan zurückzukehren.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand beruht auf den Angaben des BF in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.1.2019. Der BF leidet nachweislich aktuell an keiner akut lebensbedrohlichen Erkrankung. Dafür, dass eine Rückkehr nach Afghanistan für den BF ein sehr außergewöhnliches Ausmaß an Leidenszuständen zur Folge hätte, gab es im Verfahren keine Anhaltspunkte.

Die Feststellung zur Integrationsverfestigung im Bundesgebiet gründet auf den Angaben des Fremden in den Verfahren über den ersten und den zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Aus einigen Deutschkursen, der Interface-Kursteilnahme, den Fotos oder dem hobbymäßigen Trainieren einer Sportmannschaft, die bereits im Erstverfahren weitgehend vorlagen, lässt sich noch kein fest verankertes Privatleben in Österreich ableiten. Dies gilt auch für den Umstand zur der Behauptung des BF, seit drei Jahren bei seiner in Österreich lebenden erwachsenen Schwester, die über den Asylstatus verfügt, gratis wohnen zu können. Diesbezüglich wird auf die von der belangten Behörde zitierte Judikatur verwiesen.

Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

3.1.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen lauten wie folgt:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg.cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 dieser Bestimmung findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 12 Abs. 1 AsylG 2005 ("Faktischer Abschiebeschutz") lautet:

"Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer

Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt."

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" überschriebene § 12a AsylG 2005 lautet (auszugsweise):

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine

Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist."

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) - (6) [...]"

§ 22 BFA-VG, der die Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.1.2. Die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 ist den Fällen des Abs. 1 leg.cit. subsidiär, in welchen Fremden dieser Schutz schon ex lege nicht zukommt. Hier liegt schon deswegen kein Fall des Abs. 1 leg.cit. vor, weil der erste Asylantrag des Fremden in der Sache rechtskräftig erledigt wurde.

3.1.3. Zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen:

3.1.3.1. § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 (aufrechte Rückkehrentscheidung):

Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2

AsylG 2005. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.1.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen, welche durch Abweisung der gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.10.2018 bestätigt wurde und am 29.10.2018 durch Zustellung in Rechtskraft erwuchs. Gegen den BF besteht damit eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005.

3.1.3.2. § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 (res iudicata):

Eine weitere Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird.

Eine neue Sachentscheidung ist im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684, mwH).

Im gegenständlichen Verfahren hat der BF erklärt, nach wie vor Angst vor den Personen zu haben, die ihn bereits bei seiner Flucht aus Afghanistan 2015 bedroht hätten. Dazu verwies er auf die Drohungen, Gewalttaten dieser Personen gegenüber seiner Familie sowie deren Entführung seines Bruders, die in der Folge Anlass zur Flucht seiner in Afghanistan aufhältigen Familie an einem ihm unbekannten Ort gewesen wäre. Diese Vorfälle seien ihm bereits seit Sommer 2018 bekannt. Damit macht er ausschließlich Tatsachen geltend, die auch schon vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklicht und vom BF bereits im Erstverfahren vorgebracht wurden bzw hätten vorgebracht werden können. Die Lage im Herkunftsstaat hat sich seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht entscheidungswesentlich geändert; eine solche Änderung wurde vom BF auch nicht vorgebracht.

Folglich steht dem zweiten Asylantrag die Rechtskraft der über den ersten Antrag absprechenden Entscheidungen entgegen.

3.1.3.3. § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 (Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK):

3.1.3.3.1. Als Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz normiert § 12a Abs. 2 AsylG 2005 in seiner Ziffer 3, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen darf.

3.1.3.3.2. Bereits im ersten Verfahren hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie bestätigend durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts ausgesprochen, dass der BF einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren bzw. im Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Afghanistan im Sinne dieser Bestimmungen spricht:

3.1.3.3.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053 mwN). Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 und 23.09.2009, 2007/01/0515 mwN).

Die Außerlandesschaffung eines BFn den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).

Es sind keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der BF hat auch solche Umstände weder in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes noch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht.

Auch der vom Bundesverwaltungsgericht festgestellte aktuelle Gesundheitszustand des BF gibt in Zusammenschau mit den Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Afghanistan und gemessen an der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts-hofes und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK keinen Anlass dazu, zu einem anderen Ergebnis zu kommen:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 06.03.2008, B 2400/07, ausgesprochen, dass sich aus Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben; dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts.

Es sind im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens beim BF keine gesundheitlichen Probleme aufgetreten. Dass der BF aktuell an einer akut lebensbedrohlichen Krankheit leidet, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen ließe, konnte hingegen nicht festgestellt werden. Unbeschadet des Umstandes, dass in Afghanistan eine mit der österreichischen Behandlung vergleichbare medizinische Behandlung nicht zu erwarten ist, ist jenes sehr außergewöhnliche Ausmaß an Leidenszuständen, wie es in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses nach Art. 3 EMRK gefordert wird, im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen.

3.1.3.3.4. Der BF hat - abgesehen von einer erwachsenen Schwester - in Österreich keine familiären Bindungen und nur lose soziale Kontakte. Im Hinblick auf die von der belangten Behörde zitierte Judikatur führt der BF aber in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben oder verfügt in Österreich über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte. Eine Abschiebung des BF bedeutet demnach keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 8

EMRK.

3.1.3.3.5. Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

3.1.4. Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu treffen.

3.1.5. Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W173.2185964.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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