Entscheidungsdatum
04.02.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W128 2164755-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde des afghanischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.01.2019, Zl. 1100323310-190061109, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 i.V.m. § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang:
1. Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 25.12.2015 einen - ersten - Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Mit Bescheid vom 13.06.2017, Zl. 1100323310-152058920, wies das BFA den Antrag des Asylwerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchteil I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchteil II.) ab. Unter einem sprach das BFA aus, dass dem Antragsteller ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung erlassen werde sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchteil III.). Das BFA sprach ferner aus, dass die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG aberkannt werde (Spruchteil IV.) und er gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 25.01.2017 verloren habe (Spruchteil V.). Weiters erließ das BFA gegen den Antragsteller gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchteil VI.).
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2018, Zl. W173 2164755-1/36E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem Antragsteller am 21.11.2018 zugestellt und erwuchs sohin in Rechtskraft.
5. Am 19.12.2018 wurde über den Antragsteller die Schubhaft verhängt. Mit (mündlich verkündetem) Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2019, W112 2211885-1/11, wurde die Schubhaftbeschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 19.12.2018, Zl. 1100323310-181217207, gemäß § 22 a Abs. 1 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen und insbesondere festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
6. Am 18.01.2019 stellte der Antragsteller (im Rahmen der Schubhaft) einen Antrag (Folgeantrag) auf internationalen Schutz in Österreich.
7. Im Rahmen der Erstbefragung gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass seine (in Österreich lebende) Freundin schwanger sei. Darüber hinaus würde der Antragsteller in Afghanistan große Probleme bekommen, da er in Syrien an Kampfhandlungen teilgenommen habe und nicht in Afghanistan "Jihad" betrieben habe.
8. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.01.2019 brachte der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vor:
Seine Verlobte und er würden ein Kind erwarten; sie befinde sich bereits in der 19. Schwangerschaftswoche. Seine Freundin sei in Österreich geboren und besitze die österreichische Staatsbürgerschaft. Er habe etwa zwei Monate mit seiner Verlobten in einem gemeinsamen Haushalt in Linz gewohnt; dies hätten sie jedoch nicht dem zentralen Melderegister gemeldet. Seine Verlobte arbeite seit "gestern" privat als Putzfrau bei einer Familie. Während seines vierjährigen Aufenthalts in Österreich habe er eineinhalb Monate in einem Restaurant gearbeitet; diese Tätigkeit sei jedoch ebenso nicht gemeldet worden. Seine Deutschkenntnisse seien nicht gut, da er ein "bisschen dumm" gewesen sei und die Zeit nicht ausreichend genützt habe. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben. Da er im Jahr 2013 für drei Monate in Syrien gekämpft habe und der afghanische Präsident darüber Bescheid wisse. Er würde entweder umgebracht oder inhaftiert werden.
Weiters legte ein Ultraschallbild vor.
9. Mit (mündlich verkündetem) Bescheid vom 28.01.2019, Zl. 1100323310-190061109, wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsache würden keine Umstände existieren, welche einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Zu seinem Privat- und Familienleben sei festzuhalten, dass er die Beziehung zu seiner Freundin bereits zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, als ihm bewusst gewesen sei, dass sein weiterer Aufenthalt nicht gesichert sei. Darüber hinaus sei der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt gemeinsam mit seiner Freundin gemeldet gewesen. Zusätzlich sei der Antragsteller mehrfach strafgerichtlich verurteilt worden, weswegen er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilungen, sein an den Tag gelegtes Verhalten und seiner nicht ansatzweise erkennbaren Integration sei keine positive Zukunftsprognose erkennbar. Zu seinem Vorbringen, dass er in Syrien an Kampfhandlungen teilgenommen habe, sei festzuhalten, dass sich dieses aufgrund zahlreicher Widersprüche als nicht glaubhaft erweist. So habe er im gegenständlichen Verfahren angegeben, dass er im Jahr 2013 an Kampfhandlungen in Syrien teilgenommen habe; im Erstverfahren habe er dazu befragt allerdings zu Protokoll gegeben, dass er im Jahr 2015 im syrischen Bürgerkrieg gekämpft habe. Auch bezüglich der Ortschaften, in denen er an Kämpfen teilgenommen habe, würden sich seine Angaben als unterschiedlich erweisen. Da der Antragsteller nicht glaubhaft machen habe können, dass für ihn in Afghanistan eine reale Gefahr mit Gefährdungsmomenten gegeben wäre, sei der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert. Es lägen somit alle Voraussetzungen für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vor.
10. Der gegenständliche Akt wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 30.01.2019 (eingelangt am 01.02.2019) übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Afghanistans.
Er ist schiitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Sayyid an.
Der von der belangten Behörde erlassene negative Bescheid über den (Erst)Antrag des Antragstellers vom 25.12.2015 auf Gewährung internationalen Schutzes ist - nach Abweisung der dagegen beim Bundesverwaltungsgericht erhobenen Beschwerde - am 21.11.2018 in Rechtskraft erwachsen. Mit diesem Bescheid wurde zugleich eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen.
Der Antragsteller stellte am 18.01.2019 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen mit den bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründen.
Es liegt kein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich vor. Mit einer als "Freundin" bzw. "Verlobten" bezeichneten, näher genannten Person, die vorgeblich von ihm schwanger wäre, war der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt gemeinsam behördlich gemeldet.
Der Antragsteller ist gesund und arbeitsfähig.
Es kann nicht festgestellt werden, dass sich eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des Erstantrages ergeben hätte.
Eine zwischenzeitliche entscheidungswesentliche Änderung der Situation im Herkunftsstaat ist nicht eingetreten.
Der Antragsteller weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:
Mit Urteil des Landesgerichtes Wels zu 015 Hv 63/2016g vom 14.6.2016 wurde der Antragsteller zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten mit einer Probezeit von 3 Jahren gemäß § 207a (3) 2. Satz StGB; § 207a (1) Z 2 StGB verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Linz zu 033 Hv 51/2016w vom 2.8.2016 wurde der Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt, und einer Probezeit von 3 Jahren gemäß §§ 27
(1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (2a) SMG und §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Linz zu 26 Hv 6/17b vom 28.2.2017 wurde der Antragsteller zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten gemäß §§ 27 (1) Z 1 1.2.7.8. Fall, 27 (2a), 27 (4) Z 1 SMG § 15 StGB und §§ 27 (1) Z1 1.2.8. Fall, 27 (2) SMG verurteilt.
Der Antragsteller ging zu keinem Zeitpunkt in Österreich einer legalen Beschäftigung nach. Er tauchte mehrmals unter und war ansonsten auf die Unterstützung der Behörden angewiesen. Er war und ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Antragstellers, zum Gang des ersten Asylverfahrens sowie des gegenständlichen Verfahrens wurden auf Grundlage des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes getroffen.
Die Rechtskraft des Bescheides ergibt sich ebenfalls aus den von der belangten Behörde vorgelegten und im Verwaltungsakt aufliegenden Unterlagen.
Die Feststellungen zur Antragsbegründung des Antragstellers im zweiten Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz gründen auf der Erstbefragung durch Organe der Sicherheitspolizei am 18.01.2019 sowie der Einvernahmen durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2019.
Im nunmehr zweiten Verfahren auf Gewährung von internationalen Schutz brachte der Antragsteller in seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen vor, dass seine Freundin von ihm schwanger sei und ihm bei seiner Rückkehr nach Afghanistan große Probleme drohten, da ihm der Staatspräsident vorhalten würde, er habe in Syrien an Kampfhandlungen teilgenommen und nicht in Afghanistan "Jihad" betrieben.
Auch in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Antragsteller an, seine Verlobte und er würden ein Kind erwarten; sie befinde sich bereits in der 19.
Schwangerschaftswoche. Seine Freundin sei in Österreich geboren und besitze die österreichische Staatsbürgerschaft. Er habe etwa zwei Monate mit seiner Verlobten in einem gemeinsamen Haushalt in Linz gewohnt; dies hätten sie jedoch nicht dem zentralen Melderegister gemeldet. Auch habe er eineinhalb Monate in einem Restaurant gearbeitet; diese Tätigkeit sei jedoch ebenso nicht gemeldet worden. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben. Da er im Jahr 2013 für drei Monate in Syrien gekämpft habe und der afghanische Präsident darüber Bescheid wisse. Er würde entweder umgebracht oder inhaftiert werden.
Der Antragsteller machte somit auch im zweiten Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes die bereits im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe geltend. Bereits in diesem Verfahren wurde über das Vorbringen des Antragstellers jedoch abgesprochen, dass er in Afghanistan weder bedroht noch verfolgt werde. Ebenso wurde rechtskräftig mit 21.11.2018 festgestellt, dass keine Lebensgemeinschaft mit seiner Freundin bestehe.
Dass eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan nicht eingetreten ist, ergibt sich aus dem gegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom 28.01.2019, welche ihrer Entscheidung die in das Verfahren eingeführten aktuellen Lageinformationen zur Allgemeinsituation zugrunde legte. Diese wurden weder vom Antragsteller noch vom Rechtsberater bestritten.
Der Antragsteller hat keinen Familienbezug im österreichischen Bundesgebiert. Daran ändert auch das Vorbringen nichts, dass seine Freundin nunmehr von ihm schwanger sei. Von der Richtigkeit der Schwangerschaftswoche ausgehend, musste eine entsprechende Zusammenkunft zu einem Zeitpunkt stattgefunden haben, als dem Antragsteller bereits bewusst war, dass sein Aufenthalt in Österreich nicht gesichert ist. Er war mit seiner Freundin auch zu keinem Zeitpunkt gemeinsam behördlich gemeldet. Ebenso wenig legte der Antragsteller Beweise, insbesondere eine Erklärung seiner Freundin vor, welche seine Vaterschaft bei der Schwangerschaft belegen oder auch nur wahrscheinlich machen.
Des Weiteren ist dazu noch auszuführen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt (s. dazu auch in der rechtlichen Beurteilung).
Es liegen ferner keine Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Aus diesen Gründen war die entsprechende Feststellung einer unveränderten Situation im Herkunftsstaat zu treffen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
Die §§ 12a AsylG 2005 und 22 BFA-VG lauten:
"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG i.V.m § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüberhinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüberhinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."
"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Da im gegenständlichen Fall das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Zuge eines Folgeantrages des Antragstellers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz des Antragstellers aufgehoben hat, war diese Entscheidung gemäß § 22 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen.
Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG 2005 im gegenständlichen Fall ist festzustellen, dass gegen den Antragsteller bereits eine aufrechte und insbesondere auch rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt, und § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 damit erfüllt ist.
Der Antragsteller hat im gegenständlichen Verfahren erklärt, dass seine Fluchtgründe die gleichen geblieben seien.
§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. Aus den erläuternden Bemerkungen zum mit BGBl. 122/2009 eingefügten
§ 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Z 2 des § 12a Abs. 2 eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrages verlangt.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, m.w.N.).
Behauptet die Partei in einem neuen Antrag (z.B. Asylantrag), dass in den für die Beurteilung ihres Begehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, so muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz für das Verfahren zukommt und an den die Prognose anknüpfen kann, dass eine andere Beurteilung des Antrages und ein anderes Verfahrensergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch VwGH 22.11.2005, 2005/01/0626; 21.03.2006, 2006/01/0028). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" auseinander zu setzen (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 15.03.2006, 2006/17/0020).
Jedoch berechtigt nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).
Unter Zugrundelegung der obigen Feststellungen ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers zu seinem Folgeantrag vom 18.01.2019 im Vergleich zu seinem Vorbringen im Verfahren betreffend seinen Erstantrag vom 25.12.2015 kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.
Nach Anstellung einer Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Folgeantrages vom 18.01.2019 kommt das Bundesverwaltungsgericht sohin zum Ergebnis, dass der gegenständliche Folgeantrag des Antragstellers gemäß § 68 Abs. 1 AVG voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil im Zuge der Grobprüfung durch das Gericht keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes im Vergleich zum Vorverfahren hervorgetreten ist.
Die Z 3 des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 verlangt eine Prüfung der Gefährdungssituation im Hinblick auf die relevanten Bestimmungen der EMRK, da die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes eine Außerlandesbringung des Asylwerbers zur Folge haben könnte (Grundsatz des Non-Refoulement).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG hat es sich um eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu handeln, was nur dann anzunehmen ist, wenn sich daraus voraussichtlich eine in den Hauptinhalten anderslautende Entscheidung ergeben würde.
Auch die für den Antragsteller maßgebliche Ländersituation in seinem Herkunftsstaat Afghanistan ist im Wesentlichen gleichgeblieben.
Bereits im ersten Verfahren hat die belangte Behörde (rechtskräftig) ausgesprochen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.
Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren vor der belangten Behörde sind keine Risiken für den Antragsteller im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des Antragstellers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des Antragstellers bzw. dessen Rechtsberater wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt.
Vor dem Hintergrund von § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof betreffend Afghanistan ausgesprochen:
Bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 8 AsylG ist im Einzelfall zu prüfen, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art.2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung der erwähnten Bestimmung notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Diese Darlegung obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person. Diese hat durch geeignete Beweise gewichtige Gründe für eine Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Die allgemeine Situation in Afghanistan ist nämlich nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, m.w.N. und Hinweisen insbesondere auch auf Rechtsprechung des EuGHs sowie des EGMR). Auch in jüngeren Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof an den Leitlinien dieser Rechtsprechung festgehalten (dazu VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; 20.09.2017, Ra 2017/19/0205, Ra 2017/19/0190 und Ra 2016/19/0209; 18.10.2017, Ra 2017/19/0420; 05.12.2017, Ra 2017/01/0236).
Demzufolge müsste die Gefährdung des Antragstellers im Sinne des Art. 3 EMRK, sofern diese nicht von vornherein klar ersichtlich ist, von diesem belegt werden.
Angenommen wurde im Vorverfahren eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat gemäß § 11 AsylG. Nach den getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Balkh und zur Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif kann nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit droht, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste.
Was die Sicherheitslage betrifft, ist festzuhalten, dass die Provinz Balkh nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans ist, zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt und im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen verzeichnet. Im Zeitraum 1.1.2017 bis zum 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was für Afghanistan einen vergleichsweise niedrigen Wert darstellt. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Das bedeutet einen Rückgang von 68% zum Vergleichsjahr 2016. Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen. Zwar finden Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften statt und auch vom IS verursachte Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul wurden registriert, aber die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat verstößt noch nicht automatisch gegen Art. 3 EMRK. In einer Gesamtbetrachtung ist Mazar-e Sharif eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, noch relativ sichere und über Busverbindungen gut erreichbare Stadt die zudem auch über einen Flughafen verfügt.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Antragsteller - seinen glaubhaften Angaben zufolge - vor seiner Ausreise nur rund drei Jahre als Kind in Afghanistan gelebt hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die soziale Eingliederung des Antragstellers bei einer Ansiedelung in Mazar-e Sharif für ihn schwieriger werden könnte, als für eine vergleichbare Person seines Alters, die sich ständig in Afghanistan aufgehalten hat. Demgegenüber muss jedoch maßgeblich berücksichtigt werden, dass es sich beim Antragsteller um einen arbeitsfähigen jungen Mann handelt, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann und der die Landessprache Dari spricht.
Auch aus der jüngsten Rechtsprechung der Höchstgerichte ist ableitbar, dass der langjährige Aufenthalt des Antragsteller im Iran für sich genommen nicht ausreicht, um die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu begründen (zu vergleichbaren Fallkonstellationen vgl. etwa VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0190 und Ra 2017/19/0205 sowie VfGH 12.12.2017, E 2068/2017). Auch die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Sayyid, welche den Hazara zugerechnet werden, und das Fehlen familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan vermag für sich allein genommen noch keine Unzumutbarkeit begründen (VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0351; 5.4.2018, Ra 2018/19/0077).
Der Antragsteller ist mobil, gesund sowie anpassungs- und arbeitsfähig und hat bereits Berufserfahrung in verschiedenen Berufssparten wie der Baubranche, in der Gastronomie sowie im Schuster- und Schneidergewerbe gesammelt, hat im Iran eine Schulausbildung erfahren und verfügt neben der Landessprache Dari auch über Sprachkenntnisse in Englisch. Er ist in der iranischen Millionenstadt Ghum aufgewachsen und somit das Leben in einer Großstadt gewohnt. Am Antragsteller haften keine Merkmale, welche ihn derart aus der Masse herausheben würden, dass ihm ein selbstbestimmtes Leben einschließlich der Möglichkeit, Arbeit und Unterkunft zu finden, verwehrt bleiben würde. Selbst wenn der Antragsteller einen hörbaren Akzent aufweisen würde, wäre dies nicht ausreichend, um ihn als besonders schutzbedürftig anzusehen, zumal dies auf tausende Rückkehrer aus dem Iran zutrifft.
Der Antragsteller hat passable Chancen, sich am Arbeitsmarkt in Mazar-e Sharif zu integrieren und dort eine Unterkunft zu finden. Die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung ist zumindest grundlegend gesichert. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Zudem wurde im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Der Antragsteller kann durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Mazar-e Sharif das Auslangen finden. Auch bietet die afghanische Regierung Hilfeleistungen für Rückkehrende wie etwa Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass der Antragsteller bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.
Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso der Antragsteller in Mazar-e Sharif nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz - etwa auch durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten - zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden. Wie dargelegt, könnte er seine bisherige Berufserfahrung nutzen, um in Mazar-e Sharif Fuß zu fassen. Dafür, dass der Antragsteller in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es somit keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller in der Lage ist, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten in Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Eine Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif ist dem Antragsteller somit möglich und auch zumutbar.
Hinzu kommt, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan auch die in der Provinz Herat gelegene Provinzhauptstadt Herat als innerstaatliche Fluchtalternative zumutbar ist. Herat verfügt ebenfalls über einen Flughafen und ist somit sowohl auf dem Luftweg als auch mit dem Bus über die Ring Road von Kabul aus erreichbar. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz und wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet. Die Provinz wird zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes gezählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat.
An dieser Beurteilung ändert die aktuelle Dürre in Herat im individuellen Fall des Antragstellers zum Entscheidungszeitpunkt im Ergebnis nichts. Der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom September 2018, ist nämlich zu entnehmen, dass die Getreidepreise auf den Märkten, aufgrund von Importen aus dem Iran und Pakistan, wo die Ernten überdurchschnittlich ausgefallen sind, im Vergleich zu den Jahren 2013 bis 2017 unverändert geblieben oder sogar leicht gesunken sind. Von einem generellen Nahrungsmittelmangel kann damit jedenfalls nicht ausgegangen werden.
Auch unter Beachtung der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 übersieht das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass die im Vorverfahren nicht näher geprüfte Stadt Kabul - laut den Schlussfolgerungen der Richtlinien - "im Allgemeinen" nicht mehr als innerstaatliche Fluchtalternative angenommen werden kann. Unter Beachtung der den Richtlinien zugrundeliegenden Faktenlage, ist dieser jedoch keine - hinsichtlich der von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen abweichende - Änderung des wesentlichen Sachverhaltes zu entnehmen. Dies ist insbesondere auch aus den in den Fußnoten genannten Quellen ersichtlich, welche zum Teil aus dem Jahr 2016 bis hin zu Jänner 2018 stammen (vgl. UNHCR-Richtlinien [abrufbar unter:
http://www.refworld.org/country,,,,AFG„5b8900109,0.html (abgerufen am 04.02.2019), S. 11ff, FN 20 bis 28). Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass UNHCR seine Einschätzung betreffend die Relevanz sowie Zumutbarkeit der Stadt Kabul als möglichen Ort einer innerstaatlichen Fluchtalternative maßgeblich - auch - im Hinblick auf das Muster sicherheitsrelevanter Vorfälle in der Stadt Kabul trifft. In Bezug auf die Städte Mazar-e Sharif und Herat hat sich jedoch gegenüber der der Entscheidung vom 19.11.2018 zugrunde gelegten Faktenlage keine relevante Änderung ergeben.
Im Verfahren sind keine Umstände aufgezeigt worden bzw. zu Tage getreten, dass zwischenzeitlich - seit Erlassung der nunmehr rechtskräftigen Rückkehrentscheidung - der Antragsteller einer außergewöhnlichen, exzeptionellen Gefährdung bei einer Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt wäre. Entsprechend den obigen Ausführungen, stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch die belangte Behörde ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.
Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurde dem Antragsteller Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 28.01.2019 einvernommen. Zu den maßgeblichen Länderfeststellungen gaben weder er noch sein Rechtsberater eine substantiierte Stellungnahme ab.
Das Bundesverwaltungsgericht teilt wie oben dargestellt auch die Ansicht der belangten Behörde, dass der Antragsteller kein schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich führt. Die behauptete Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin hat sich während des lediglich aufgrund der (ersten) Antragstellung auf internationalen Schutz legalen Aufenthaltes des Antragstellers entwickelt und musste den Beteiligten der unsichere Aufenthaltsstatus des Antragstellers bewusst gewesen sein. Im Fall einer Trennung kann der Antragsteller jedenfalls telefonischen oder Kontakt per Internet zu seiner Freundin pflegen. Insofern der Antragsteller darauf verweist, dass seine Lebensgefährtin ein Kind von ihm erwarte, ist anzumerken, dass ein Familienleben überhaupt erst nach der Geburt eines Kindes in Betracht kommt.
Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2019 als im Einklang mit dem Gesetz stehend und war gemäß § 22 BFA-VG wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Entscheidung folgt dem Erkenntnis VfGH 10.10.2018, G 186/2018 ua., mit dem Anträge des VwGH und des BVwG (darunter ein aus Anlass des vorliegenden Verfahrens gestellter Antrag) auf Aufhebung der hier anzuwendenden Rechtsnormen als verfassungswidrig ab- bzw. zurückgewiesen wurden.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W128.2164755.2.00Zuletzt aktualisiert am
03.04.2019