TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/15 W210 2178185-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.02.2019
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Entscheidungsdatum

15.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W210 2178185-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2017, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.01.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.09.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 07.11.2015 wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seiner Identität, seiner Reiseroute und seinem Fluchtgrund befragt. Hierbei gab er an, seit seinem 2. Lebensjahr im Iran gelebt zu haben. Im Iran habe er nichts. Ohne Aufenthaltsberechtigung dürfe er nicht arbeiten und nicht zur Schule gehen. Seine Familie habe Afghanistan aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten verlassen. Der Beschwerdeführer habe keine Zukunftsperspektive im Iran und fürchte seine Abschiebung nach Afghanistan. Dort gebe es DAESH und Taliban, er fürchte dort, getötet zu werden und auch die Feinde seines Vaters. Er sei fünf Monate zuvor über die Berge in die Türkei gereist, habe vier Wochen in Manisa verbracht und dann mit einem Schlauchboot auf eine griechische Insel übergesetzt. Zwei Monate vor der Befragung sei er in Österreich angekommen.

3. Im Verfahren wurde sodann eine Altersfeststellung durchgeführt, nach dem erstatteten Gutachten der medizinischen Universität Wien vom 05.02.2016 ist das Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX und nicht so wie von ihm angegeben der XXXX . Dieses Ergebnis wurde dem Beschwerdeführer und seinem gesetzlichen Vertreter mit Verfahrensanordnung vom 02.03.2016 mitgeteilt.

3. Am 12.09.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er an, im Iran keine Dokumente gehabt zu haben, ihm drohe die Abschiebung nach Afghanistan, er habe weder arbeiten noch zur Schule gehen dürfen. Auch habe er den Führerschein nicht machen dürfen. Er habe auch Probleme mit seinem Onkel gehabt, dieser habe ihn gezwungen, nach der Schule arbeiten zu gehen. Der Onkel habe ihn auch geschlagen, damit er weiter arbeiten gehe. Der Onkel und dessen Familie habe keine Probleme, da der Onkel eine iranische Staatsangehörige geheiratet hätte. Der Beschwerdeführer habe noch nie versucht, nach Afghanistan auszureisen, habe von Europa gehört, dass man dort sicher sei. Sein Onkel sei einmal nach Afghanistan gereist und dort wegen seines Akzents ausgelacht worden. Man bekomme in Afghanistan nur schwer einen Job. Die Familie habe Afghanistan wegen Grundstücksstreitigkeiten verlassen, sein Onkel sei umgebracht worden und sein Vater habe Angst gehabt. Der Vater des Beschwerdeführers sei auch bedroht worden. Die Familie habe Afghanistan im Jahr 2000 verlassen. Unter einem legte der Beschwerdeführer Empfehlungsschreiben von ihn betreuenden Personen sowie ein Deutschkurs-zertifikat A1, ein Zertifikat über einen Basisbildungskurs vor.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiter wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zuletzt wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Die Zustelladresse lautete XXXX Wien, XXXX . Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 14.11.2017 persönlich ausgefolgt. Eine Zustellung per Post konnte nicht erwirkt werden, da das Geburtsdatum auf dem Ausweis und auf dem Bescheid nicht übereinstimmten.

In der Begründung des Bescheids führte die belangte Behörde unter Zugrundelegung von Länderberichten mit Stand 2016 aus, der Beschwerdeführer habe keine konkrete Verfolgungshandlung oder eine konkret seine Person betreffende Verfolgungsgefährdung in Afghanistan vorgebracht. Das erstattete Vorbringen sei unglaubwürdig und nicht asylrelevant. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen würden sich keine Hinweise für das Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes finden. Betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führt der angefochtene Bescheid aus, dass sich keine Hinweise darauf ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan im Recht auf Leben gefährdet, Folter, unmenschlicher Behandlungen oder Strafen unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht sein könnte. Hinsichtlich der Heimatprovinz des Beschwerdeführers liege zwar eine relevante Gefährdungslage vor, dem Beschwerdeführer sei es jedoch zumutbar, sich in einer sicheren Gegend wie Kabul oder Herat niederzulassen, im Einzelfall des Beschwerdeführers auch ohne familiäres bzw. soziales Netzwerk. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz sei nicht zu erteilen, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen. Ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK liege nicht vor. Weiters wurde auch das Privatleben des Beschwerdeführers ermittelt. Die belangte Behörde führte sodann eine Abwägung zwischen den bestehenden öffentlichen Interessen und jenen des Beschwerdeführers durch und kam dabei zum Schluss, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z. 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen sei seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig. Da im Falle des Beschwerdeführers keine Gründe haben festgestellt werden können, die dieser bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, betrage die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG 14 Tage.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, unterstützt durch den ihm amtswegig beigegebenen Rechtsberater, die gegenständliche Beschwerde. Zu seinen Fluchtgründen bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde vor, dass die Familie wegen Grundstücksstreitigkeiten von Afghanistan in den Iran gezogen sei. Ein Onkel väterlicherseits sei getötet, der Vater des Beschwerdeführers bedroht worden. Die Leute, die die Fehde ausgelöst hätten, hätten die Grundstücke bekommen, obwohl sie keine Dokumente dafür gehabt hätten. Der Beschwerdeführer fürchte, bei einer Rückkehr nach Afghanistan Opfer einer Blutfehde zu werden. Er habe keine Bindungen mehr nach Afghanistan, befürchte vom Iran nach Afghanistan abgeschoben zu werden oder in den Syrien-Krieg geschickt zu werden. Mit Verweis auf Entscheidungen des BVwG, dass Farsi-sprechende Rückkehrer in Afghanistan keine Möglichkeiten hätten und der Beschwerdeführer keine Unterstützung von Seiten seiner Familie bekommen könne, sei dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zu gewähren. Der Bescheid sei mangelhaft, die belangte Behörde ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts und Wahrung des Parteiengehörs nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer sei integriert. Beigelegt war ein Brief der Unterstützerin des Beschwerdeführers sowie mehrere Empfehlungsschreiben.

6. Mit Datum vom 27.11.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. Am 19.01.2018 langte eine Kündigung der Vollmacht des Beschwerdeführers an seinen Rechtsberater am Bundesverwaltungsgericht ein. Der Beschwerdeführer ersuchte um Zustellung an seine Adresse, diese war auf der Kündigung mit XXXX Wien, XXXX angegeben.

8. Am 23.01.2018 wurde ein Auszug aus dem zentralen Melderegister eingeholt, der die Meldeadresse XXXX Wien, XXXX ergab. Die Meldung war seit 30.08.2017 aufrecht.

9. Mit Ladungen vom 24.01.2018 wurden der Beschwerdeführer, die belangte Behörde sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Dari und Farsi zur Verhandlung geladen.

10. Am 21.02.2018 wurde die Ladung des Beschwerdeführers als "nicht behoben" retourniert.

11. Mit Schreiben vom 11.02.2018 wurde das zuständige Polizeikommando um Amtshilfe ersucht, einerseits um festzustellen, ob der Beschwerdeführer sich tatsächlich an seiner Meldeadresse aufhalte bzw. ob er verzogen sei, andererseits um bei aufrechter Meldung, die Ladung zuzustellen.

12. Mit Eingabe vom 26.02.2018 erstattete das zuständige Polizeikommando Bericht, dass Ermittlungen vor Ort ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer bis ca. Anfang November 2017 dort gewohnt hätte, dann ausgezogen sei, ein Verzugsort sei nicht bekannt. Die amtliche Abmeldung sei veranlasst worden.

13. Mit Beschluss vom 14.03.2018 wurde das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt. Dieser Beschluss wurde durch Hinterlegung im Akt zugestellt.

14. Am 04.07.2018 ersuchte eine Vertreterin der Caritas um Auskunft über den Verfahrensstand. Eine Vollmacht an die Caritas lag nicht vor.

15. Am 06.07.2018 langte ein Antrag auf Fortsetzung ein, der Beschwerdeführer habe erst durch den Anruf von der Einstellung erfahren. Seine "Rechtsberaterin" habe bei der Heimleitung nachgefragt, diese könne sich nicht erklären, wie es zu den falschen Auskünften die Polizei gekommen sei, auch habe die Heimleitung keine Kenntnis von der amtlichen Abmeldung gehabt.

16. Mit Beschluss vom 15.10.2018 wurde das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG fortgesetzt sowie eine neuerliche ZMR-Auskunft eingeholt. Die Meldung lautete seit 26.02.2018 auf XXXX . Mit Ladungen vom selben Tage wurden der Beschwerdeführer, die belangte Behörde sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Dari und Farsi für den 17.12.2018 zu Beschwerdeverhandlung geladen. Diese Ladung behob der Beschwerdeführer am 23.10.2018 persönlich.

17. Am 17.12.2018 erschien der Beschwerdeführer nicht bei Gericht, eine Nachfrage bei Caritas und bei der Unterstützerin ergab, dass er auf die Verhandlung vergessen habe.

18. Am 17.12.2018 wurde ein neuerlicher ZMR-Auszug eingeholt, der Beschwerdeführer war nach wie vor in der XXXX aufrecht gemeldet. Es erfolgten neuerliche Ladungen unter Beilage des Länderinformationsblatts zu Afghanistan vom 29.06.2018, Stand:

23.11.2018, der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, der EASO-Country Guidance vom Juni 2018 samt deutschen Teilübersetzungen, eines ACCORD-Bericht zur Lage in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul vom 07.12.2018 sowie der Verhandlungsschrift vom 17.12.2018 und des Merkblatte "Rechtsberater".

19. Am 10.01.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht die Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin, eines Vertreters der belangten Behörde, des Beschwerdeführers, einer Vertrauensperson sowie einer Vertreterin der Caritas statt. Die mündlich erteilte Vollmacht des Beschwerdeführers an die Vertreterin ad personam beschränkte sich auf die Vertretung in der Verhandlung und beinhaltete ausdrücklich keine Zustellvollmacht. Zur Übersetzung gab der Beschwerdeführer zuerst an, dass seine Muttersprache Dari sei, dann aber, dass er Dari zwar verstehe, seine Muttersprache aber Farsi sei. Die Dolmetscherin übersetzte in weiterer Folge Farsi/Deutsch, der Beschwerdeführer wurde zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Die Vertreterin gab in der Verhandlung eine Stellungnahme zu den Länderberichten ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hiergerichtlichen Akt betreffend den Beschwerdeführer; insbesondere in die Befragungsprotokolle und in die durch das BFA in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2019 und Einholung neuer Länderberichte, so das Länderinformationsblatt vom 29.06.2018, Stand 23.11.2018, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, die EASO Country Guidance vom Juni 2018 samt Übersetzung in Teilen, die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, zu den Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, a-10737.

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Tadschiken und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Herat geboren. Die Eltern des Beschwerdeführers stammen aus der afghanischen Provinz Herat und verließen Afghanistan mit dem Beschwerdeführer, als dieser ca. zwei Jahre alt war, aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten. Seitdem lebt die Familie im Iran, in Teheran. Der Vater, ca. 56 Jahre alt, die Mutter, ca. 45 Jahre alt, sowie die Schwestern des Beschwerdeführers leben im Iran. Die Mutter arbeitet als Putzfrau in iranischen Haushalten und der Vater arbeitet in einer Schuhfabrik. Der Beschwerdeführer hat alle zwei bis drei Tage Kontakt mit seinen Eltern. Weiters leben ein Onkel mütterlicherseits und die Großmutter mütterlicherseits in Teheran. Eine Tante mütterlicherseits hält sich seit ca. dreieinhalb Jahren in Deutschland auf. Während seines Aufenthalts im Iran kamen der Vater und die Mutter des Beschwerdeführers für seinen Unterhalt auf. Der Beschwerdeführer besuchte im Iran die Schule und arbeitet mehrere Jahre hindurch sowohl als Schuhmacher als auch in einer Lederfabrik in der Taschenherstellung. Eine genaue Dauer der Schulbildung kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer spricht Dari, Farsi und Englisch sowie in geringem Ausmaß auch Deutsch.

Der Beschwerdeführer hat den Iran wegen mangelnden Perspektiven für seine Zukunft verlassen.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen im September 2015 in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 22.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist seit 26.02.2018 in XXXX Wien, XXXX hauptwohnsitzlich gemeldet. Von 30.08.2017 bis 26.02.2018 war er in XXXX Wien, XXXX gemeldet. Er ist nicht erwerbstätig und befindet sich in der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer legte Deutschprüfungen auf dem Niveau A1 und A2 ab. Er besucht keinen weiteren Kurs. Der Beschwerdeführer trifft in seiner Freizeit Freunde und unternimmt Aktivitäten mit der Familie seiner Unterstützerin.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner Erkrankung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Auch kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private, weder vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aus Gründen seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen), in Afghanistan zu erwarten hat.

1.3. Zur Lage in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 23.11.2018 - LIB 23.11.2018, S.42).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 23.11.2018, S. 42).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 23.11.2018, S. 45).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 23.11.2018, S. 53).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 23.11.2018, S. 46).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 23.11.2018, S. 46). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 23.11.2018, S.47 ff).

Es gibt kein Meldewesen in Afghanistan (LIB 23.11.2018, S. 329 f.)

Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 23.11.2018, S. 67f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 23.11.2018, S. 68f).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 23.11.2018, S. 69).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt (LIB 23.11.2018, S. 69f).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 23.11.2018, S. 70).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 23.11.2018, S. 85). Mazar-e Sharif ist auf dem Straßenweg mitttels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 23.11.2018, S.239). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 23.11.2018, S. 86, 244). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 23.11.2018, S. 86). Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 23.11.2018, S. 85f).

Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich wie im Rest von Afghanistan als grundsätzlich gegeben, ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, zu den Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, a-10737, mit Verweis auf weitere Quellen).

Zur Herkunftsprovinz der Familie des Beschwerdeführers - Herat:

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (LIB 23.11.2018, S. 122 f.).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Es gibt interne Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 23.11.2018, S. 123 f.).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 23.11.2018, S. 123 f.).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 23.11.2018, S. 123 und 124).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 23.11.2018, S. 124).

Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich wie im Rest von Afghanistan als grundsätzlich gegeben, ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, zu den Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, a-10737, Seite 11 mit Verweis auf weitere Quellen).

Tadschiken

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 23.11.2018, Seite 302 f.).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (LIB 23.11.2018, Seite 298).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 23.11.2018, S. 340 f). Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden, bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 23.11.2018, S. 342 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 23.11.2018, S. 342).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 23.11.2018, S. 336). Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 23.11.2018, S. 336f); UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 19 und 20).

Der Lohn beträgt für ungelernte Hilfsarbeiter als Taglöhner zwischen 223 und 306 Afghani pro Tag je nach Provinz (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, zu den Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, a-10737, Seite 14).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 23.11.2018, S. 349).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 23.11.2018, S. 350 f.).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 23.11.2018, S. 351 f.).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 23.11.2018, S. 352 f.).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 23.11.2018, S. 353 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 23.11.2018, S. 354).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 19.01.2018, S. 354).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 23.11.2018, S. 297f).

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 23.11.2018, S. 287).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Muttersprache sowie zu seinem Personenstand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (BFA-Akt, AS 1 und 143 f; BVwG-Akt, OZ 23). Der im Spruch angeführte Name sowie das angeführte Geburtsdatum dienen mangels Vorlage eines geeigneten Identitätsnachweises lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei. Diese Daten wurden auch schon von der belangten Behörde verwendet, was in der Beschwerde nicht beanstandet wurde. Die Volljährigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vor der belangten Behörde durchgeführten Verfahrens zur Altersfeststellung durch die Medizinische Universität Wien, Zentrum für Anatomie und Zellbiologie (BFA-Akt, AS 87).

Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers im Iran fußen auf dessen Angaben vor der belangten Behörde (BFA-Akt, AS 5; BVwG-Akt, OZ 23, Seite 4 f.)

Dass der Beschwerdeführer in Afghanistan geboren und im Iran aufgewachsen ist, sowie, dass seine Familie Afghanistan verlassen hat, als der Beschwerdeführer ca. 2 Jahre alt war, basiert auf dessen Aussagen vor dem BFA (BFA-Akt, AS 5, BVwG-Akt, OZ 23 Seite 4 ff.). Auch gab der Beschwerdeführer selbst an, im Iran die Schule besucht und gearbeitet zu haben (BFA-Akt, AS 1, 144). Jedoch machte der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben zur Dauer seiner Schulbildung, so gab er bei der Erstbefragung wie auch vor der belangten Behörde an, 2 Jahre die Schule besucht zu haben, danach habe er nicht mehr in die Schule gehen dürfen (BFA-Akt, AS 1 und 144), im Rahmen einer Einvernahme vor der Polizei am 25.01.2017 gab er wiederum an, vier Jahre die Grundschule besucht zu haben (BFA-Akt, AS 149). Dies wurde ihm vor der belangten Behörde vorgehalten, der Beschwerdeführer gab darauf an, 2 Jahre lang zuhause unterrichtet worden zu sein. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er erneut an, vier Jahre eine Schule für afghanische Flüchtlinge besucht zu haben (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 5). Aufgrund dieser unterschiedlichen Angaben konnte die genauer Dauer des Schulbesuchs nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zur Art seiner Tätigkeit im Iran fußen ebenso auf seinen Angaben, wobei er im Rahmen der Erstbefragung angab, im Iran als Hilfsarbeiter und als Schuhmacher gearbeitet zu haben (BFA-Akt, AS 5) und vor der belangten Behörde dazu ausführte, in einer Schuhfabrik gearbeitet zu habe (BFA-Akt, AS 144). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er auf die Frage, was er nach seinem vierjährigen Schulbesuch gemacht hätte, differenzierter an, ein bis zwei Jahre bei seinem Vater und anschließend in einer Schuhfabrik gearbeitet zu haben. Bei seinem Vater habe er Schuhe hergestellt, in der Fabrik Taschen (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 5).

Wiederholt gab der Beschwerdeführer an, den Iran mangels Perspektiven für afghanische Staatsangehörige verlassen zu haben, glaubwürdig an (BFA-Akt, AS 9, 145).

Dass der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen im September 2015 in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und am 22.09.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ergibt sich aus der im Akt aufliegenden Erstbefragung des Beschwerdeführers (BFA-Akt, AS 1 ff.).

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich gründen auf dessen eigenen Angaben im Verfahren, auf den im Verfahren vorgelegten Dokumenten und Integrationsunterlagen (BFA-Akt, AS 147; BVwG-Akt, OZ 23, Seite 8 f) sowie auf den hg. eingeholten Auszügen (BVwG-Akt, OZ 19). Dass der Beschwerdeführer zwei Deutschkurse absolviert hat, ergibt sich aus der vor dem BFA vorgelegten Bestätigung (BFA-Akt, AS 167) und seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 4 sowie die dort vorgelegte Bestätigung, Beilage ./2 zum Protokoll vom 10.01.2019).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers basiert auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA (BFA-Akt, AS 142.). Auch diese wurden bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt (Bescheid, AS 189), blieben in der Beschwerde unbestritten und wurden in der mündlichen Verhandlung bestätigt (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 3 und 17). Auffallend war dazu aber, dass zu Beginn der Verhandlung jegliche Therapie verneint wurde, im weiteren Verlauf jedoch mit der Notwendigkeit der Fortsetzung einer Behandlung argumentiert wurde (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 12 ff.). Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, noch vor seinem 18. Geburtstag wegen übermäßigen Alkoholkonsums auf Initiative seines Betreuers hin zwei Mal bei psychotherapeutischen Sitzungen gewesen zu sein, er habe daraufhin seinen Alkoholkonsum reduziert und es sei ihm dann besser gegangen (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 17). Unterlagen dazu wurden weder vor dem BFA noch vor dem BVwG vorgelegt. Da jeglicher, weiterer Anhaltspunkt und auch Beweismittel für eine Erkrankung des Beschwerdeführers fehlen, war mit seinen ursprünglichen Angaben zu seiner Gesundheit diese auch festzustellen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus der hg. eingeholten Strafregisterauskunft vom 09.01.2019 (BVwG-Akt, OZ 19).

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Voranzustellen ist, dass es Aufgabe des Asylwerbers ist, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Kann ein Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht durch Bescheinigungsmittel untermauern, ist es umso wichtiger, sein Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007). Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357).

Im Hinblick auf die bei Antragstellung noch vorgelegene Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bedarf es zudem einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens (vgl. etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020, 16.04.2002, 2000/20/0200 und 14.12.2006, 2006/01/0362).

Es ist eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und die Dichte dieses Vorbringens darf nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden (vgl. dazu auch UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 8 - Asylanträge von Kindern vom 22.12.2009, Rz 4). Dies ist aber vor dem Hintergrund zu tätigen, dass der Beschwerdeführer sich hinsichtlich der Gründe, warum seine Familie Afghanistan verlassen hatte, auf Erzählungen seines Vaters berief (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 7), er selbst somit keine Wahrnehmungen dazu hatte.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführer ist unter Einbeziehung all dieser Gesichtspunkte zu würdigen:

Der Beschwerdeführer wurde im Laufe seines Asylverfahrens zwei Mal niederschriftlich einvernommen. Im Zuge seiner Erstbefragung brachte er vor, im Iran nichts gehabt zu haben. Ohne Aufenthaltsberechtigung habe er nicht arbeiten und auch nicht zur Schule gehen dürfen. Seine Familie habe Afghanistan aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten verlassen. Er hätte keine Zukunftsperspektive im Iran gehabt und befürchte eine Abschiebung nach Afghanistan (BFA-Akt, AS 9). Mit diesem Vorbringen machte der Beschwerdeführer keine ihn konkret betreffende Verfolgungsgefahr in seinem Herkunftsstaat geltend, zudem fehlt der zeitliche Zusammenhang mit der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan im Alter von zwei Jahren. Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013 ua; 27.06.2012, U 98/12). Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss vielmehr den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261 mwN).

Doch auch den weiteren Angaben des Beschwerdeführers ist keine akute, gegen den seine Person gerichtet, Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung zu entnehmen. Vor dem BFA wurde der Beschwerdeführer sodann ausführlich zu seinem Asylantrag und seinen Fluchtgründen befragt und zu einer konkreten und wahrheitsgetreuen Schilderung angehalten. Erneut gab er an, keine Dokumente im Iran gehabt zu haben, es habe ihm die Abschiebung nach Afghanistan gedroht, er habe weder arbeiten noch in die Schule gehen dürfen, er habe den Führerschein nicht machen dürfen (BFA-Akt, AS 145). Zudem gab er dort erstmals an, er habe mit seinem Onkel Probleme gehabt, der ihn nach der Schule zur Arbeit gezwungen hätte und sogar geschlagen hätte, um ihn zur Arbeit zu zwingen, weitere Details dazu gab der Beschwerdeführer nicht an. Zum Onkel führte er lediglich aus, dass dieser einmal nach Afghanistan ausgereist sei und dort wegen seines Akzents ausgelacht worden sei (BFA-Akt, AS 146). Zu den Gründen, aus denen seine Familie Afghanistan verlassen hatte, gab er an, dass die Grundstücksstreitigkeiten seines Onkels mit dessen Freunden dazu geführt hätte, dass dieser Onkel väterlicherseits im Jahr 2000 getötet worden sei, danach sei auch der Vater des Beschwerdeführers bedroht worden und habe beschlossen, mit der Familie in den Iran auszureisen (BFA-Akt, AS 146). Vor dem erkennenden Gericht gab er an, er kenne die Personen, die die Grundstücke an sich genommen hätte nicht, sein Vater hätte ihm dazu auch nichts weiteres erzählt (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 7). Diese Schilderungen lassen jedwede Details vermissen, neben den unbekannten Tätern konnte bis auf eine Vermutung zu den Orten (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 7) nicht einmal die Lage der Grundstücke angegeben werden. Zudem fehlt es auch am zeitlichen Konnex zur Ausreise, weshalb das Vorbringen zu den Grundstücksstreitigkeiten dem vorliegenden Erkenntnis nicht zugrunde gelegt wird.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer nun erstmals auf Befragung durch seine Vertreterin an, dass der Onkel im Iran ihn als Drogenkurier missbraucht hätte, er habe ihm auch im Zeitraum von zwei Jahren zwei bis drei Mal eine Droge namens "Crack" verabreicht. Die Vertreterin gab dazu an, dies könne nur "Chrystal Meth" sei. Der Beschwerdeführer hätte das vorher nicht angeben können, da es schwierig für ihn gewesen sei (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 9 und 10). Der Onkel sei kriminell gewesen, habe Drogen aus Afghanistan importiert und im Iran weiterverkauft, der Beschwerdeführer könne nicht nach Afghanistan zurück, da er dort Gefahr laufe, den Feinden seines Onkels in die Hände zu fallen. Der Beschwerdeführer sei Opfer von Ausbeutung und Sklaverei durch seinen Onkel geworden, das verstoße gegen Art. 4 EMRK (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 12). Der Beschwerdeführer sei unter den Schutz der Istanbul Konvention für Opfer von Menschenhandel zu stellen (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 12). Die Vertreterin gab an, der Beschwerdeführer habe das vor dem BFA nicht gesagt, weil er nicht gefragt worden sei (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 9 und 10). Soweit sich das Vorbringen auf Vorgänge im Iran bezieht, kann es den Feststellungen mangels geographischen Konnexes zu Afghanistan nicht zugrundegelegt werden. Dasselbe gilt auch das Beschwerdevorbringen, dem Beschwerdeführer drohe im Iran die Zwangsrekrutierung für den Syrien-krieg, wobei dazu jedwedes, eigene Vorbringen des Beschwerdeführers fehlt.

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde auch vorgebracht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Herat "etwaigen" Feinden seines Onkels zum Opfer fallen könnte. Aufgrund der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der angeblichen Vorfälle und zum Zeitpunkt der Antragstellung, ist eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu diesem Vorbringen erforderlich und die Dichte dieses Vorbringens darf nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden (vgl. dazu auch UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 8 - Asylanträge von Kindern vom 22.12.2009, Rz 4), dies ist aber in dem hier vorliegenden, speziellen Fall aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass dieses Vorbringen erstmals in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstattet wurde, wobei sich aus dem Akt nicht ergibt, dass der Beschwerdeführer dazu nicht vorher Gelegenheit gehabt hätte. Auch fiel auf, dass der Beschwerdeführer kaum Angaben von sich aus machte und vielmehr lediglich auf gezielte Fragen seiner Vertreterin antwortete, wobei auch zu bemerken war, dass einige Angaben nicht vom Beschwerdeführer selbst kamen, sondern von der Vertreterin. Soweit die Vertreterin in der Verhandlung nämlich angibt, dass der Beschwerdeführer Gefahr laufe, in Herat den "etwaigen Feinden" seines Onkels in die Hände zu fallen, so konnten diese weder von ihr noch vom Beschwerdeführer benannt werden, wobei die Nachfrage der Richterin nach deren Identität von der Vertreterin lediglich dahingehend beantwortet wurde, dass man keine Namen brauche, es ginge nur um die Plausibilität (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 11). Zudem gab der Beschwerdeführer entgegen seinen eigenen Aussagen, wonach der Onkel Probleme in Afghanistan wegen seiner Sprache gehabt hätte (BFA-Akt, AS 146), dass dieser keine Sprachprobleme gehabt hätte (BVwG-Akt, OZ 23, Seite 11). Auf die Frage, ob der Onkel selbst keine Probleme gehabt hätte, gab er an, dieser sei kriminell, "solche Leute haben immer eine Waffe in der Tasche". Aufgrund dieser bloß äußert allgemein gehaltenen Ausführungen, die auch erst in der Beschwerdeverhandlung zutage kamen, geht die erkennende Richterin davon aus, dass es sich hierbei um ein spätes, gesteigertes Vorbringen handelt, denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250). Mangels Glaubwürdigkeit ist eine den Beschwerdeführer persönlich und konkret betreffende Verfolgungsgefährdung aufgrund der Verwandtschaft mit seinem Onkel zu verneinen und auch dieses Vorbringen den Feststellungen nicht zugrunde zu legen.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützen sich auf objektives, im Rahmen der Beschwerdeverhandlung und im Wege einer Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in das Verfahren eingebrachte Berichtsmaterial. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Diese Berichte sind aktuell und setzen sich aus Informationen aus regierungsoffiziellen und nichtregierungsoffiziellen Quellen zusammen.

Der Beschwerdeführer legte keine substantiierten Gründe dar, die an der Richtigkeit der Informationen zur Lage im seinem Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen. Die Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat muss stets auf Basis aktueller Länderinformationen getroffen werden. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben (VwGH 07.09.2016, Ra 2015/19/0303). Das erkennende Gericht zog zur Beurteilung der gegenwertigen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, Stand 23.11.2018, sowie die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 (die weitgehend auf dieselben Quellen wie das LIB vom 29.06.2018 referenzieren), die EASO Country Guidance vom Juni 2018 samt Übersetzung in Teilen, die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, zu den Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, a-10737, heran.

Dass sich seit der Durchführung der mündlichen Verhandlung im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers allgemein und insbesondere für den hier zu beurteilenden Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann verneint werden. Die Lage in Afghanistan stellt sich im Hinblick auf die aktuellsten Länderberichte diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einsicht in aktuelle Berichte, wie in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in seiner aktuellen Fassung vom 29.06.2018, Stand: 23.11.2018) versichert hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Die Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig.

3.2. Zu Spruchpunkt A) - Abweisung der Beschwerde:

Die Beschwerde ist aber nicht begründet:

3.2.1. Zur Abweisung des Antrags auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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