TE Bvwg Beschluss 2019/2/18 I409 2214583-1

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Veröffentlicht am 18.02.2019
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Entscheidungsdatum

18.02.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I409 2214583-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter in der Verwaltungssache des XXXX, Staatsangehörigkeit Algerien, über die mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. Februar 2019, Zl. 1141484101/190145507, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes, den Beschluss gefasst:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes war nicht rechtswidrig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Die belangte Behörde führt unter dem Punkt "A) Verfahrensgang" im angefochtenen Bescheid Folgendes aus:

"Ihre Einreise ins Bundesgebiet erfolgte illegal ohne Schlepper.

Sie stellten am 26.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gaben Sie an, dass Sie den Namen E. S. haben, aus Algerien stammen und am XX.XX.XXXX geboren worden zu sein.

Sie wurden am 27.01.2017 von der Landespolizeidirektion XXXX einer Erstbefragung unterzogen.

Am 07.02.2017 wurden Sie im Beisein einer von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetscher für die Sprache Arabisch von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des BFA niederschriftlich einvernommen.

Ihr internationales Schutzverfahren wurde gem. § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, da keine aufrechte Meldung im Zentralen Melderegister mehr bestand.

Am 05.10.2017 wurden Sie von Frankreich nach Österreich überstellt.

Anschließend wurden Sie am 05.10.2017 im Beisein einer von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetscher für die Sprache Arabisch von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des BFA niederschriftlich einvernommen.

Ihr erster Antrag, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX, vom 12.10.2017, ZI. 1141484101-170116956, gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I), da diesem Vorbringen kein Glauben geschenkt wurde. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Algerien abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde Ihnen gem. §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 idgF wurde gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gern. § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass Ihre Abschiebung gern. § 46 FPG nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde Ihnen eine Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV). Dieser Bescheid wurde Ihnen am 16.10.2017 durch persönlich ausgefolgt.

Die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 19.10.2017 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.12.2017, GZ: I407 2174686-1/9E, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des BVWG erwuchs am 13.12.2017 in Rechtskraft.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX ZI. 1141484101/170116965 vom 12.01.2018 wurde Ihnen aufgetragen bis zu Ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle XXXX zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen 3 Tagen nachzukommen. Die Entscheidung erwuchs mit 30.01.2018 in Rechtskraft I. Instanz.

Aufgrund mehrerer Vorfälle wurde Ihnen mit Mandatsbescheid Zahl 1141484101 - 170188915 vom 13.12.2018 die bisher gewährte Versorgung gemäß § 2 Absatz 4 GVG-B 2005 entzogen.

Am 07.01.2019 wurden Sie seitens der algerischen Botschaft als algerischer Staatsangehöriger identifiziert und die Zustimmung der Botschaft zu Ihrer Rückübernahme liegt vor.

Am 21.01.2019 wurden Sie in XXXX bei einem Ladendiebstahl auf frischer Tat betreten und nach einer Kontrolle festgenommen, da Sie keine Dokumente vorweisen konnten die Sie zum legalen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigen. Im Zuge der Identitätsfeststellung wurde erkannt, dass gegen Sie ein Festnahmeauftrag besteht. Sie wurden im Auftrag des Journaldienstes BFA festgenommen und zur Einvernahme in RD XXXX vorgeführt.

Am 21.01.2019 wurde gegen Sie ein Mandatsbescheid gem. §76 Abs. 2 Z2 FPG erlassen und über Sie die Schubhaft verhängt.

Am 04.02.2019 haben Sie Ihren zweiten - gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

...

Anlässlich der niederschriftlichen Befragung, betreffend Ihres Antrags auf internationalen Schutzes am 05.02.2019 vor dem AHZ XXXX, gaben Sie zusammenfassend an, Österreich verlassen zu haben und sich, im Februar 2017 für 2 Tage zur Durchreise in Italien und vom 02.02.2017 bis zum 05.02.2017 in Frankreich aufgehalten zu haben. Sie würden einen neuerlichen Asylantrag stellen, da Sie sterben würden, wenn Sie in Ihr Land zurückkehren müssten. Sie würden unbedingt eine Operation am rechten Ohr benötigen.

Außerdem gaben Sie an, in Algerien als Taxifahrer gearbeitet zu haben. Sie hätten eines Tages einen Kunden zu einem Supermarkt gebracht, wo er Alkohol gekauft hätte. Danach hätten Sie ihn zum Meer gebracht, wo er ertrunken wäre. Der Vater des Kunden würde bei Gericht arbeiten und hätte Ihnen die Schuld für den Tod gegeben. Der Vater würde Sie umbringen wollen und hätte sogar Hunde auf Sie gehetzt. Ebenso hätte Sie der Vater mit einer Angel verletzt. Bekannt wären Ihnen diese Gründe seit dem 04.09.2016, da wären Sie 15 Meter hinuntergestürzt, weil Sie jemand geschupst hätte. Bei dem Sturz hätten Sie sich am rechten Ohr, rechten Knie und dem Magen verletzt. Sie würden dringend diese Operation benötigen, welche allerdings 40.000 Euro kosten würde. Dieses Geld hätten Sie allerdings nicht.

Am 08.02.2019 wurde Ihnen die Ladung für die Einvernahme am 13.02.2019, sowie die aktuellen LIB zu Algerien ausgefolgt.

Am 11.02.2019 wurde Ihnen eine Verfahrensanordnung gem §29 Abs. 3 Z 6 AsylG zu eigenen Händen ausgefolgt.

Am 13.02.2019 wurden Sie im AHZ XXXX, einvernommen. Die wesentlichen

Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

F: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten oder benötigen Sie Medikamente?

A: Ich hatte am 04.09.2016 eine Operation, am Ohr operiert wurde. Seither nehme ich Medikamente gegen die Schmerzen. Diese Medikamente wollte ich absetzen, jedoch untersagte mir das mein behandelnder Arzt. Nun nehme Ich inzwischen leichter dosierte Tabletten und anstatt von drei nur noch 2 Stück täglich. Die Tabletten heißen Diazepam (Schlafmittel: wirkt Angst und Krampflösend).

ANM: Nach einem langen Gespräch in welchem der AW verschiedene Angaben macht, gibt er an, am Kopf, am Herz und an der Leber operiert worden zu sein.

F: Hat sich seit dem 13.12.2017 etwas an Ihrem Gesundheitszustand verändert?

ANM: AW versteht die Frage nicht und macht Angaben betreffend dem zeitlichen Raum vor dem 13.12.2017 und spricht eindeutig von dem Zeitraum nach der Entlassung. Nach längerem debattieren antwortet der AW wie folgt:

A. Nein, denn meine gesundheitlichen Probleme sind schon vorher entstanden. Ich war noch einmal zum Röntgen in XXXX, allerdings wurde ich am selben Tag wieder nach XXXX verbracht.

...

F: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits am 05.02.2019 durch das AHZ XXXX erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit bzw. möchten Sie dazu noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?

A: Ich schwöre die Wahrheit gesagt zu haben, allerdings hat die Dolmetscherin nicht alles so übersetzt wie ich es gesagt habe. Ich habe sie verstanden, sie aber mich nicht. Ich vergesse immer wieder Sachen in Bezug auf was ich damals am 05.02.2019 gesagt habe.

F: Was wurde damals von der Dolmetscherin falsch übersetzt?

A: Ich glaube, dass nicht angeführt wurde, dass mir eine Person, welche mich verfolgte, im Taxi Rauschgift untergeschoben hat und mich anschließend bei der Polizei belastete. Das passierte damals als ich in Libyen untergetaucht war. Das Fahrzeug war mein Eigentum, aber mein Bruder hat damit gearbeitet.

F: Welche Person verfolgte Sie?

A: Das war die Person, die bei Gericht gearbeitet hat und gegen Schmiergelder Leute für andere Personen in das Gefängnis gesteckt hat. Aber dann als die Personen, welche wegen ihm im Gefängnis gesessen sind aus dem Gefängnis entlassen worden sind, haben diese Ihn bedroht. Daraufhin und aus Angst ging er in die Berge und schloss sich den Terroristen an. Durch einen Appell der Regierung kam er wieder zurück und war ein normaler Bürger. Das war der Vater des Kunden, welcher im Meer ertrunken ist.

F: Wieso haben Sie die Einvernahme am 05.02.2019 unterschrieben, wenn die Dolmetscherin nicht alles rückübersetzte?

A: Ich wurde aufgefordert zu unterschrieben, weshalb ich dies tat. Außerdem war ich total müde und fertig.

ANM: AW wird belehrt, dass er mit seiner Unterschrift, für die Richtigkeit der Angaben und die korrekte Durchführung der Einvernahme garantiert. AW versteht dies nicht.

F: Haben Sie in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, in Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz, Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Ja, meine Schwester und meine Mutter leben in Frankreich.

F: Wo leben Sie?

A: Sie leben in Nizza. Meine Schwester lebt seit 50 Jahren in Frankreich. Meine Mutter lebt seit 2011 in Frankreich.

F: Wie heißen Ihre Mutter und Ihre Schwester?

A: Meine Mutter ist 81 Jahre alt und heißt Y. Meine Schwester heißt H. und ist 53 Jahre alt. Ich habe meine Mutter 2018 in Frankreich gesehen meine Schwester nicht.

F: Herrscht ein Abhängigkeitsverhältnis zu Ihrer Schwester oder Ihrer Mutter?

A: Nein, ich bin nicht abhängig von Ihnen.

F: Seit wann wissen Sie, dass sich Ihre Mutter und Ihre Schwester in Frankreich aufhalten würden?

A: Meine Schwester lebt schon sehr lange in Frankreich.

Frage wird wiederholt: Seit wann wissen Sie, dass sich Ihre Mutter und Ihre Schwester in Frankreich aufhalten würden?

A: Meine Schwester lebt seit Ihrer Geburt in Frankreich, da der Kontakt zwischen meiner Mutter und mir sehr lange abgebrochen war wusste ich erst seit meiner Reise von Österreich nach Frankreich von Ihrem Aufenthalt. Ich weiß seit 2017 von dem Aufenthalt meiner Mutter in Frankreich. Ich erfuhr davon, als ich meine Schwester in Frankreich besucht habe.

F: Bei Ihrer Erstbefragung am 27.01.2017 gaben Sie an, dass Sie keine Verwandten in Europa hätten und auch, dass Ihre Mutter 70 Jahre alt wäre und K. heißen würde, wollen Sie dazu etwas angeben?

A: Dieses Interview ist alles Blödsinn. Ich kann mich nicht einmal erinnern, was ich damals gesagt habe. Es war alles gelogen.

...

F: Sie stellten bereits unter der Zahl: 170116965 in Österreich einen Antrag auf int. Schutz. Dieses Verfahren wurde auch bereits schon rechtskräftig abgeschlossen. Zu diesem Verfahren wurden Sie auch niederschriftlich einvernommen. Können Sie sich noch an diese Einvernahmen erinnern?

A: Ja, ich kann mich erinnern. Die meisten waren gelogen.

F: Stimmen Ihre damaligen Angaben und gelten diese auch für gegenständlichen Antrag auf int. Schutz?

A: Nein, denn was sich gesagt habe, hat nicht der Wahrheit entsprochen.

F: Möchten Sie noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?

A: Alles was ich hier in XXXX bekannt gegeben habe stimmt.

F: Gibt es noch weitere oder andere Gründe, welche Sie in diesem Verfahren geltend machen möchten?

A: Nein es gibt keine weiteren Gründe, ich habe mich in Algerien wohl gefühlt, allerdings kam dann dieser Typ und bedrohte mich, von dem ich weiß, dass er Leute umgebracht hat und er dazu beigetragen hat.

F: Was würde mit Ihnen passieren, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich werde umgebracht, da ich an die Polizei übergeben werde und diese dann mich in ein Gefängnis steckt. Weiters würde dieser Mann von mir erfahren und mich wenn nicht gleich im Gefängnis, dann später, töten lassen.

...

F: Hat sich seit der letzten Entscheidung zu Ihrem Vorverfahren etwas an Ihrem hier von Ihnen geführten Privatleben verändert?

A: Nein

F: IN Ihrem erste Verfahren gaben Sie an, dass die Person, welche im Meer ertrunken sei ein Freund von Ihnen gewesen sei, in diesem Verfahren geben Sie an, dass es ein Kunde gewesen sei, welchen Sie im Taxi befördert hätten. Wollen Sie dazu etwas angeben?

A: Es war kein Freund, sondern eher ein bekannter.

F: Seit wann sind Ihnen die Fluchtgründe bekannt?

A: Ab dem Tag als ich, vor meiner Flucht aus Algerien, bemerkte dass mich der Vater des Bekannten sucht."

Mit dem mündlich verkündeten Bescheid vom 13. Februar 2019 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß "§ 12a Absatz 2 AsylG" auf.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht über die erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und übermittelte zugleich den Verwaltungsakt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

A) 1. Feststellungen

A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Fremden:

Der Fremde ist volljährig, ledig, kinderlos und moslemischen Glaubens. Er ist Staatsangehöriger von Algerien. Der Fremde trat in Österreich, in der Schweiz, in Dänemark und in Deutschland unter verschiedenen Aliasidentitäten auf und stellte in diesen Mitgliedstaaten jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Fremde reiste illegal nach Österreich ein. Sein Erstantrag vom 26. Jänner 2017 wurde mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2017 im Beschwerdewege als unbegründet abgewiesen. Am 4. Februar 2019 stellte er einen Folgeantrag.

In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Fremden in seinem nunmehr zweiten Asylverfahren und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Fremde im Fall seiner Rückkehr nach Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Algerien:

Zur Lage in Algerien werden folgende Feststellungen getroffen:

"Politische Lage

Nach der Verfassung von 1996 ist Algerien eine demokratische Volksrepublik. Der Präsident wird für fünf Jahre direkt gewählt, seine Amtszeit ist seit der letzten Verfassungsreform im Jahr 2016 auf zwei Mandate begrenzt (AA 10.2017). Neben der nach Verhältniswahlrecht (mit Fünfprozent-Klausel) gewählten Nationalen Volksversammlung (Assemblée Populaire Nationale) besteht eine zweite Kammer (Conseil de la Nation oder Sénat) (AA 10.2017; vgl. ÖB 3.2015), deren Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten bestimmt und zu zwei Dritteln von den Gemeindevertretern gewählt werden (AA 10.2017). Damit ist die Unabhängigkeit der Legislative zugunsten des Präsidenten eingeschränkt (BS 2016). Der Senatspräsident vertritt den Staatspräsidenten (AA 10.2017).

Präsident Abdelaziz Bouteflika übernahm sein Amt erstmals im April 1999 (AA 10.2017). Am 17.4.2014 wurde er mit über 81 Prozent für eine vierte Amtszeit wiedergewählt (AA 10.2017; vgl. ÖB 3.2015). Die meisten Oppositionsparteien hatten zum Boykott der Präsidentschaftswahl aufgerufen. Premierminister ist seit 15.8.2017 - und damit zum vierten Mal - Ahmed Ouyahia. Er folgt Abdelmajid Tebboune nach, der das Amt im Nachgang zu den jüngsten Parlamentswahlen im Mai 2017 von Abdelmalek Sellal übernommen hatte. Aus den letzten Parlamentswahlen am 4.5.2017 gingen die beiden größten Regierungsparteien - die ehemalige Einheitspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) und die Nationale Demokratische Sammlungsbewegung (RND) - erneut als stärkste Parteien hervor. Die Wahlbeteiligung war mit rund 35% sehr gering. Dank einer bereits zu den Wahlen 2012 eingeführten Frauenquote sind rund ein Viertel der Abgeordneten in der Nationalen Volksversammlung weiblich (AA 10.2017).

Die zentrale Verwaltung und lokale gewählte Körperschaften sind seit langem für ihre Ineffizienz, Korruption und Patronage bekannt. Staatliche Institutionen folgen demokratischen Prinzipien; Qualität und Effizienz der Institutionen sind jedoch fraglich. Der Präsident dominiert weiterhin das politische Leben. Parteien-, Wahl-, Vereinsgesetz wurden im Jahr 2012 reformiert. Partizipation auf kommunaler und provinzieller Ebene konnte durch gewählte lokale Körperschaften verbessert werden. Dennoch scheint das obskure Machtgefüge aus Armee und Sicherheitskräften weiterhin alle wichtigen Entscheidungen fernab jeglicher demokratischen Kontrolle zu treffen. Der Status des Parlaments verbesserte sich dennoch nach den relativ freien und fairen Parlamentswahlen im Jahr 2012 (BS 2016).

Präsident Bouteflika ist seit mehr als zehn Jahren angeschlagen. Seit 2005 hat er sich mehrfach wochenlang in französischen Krankenhäusern behandeln lassen, Gerüchte über eine Krebserkrankung machten die Runde, die aber nie offiziell bestätigt wurden. 2013 erlitt Bouteflika einen Schlaganfall, seither sitzt er im Rollstuhl und tritt kaum noch öffentlich auf. "Le Pouvoir", das seit der Unabhängigkeit 1962 gewachsene Netzwerk aus Regierungspartei FLN, dem Militär und verbündeten Geschäftsleuten, führt das Land und besetzt die Schlüsselpositionen. Wer aber angesichts der Erkrankung Bouteflikas Algerien tatsächlich regiert und die letzte Entscheidungsbefugnis bei wichtigen Entscheidungen hat - darüber rätseln Beobachter im In- und Ausland. Auch einen designierten Nachfolger gibt es nicht. Eine Schlüsselfigur ist Generalstabschef Ahmed Gaid Salah. Der farblose Salah ist jedoch niemand, der für eine eigene politische Agenda steht - außer für Stabilität. Angesichts der fragilen Lage in den Nachbarländern Libyen, Niger und Mali und der jüngeren gewaltsamen algerischen Geschichte ist die Aussicht auf Stabilität für viele Algerier schon als Programm ausreichend. Weitaus schillernder ist Said Bouteflika, der 20 Jahre jüngere Bruder des Staatschefs. Er bestimmt seit Jahren darüber, wer überhaupt noch zum greisen Präsidenten vorgelassen wird. Said Bouteflika und Salah sollen sich hinter den Kulissen einen rücksichtslosen Machkampf liefern (SO 21.2.20107).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2017): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 15.2.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 15.2.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien

-

SO - Spiegel Online (21.2.2017): Staatschef Bouteflika - Der kranke Mann von Algier,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/abdelaziz-bouteflika-ist-schwerkrank-wer-regiert-algerien-a-1135607.html, Zugriff 12.3.2018

Sicherheitslage

In den letzten Jahren ist es wiederholt zu Terroranschlägen islamistischer Gruppen und zu Entführungen mit kriminellem oder terroristischem Hintergrund gekommen (BMEIA 16.2.2018; vgl. AA 16.2.2018). Landesweit kann es zu Behinderungen durch Demonstrationen und Streiks kommen (BMEIA 16.2.2018). Da jedoch Algerien in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt des Terrorismus erlebt hat, bevorzugt die große Mehrheit der Algerier Frieden und lehnt Instabilität ab. Der vom Präsidenten durch die Versöhnungscharta 2006 vermittelte Frieden trug zur in der Bevölkerung weithin anerkannten Legitimität des Staates bei (BS 2016).

Algerien ist eine Basis für den heute in Nordafrika und im Sahel operierenden djihadistischen Terrorismus. Die Angaben über die Zahlen der gegenwärtig in Algerien aktiven Terroristen schwanken zwischen einigen Hundert bis etwa Tausend. Die in Algerien weiterhin einflussreichste Gruppe AQIM (Al Qaida im islamischen Maghreb) ist durch den Anschluss der Salafist Group for Preaching and Combat (GSPC) an Al-Qaida entstanden. Inzwischen hat sich diese Gruppe wieder mehrmals geteilt, 2013 u.a. in die MUJAO (Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika). Ableger dieser Gruppen haben den Terroranschlag in In Amenas/Tigentourine im Jänner 2013 zu verantworten. 2014 haben sich mit dem Aufkommen des "Islamischen Staates" (IS) Veränderungen in der algerischen Terrorismusszene ergeben. AQIM hat sich aufgespalten und mindestens eine Teilgruppe, Jund al-Khilafa, hat sich zum IS bekannt. Diese Gruppe hat die Verantwortung für die Entführung und Enthauptung des französischen Bergführers Hervé Gourdel am 24.9.2014 übernommen. Dies war 2014 der einzige Anschlag, der auf einen Nicht-Algerier zielte. Ansonsten richteten sich die terroristischen Aktivitäten ausschließlich auf militärische Ziele (ÖB 3.2015).

Islamistischer Terrorismus und grenzübergreifende Kriminalität in der Sahelregion stellen weiterhin Bedrohungen für die Stabilität Algeriens dar. Algerien ist massiv in der Bekämpfung des Terrorismus engagiert und hat sein Verteidigungsbudget auf mehr als 10 Mrd. EUR erhöht (somit das höchste in Afrika). Eine kleine Anzahl islamistischer Extremisten operiert vor allem in der Sahara und den Berberregionen. Unsicherheit in der Region und die Aktivitäten des IS in einigen Nachbarländern machen diese jedoch zu einer potenziellen Bedrohung (BS 2016).

Spezifische regionale Risiken

Von Terroranschlägen und Entführungen besonders betroffen ist die algerische Sahararegion, aber auch der Norden und Nordosten des Landes (v.a. Kabylei). Die Gefahr durch den Terrorismus, der sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte richtet, besteht fort (AA 16.2.2018). Am 28.10.2016 wurde ein Polizist in Constantine ermordet; eine islamistische Gruppierung bekannte sich zu der Tat. Im Nordwesten Algeriens, der Provinz Ain Defla, wurden am 17.7.2015 zehn algerische Soldaten bei einem Angriff getötet (FD 16.2.2018).

Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Marokko sowie in die sonstigen Saharagebiete, in ländliche Gebiete, Bergregionen (insbesondere Kabylei) und Gebirgsausläufer wird gewarnt (BMEIA 16.2.2018; vgl. AA 16.2.2018, FD 16.2.2018). Ausgenommen davon sind nur die Städte Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran (BMEIA 16.2.2018; vgl. FD 16.2.2018). Im Rest des Landes besteht weiterhin hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 16.2.2018). Die häufigen Entführungen, besonders in der Region Kabylei treffen in erster Linie wohlhabende Einheimische und sind kriminell (Lösegeldforderung) motiviert. In den südlichen Grenzregionen zu Niger und Mali und jenseits der Grenzen gehen terroristische Aktivitäten, Schmuggel und Drogenhandel ineinander über. Es wird angenommen, dass AQIM in Nordmali, aber auch andernorts vereinzelt mit der lokalen Bevölkerung für Schmuggel aller Art zusammenarbeitet (ÖB 3.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.2.2018): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AlgerienSicherheit_node.html, Zugriff 16.2.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (16.2.2018): Reiseinformationen Algerien, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/algerien-de.html, Zugriff 16.2.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 15.2.2018

-

FD - France Diplomatie (16.2.2018): Conseils aux Voyageurs - Algérie - Sécurité,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/algerie/, Zugriff 16.2.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien

Rechtsschutz / Justizwesen

Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, beschränkte die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 3.3.2017; vgl. GIZ 12.2016a, BS 2016) bzw. hat der Präsident den Vorsitz im Obersten Justizrat, der für die Ernennung aller Richter (USDOS 3.3.2016; vgl. BS 2016) sowie Staatsanwälte zuständig ist (USDOS 3.3.2017). Der Oberste Justizrat ist für die richterliche Disziplin und die Ernennung und Entlassung aller Richter zuständig (USDOS 3.3.2017; vgl. BS 2016). Die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern wird in der Praxis nicht gänzlich gewährleistet (BS 2016), sie ist häufig äußerer Einflussnahme und Korruption ausgesetzt (USDOS 3.3.2017). Die Justizreform wird zudem nur äußerst schleppend umgesetzt. Algerische Richter sehen sich häufig einer außerordentlich hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt, was insbesondere in Revisions- und Berufungsphasen zu überlangen Verfahren führt. Ein berufsständisches Gesetz zu Status und Rolle der Anwaltschaft existiert nicht (AA 23.2.2017).

Praktische Entscheidungen über richterliche Kompetenzen werden vom Obersten Justizrat getroffen (BS 2016). Die Richter werden für eine Dauer von zehn Jahren ernannt und können u.a. im Fall von Rechtsbeugung abgelöst werden (AA 23.2.2017). Im Straf- und Zivilrecht entscheiden Justizministerium und der Präsident der Republik mittels weisungsabhängiger Beratungsgremien über das Fortkommen von Richtern und Staatsanwälten. Das Rechtswesen kann so unter Druck gesetzt werden, besonders in Fällen, in denen politische Entscheidungsträger betroffen sind. Es ist der Exekutive de facto nachgeordnet. Im Handelsrecht führt die Abhängigkeit von der Politik zur inkohärenten Anwendung der Anti-Korruptionsgesetzgebung, da auch hier die Justiz unter Druck gesetzt werden kann (GIZ 12.2016a).

Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Es existiert allerdings eine Reihe von Strafvorschriften, die aufgrund ihrer weiten Fassung eine politisch motivierte Strafverfolgung ermöglichen. Dies betrifft bisher insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit, die durch Straftatbestände wie Verunglimpfung von Staatsorganen oder Aufruf zum Terrorismus eingeschränkt werden. Rechtsquellen sind dabei sowohl das algerische Strafgesetzbuch als auch eine spezielle Anti-Terrorverordnung aus dem Jahre 1992. Das Strafmaß für die Diffamierung staatlicher Organe und Institutionen durch Presseorgane bzw. Journalisten soll allerdings grundsätzlich auf Geldbußen beschränkt sein (AA 23.2.2017). Der Straftatbestand der "Diffamation" führt zu zahlreichen Anklagen durch die staatlichen Anklagebehörden und schwebt als Drohung über Journalisten und allen, die sich öffentlich äußern (GIZ 12.2016a).

Die Verfassung gewährleistet das Recht auf einen fairen Prozess (USDOS 3.3.2017), aber in der Praxis respektieren die Behörden nicht immer die rechtlichen Bestimmungen, welche die Rechte des Angeklagten wahren sollen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 23.2.2017). Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht auf einen Verteidiger, dieser wird falls nötig auf Staatskosten zur Verfügung gestellt. Die meisten Verhandlungen sind öffentlich. Angeklagten und ihren Anwälten wird gelegentlich der Zugang zu von der Regierung gehaltenen Beweismitteln gegen sie verwehrt. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Die Aussage von Frauen und Männern wiegt vor dem Gesetz gleich (USDOS 3.3.2017). Den Bürgerinnen und Bürgern fehlt nach wie vor das Vertrauen in die Justiz, und sie sehen vor allem in politisch relevanten Strafverfahren Handlungsbedarf. Nach belastbarer Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und kritischen Journalisten nimmt die Exekutive in solchen Fällen unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen des Gerichts (AA 23.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 15.2.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 19.2.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Sicherheitsbehörden

Die staatlichen Sicherheitskräfte lassen sich unterteilen in nationale Polizei, Gendarmerie, Armee und Zoll (GIZ 12.2016a). Die dem Innenministerium unterstehende nationale Polizei DGSN wurde in den 90er Jahren von ihrem damaligen Präsidenten, Ali Tounsi, stark ausgebaut und personell erweitert, und zwar von 100.000 auf 200.000 Personen, darunter zahlreiche Frauen. Ihre Aufgaben liegen in der Gewährleistung der örtlichen Sicherheit (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 3.3.2017). Sie ist in den blauen Uniformen sehr präsent und in den Städten überall wahrnehmbar (GIZ 12.2016a). Der Gendarmerie Nationale gehören ca. 180.000 [Anm. GIZ: 180.000; USDOS: 130.000] Personen an, die die Sicherheit auf überregionaler (außerstädtischer) Ebene gewährleisten sollen (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 3.3.2017). Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und verfügt über zahlreiche spezielle Kompetenzen und Ressourcen, wie Hubschrauber, Spezialisten gegen Cyberkriminalität, Sprengstoffspezialisten usw. Mit ihren schwarzen Uniformen sind sie besonders außerhalb der Städte präsent, z.B. bei den häufigen Straßensperren auf den Autobahnen um Algier (GIZ 12.2016a).

Die Gendarmerie Locale wurde in den 90er Jahre als eine Art Bürgerwehr eingerichtet, um den Kampf gegen den Terrorismus in den ländlichen Gebieten lokal zielgerichteter führen zu können. Sie umfasst etwa 60.000 Personen. Die Armee ANP (Armée Nationale Populaire) hat seit der Unabhängigkeit eine dominante Stellung inne und besetzt in Staat und Gesellschaft Schlüsselpositionen. Sie zählt allein an Bodentruppen ca. 120.000 Personen und wurde und wird im Kampf gegen den Terrorismus eingesetzt. Die Armee verfügt über besondere Ressourcen, wie hochqualifizierte Militärkrankenhäuser und soziale Einrichtungen. Die Zollbehörden nehmen in einem außenhandelsorientierten Land wie Algerien eine wichtige Funktion wahr. Da in Algerien gewaltige Import- und Exportvolumina umgesetzt werden, ist die Anfälligkeit für Korruption hoch (GIZ 12.2016a).

Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 3.3.2017). Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden werden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB 3.2015). Das Strafgesetz enthält Bestimmungen zur Untersuchung von Missbrauch und Korruption, aber die Regierung veröffentlicht keine Informationen bzgl. disziplinärer oder rechtlicher Maßnahmen gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 19.2.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist gesetzlich verboten (USDOS 3.3.2017). Unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden gesetzlich nicht angedroht. Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung (AA 23.2.2017; vgl. ÖB 3.2015). Das traditionelle islamische Strafrecht (Scharia) wird in Algerien nicht angewendet. Im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen (AA 23.2.2017). Es gibt aber ernstzunehmende Hinweise darauf, dass es im Polizeigewahrsam manchmal zu Übergriffen bis hin zu Folter kommt (AA 23.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 3.2015). Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen kommt es weiterhin zu Fällen von Folter und geheimer Haft ohne Kontakt zur Außenwelt in irregulären Gefängnissen durch den Militärgeheimdienst. Dies betrifft vor allem Fälle im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus (AA 23.2.2017).

Das Strafmaß für Folter liegt zwischen 10 und 20 Jahren. Es gab im Jahr 2016 diesbezüglich zwei Verurteilungen. Lokale und internationale NGOs berichten, dass Straffreiheit ein Problem bleibt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien

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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Korruption

Gesetzlich sind zwar bis zu zehn Jahre Haft für behördliche Korruption vorgesehen, jedoch wird das Gesetz von der Regierung nicht effektiv durchgesetzt. Daten von Transparency International bestätigen, dass im Bereich der Korruption ein Problem besteht (USDOS 3.3.2017). Das dem Justizministerium unterstellte Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption ist das hauptverantwortliche Regierungsorgan (GIZ 12.2016a). Korruption in der Regierung beruht hauptsächlich auf einer überbordenden Bürokratie und mangelnden transparenten Strukturen (USDOS 3.3.2017). Auf dem Corruption Perceptions Index für 2016 liegt Algerien auf Platz 108 von 176 (TI 2017).

Quellen:

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien -

Geschichte & Staat,

https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 19.2.2018

-

TI - Transparency International (2016): Table of Results:

Corruption Perceptions Index 2017,

http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 19.2.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

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Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Wehrdienst und Rekrutierungen

Freiwilliger Militärdienst kann bereits im Alter von 17 Jahren angetreten werden. In Algerien sind Männer im Alter von 19 - 30 Jahren zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet. Dieser dauert 18 Monate und ist in sechs Monate Grundausbildung und zwölf Monate zivile Projekte unterteilt (CIA 22.2.2018). Wenn der verpflichtende Militärdienst abgeleistet wurde, stehen die Soldaten dem Verteidigungsministerium weitere fünf Jahre zur Verfügung und können jederzeit wieder einberufen werden. Danach werden sie für weitere 20 Jahre Teil der Reserve (UKBA 17.1.2013).

Quellen:

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CIA - Central Intelligence Agency (22.2.2018): The World Factbook

-

Algeria

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ag.html, Zugriff 1.3.2018

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UKBA - UK Home Office Border Agency (17.1.2013): Country of Origin Information Report - Algeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1359360623_report-17jan13.pdf, Zugriff 19.2.2018; Originalquelle: Jane's Sentinel Country Risk Assessments: Algeria - Armed Forces, 1.6.2012

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Nach dem Militärstrafgesetzbuch wird Wehrdienstentziehung (Art. 254 des Militärstrafgesetzbuches, Strafrahmen drei Monate bis fünf Jahre Haft) (AA 23.2.2017; vgl. SFH 24.2.2010) und Fahnenflucht (§§ 258 ff., Strafrahmen im Frieden je nach Fallgestaltung sechs Monate bis fünf Jahre, bei Offizieren bis zehn Jahre Haft) geahndet. Nach Algerien zurückgekehrte Wehrpflichtige, die keine Befreiung vom Wehrdienst (z. B. wegen Studiums oder aus familiären Gründen) nachweisen können, werden zur Ableistung des Wehrdienstes den Militärbehörden überstellt. Eine Bestrafung ist nicht vorgesehen. Deserteure müssen nach Verbüßung ihrer Haftstrafe den unterbrochenen Militärdienst bis zur Erfüllung der regulären Dienstzeit (Haftzeit nicht eingerechnet) fortsetzen. Wehrdienstentziehung oder Fahnenflucht können dann zu weiteren Repressalien führen, wenn besondere, als staatsgefährdend eingestufte Handlungen hinzutreten (AA 23.2.2017). Seit der Umsetzung einer entsprechenden Ankündigung des Staatspräsidenten (2001) in eine Verwaltungsvorschrift sind alle über 27jährigen, die sich nicht auf strafbare Weise dem Wehrdienst entzogen haben, künftig nicht mehr einzuziehen. Strafbar ist dagegen die Entziehung nach Zustellung eines Einberufungsbescheides, der auf Grundlage der Registrierung bei den Meldebehörden (seit 1994 für alle männlichen Algerier bei Erreichen des achtzehnten Lebensjahres verpflichtend) erstellt wird (AA 23.2.2017; vgl. SFH 24.2.2010). Von der Maßnahme sind vor allem im Ausland lebende junge Algerier begünstigt, die der Registrierungspflicht so faktisch entkommen (AA 23.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (24.2.2010): Algerien:

Desertion aus der Garde Communale, Auskunft der SFH-Länderanalyse, https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/algerien/algerien-desertion-aus-der-garde-communale.pdf, Zugriff 14.2.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 23.2.2017). Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet. Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen haben seit Ende der 1990er Jahre abgenommen, bestehen jedoch grundsätzlich fort (AA 10.2017). Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt (USDOS 3.3.2017; vgl. GIZ 12.2016a, BS 2016) und die Unabhängigkeit der Justiz ist mangelhaft. Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei, inklusive Foltervorwürfe, sowie die Einschränkung der Möglichkeit der Bürger, ihre Regierung zu wählen. Weitverbreitete Korruption begleitet Berichte über eingeschränkte Transparenz bei der Regierungsführung. Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 3.3.2017).

Obwohl die Verfassung Rede- und Pressefreiheit gewährleistet, schränkt die Regierung diese Rechte ein (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018, GIZ 12.2016a, BS 2016). NGOs kritisieren diese Einschränkungen (AA 10.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Bürger können die Regierung nicht ungehindert kritisieren. Es drohen Belästigungen und Verhaftungen; Bürger sind somit bei der Äußerung von Kritik zurückhaltend (USDOS 3.3.2017). Es gibt zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften (GIZ 12.2016a). Die Gründung von drei privaten Fernsehsendern durchbrach 2013 das staatliche TV-Monopol (BS 2016). Diese privaten Anbieter stehen aber unter scharfer Beobachtung. Das Tor zur Welt stellt für die algerische Bevölkerung jedoch das Satellitenfernsehen dar - Satellitenschüsseln sind in riesiger Anzahl überall installiert und erlaubenden Zugang zu Europa und zur arabischen Welt (GIZ 12.2016a).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden durch die algerische Verfassung garantiert, sie bleiben aber bislang - auch nach Aufhebung des Ausnahmezustands durch Präsident Bouteflika im Februar 2011 - in der Praxis stark eingeschränkt (AA 23.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, HRW 18.1.2018). Ergebnis ist, dass die Möglichkeiten politischer Tätigkeit insbesondere in Algier weiterhin eng begrenzt sind (ÖB 3.2015). So besteht in Algier unter Berufung auf ein Dekret aus dem Jahr 2001 weiterhin ein generelles Demonstrationsverbot (AA 23.2.2017; vgl. HRW 18.1.2018). Auch in anderen Städten werden Demonstrationen trotz Aufhebung des Ausnahmezustands weiterhin regelmäßig nicht genehmigt. Oppositionelle Gruppierungen haben zudem oft Schwierigkeiten, Genehmigungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu erhalten (AA 23.2.2017).

Das Gesetz garantiert der Regierung weitreichende Möglichkeiten zur Überwachung und Einflussnahme auf die täglichen Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen (USDOS 3.3.2017). Das Innenministerium muss der Gründung zivilgesellschaftlicher Organisationen zustimmen, bevor diese gesetzlich zugelassen werden (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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