TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/19 W261 2214506-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2214506-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 10.01.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 09.11.2018 erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinische Befunden bei.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.11.2018 erstatteten Gutachten vom 01.12.2018 stellte der medizinische Sachverständige bei der Beschwerdeführerin folgende Funktionseinschränkungen "Verlust der rechten Brust nach Mammakrzinom 1998", "Aortenklappenstenose", "Endoprothese des linken Kniegelenkes" sowie "Diabetes mellitus" und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 von Hundert (in der Folge vH) fest.

Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführerin dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 11.12.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte dieser eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin gab mit Schreiben vom 27.12.2018 eine Stellungnahme ab, wonach sie nicht selbstständig gehend und ohne Hilfsmittel zur Untersuchung gekommen sei. Der Gutachter habe in keiner Weise berücksichtigt, dass sie unter Schwindelattacken leide, die auch mit einer erhöhten Sturzgefahr verbunden seien. Sie habe dazu mit Antragstellung ein entsprechendes Sachverständigengutachten vorgelegt, welches im Rahmen eines Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht erstellt worden sei, und auf welches der medizinische Sachverständige nicht eingegangen sei.

Die belangte Behörde nahm diese Stellungnahme zum Anlass, um vom medizinischen Sachverständigen eine ergänzende Stellungnahme einzuholen. Dieser führt in seiner Stellungnahme vom 09.01.2019 aus, dass die Beschwerdeführerin zur Untersuchung in Begleitung ihres Sohnes, jedoch ohne Gehstock gekommen sei. Ob die Beschwerdeführerin sonst einen Gehstock verwende, oder nicht, sei für das Ergebnis, bei welchem ausschließlich die behinderungsbedingte Notwendigkeit eines solchen Hilfsmittels beurteilt werde, nicht von Relevanz. Ebenso wenig sei es von Relevanz, ob die Beschwerdeführerin auf dem Weg zur Untersuchung von einer Person begleitet worden sei. Auch hier sei für das Ergebnis ausschließlich deren behinderungsbedingte Notwendigkeit relevant. Ein behinderungsbedingtes Ausmaß der berichteten Schwindelzustände, welche zu einer erheblichen Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen könnte, sei aus allgemeinmedizinischer Sicht auch unter besonderer Berücksichtigung des persönlichen Untersuchungsbefundes nicht ausreichend begründbar. Im Vergleich zur persönlichen Begutachtung würden die vorgebrachten Argumente im Widerspruch zu den objektivierbaren Funktionseinschränkungen stehen und seien nicht geeignet, die gegebene Beurteilung zu entkräften.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten samt ergänzender Stellungnahme in Kopie bei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass im medizinischen Sachverständigengutachten nicht berücksichtigt worden sei, dass sie immer wieder an Schwindelattacken leide bzw. schon mehrfach gestürzt sei. Diese Schwindelzustände seien auch in dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 19.12.2016, welches sie bereits mit Antragstellung vorgelegt habe, entsprechend angeführt. Sie sei im Jänner bereits vier Mal gestürzt, und werde ihre Unsicherheit beim Gehen außerhalb der Wohnung immer größer. Sie habe zusätzlich am rechten Knie seit geraumer Zeit große Schmerzen, auch dieses Kniegelenk sollte in geraumer Zeit durch eine Prothese ersetzt werden. Ihr sei eine große Reihe von aufgelisteten Dingen nicht mehr möglich auszuführen. Insbesondere sei es ihr nicht möglich, in öffentliche Verkehrsmittel sicher ein- und auszusteigen. Um ein öffentliches Verkehrsmittel nutzen zu können, sei das Zurücklegen einer - ich ihrem Fall - recht beträchtlichen Wegstrecke erforderlich. Zudem sei in dem medizinischen Sachverständigengutachten zu diesem Punkt mit keinem Wort auf ihre Schwindelattacken und deren damit verbundenen Stürzen eingegangen worden. Es sei auch keine Berücksichtigung der Schwindelattacken bei der Beurteilung des Grades der Behinderung erfolgt, was ihr unverständlich sei. Sie sei bei ihren Einkäufen und bei ihren Arztbesuchen auf die Unterstützung ihres Sohnes angewiesen, sie selbst sei nicht in der Lage, die Wegstrecke bis zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Sie ersuche der Beschwerde Folge zu geben, und ihr einen Behindertenpass auszustellen, ohne den sie nicht in der Lage sei, ihr tägliches Leben zu bestreiten. Auch bei ihren Einkäufen sei es notwendig, in der Nähe des Eingangs zu parken, damit sie den Behindertenparkplatz nutzen könne, da sie der Einkaufsvorgang selbst schon sehr anstrenge. Sie sehe sich aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme nicht in der Lage, noch zusätzlich zum Einkauf selbst, große Wegstrecken auf einem Parkplatz zurückzulegen, bzw. mit dem öffentlichen Verkehrsmittel anzureisen.

Die Beschwerdeführerin legte der Beschwerde keine ärztlichen Befunde bei.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 14.02.2019 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

Das BVwG führte am 15.02.2019 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 09.11.2018 bei der belangten Behörde ein.

Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Größe: 149,00 cm Gewicht: 57,00 kg Blutdruck: 180/90

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung.

Sensorium: Umgangssprache wird anstandslos verstanden.

Haut und Schleimhäute: unauffällig.

Hals: unauffällig, keine Einflußstauung.

Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch, Ablatio mammae re.

Lunge: sonorer Klopfschall, Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe beim Gang im Zimmer.

Herz: reine Herzgeräusche, rhythmisch, normfrequent.

Abdomen: unauffällig, im Thoraxniveau, rektal nicht untersucht.

Neurologisch: grob neurologisch unauffällig.

Wirbelsäule:

Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet.

HWS: altersentsprechend frei beweglich, Drehung und Seitneigung beidseits frei. KJA: 1 cm.

BWS: Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich.

LWS: endlagige FE, Finger-Bodenabstand im Stehen: unterhalb der Knie.

Obere Extremitäten:

Trophik und Tonus seitengleich normal, grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert. Geringfügige Schwellung re OE.

Schultergelenk rechts: Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne:

160°

Schultergelenk links: Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne:

160° Nackengriff: bds. möglich.

Schürzengriff: bds. möglich.

Hand- und Fingergelenke: keine signifikanten Funktionseinschränkungen, Feinmotorik und Fingerfertigkeit altersentsprechend.

Der Pinzettengriff ist beidseits mit allen Fingern möglich.

Der Faustschluß ist beidseits mit allen Fingern möglich.

Untere Extremitäten:

Grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.

Die Beinachse ist im Lot.

Hüftgelenk rechts: Beugung: 100° Rotation: 40-0-40°

Hüftgelenk links: Beugung: 100° Rotation: 40-0-40°

Kniegelenk rechts: 0-0-120° Varusstellung ca. 5°

Kniegelenk links: 0-0-110° TEP

Sprunggelenke: beidseits annähernd normale Beweglichkeit, Fußheben und -senken bds durchführbar, alle Funktionen ungestört.

Zehenstand und Fersenstand beidseitig möglich, Einbeinstand bds. möglich, Fußpulse bds. palpabel.

Keine Ödeme, keine postthrombotischen Veränderungen.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbstständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel.

Das Gangbild ist gering hinkend links in altersentsprechend normalem Tempo.

Status Psychicus:

Zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Wirkt in der Kommunikation unauffällig, die Stimmungslage ist ausgeglichen. Aufmerksamkeit und Konzentration scheinen nicht beeinträchtigt. Merkfähigkeit scheint unauffällig.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Verlust der rechten Brust nach Mammakarzinom 1998

2. Aortenklappenstenose

3. Endoprothese des linken Kniegelenkes

4. Diabetes mellitus

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v. H.

Das führende Leiden Position 1 wird von den anderen Leiden nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 01.12.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.12.2018 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 09.10.2019.

Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der medizinische Gutachter setzt sich in seinem Gutachten bzw. in seiner ergänzenden Stellungnahme umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass der medizinische Sachverständige nicht berücksichtigt habe, dass sie an Schwindelattacken leide und deshalb schon oft gestürzt sei. Sie habe dazu bei Antragstellung ein medizinisches Sachverständigengutachten vorgelegt, das keine Berücksichtigung gefunden habe. Es ist richtig, dass die Beschwerdeführerin ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 19.12.2016 vorlegte, in welchem unter dem Punkt Diagnosen "Schwindel mit Sturzgefahr - ungeklärte Genese" angeführt ist. Die Beschwerdeführerin selbst wies den medizinischen Sachverständigen in der Anamnese bei ihrer Untersuchung am 28.11.2018 darauf hin, dass sie oft schwindlig ist (vgl. AS 14). Einen aktuellen Befund zu diesen Schwindelanfällen, insbesondere zu den Ursachen des Schwindels legte die Beschwerdeführerin nicht vor. Wie der medizinische Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme zu diesem Punkt schlüssig und nachvollziehbar ausführt, sind diese Schwindelzustände aus allgemeinmedizinischer Sicht auch unter Berücksichtigung des persönlichen Untersuchungsbefundes nicht ausreichend begründbar. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass diese Schwindelanfälle ca. zwei Jahre nach der von der Beschwerdeführerin genannten Diagnose durch die Sachverständige, aktuell nicht objektiviert sind. Es wäre an der Beschwerdeführerin gelegen, einerseits die Ursache für diese Schwindelzustände medizinisch abklären zu lassen, und diese aktuellen Befunde dann dem Antrag auf Ausstellung des Behindertenpasses vorzulegen. Dies gilt auch für die in der Beschwerde angeführten Schmerzen im rechten Knie. Auch mit der Beschwerde legte sie in Kenntnis der ergänzenden Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen vom 09.10.2019 keine aktuellen medizinischen Befunde für diese beiden Leiden vor.

Die Beschwerdeführerin ist damit den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 01.12.2018 samt ergänzender Stellungnahme vom 09.01.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Insoweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund einer Behinderung ausführt, sei der guten Ordnung halber darauf hingewiesen, dass mit dem angefochtenen Bescheid ihr Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, und nur dies Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist. Ist diesem Grund wird auf dieses Vorbringen nicht näher eingegangen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vorliegen, oder nicht.

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Das Leiden 1 der Beschwerdeführerin ist der Verlust der rechten Brust nach einem Mammakarzinom im Jahr 1998. Dieses Leiden ist nach der Position 08.03.01 mit einem Grad der Behinderung von 40 % richtig eingestuft, dies deshalb, weil die Resektion ohne plastischen Aufbau erfolgte.

Das Leiden 2 der Beschwerdeführerin ist eine Aortenklappenstenose, die vom medizinischen Sachverständigen nach Position 05.06.02 als Aortaklappenstenose mittleren Grades mit einem Grad der Behinderung von 30 % eingestuft wird. Diese Einstufung ist richtig, zumal die restlichen Herzklappen normal funktionieren und nur leichte Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit damit einhergehen.

Das Leiden 3 ist eine Endoporthese des linken Kniegelenks, welche vom medizinischen Sachverständigen aufgrund der eingeschränkten Beugefähigkeit des Kniegelenkes im oberen Rahmensatz der Position 02.05.18 mit einem Grad der Behinderung von 20 % richtig eingestuft wird.

Das Leiden 4 der Beschwerdeführerin ist Diabetes mellitus, der vom medizinischen Sachverständigen mit einem Grad der Behinderung von 20 % nach der Position 09.02.01 richtig eingestuft wird, da die Beschwerdeführerin medikamentös gut eingestellt ist, und ihre Stoffwechselsituation befriedigend ist.

Die von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vorgebrachen Schwindelanfälle sind nicht durch aktuelle medizinische Befunde objektiviert bzw. sind nicht aus dem persönlichen Untersuchungsbefund des medizinischen Sachverständigen begründbar. Auch die in der Beschwerde vorgebrachten Schmerzen im rechten Knie sind nicht durch medizinische Befunde objektiviert.

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 01.12.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.12.2018 samt ergänzender Stellungnahme vom 09.01.2019 zu Grunde gelegt.

Der medizinische Sachverständige stellt in diesem Sachverständigengutachten fest, dass eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung der Leiden der Beschwerdeführerin wegen nicht besteht, woraus sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. ergibt. Alle Leiden der Beschwerdeführerin, insbesondere jedoch die Leiden 1 und 2, betreffen auch unterschiedliche Organsysteme.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes, im gegenständliche Beschwerdefall allenfalls der Schwindelanfälle, welche jedoch durch aktuelle medizinische Befunde objektiviert sein müssen, die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten samt ergänzender Stellungnahme, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste der Beschwerdeführersin in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführersin sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2214506.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten