Entscheidungsdatum
10.01.2019Norm
BBG §40Spruch
G309 2186217-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen, in der Beschwerdesache des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 05.01.2018, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 10.11.2017 via der Zentralen Poststelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Dem Antrag waren die Kopie eines Meldezettels und diverse medizinische Befunde angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zur Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
Im von der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 05.01.2018, wird nach persönlicher Untersuchung des BF, im Wesentlichen zusammengefasst folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
CAROTISSTENOSE bei Zustand nach Dissektion der Arteria Carotis interna Eine Stufe über dem unteren RSW, entsprechend der notwendigen kurzfristigen Kontrollen, der notwendigen medikamentösen Therapie sowie der nach wie vor bestehenden Anisocorie
05.03.02
30
2
Wirbelsäulenschädigung, Zustand nach Wirbelfraktur TH12 Unterer RSW, entsprechend der Beschwerdesymptomatik, der radiologischen Veränderungen und des dauerhaften Therapiebedarfs
02.01.02
30
3
Kopfschmerzattacken bei Zustand nach Meningitis 2006 unterer RSW, entsprechend der Kopfschmerzhäufigkeit 4-5 Mal pro Woche
04.11.02
30
4
Leichte Hochtonschwerhörigkeit mit Tinnitus beidseits Zwei Stufen über dem unteren RSW, entsprechend dem Tonaudiogramm und dem bestehenden Tinnitus
12.02.01
20
Gesamtgrad der Behinderung
40 v. H.
Begründung für
den GdB:
Die GS 1 wird durch die GS 2 bis GS 4 gemeinsam um eine weitere Stufe angehoben, da eine gegenseitig negative Beeinflussung besteht.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.01.2018 wurde ein Grad der Behinderung von 40 v. H. (von Hundert) festgestellt und der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das erstattete Sachverständigengutachten.
4. Innerhalb offener Frist erhob der BF mittels E-Mail vom 10.02.2018 Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde. Darin brachte der BF vor, dass mehrere Krankheitssymptome und Erkrankungen beim von der belangten Behörde eingeholtem Gutachten nicht berücksichtigt worden seien. So seien die Folgeerscheinungen des Horner Syndroms, im Form eines Herabhängens des linken Oberlides und die damit einhergehende Sichteinschränkung, der Beckenschiefstand mit rechtsseitiger Beinlängenverkürzung, sowie eine Präathrose beidseits und vermehrte subchondrale Sklerosierung auf Höhe der Druckaufnahmezonen beider Hüftgelenkspfannen und die beginnende Verplumpung der acetabulären Erker, die 4-bis 5-malige Einnahme von Kopfschmerztabletten in der Woche, das erlittene Knalltrauma, der Tinitus und die Depression bei bisher erfolgloser Therapie, sowie das medikamentös behandelte Cholesterin unberücksichtigt geblieben.
Ferner beantragt der BF diese Punkte wohlwollend zu prüfen und bei der Einschätzung des Grades der Behinderung auch seinen psychischen Zustand sowie seine Anpassungsstörung zu berücksichtigen.
5. Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde vorgelegt und langte mit 13.02.2018 beim erkennenden Gericht ein.
6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde die Amtssachverständige XXXX, Ärztin für Allgemein- und Arbeitsmedizin, mit der Begutachtung und Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im erstatteten Sachverständigengutachten vom 20.08.2018 wurde, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Carotisstenose bei Z.n. Dissektion der Arteria carotis interna 2013 (mittlerer Rahmensatzwert, da guter Erfolg nach Operation, inkludiert Therapie, regelmäßige Kontrollen und Anisocorie)
050302
30
2
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Wirbelkörperbruch 2008, Bandscheibenvorwölbungen in einer Ebene (oberer Rahmensatzwert entspricht der in sämtlichen Ebenen bestehenden freien Beweglichkeit, zeitweise bestehenden kurzdauernden akuten Episoden mit Verschlechterung der Notwendigkeit einer Bedarfsmedikation bei radiologisch nachweisbaren Veränderungen, Besserung der Beweglichkeit im Vergleich zum Vorgutachten
020101
20
3
Kopfschmerzen, Meningitis 2006 oberer Rahmensatzwert entspricht dem Vorlauf und den Beschwerden unter Bedarfsmonotherapie, ohne fachärztlicher Befundung
041101
20
4
Innenohrschwerhörigkeit, Ohrgeräusche (Fixe Position entsprechend dem vorliegenden Audiogramm unter Berücksichtigung der erforderlichen Hörgeräteversorgung und des begleitenden Tinnitus
120201 Tab 1.Sp, 2. Z
10
5
Depression (unterer Rahmensatzwert, da ohne regelmäßige fachärztliche Begleitung aber unter Dauermedikation, kein sozialer Rückzug)
030601
10
6
Degenerative Gelenksveränderung an Hüften (Fixe Position bei einseitiger leichter Bewegungseinschränkung)
020507
10
Gesamtgrad der Behinderung
40 v. H.
Begründung für den GdB:
Der Behinderungsgrad der führenden GS1 wird durch die GS2 und GS3 gemeinsam bei Symptomüberschneidung bezüglich der Schmerzen und Kopfschmerzen um eine weitere Stufe angehoben, da im Zusammenwirken im Alltag eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit besteht. GS 2 hebt nicht alleine an, da GS 1 und GS 3 keine maßgebliche Beeinflussung des Allgemeinbefindens vorliegt. GS 4, GS 5 und GS 6 heben nicht weiter an, da nur geringe Funktionseinschränkungen vorhanden sind.
Begründung für die Einschätzung:
Die GS1 wird mit 30 v.H. eingeschätzt. Es besteht ein Z.n. Dissektion der Art. carotis interna 2013 links, die Sensibilitätsstörung hat sich zurückgebildet, eine leichte teilweise bestehende Asymmetrie der Weite beider Pupillen ist geblieben, diesem wurde wie schon im Vorgutachten berücksichtigt, obwohl nur zeitweise vorhanden wurde der Gesamtgrad der Behinderung gleich gelassen.
Die GS2 zeigt eine deutliche Besserung der Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule und auch des Finger Boden Abstandes (s.a. Entlassungsbrief XXXX v.27.5.2018) freie Beweglichkeit in Hals- und Lendenbereich, keine Wurzelzeichen, keine neurologischen Ausfälle. Die radiologisch feststellbaren Veränderungen wurden berücksichtigt. Es besteht Bedarfsschmerzmedikation, bis dato wurde keine regelmäßige Physiotherapie durchgeführt, die Fehlhaltung wurde berücksichtigt.
Die GS3 wird mit 20 v.H. eingeschätzt. Es liegt kein Nachweis stationärer und oder ambulanter Aufenthalte zur Abklärung bzw. zur Therapieoptimierung vor. Ein Kopfschmerz multifaktorieller Genese wird angenommen. Anamnestisch 4-5x/Woche angegebene Novalgingaben in Selbstmedikation seit längerer Zeit bestehend stellen keine optimale Therapie dar, es besteht eine Therapiereserve.
Die GS4 wird entsprechend dem vorliegenden Audiogramm von 16.3.2018 unter Berücksichtigung der erforderlichen Hörgeräteversorgung bei unregelmäßigem Verlauf der Gehörgangskurve nach Tabelle B eingeschätzt. Im Vorgutachten lag kein Audiogramm vor, daher erfolgte nunmehr die Berechnung entsprechend der vorliegenden aktuellen Kurve, was zu einer Besserung um 1 Stufe führte. Der Tinnitus wurde hier berücksichtigt.
GS5: Die Depression mit Schlafstörungen unter Dauermedikation mit Monotherapie in stabilem Verlauf wurde hier eingeschätzt. Es besteht kein sozialer Rückzug, und auch keine Suizidalität. Die GS6 wird bei einseitiger leichter Bewegungseinschränkung mit 10v.H eingeschätzt.
Stellungnahme bei Veränderung bzw. abweichender Beurteilung hinsichtlich des bereits durch die Behörde in Auftrag gegebenen Gutachtens:
Das ergibt einen Gesamtgrad der Behinderung von 40v. H, damit bleibt der Gesamtgrad der Behinderung gleich. Die GS1 bleibt gleich. Die GS2 hat sich gebessert s.a. Entlassungsbrief 5/18 XXXX. Die GS3 wird um 1 Stufe herabgesetzt, da kein fachärztlicher Bericht bezüglich stationärer und/oder ambulanter Aufenthalte zur Diagnosestellung bzw. Therapieoptimierung bei Nichtansprechen der derzeitigen Medikation vorgelegt worden ist. Die GS 4 wird da nunmehr ein aktuelles Audiogramm vorgelegt worden ist, um 1 Stufe reduziert, entsprechend der vorliegenden Berechnung. Die GS 5 und GS6 kommen neu dazu, heben aber wegen Geringfügigkeit nicht weiter an.
7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 31.08.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland. Der BF leidet an Carostisstenosen bei Z.n. Dissektion der Arteria carotis interna 2013, degenerative Wirbelsäulenveränderung, Wirbelkörperbruch 2008, Bandscheibenvorwölbungen in einer Ebene, Kopfschmerzen, Meningitis 2006, Innenohrschwerhörigkeit, Ohrgeräusche, Depression und degenerative Gelenksveränderung an Hüften.
Der Grad der Behinderung beträgt 40 von Hundert.
Der BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung hinsichtlich des Wohnsitzes des BF ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF sowie dem Datenbestand des Zentralen Melderegisters.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemein- und Arbeitsmedizin, vom 20.08.2018, ist schlüssig und nachvollziehbar. Im Vergleich zum Sachverständigengutachten von Frau XXXX, kam es im Hinblick auf die degenerative Wirbelsäulenveränderung, Wirbelkörperbruch 2008 und Bandscheibenvorwölbung (GS 2) in einer Ebene zu einer Besserung, hinsichtlich der Kopfschmerzen und Meningitis 2006 (GS 3) sowie Innenohrschwerhörigkeit und Ohrgeräusche (GS 4) erfolgten eine Herabsetzung um 1 Stufe. Die Depression (GS 5) und degenerative Gelenksveränderung an den Hüften (GS6) traten zwar neu hinzu, vermochten aber wegen Geringfügigkeit eine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung nicht zu bewirken, sodass im Ergebnis der Gesamtgrad der Behinderung mit 40 v.H. gleichbleibt.
Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Dabei wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde der Inhalt des Gutachtens den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Das Sachverständigengutachten von XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt. Es wurde ein Grad der Behinderung von 40 v.H. objektiviert.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragten.
3.2. Zu Spruchteil A):
Nach § 1 Abs. 2 BBG ist unter einer Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes angehören.
§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, diesem auf gleichem fachlichen Niveau entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Im vorliegenden Fall war wie folgt zu entscheiden:
Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung. Beim BF konnten die oben genannten Funktionseinschränkungen festgestellt werden. Es konnte demnach ein Grad der Behinderung von 40 v.H. objektiviert werden.
Da ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) von Hundert festgestellt wurde, waren die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G309.2186217.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.04.2019