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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
LMG 1975 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde der E GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien VI, Mariahilferstraße 1d, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom 13. Oktober 1998, Zl. AV 331.934/1-VI/B/2a/98, betreffend Untersagung des Inverkehrbringens eines als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Produktes gemäß § 17 Abs. 4 LMG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 3. August 1998 meldete die Beschwerdeführerin - unter Anschluss einer Etikette - das "Diät-Lebensmittel 'Schlank & Schön'" an und beantragte die Nichtuntersagung. Die Etikette weist u.a. folgende Angaben auf:
"Schlank & Schön
Das neue Anti-Fett-Körper-Abwehr-Programm nach Dr. Tarnover
Schlank & Schön
Weizenkleie-Tabletten
Die neue Schlankheitskur nach Dr. Herman Tarnover ist die ideale Ergänzung zur Scarsdale-Diät und dem Fitness-Programm
Schlank & Schön hemmt Ihr Hungergefühl und unterstützt Ihre Verdauung auf vollkommen natürliche Weise. Schlank & Schön ist absolut unschädlich und wird nur aus hochwertigen Rohstoffen hergestellt.
Anwendung:
Nehmen Sie vor jeder Hauptmahlzeit 4-5 Schlank & Schön
Tabletten und zerkauen Sie diese gut. Wichtig: Nehmen Sie dazu auch reichlich Flüssigkeit. Vermeiden Sie unbedingt jede Art von Zwischenmahlzeiten. Die Schlank & Schön Tabletten werden Ihnen Ihr Hungergefühl nehmen."
Der Stellungnahme des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen zufolge handelt es sich bei dem von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produkt um Weizenkleietabletten, die vor den Mahlzeiten als Ergänzung zur "Scarsdale-Diät" zur Dämpfung des Hungergefühles eingenommen werden sollen. Die Zweckbestimmung des Produktes liege demnach nicht überwiegend in Ernährungs- oder Genusszwecken. Das Produkt sei daher kein Lebensmittel gemäß § 2 LMG und damit auch kein Lebensmittel i.S.d.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Oktober 1998 wurde das Inverkehrbringen des von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produktes als diätetisches Lebensmittel gemäß § 17 Abs. 4 LMG untersagt. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges (hier legt die belangte Behörde auch dar, die Beschwerdeführerin habe die ihr eingeräumte Möglichkeit, zu den Ausführungen des Amtssachverständigen innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen, nicht genützt) und der angewendeten Rechtsvorschriften - im wesentlichen ausgeführt, die Zweckbestimmung des von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produktes liege nicht überwiegend in Ernährungs- oder Genusszwecken. Mangels Lebensmitteleigenschaft des von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produktes sei dessen Inverkehrbringen als diätetisches Lebensmittel zu untersagen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG) sind diätetische Lebensmittel Lebensmittel besonderer Beschaffenheit, die für bestimmte Gruppen von Verbrauchern für den Zweck hergestellt wurden,
a) die Zufuhr bestimmter Nährstoffe oder anderer ernährungsphysiologisch wirkender Stoffe zu steigern oder zu verringern oder
b) besonderen Ernährungsbedürfnissen bei Krankheiten, Mangelerscheinungen, Funktionsanomalien und bei Überempfindlichkeit gegen einzelne Lebensmittel oder deren Bestandteile, während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie des Säuglings oder Kleinkindes Rechnung zu tragen,
und die sich dadurch von Lebensmitteln vergleichbarer Art unterscheiden. Wahrheitsgemäße Angaben über den diätetischen Zweck sind keine nach § 9 Abs. 1 verbotenen Bezeichnungen.
Gemäß § 17 Abs. 2 LMG ist es verboten, Lebensmittel unter einer Aufmachung oder unter Verwendung von Bezeichnungen, die die Eignung des Lebensmittels i.S.d. Abs. 1 dartun, vor ihrer Anmeldung beim Bundeskanzleramt in Verkehr zu bringen.
Gemäß § 17 Abs. 4 LMG hat die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz durch Bescheid das Inverkehrbringen einer als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Ware unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn die Ware den im Abs. 1 angeführten Anforderungen nicht entspricht oder für den vorgesehenen diätetischen Zweck nicht geeignet ist.
Gemäß § 17 Abs. 5 LMG sind mit der Anmeldung Warenmuster und jene Unterlagen vorzulegen, die eine Beurteilung i.S.d. Abs. 1 ermöglichen.
Gemäß § 2 LMG sind Lebensmittel (Nahrungs- und Genussmittel) Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand überwiegend zu Ernährungs- oder Genusszwecken gegessen, gekaut oder getrunken zu werden. Dem gegenüber sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genusszwecken zu dienen oder Arzneimittel zu sein, gemäß § 3 LMG Verzehrprodukte.
Als diätetische Lebensmittel kommen nach der Definition des § 17 Abs. 1 erster Satz LMG nur Lebensmittel im Sinne des § 2 LMG in Betracht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1993, Zlen. 92/10/0470, 0476, und die hier zitierte Vorjudikatur). Da einem Produkt gemäß § 2 LMG die Lebensmitteleigenschaft nur dann zukommt, wenn es dazu bestimmt ist, überwiegend zu Ernährungs- oder Genusszwecken gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, entscheidet die Bestimmung des Produktes über seine Lebensmitteleigenschaft. Nur dann, wenn ohne überdehnte Interpretation davon gesprochen werden kann, dass eine Ware überwiegend Ernährungs- oder Genusszwecken dient, kann von einem Lebensmittel gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/10/0350, und die hier zitierte Vorjudikatur).
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, das von der Beschwerdeführerin angemeldete Produkt sei dazu bestimmt, vor den Mahlzeiten zur Dämpfung des Hungergefühls eingenommen zu werden, es sei also nicht dazu bestimmt, überwiegend Ernährungs- oder Genusszwecken zu dienen.
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, es sei nicht die physiologische Erforderlichkeit eines Stoffes für die menschliche Ernährung ausschlaggebend, sondern dessen Eignung, einer der beiden Zweckbestimmungen (Ernährungs- oder Genusszwecke) zu dienen. Ernährung umfasse die Zufuhr von Nährstoffen zur Deckung der energetischen und stofflichen Bedürfnisse des menschlichen Organismus; das seien die in Lebensmitteln enthaltenen Substanzen, aus denen der Körper seinen Energiebedarf decke, den täglichen Verschleiß an Körpersubstanzen ersetze, das Körperwachstum fördere und die stoffwechselaktiven Wirkstoffe produziere; es seien dies vor allem Proteine, Fette und Kohlehydrate, aber auch Wasser, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine und als notwendige Ergänzung auch Geschmacks- und Ballaststoffe. Das vorliegende Produkt bestehe zu mehr als zwei Drittel aus den drei wichtigsten Ernährungsbestandteilen; seine Darreichungsform und Einnahmeempfehlung trage lediglich den besonderen Ernährungsbedürfnissen Rechnung, welche bestimmungsgemäß auch darin bestehen könnten, die Zufuhr anderer ernährungsphysiologisch wirkender Stoffe zu verringern. Dies sei bei dem von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produkt durch den (hervorgehobenen) Hauptbestandteil Weizenkleie in Verbindung mit der Einnahmeempfehlung der Fall.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Den von der Beschwerdeführerin gemäß § 17 Abs. 5 LMG vorgelegten Unterlagen zufolge ist das angemeldete Produkt dazu bestimmt, durch Einnahme vor den Mahlzeiten eine das Hungergefühl der Konsumenten hemmende Wirkung zu entfalten und die Verdauung auf "vollkommen natürliche Weise" zu unterstützen. Bestimmungsgemäß liegt der Zweck der Einnahme des Produktes daher nicht in der Ernährung des Konsumenten, sondern in der Einwirkung auf sein Hungergefühl und seine Verdauung; für die Annahme, das angemeldete Produkt sei dazu bestimmt, etwa einem Genusszweck zu dienen, fehlt jeder Anhaltspunkt.
Abgesehen davon, dass die belangte Behörde dem von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produkt nicht mangels physiologischer Erforderlichkeit die Lebensmitteleigenschaft abgesprochen hat, kommt dem von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Umstand, dass das Produkt "zu mehr als zwei Drittel" aus den "drei wichtigsten Ernährungsbestandteilen" bestehe, keine entscheidende Bedeutung zu; auch Verzehrprodukte oder Arzneimittel können eine solche Beschaffenheit aufweisen. Maßgeblich ist - wie ausgeführt, vielmehr, wozu das angemeldete Produkt bestimmt ist: Nur dann, wenn ohne überdehnte Interpretation davon gesprochen werden kann, dass der bestimmungsgemäße Zweck des Produktes überwiegend darauf gerichtet ist, der Ernährung oder dem Genuss zu dienen, liegt ein Lebensmittel vor.
Angesichts des deklarierten Zwecks des von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produktes - auch vor dem Hintergrund der für Arzneimittel typischen Einnahmeform (Tabletten) und der Einnahmeempfehlung - ist nicht zweifelhaft, dass der bestimmungsgemäße Zweck des Produktes nicht, jedenfalls aber keineswegs überwiegend in der Ernährung oder im Genuss besteht.
Es ist aber auch die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin nicht berechtigt. Die Beschwerdeführerin bringt nämlich vor, sie habe - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gutachten der Amtssachverständigen sehr wohl genützt und dabei vorgebracht, dass die Zweckbestimmung nach den §§ 2 und 17 LMG ausschließlich objektiv zu beurteilen sei, weil sonst etwa auch Semmeln und Milch für eine "F.X. Mayr-Kur" keine Lebensmittel wären und dass das von ihr angemeldete Produkt auf Grund seiner Inhaltsstoffe objektiv überwiegend zu Ernährungszwecken bestimmt, eine Ersetzung täglicher Nahrungsmittelrationen allerdings nicht vorgesehen sei. Dieses Vorbringen ist nach den obigen Darlegungen jedoch nicht geeignet, zu einem im Ergebnis anderen Bescheid zu führen. Ein der belangten Behörde in diesem Zusammenhang allenfalls unterlaufener Verfahrensmangel wäre daher nicht wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998100410.X00Im RIS seit
11.07.2001