Entscheidungsdatum
29.01.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W265 2205698-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tania KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.08.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin am 14.12.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 16.03.2018 basierenden Gutachten vom 17.06.2018 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"Anamnese:
AE, ChE, HE, K-TEP bds. im Jahr 2007, Patellafraktur links - Zuggurtung und Patellarückflächenersatz links im Jänner 2015, Schenkelhalsfraktur rechts - Verschraubung, Leistenbruchoperation, Bruch linker Handgelenk, Bruch linker Oberarm, CTS-Operation rechts, Staroperationen beiderseits, Curretage, Clavus 3 Zehe links entfernt.
Derzeitige Beschwerden:
Frau W. berichtet über ihre Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat mit kosekutiv eingeschränkter Mobilität.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
Colofac retard, Aprednislon, Thyrex, Neuromultivit, Magnesium, Famotidin, Kreon, Tardyferron, Cal-D-Vita, Lasilacton, Mexalen, Nomexor, Xarelto, Daflon.
Sozialanamnese:
Pensionist, verwitwet, ein Kind, bezieht Pflegegeld der Stufe 3.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befundnachreichung - XXXX - vom 7.2.2018: Thoraxschmerz, persistierendes Vorhofflimmern - erfolgreiche elektrische Cardioversion am 12.10.2016, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Osteoporose, Fingerpolyarthrosen,
Sigmadivertikulose - EKG: SR, AZ gut, EZ gut, Herz: Systolikum, rhythmisch, leicht tachycard, Lunge unauffällig.
Neurologischer Befund - XXXX - vom 14.12.2017: ISG links druckschmerzhaft, hochgradiges Carpaltunnelsyndrom rechts - OP 5/17 - seither gebessert, chronischer Weichteldefekt 3. Zehe links (schmerzhaft) - OP 5/17 - gebessert, PNP, K-TEP re+li 2004 und 2007, SHF re 2012 - Nagelung, HIS 13, Katarakt bds 13, OA-Fraktur + Handgelenksfraktur li., Osteoporose, Reizdarm Vorhofflimmern, Depressionen.
Befund XXXX - vom 21.6.2017: Hauptdiagnosen: Allgemeine Schwäche, Dekonditionierung, St. p. endoskopischer Neurolyse N. medianus rechts bei Karpaltunnelsyndrom rechts 15.05.2017, Clavus dig. III linker Fuß bei Zehendeformitäten - St. p. Revision der Druckstelle 15.05.2017, degeneratives WS Syndrom, Osteoporose, St. p. Sturz am 31.05.2017 - Fraktur 5. Rippe rechts, Hämatom und Excoriation rechts thorakal, St. p. Sturz 09.06.2017 - ohne weitere Verletzung, erhöhtes Sturzrisiko
Nebendiagnosen: St. p. Implantation Knie TEP beidseits (rechts 2004, links 2007), St. p. Patellafraktur links - St. p. Patella-Zuggurtung + Rückflächenersatz 01/2015 - OSM ex, St. p. subkapitale Humerusfraktur li. 01/2014, St. p. distale UA Fraktur Ii. 07/2014 - konservative
Therapie, St. p. perkutan verschraubte Schenkelhalsfraktur rechts 02/2012, vorbekannte
Beinlängendifferenz rechts (Verkürzungsausgleich +1,5 cm), mäßiggradiges
Polyneuropathiesyndrom, chronische Polyarthritis, Reizdarmsyndrom, Fibromyalgie Syndrom, VHFL - St. p. Kardioversion 10/2001, Presbyakusis, chronisch venöse Insuffizienz, St. p. Herpes zoster rechter OSCH, Depression.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 164 cm Gewicht: 72 kg Blutdruck: 140/80
Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus (Brillenträgerin) und Gehör altersentsprechend unauffällig, unauffällige Halsorgane.
Thorax/Herz/Lunge: inspektorisch und auskultatorisch unauffällig, keine Atemnot.
Abdomen: etwas über TN, unauffällige Organgrenzen.
Extremitäten: Endlageneinschränkungen an den Schulter- und Hüftgelenken, Kniegelenksersatz beiderseits mit funktionell zufriedenstellenden Ergebnissen, kein Tremor, keine Ödeme - trägt beidseits Stützstrümpfe, keine sensomotorischen Defizite.
Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, HWS ausreichend beweglich,
FBA im Stehen: 30 cm.
Gesamtmobilität - Gangbild:
kommt mit Gehstock ins Untersuchungszimmer - kann sich damit vernünftig fortbewegen, Schrittlänge etwas verkürzt. Keine Begleitperson im Untersuchungszimmer.
Status Psychicus:
Voll orientiert; Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Degenerative, osteoporotische, posttraumatische und postoperative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsorgan Unterer Rahmensatz, da nachvollziehbare Beschwerden mit Mobilitätsrestriktion nach multiplen Verletzungen und Operationen; alle orthopädischen und neurologischen Defizite sind in dieser Beurteilung mitberücksichtigt.
02.02.03
50
2
Hypertensive Cardiomyopathe Unterer Rahmensatz, da keine wesentlichen Beschwerden.
05.02.01
30
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht.
...
[x] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine - Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vorliegen. Unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde am Stütz- und Bewegungsapparat und am Herz-Kreislaufsystem kann - trotz des hohen Alters - eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen aus. Die Verwendung eines Gehstockes/einer Unterarmstützkrücke ist zweckmäßig, da damit die Stand- und Gangsicherheit optimiert werden kann. Dieses Hilfsmittel erschwert die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht in erheblichem Maße.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
..."
Mit Schreiben vom 22.06.2018 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Mit Schreiben vom 14.07.2018 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab, in welcher sie vorbrachte, seit der persönlichen Untersuchung seien leider ein Spitalsaufenthalt aufgrund eines Unfalls und eine Operation hinzugekommen. Bezüglich der Ausführungen im Sachverständigengutachten unter dem Punkt "Sozialanamnese" gab sie an, sie habe kein Kind und auch keine Geschwister, die sie betreuen könnten. Sie bitte nur um einen Behindertenpass, um Arztbesuche und Banktermine erledigen zu können. Es sei ihr unmöglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Die Beschwerdeführerin besitze keinen Führerschein und müsse alles mit dem Taxi erledigen. Der Stellungnahme schloss die Beschwerdeführerin eine Reihe an medizinischen Befunden an.
Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin und der nachgereichten Befunde ersuchte die belangte Behörde den bereits befassten Sachverständigen um ergänzende Stellungnahme.
In der Stellungnahme vom 02.08.2018 führte der Arzt für Allgemeinmedizin Folgendes aus:
"...
Gutachterliche Stellungnahme:
Hausärztliche Bestätigung - XXXX - vom 13.7.2018: Meine Patientin ist in einem red. AEZ und leidet an rez. Atemnot, Hypertonie, Osteoporose, IBS, massiven Ängsten, persist. VH-Flimmern, Polyarthrose, chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates. Sie benötigt zum Gehen Spezialschuhe und ist trotzdem sehr eingeschränkt und langsam in der Fortbewegung. Aus diesem Grunde benötigt sie einen Ausweis, damit das von ihr immer benötigte Taxi den Behindertenparkplatz benützen darf.
Befund - XXXX - vom 10.7.2018: Divertikulitis, paroxysmales
Vorhofflimmern (DOAK mit Xarelto) - aktuell im Sinusrhythmus,
Mitralklappeninsuffizienz II°, Trikuspidalklappeninsuffizienz l°-II°, arterielle Hypertonie,
Hyperlipidämie, Niereninsuffizienz, substituierte Hypothyreose, Osteoporose, Fingerpolyarthrosen - Cortison-Dauertherapie, multifaktorielle Vertigo, Laktoseintoleranz, Nierenzyste links.
Aus gutachterlicher Sicht ist dazu anzumerken, dass im Rahmen der Untersuchung im SMS alle relevanten Fakten, betreffend Zumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel berücksichtigt wurden.
Die Spitalsbefundnachreichung und die hausärztliche Bestätigung bedingen keine Änderung der gutachterlichen Ergebnisse und Schlussfolgerungen.
Es wird abschließend festgehalten, dass aus gutachterlicher Sicht nach neuerlicher Durchsicht des vorliegenden Aktenmaterials eine Änderung der getroffenen Beurteilung betreffend beantragter Zusatzeintragungen nicht vorgeschlagen wird, da die relevanten objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsbehinderungen und ihre Auswirkungen auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in der Beurteilung nach dem BBG entsprechend berücksichtigt und bewertet wurden."
Unter Zugrundelegung des ärztlichen Sachverständigengutachtens wurde der Beschwerdeführer am 03.08.2018 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. mit den Zusatzeintragungen "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial", "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese" und "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" ausgestellt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 03.08.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides werden im Wesentlichen die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 17.06.2018 und die ergänzende Stellungnahme vom 02.08.2018, welche als schlüssig erachtet werde, wiedergebgeben. Über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) sprach die belangte Behörde nicht ab, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die ergänzende gutachterliche Stellungnahme übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht die gegenständliche als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie vor, sie müsse nun immer einen Rollator benützen. Ihre Fußsohlen brennen aufgrund einer Peripheren Polyneuropathie (PNP) immer stärker, auch ihre Atemnot habe sich verstärkt. Es sei der Beschwerdeführerin unmöglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, sie müsse mit dem Taxi fahren. Sie schloss der Beschwerde eine allgemeinärztliche Bestätigung vom 29.08.2018 an.
Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um Erstellung eines Sachverständigengutachtens. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 29.11.2018 basierenden Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.11.2018 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"...
SACHVERHALT:
Gegen den Bescheid des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 03.08.2018 mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass abgewiesen wird, wird Beschwerde vorgebracht.
Im Beschwerdevorbringen der BF vom 07.09.2018, Abl. 76, wird eingewendet, dass die BF nun immer den Rollator benützen müsse, die Fußsohlen würden brennen und die Atemnot werde stärker. Es sei unmöglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.
In Abl. 33 wird im Einspruch vom 14. 7. 2018 vorgebracht, dass mehrere Krankenhausaufenthalte dazu gekommen seien. Sie habe keine Familienangehörigen, die sie betreuen könnten. Sie benötige den Parkausweis müsse alles mit dem Taxi liegen.
Vorgeschichte:
2004 Knietotalendoprothese rechts, 2012 Knietotalendoprothese links
2015 Patellafraktur links, zugute und Patellarückflächenersatz
2012 Schenkelhalsfraktur rechts, Verschraubung, seither Heimhilfe täglich
Fraktur linkes Handgelenk, linker Oberarm
Chronisch venöse Insuffizienz
CTS Operation rechts
Polyarthrose der Fingergelenke, Cortison-Dauertherapie multifaktorielle Vertigo Hypothyreose substituiert
Lactoseintoleranz
Zwischenanamnese seit 16. 3. 2018:
03/ 2018 Sturz auf Hinterhaupt, Rissquetschwunde, Naht in XXXX , einige Tage stationär
05/2018 Operation Hammerzehe für 4. 1. 2019 ist eine Leistenbruchoperation rechts geplant, Zustand nach Leistenbruchoperation links 2013
Hammerzehe 2. Zehe links, Operation geplant, kein Termin partielle Ageusie bei Zustand nach Antibioticatherapie
Befunde:
Abl. 54-57, Befund XXXX 27. 3. 2018 (Sturz, Contusio capitis, Rißquetschwunde okzipital links, Wundversorgung, 3 Tage stationär)
Abl. 51-53, Bericht XXXX 30. 5. 2018 (Exostosenabtragung und Clavus Revision und Exzision 3. Zehe rechts)
Abl. 50,51, Bericht XXXX vom 23.5. 2018, interne Ambulanz (Präoperative Kontrolle, Kreatinin 0,9)
Abl. 47-49, Bericht XXXX , 1. medizinische Abteilung vom 25.6. 2018 (stationär wegen rektaler Blutabgänge unter NOAK Therapie)
Abl. 44-45, Bericht Krankenhaus XXXX 9. 6. 2018 (atypische Thoraxschmerz, Troponin negativ)
Abl. 35-43, Bericht 1. Medizinische Abteilung Krankenhaus XXXX vom 10. 7. 2018 (Diverticulitis bei bekannter Sigmadivertikulose)
Abl. 34, Bestätigung XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin vom 13. 7. 2018 (reduzierter Allgemein- und Ernährungszustand, rezidivierende Atemnot, Bluthochdruck, Osteoporose,
Ängste, persistierendes Vorhofflimmern, Polyarthrose, chronische Erkrankung des Bewegungsapparates, Spezialschuhe erforderlich)
Abl. 21,20, Ambulanzprotoko/l XXXX / vom 1. 6. 2017 (Sturz, Fraktur der 5. Rippe rechts)
Abl. 17, Unfallchirurgisches Konsilium24. 5. 2017 (mäßige Coxarthrose, Knietotalendoprothese beidseits in Ordnung)
Sozialanamnese: verwitwet, keine Kinder, lebt alleine in Wohnung im
1. Stockwerk mit Lift Berufsanamnese: Sekretärin, Pensionistin
Medikamente: Colofac, Xarelto, Nomexor, Karion, Aprednislon 5 mg zweimal innerhalb Thyrex, Famotidin, Daflon, Neuromultivit, Calciduran, Zink, Magnesium verla, bei Bedarf
Antiflat, Lactase, Lasilacton, Passelyt, Mexalen, Iberogast, Easy Sleep, Oleovit D3
Allergien: Pflaster
Nikotin: 0
Laufende Therapie bei Hausarzt XXXX , 1130
Derzeitige Beschwerden:
"Beschwerden habe ich vor allem in den Beinen, die Fußsohlen brennen wie Feuer, habe eine Polyneuropathie. Zu Hause gehe ich mit dem Rollator. Habe eine Reizdarm, häufig Übelkeit und Schmerzen im Bauch. Habe Bluthochdruck und immer wieder Vorhofflimmern.
Schmerzen in der rechten Schulter mehr als links, Schmerzen in den Hüftgelenken, Kniegelenke und Vorfüßen Mittelfußköpfchen 2 und 3 beidseits rechts mehr als links. Habe Krampfadern, Schwellungsneigung und trage Kompressionsstrümpfe beidseits.
Seit einer Behandlung mit Antibiotika habe ich kein Geschmacksempfinden mehr, das Essen schmeckt großteils nach nichts, manchmal ein bisschen süß."
STATUS:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut
Größe 164 cm, Gewicht 69 kg, RR 150/100 92 a Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: keine pathologischen Resistenzen tastbar, Druckschmerz rechter UB geringgradig gebläht.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Schultergelenke beidseits: endlagige Bewegungsschmerzen
Handgelenke rechts: geringgradige Umfangsvermehrung, endlagige Bewegungsschrrerzen
Fingergelenke: Polyarthrose mit geringgradiger bis mittelgradiger Schwellung und Achsenabweichung
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig
Aktive Beweglichkeit: Schultern F und SO/ 140, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung frei, Handgelenke rechts endlagig eingeschränkt, links frei, Daumen und Langfinger seitengleich endlagig eingeschränkt. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist nicht komplett, Fingerkuppenhohlhandabstand 1-2 cm, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken kurz durchführbar.
Der Einbeinstand ist mit Anhalten kurz möglich. Die tiefe Hocke ist nicht möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, geringgradig Unterschenkelödeme beidseits, keine sichtbaren Varizen, Stützstrümpfe beidseits werden getragen, die Sensibilität wird im Bereich der Fußsohlen als gestört, brennend angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitergleich.
Hüftgelenke beidseits: endlagige Bewegungsschmerzen
Kniegelenk beids.: Narbe nach Knietotalendoprothese beidseits
Druckschmerzen im Bereich der Mittelfußköpfchen 2 und 3 rechts mehr als links
Hammerzehe 2 links, Zustand nach Hammerzehen Operation 3 rechts
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig
Aktive Beweglichkeit: Hüften endlagig eingeschränkt, Knie beidseits 0/5/120, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60 0 bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, verstärkte Kyphose der Deren BWS, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, deutlich Hartspann. Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich
BWS/LWS: FBA: 30 cm, in allen Ebenen deutlich eingeschränkt beweglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock, das Gangbild ist breitbasig, kleinschrittig, vorgeneigt, deutlich verlangsamt, Richtungswechsel mit Anhalten möglich, aber unsicher.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig;
Stimmungslage ausgeglichen.
STELLUNGNAHME:
ad 1) Diagnosenliste:
1) Degenerative, osteoporotische, posttraumatische und postoperative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat
2) Hypertensive Kardiomyopathie
ad 2) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?
Ja.
Multifaktoriell bedingt ist eine Gangunsicherheit objektivierbar. Freies Stehen ist nur kurz möglich, es besteht ohne Anhalten ein Sturzrisiko.
ad 3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?
Ersucht wird auszuführen, in welchem Ausmaß sich die festgestellten Leidenszustände in Zusammenschau mit den im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten Dr. Lechner festgestellten Erkrankungen Abl. 25-30 nach ihrer Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken.
Eine erhebliche Einschränkung der Herzleistung, die für sich allein das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und Benützen öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würde, ist nicht objektivierbar. Eine maßgebliche Lungenfunktionseinschränkung ist nicht dokumentiert.
In Zusammenschau sämtlicher Leiden ist jedoch eine maßgebliche ungünstige wechselseitige Beeinflussung in Hinblick auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel gegeben.
Insbesondere konnten im Vergleich zum VGA weitere Diagnosen 3) Chronisch venöse
Insuffizienz, 4) Reizdarmsyndrom, Divertikulose, 5) Hypothyreose, substituiert, 6) partielle Ageusie) festgestellt werden, die sich zum Teil (Leiden 3) ungünstig auf die beantragte Zusatzeintragung auswirken.
Die Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates, vor allem der unteren Extremitäten, und der Hände wirken sich erschwerend auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus.
Zumutbare therapeutische Optionen, welche eine Neubeurteilung erforderten, sind angesichts des fortgeschrittenen Alters nicht gegeben.
Die Gehleistung ist aufgrund Unsicherheit aus einer Mischung von funktionellem Defizit, Alter und allgemeiner Muskelschwächen in einem Ausmaß beeinträchtigt, dass das selbständige Zurücklegen kurzer Wegstrecken von 300-400 m nicht möglich ist und das Überwinden von Niveauunterschieden erheblich beeinträchtigt ist.
ad 4) Stellungnahme zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin und den vorgelegten Befunden:
Dokumentiert sind zahlreiche stationäre Aufenthalte in der letzten Zeit, welche eine zunehmende multifaktorielle Schwäche mit Gangungsicherheit belegen.
ad 5) Stellungnahme zu allfälligen von den angefochtenen Gutachten abweichenden Beurteilung:
Objektivierbar ist eine maßgebliche Verschlimmerung mit Sturzneigung, sodass die
Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in der
Zwischenzeit erfüllt sind und daher eine abweichende Beurteilung vorliegt.
ad 6) Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.
ad 7) Wurden im Rahmen der nunmehrigen Begutachtungsbefunde vorgelegt, welche der Nahrungsbeschränkung unterliegen?
Im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung vorgelegte Befunde:
Nachgereichte bzw. im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung vorgelegte
Befunde:
Bericht XXXX vom 25. 10. 2018 (geplante elektrische Cardioversion bei persistierendem Vorhofflimmern, Sinusrythmus, weitere Diagnosen:
Bluthochdruck, chronische Niereninsuffizienz, Hypothyreose, Osteoporose,
Fingerpolyathrose-Cortison Dauer-therapie, Multifaktorieller Vertigo, Lactoseintoleranz, Zustand nach Diverticulitis 07/2008)
HNO Konsilium vom 23. 10. 2018 im Rahmen des stationären Aufenthalts im Krankenhaus der XXXX (Geschmacksstörung, seit Jänner nach Einnahme von Citromax aufgetreten, Gerüche können erkannt werden, beim Schmecken kann ausschließlich süß erkannt werden, Diagnose:
partielle Ageusie, Thioctazid für 4 Wochen)
Bericht Dr. XXXX , 15. 11. 2018 (Hernia inguinalis rechts mit Zustand nach Inkazeration,
Portionen 4. 1. 2019 geplant)
Eine andere medizinische Beurteilung als die aktuell getroffene wäre aus den neu vorgelegten Befunden nicht abzuleiten."
Mit Schreiben vom 19.12.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde das genannte Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesen die Möglichkeit ein, innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.
Die Beschwerdeführerin gab telefonisch am 28.12.2018 bekannt, mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens einverstanden zu sein.
Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Sie stellte am 14.12.2017 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
-
Degenerative, osteoporotische, posttraumatische und postoperative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat
-
Hypertensive Kardiomyopathie
-
Chronisch venöse Insuffizienz
-
Reizdarmsyndrom, Divertikulose
-
Hypothyreose, substituiert
-
Partielle Ageusie
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin nicht zumutbar.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß und wechselseitigen Leidensbeeinflussung sowie der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten einer Fachärztin Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.11.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung am 29.11.2018, zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.11.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 29.11.2018, ist aus fachlicher Sicht schlüssig und nachvollziehbar. Es wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen. Die Sachverständige führt dabei aus, dass in der letzten Zeit zahlreiche stationäre Aufenthalte dokumentiert seien, die eine zunehmende multifaktorielle Schwäche mit Gangunsicherheit belegen. Seit dem Vorgutachten sei eine maßgebliche Verschlimmerung des Zustandes mit Sturzneigung objektivierbar. Es seien seither insbesondere weitere Diagnosen hinzugekommen, wobei sich vor allem die chronisch venöse Insuffizienz ungünstig auf die beantragte Zusatzeintragung auswirken. Die Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates, vor allem der unteren Extremitäten und der Hände, wirken sich erschwerend auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus. Angesichts des fortgeschrittenen Alters der Beschwerdeführerin sind zumutbare therapeutische Optionen nicht gegeben. Die Gehleistung der Beschwerdeführerin ist aus einer Kombination von funktionellem Defizit, Alter und allgemeiner Muskelschwäche in einem Ausmaß beeinträchtigt, dass das selbstständige Zurücklegen kurzer Wegstrecken von 300 bis 400 Metern nicht möglich und das Überwinden von Niveauunterschieden erheblich beeinträchtigt sind. Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass sind damit erfüllt.
Die Beschwerdeführerin zeigte sich mit dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens einverstanden, die belangte Behörde gab keine Stellungnahme dazu ab.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin beruhenden Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.11.2018 und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
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erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
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eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
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eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
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arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
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Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
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hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
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Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
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COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
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Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
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mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
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Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behand