Entscheidungsdatum
30.01.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W114 2187832-1/10E
schriftliche Ausfertigung des am 22.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch seine Mutter XXXX , diese vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 23.01.2018, Zl. 1098959602-151983919/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.06.2018 und am 22.01.2019, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs.1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Mutter (W114 2187845) von XXXX (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF) stellte gemeinsam mit ihrem Ehemann (Zl W114 2187816) für sich und ihre minderjährigen Kinder (W114 2187828, W114 2187832, W114 2187837 und W114 2187841) am 13.12.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Es liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.
I.2. Am 13.12.2015 erfolgte die Erstbefragung der Mutter des Beschwerdeführers nach dem AsylG 2005.
I.3. Die Mutter des Beschwerdeführers führte anlässlich ihrer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) durchgeführten Einvernahme am 17.10.2017 aus, dass sie und ihr Mann Schwierigkeiten mit den Taliban gehabt hätten und daher Afghanistan verlassen hätten.
I.4. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark vom 23.01.2018, Zl. 1098960505-151983986/BMI-BFA_STM_RD, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV), wobei gemäß
§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).
I. 5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, diese vertreten durch die XXXX mit Schriftsatz vom 24.02.2018 Beschwerde.
I.6. Am 13.06.2018 und am 22.01.2019 fanden vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) öffentliche mündliche Verhandlungen statt, an der sich sowohl die Mutter des Beschwerdeführers als auch der Vater des Beschwerdeführers beteiligten. Ein Vertreter des BFA nahm an den Verhandlungen nicht teil.
In der mündlichen Verhandlung am 22.01.2019 überzeugte der Vater des BF nicht nur mit ausgezeichnetem Bibelwissen, sondern auch mit seiner überzeugenden Einstellung zum Christentum und seiner Bereitschaft, sich für seinen Glauben auch einzusetzen und evangelisierend tätig zu werden. Der Vater des BF vermochte darüber hinaus auch glaubhaft zu machen, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgung wegen seiner religiösen Ausrichtung bedroht wäre und nicht ausgeschlossen werden kann, dass er im Zuge solcher Verfolgungsgefahren sogar getötet werden würde.
Infolge der Glaubhaftmachung der ihm drohenden Verfolgung aus religiösen Gründen wurde dem Vater des BF im Anschluss an seine Einvernahme im Zuge eines mündlich verkündeten Erkenntnisses am 22.01.2019 der Status eines Asylberechtigten bezüglich seines Herkunftsstaates Afghanistan gewährt und die Rechtsmittelbelehrung erteilt. Unter Hinweis, dass die Regelungen bezüglich eines Familienverfahrens zur Anwendung gelangen würden, wurde auch dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und diese Entscheidungen ebenfalls mündlich verkündet.
Dem BFA, welches zur mündlichen Verhandlung vor dem BVwG keinen Vertreter entsandt hatte und sich damit nicht selbst einen persönlichen Eindruck verschafft hat, wurde das Verhandlungsprotokoll samt ausführlich begründetem mündlich verkündeten Erkenntnis unmittelbar nach Ende der mündlichen Verhandlung noch am 22.01.2019 zum Parteiengehör übermittelt.
I.7. In einem Schreiben vom 23.01.2019 hat das BFA gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG am 24.01.2019 um eine Ausfertigung des Erkenntnisses ersucht.
I.8. Am 28.01.2019 wurde zu W114 2187845-1/14E sowohl dem BFA als auch dem Vater des Beschwerdeführers die schriftliche Ausfertigung des am 22.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses des BVwG, mit dem dem Vater des Beschwerdeführers der Status eines Asylberechtigten erteilt wurde, übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehörige Afghanistans und wurde am XXXX geboren. Seine Mutter stellte am 13.12.2015 für sich und als Vertreterin ihrer vier minderjährigen Kinder auch für diese Anträge auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist das leibliche minderjährige Kind von XXXX , dem mit mündlich verkündeten Erkenntnis vom 22.01.2019, W114 2187816-1-12Z, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde und dem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als dessen leiblicher Sohn der Familie von XXXX an. Daher liegt in der gegenständlichen Angelegenheit ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und dem Umstand, dass er der leibliche Sohn von XXXX ist, ergeben sich aus ihren gleichbleibenden Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde und in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG. Bereits das BFA ist vom Bestehen der Familieneigenschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater gemäß § 34 AsylG 2005 ausgegangen.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
A)
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
In der gegenständlichen Angelegenheit wurde dem leiblichen Vater des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren. Ein "Recht auf originäre Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" gemäß § 3 AsylG 2005 (sowie auf gesonderte Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005) kann nicht verletzt werden, weil ein solches Recht nicht besteht (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).
Aufgrund der Zuerkennung von Asyl (Spruchpunkt I.) sind die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI des angefochtenen Bescheides gegenstandslos geworden.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Asylgewährung, Asylverfahren, Familienangehöriger,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W114.2187832.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.04.2019