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L34004 Abgabenordnung Oberösterreich;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Grieskirchen, vertreten durch Dr. K und Dr. S, Rechtsanwälte in S, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Juli 1998, Zl. Gem - 521247/2 - 1998 - WA, betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: L, vertreten durch Dr. O und Dr. H, Rechtsanwälte in R), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei stellte mit der Eingabe vom 12. Dezember 1995 den Antrag auf teilweise Befreiung von der Kanalbenützungsgebühr des Jahres 1995 für über 2.000 m3 bezogenes und bei der Getreidevermahlung in ihrem Betrieb verbrauchtes Wasser, das nicht in den Kanal abgeleitet wurde.
Mit Bescheid vom 22. August 1996 gab der Bürgermeister der Stadtgemeinde dem Antrag nicht statt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der mitbeteiligten Partei wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde mit Bescheid vom 18. Dezember 1997 als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, in der Kanalgebührenordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde sei keine Ermäßigung oder ein Entfall einer Kanalbenützungsgebühr für den Fall vorgesehen, dass Netzwasser, welches zur Getreidevermahlung verwendet werde, teilweise oder gänzlich bei der Bemessung der Kanalbenützungsgebühr außer Betracht bleiben könnte.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der mitbeteiligten Partei Folge, hob den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, gemäß § 182 Oö. LAO 1996 könnten fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Es seien keine Ermittlungen darüber geführt worden, ob die Einhebung der Kanalbenützungsgebühr im Beschwerdefall eine Unbilligkeit darstelle. Da "die Frage der Unbilligkeit nicht ermittelt" worden sei, sei der Vorstellung Folge zu geben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Stadtgemeinde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf verordnungskonforme Festsetzung von Kanalbenützungsgebühren bzw. Versagung von Kanalgebührenbefreiungen verletzt.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Grieskirchen vom 17. Dezember 1987 i.d.F. des Gemeinderatsbeschlusses vom 16. Oktober 1995, mit der eine Kanalgebührenordnung für die öffentliche Kanalisationsanlage in der Gemeinde Grieskirchen erlassen wurde, hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"§ 4
Kanalbenützungsgebühren
(1) Die Eigentümer der an die Kanalisation angeschlossenen Grundstücke haben eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten. Diese beträgt jährlich
ab 1. Jänner 1995 S 21,50 pro Kubikmeter,
ab 1. Jänner 1996 S 23,00 pro Kubikmeter,
ab 1. Jänner 1997 S 24,50 pro Kubikmeter,
des aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage bezogenen Wassers. Gehören die an die Kanalisationsanlage angeschlossenen Grundstücke mehreren, so sind sie Gesamtschuldner.
(2) Die bezogene Wassermenge wird nach den von der Stadtgemeinde Grieskirchen oder dem Wasserverband Grieskirchen und Umgebung bereitgestellten Wasserzählern ermittelt.
(3) Bei offenkundiger Unrichtigkeit oder bei Ausfall des Wasserzählers wird die verbrauchte Wassermenge geschätzt. Bei der Schätzung des Wasserverbrauches ist insbesondere auf den Wasserverbrauch des vorausgegangenen Kalenderjahres und auf eventuell geänderte Verhältnisse im Wasserverbrauch Rücksicht zu nehmen.
(4) Die Kanalbenützungsgebühr für Grundstücke, die an die öffentl. Wasserversorgungsanlage nicht oder zum Teil nicht angeschlossen sind, wird nach dem durchschnittlichen Wasserverbrauch für Grundstücke ähnlicher Größe und Verwendung berechnet.
(5) Die Kanalbenützungsgebühr für Grundstücke, von denen nur Niederschlagswässer abgeleitet werden, beträgt für je angefangene 500 m2 Grundfläche mit einer Entwässerung in das öffentl. Kanalnetz 75,00 Schilling vierteljährlich.
§ 5
Fälligkeit
(3) Die Kanalbenützungsgebühr ist vierteljährlich zu entrichten und zwar am 15.2., 15.5., 15.8. und 15.11. eines jeden Jahres. Die ersten drei Vierteljahresraten sind in gleichhohen Pauschalbeträgen als Viertelanteile des Abrechnungsergebnisses des Vorjahres oder bei Neuanschlüssen als Durchschnittswerte vergleichsbarer Objekte und die letzte Vierteljahresrate als Abrechnungsbetrag vorzuschreiben."
Der Bürgermeister der Stadtgemeinde gab dem Antrag der mitbeteiligten Partei vom 12. Dezember 1995 mit Bescheid vom 22. August 1996 nicht statt und entschied damit mit einem gesonderten Bescheid über die beantragte teilweise Abgabenbefreiung.
Bescheidmäßige Feststellungen können nicht nur dann erlassen werden, wenn dies gesetzlich ausdrücklich geboten ist, sondern auch dann, wenn eine solche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines Feststellungsbescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn die bescheidmäßige Feststellung für die Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung ist und insoferne im Interesse der Partei liegt (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 935, zu § 92 BAO).
Ein im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gegründeter Anlass zur Erlassung eines Feststellungsbescheides liegt dann nicht vor, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens oder eines gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. November 1996, Zl. 92/17/0207). Somit ist kein Feststellungsbescheid zu erlassen, wenn die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 14. August 1991, Zl. 89/17/0174).
Nach den unbestrittenen Beschwerdebehauptungen - Gegenteiliges findet sich auch in den Verwaltungsakten nicht - wurde der mitbeteiligten Partei die Kanalbenützungsgebühr 1995 nicht mit Bescheid vorgeschrieben. Mit dem Befreiungsantrag begehrte die mitbeteiligte Partei die Herabsetzung der Kanalbenützungsgebühr für 1995 und bestritt somit die bisher nur mitgeteilte Abgabenschuld der Höhe nach.
Gemäß dem im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung in Kraft gestandenen § 145 Oö. LAO, LGBl. für Oberösterreich Nr. 30/1984 i.d.F. LGBl. Nr. 46/1992 (ab 30. November 1996 insoweit inhaltsgleich § 146 Oö. LAO 1996), kann der Abgabepflichtige die nach den Abgabenvorschriften für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen zu entrichtenden Gebühren (§ 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 1989) und Steuern auf Grund einer bloßen schriftlichen Mitteilung der Behörde über die Höhe der Gebühr (Steuer) und über den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichten (§ 157). Abgabenbescheide sind jedoch zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die ihm mitgeteilte Abgabenschuld in irgendeinem Belange bestreitet die Zahlung von der Zustellung eines Abgabenbescheides abhängig macht oder den mitgeteilten Abgabenanspruch der Gemeinde nicht binnen 14 Tagen nach Fälligkeit erfüllt.
Der Bürgermeister der Stadtgemeinde hätte daher auf Grund des Antrages der mitbeteiligten Partei vom 12. Dezember 1995 nach § 145 Oö. LAO (§ 146 Oö. LAO 1996) einen Abgabenbescheid über die Kanalbenützungsgebühr 1995 zu erlassen gehabt und keine unzulässige gesonderte Feststellung über die Abgabenbefreiung.
Damit erweisen sich der abweisende Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde und der in der Folge ergangene Vorstellungsbescheid, der nicht diesen Umstand zum Grund der Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates machte, als inhaltlich rechtswidrig. Die Umdeutung des Begehrens der mitbeteiligten Partei vom 12. Dezember 1995 auf ein Nachsichtsansuchen deckt sich mit dem tatsächlichen Vorbringen nicht, sodass die die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der Stadtgemeinde tragenden Gründe des Vorstellungsbescheides sich als rechtswidrig erweisen. Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wie im verwaltungsbehördlichen Verfahren zutreffend festgestellt wurde, enthält die angeführte Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde keine Regelung über die Befreiung von der Entrichtung der Kanalbenützungsgebühr.
Die Verordnung über die Kanalbenützungsgebühr hat ihre Grundlage im § 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 1989.
Gemäß dieser Bestimmung werden die Gemeinden ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenbauten, vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. VfSlg 10.947) lässt es das Gleichheitsprinzip zu, bei Benützungsgebühren pauschalierende Regelungen zu treffen, sofern sie den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen und im Interesse der Verwaltungsökonomie liegen. Es gilt aber auch in diesem Bereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen der speziellen Leistung der Gebietskörperschaft und der Gegenleistung (der Benützungsgebühr). Die Gebühr darf demnach ein angemessenes Verhältnis zur Leistung nicht übersteigen (vgl. VfSlg 5023/1965 und 5028/1965).
Die Beachtung dieser Verhältnismäßigkeit ist für die Gesetzmäßigkeit der Verordnungsbestimmung über die Kanalbenützungsgebühr eine unabdingbare Voraussetzung. Wird diese nicht beachtet, dann sind diese gesetzwidrigen Verordnungsbestimmungen von der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof bedroht.
Bei gesetzeskonformer Auslegung der Verordnung jedoch - dem Verordnungsgeber ist nicht zu unterstellen, dass er eine gesetzwidrige Verordnung erlassen wollte - ist der zweite Satz des § 4 Abs. 1 der genannten Kanalgebührenordnung als Regelung über die Bemessungsgrundlage auf den vom Verhältnismäßigkeitsrahmen zugelassenen Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren und für alle übrigen daher nicht von dieser Verordnungsregelung erfassten Fälle sind die Kanalbenützungsgebühren nach der - allenfalls im Wege der Schätzung zu ermittelnden - Menge des tatsächlich in den Kanal abgeleiteten Abwassers zu bemessen.
Aus den dargestellten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. April 1999
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998170229.X00Im RIS seit
11.07.2001