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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BWG 1993 §27 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der S Aktiengesellschaft in 1090 Wien, vertreten durch Dr. M u.a., Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 6. Juni 1995, Zl. 23 5111/18-V/13/95, betreffend Vorschreibung von Zinsen und Auftrag nach dem Bankwesengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid schrieb die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei für Überschreitungen der Großveranlagungsgrenze gemäß § 27 Abs. 5 Bankwesengesetz bei dem Kunden I. mit dem Sitz in Italien in den Monaten Jänner, Februar und März 1995 sowie bei der "Firma" B. im Februar 1995 für jeweils monatlich aufgeschlüsselte Beträge an Zinsen den (nicht weiter aufgeschlüsselten) Betrag von S 982.050,-- zur Zahlung vor. Des Weiteren wurde die beschwerdeführende Partei "gemäß § 70 Abs. 4 Z. 1 BWG aufgefordert, bis längstens 1. Juli 1995 den rechtmäßigen Zustand, d.h. die rechtlich zulässige Einzel-Großveranlagungsgrenze" bezüglich des Kunden I. "einzuhalten, herzustellen". Für den Fall, dass die beschwerdeführende Partei diesem Auftrag nicht fristgerecht nachkomme, wurde eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 300.000,-- "verhängt".
Aus den "BWG-Nichteinhaltungstabellen" der Oesterreichischen Nationalbank ergebe sich eine Überschreitung der Grenze für einzelne Großveranlagungen der beschwerdeführenden Partei bei dem Kunden I. in den Monaten Jänner 1995 um S 190,186.000,--, Februar 1995 um S 187.670.000,--, und März 1995 um S 200.467.000,-- sowie bei der "Firma" B. im Februar 1995 um S 10.908.000,--.
Über Vorhalt mit Schreiben vom 28. April 1995 habe die beschwerdeführende Partei am 10. Mai 1995 mitgeteilt, dass die Einzelgroßveranlagung betreffend den Kunden I. aus dem Ankauf einer Kreditforderung entstanden sei, die "so lukrativ (sei), dass ein Verkauf nicht opportun" gewesen wäre.
Insgesamt werde weder bei dem Kunden I. noch bei der "Firma" B. die Gesetzesverletzung bestritten. Gemäß § 97 Abs. 1 Z. 6 BWG errechneten sich somit Zinsen in der Gesamthöhe von S 982.050,--.
Mit Beschluss vom 13. Dezember 1995, B 2286/95-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Vor diesem erachtet sich die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht verletzt, "nicht nach den Bestimmungen des Bankwesengesetzes ... durch die Vorschreibung von Zinsen in der Höhe von S 982.050,-- bestraft zu werden." In der Begründung der Beschwerde wendet sie sich auch noch gegen die "verhängte" Zwangsstrafe.
Sie bekämpft den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Antrag stellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit die Beschwerdeführerin in der Vorschreibung von Zinsen gemäß § 97 Abs. 1 Z. 6 BWG eine Strafe erblickt, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 22. Februar 1999, Zl. 96/17/0006, näher dargelegt, warum es sich dabei um eine wirtschaftsaufsichtsrechtliche Maßnahme ohne Strafcharakter handelt. Auf dieses Erkenntnis kann daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, dass der Gesetzgeber im § 97 Abs. 1 BWG insoweit vom Vorbild des KWG abgegangen ist, als die im BWG vorgesehenen Zinssätze durchaus als "starre Zinsen" zu verstehen sind.
Die beschwerdeführende Partei bestreitet vor dem Verwaltungsgerichtshof weiters nicht, dass die von der belangten Behörde festgestellten Überschreitungen der Großveranlagungsgrenze zu den gegebenen Zeitpunkten (betragsmäßig) vorlagen. Sie verweist jedoch darauf, dass die Überschreitungen "nur im Konzernbereich" getätigt worden seien; es seien nämlich Kredite an eine Schwestergesellschaft (gemeint offenbar: der Kunde I.) gegeben worden. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass die beschwerdeführende Partei ein entsprechendes Vorbringen bereits im Verwaltungsverfahren erstattet hat (die vorgelegten Akten sind unvollständig).
Gemäß § 27 Abs. 1 des Bankwesengesetzes, BGBl. Nr. 532/1993, haben Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen das besondere bankgeschäftliche Risiko einer Großveranlagung jederzeit angemessen zu begrenzen.
Abs. 2 leg. cit. definiert den Begriff "Großveranlagung":
"(2) Eine Großveranlagung liegt vor, wenn die Summe der Buchwerte der Veranlagungen nach Z. 1 bis 5 eines Kreditinstitutes bzw. einer Kreditinstitutsgruppe bei einer wirtschaftlichen Einheit 15 v.H. der anrechenbaren Eigenmittel des Kreditinstitutes bzw. der anrechenbaren konsolidierten Eigenmittel der Kreditinstitutsgruppe überschreitet und mindestens 7 Millionen Schilling beträgt:
1.
Geldforderungen,
2.
Anteilsrechte,
3.
Aktivposten aus dem Leasinggeschäft, die mit dem Barwert der diskontierten Forderungen anzusetzen sind,
4.
die Hälfte der Eventualverbindlichkeiten (Anlage 2 zu § 42, Teil 1, Passiva, Posten 1 unter der Bilanz) und
5.
nicht ausgenützte Kreditrahmen und nicht ausgenützte Promessen.
Für Veranlagungen gemäß Z. 1 bis 4 gebildete Rückstellungen sind hievon abzuziehen. Haftet für eine der in Z. 1 bis 5 genannten Veranlagungen auch ein Dritter, so kann der Buchwert dieses Postens auch dem Dritten zugerechnet werden, sofern auf Grund einer Prüfung durch das Kreditinstitut feststeht, dass dessen Bonität nicht schlechter als die des primär Verpflichteten ist."
Als wirtschaftliche Einheit gelten gemäß Abs. 3 leg. cit. u. a. rechtlich selbständige Unternehmen unabhängig von deren Rechtsform, die zu einem Konzern (§ 15 AktG, § 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung) gehören, insbesondere jene, die unmittelbar oder mittelbar zumindest 50 v.H. miteinander verbunden sind. Ist das kreditgewährende Kreditinstitut die Konzernmutter, so gelten jede Tochter und jeder Tochterkonzern als eigene wirtschaftliche Einheit.
Von besonderer Bedeutung im Beschwerdefall sind die Abs. 5 und 6 des § 27 BWG; diese lauteten auszugsweise:
"(5) Eine einzelne Großveranlagung darf unbeschadet der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes 40 v.H. der anrechenbaren Eigenmittel eines Kreditinstitutes bzw. der anrechenbaren konsolidierten Eigenmittel einer Kreditinstitutsgruppe nicht überschreiten...
(6) Abs. 5 gilt nicht für ...
8. Aktivposten gegenüber Kredit- oder Finanzinstituten, die derselben Kreditinstitutsgruppe gemäß § 30 angehören."
Eine Kreditinstitutsgruppe liegt nach dem hier bezogenen § 30 BWG insbesondere dann vor, wenn ein Kreditinstitut (übergeordnetes Kreditinstitut) bei einem oder mehreren Kredit- oder Finanzinstituten (nachgeordnete Institute) mit Sitz im Inland oder Ausland
1.
mehrheitlich mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist,
2.
über die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter verfügt,
3.
das Recht besitzt, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen,
4.
das Recht besitzt, einen beherrschenden Einfluss auszuüben oder
5.
auf Grund eines Vertrages mit einem oder mehreren Gesellschaftern des Tochterunternehmens das Recht zur Entscheidung besitzt, wie Stimmrechte der Gesellschafter, soweit sie mit seinen eigenen Stimmrechten zur Erreichung der Mehrheit aller Stimmen erforderlich sind, bei Bestellung oder Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Leitungs- oder eines Aufsichtsorgans auszuüben sind.
Kreditverbindlichkeiten eines Kunden sind Aktivposten des Kreditinstitutes. Der Hinweis der beschwerdeführenden Partei, dass die Großveranlagungen (zumindest hinsichtlich des Kunden I.) im Rahmen des Konzerns bei einem ausländischen (italienischen) Schwesterinstitut getätigt worden seien, verweist darauf, dass die Ausnahme des § 27 Abs. 6 Z. 8 BWG von Abs. 5 leg. cit. vorliegen könnte. Feststellungen über die Zugehörigkeit zu derselben Kreditinstitutsgruppe wurden aber im bekämpften Bescheid nicht getroffen.
Die beschwerdeführende Partei verweist somit zutreffend auf eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG als rechtswidrig aufzuheben.
Die beschwerdeführende Partei hat den Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erstmals in der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof und daher im Sinne des § 39 Abs. 1 Z. 1 VwGG verspätet gestellt, weshalb auf ihn nicht Rücksicht zu nehmen war; überdies hätte von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen der Aufhebung infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Abstand genommen werden können.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996170041.X00Im RIS seit
20.11.2000