TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W200 2214232-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §10
VOG §6a

Spruch

W200 2214232-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und den Richter Dr. KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 21.12.2018, Zl. 114-616339-008, mit dem der Antrag auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin hat am 13.09.2018 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Gewährung von Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz gestellt und begründend ausgeführt, dass sie von 2013 bis 2014 Opfer sexuellen Missbrauchs eines namentlich bekannten Täters gewesen sei. Sie befinde sich in therapeutischer Behandlung bei Möwe.

Dem Antrag angeschlossen waren ein Urteil des LG für Strafsachen Wien, in dem der Täter ua wegen des an der Beschwerdeführerin begangenen Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen von September 2013 bis Dezember 2014 nach § 207 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen von September 2013 bis Dezember 2014 nach § 206 Abs. 1 StGB, des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses von September 2013 bis Dezember 2014 nach § 212 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 1/2 Jahren verurteilt wurde.

Mit Urteil des OLG Wien vom 26.06.2018 wurde die Freiheitsstrafe auf 5 Jahre erhöht.

Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 10.12.2018 die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 10 Abs. 1 VOG auf die Versäumung der Antragsfrist hingewiesen.

Mit Bescheid vom 21.12.2018 wurde der Antrag vom 13.09.2018 gemäß § 1 Abs. 1 und §§ 6a und 10 Abs. 1 VOG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben mit der Begründung, dass die Eltern erst Anfang Mai 2017 vom an der Tochter begangenen Missbrauch der Tochter erfahren hätten, als diese ihre Aussage bei der Kriminalpolizei gemacht hätte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Die Beschwerdeführerin war von September 2013 bis Dezember 2014 Opfer sexuellen Missbrauches eines namentlich bekannten Täters.

1.2 Der Antrag auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld ist am 13.09.2018 bei der belangten Behörde eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1 und 1.2) Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

(§ 1 Abs. 1 VOG auszugsweise)

Als Hilfeleistungen sind u.a. vorgesehen:

1. (...)

2. 10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.

(§ 2 VOG auszugsweise)

Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert. (§ 6a Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht. (§ 6a Abs. 2 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. (§ 10 Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Der § 6a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 tritt mit 1. April 2013 in Kraft. Der § 6a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden. (§ 16 Abs. 13 VOG auszugsweise)

Im Lichte der Gesetzesmaterialien (GP XIII RV 40 S. 8) zum VOG 1972 ist festzuhalten, dass mit dem VOG die Möglichkeit einer Vorleistung durch den Bund geschaffen werden sollte, indem der Bund die vorläufigen Pflichten des Schädigers übernimmt.

Durch die unmissverständliche Formulierung des § 10 Abs. 1 VOG idF des BGBl. I Nr. 58/2013 hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass alle Leistungen außer Kostenersatz für Psychotherapie binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG zu beantragen sind. Nach Ablauf der Zweijahresfrist sind alle Leistungen - außer Krisenintervention, Ersatz der Bestattungskosten und Pauschalentschädigung für Schmerzengeld - erst ab Antragsfolgemonat zu erbringen. Die Erläuterungen enthalten keinen Anhaltspunkt, vom eindeutigen Wortlaut der Bestimmung abzuweichen. Vielmehr kann von der jeweiligen Leistungsart auf den Zweck der Regelung geschlossen werden. Krisenintervention ist in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Verbrechen bis maximal 10 Sitzungen zu leisten und Bestattungskosten sowie Schmerzengeld stellen eine einmalige Abgeltung dar. Es handelt sich bei diesen Leistungen nach § 2 Z 2a, Z 8 und Z 10 VOG daher nicht um gegebenfalls laufende Leistungen, weshalb im Fall der Zulässigkeit der Gewährung auch nach Ablauf der Zweijahresfrist, die Bestimmung des § 10 Abs. 1 letzter Satz VOG sinnentleert wäre. Auch spricht der Umstand, dass der § 10 Abs. 1 letzter Satz VOG neu formuliert wurde, gegen die Annahme eines Redaktionsfehlers bzw. einer planwidrigen Lücke dieser Bestimmung, weil - hätte der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung auch für Pauschalentschädigung für Schmerzengeld beibehalten wollen - er die Formulierung gelassen und unverändert übernommen hätte.

Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 VOG ist eindeutig und lässt keine andere Auslegung zu. Die im § 10 Abs. 1 VOG genannte Frist ist in keiner Weise disponibel, es handelt sich vielmehr um eine materiellrechtliche Präklusivfrist. So hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10.06.2013, B 149/2013, klargestellt, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, wenn der Gesetzgeber sozialrechtliche Leistungen nach dem VOG bei länger zurückliegenden Sachverhalten erst ab dem Zeitpunkt der Antragsstellung zuerkennt, unabhängig davon, aus welchen Gründen der Antrag verspätet eingebracht worden ist. Weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht wird ein Ermessen eingeräumt, von den Konsequenzen des Fristversäumnisses gemäß § 10 Abs. 1 VOG abzusehen.

Da der Antrag auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld am 13.09.2018 und sohin nach Ablauf der in § 10 Abs. 1 VOG normierten zweijährigen Antragsfrist bei der belangten Behörde eingelangt ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung ist der Umstand, ob der Beschwerdeführer den Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld innerhalb der in § 10 Abs. 1 normierten Frist gestellt hat. Da die Fristüberschreitung unbestritten ist, erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Da die Beurteilung der Zulässigkeit der angefochtenen Entscheidung von der Beurteilung einer Rechtsfrage abhängt und von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Es fehlt zwar eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 VOG, jedoch trifft das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung. Es liegt daher keine Rechtsfrage vor, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt. (VwGH vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053) Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragsfristen, Fristablauf, Schmerzengeld

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W200.2214232.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten