TE Vwgh Beschluss 2019/2/28 Ra 2019/01/0045

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Index

E6J
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Staatsbürgerschaft
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §39 Abs2
AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
GewO 1994 §14 Abs1
StbG 1985 §10
VwGVG 2014 §17
62008CJ0135 Janko Rottman VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des S B in W, vertreten durch Dr. Gerald Holzwarth, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Niederhofstraße 39/42, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 7. November 2018, Zl. VGW- 152/065/5657/2018-15, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Sache nach das mit (Verleihungs)Bescheid der Wiener Landesregierung (Behörde) vom 10. April 2007 abgeschlossene Staatsbürgerschaftsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG wieder aufgenommen und der Antrag des Revisionswerbers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 19. Jänner 2005 gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe der Behörde verschwiegen, dass seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin vor Zusicherung und Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft bereits geschieden worden war, obwohl er verpflichtet gewesen sei, der Behörde im Staatsbürgerschaftsverfahren alle Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen zu melden. Da die Verleihung auf § 11a Abs. 1 StbG gestützt worden sei, sei diese Scheidung für die Entscheidung der Behörde wesentlich gewesen. Somit liege eine Erschleichung gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG vor. Die Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung sei im Sinne der Rechtsprechung des EuGH Rottmann verhältnismäßig, zumal der Revisionswerber noch immer serbischer Staatsbürger sei und ihm Staatenlosigkeit nicht drohe.

3 Der Revisionswerber weise seit 2013 zahlreiche Vormerkungen auf (Übertretungen der StVO, des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, des Gebrauchsabgabegesetzes, des ASVG und der GewO 1994). Am schwerwiegendsten sei das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im November 2015 hervorzuheben. Bei diesem Vorfall sei der Revisionswerber "mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden" und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt. Damit sei in Verbindung mit der Erschleichung der österreichischen Staatsbürgerschaft das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG erfüllt.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, die Behörde habe sich mit einer Entscheidung trotz Kenntnis des "Erschleichungssachverhaltes" im Jahr 2012 bis 2018 Zeit gelassen. Hätte die Behörde das Verfahren bereits 2012 wieder aufgenommen, hätte der Revisionswerber jene Verwaltungsübertretungen, die nunmehr für eine negative Prognose nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG herangezogen worden seien, noch nicht verwirklicht. Daher habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht diese Verwaltungsübertretungen herangezogen. Der Verwaltungsgerichtshof hätte sich in seiner Rechtsprechung mit dieser Thematik noch nicht auseinandergesetzt.

9 Zu diesem Vorbringen genügt es auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach das Verwaltungsgericht im Verleihungsverfahren nach dem StbG verpflichtet ist, den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln (vgl. VwGH 28.1.2019, Ro 2018/01/0018, mwN auf die Rechtsprechung zum Amtswegigkeitsprinzip).

10 Weiter bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe keine ausreichende Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Rechtsprechung des EuGH Rottmann durchgeführt.

11 Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C- 135/08, Rottmann, ist, wenn eine Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zur Folge hat, dass der Betroffene neben der Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates der Einbürgerung die Unionsbürgerschaft verliert "zu prüfen, ob die Rücknahmeentscheidung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt" (Rn. 54, 55 und 59). Der Verwaltungsgerichtshof geht - dem EuGH folgend - in Fällen, in denen die Verleihung der Staatsbürgerschaft erschlichen wurde, von der Erwägung aus, dass die Rücknahme der Staatsbürgerschaft nach Maßgabe des § 69 Abs. 1 Z 1 (iVm Abs. 3) AVG grundsätzlich zulässig ist. Die Staatsbürgerschaftsbehörde hat in derartigen Fällen jedoch zu prüfen, ob fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die Rücknahme der österreichischen Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist; bei dieser Prüfung ist der Behörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wobei es Sache des Verleihungswerbers ist, konkret darzulegen, dass die Behörde diesen Beurteilungsspielraum überschritten hat (vgl. zu allem VwGH 16.8.2016, Ra 2016/01/0146, mwN).

12 Eine solche Überschreitung des Beurteilungsspielraumes legt

die Revision nicht dar. So hat bereits die Behörde in ihrer Entscheidung darauf hingewiesen, dass bei rechtskräftiger Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens der näher bezeichnete Aufenthaltstitel des Revisionswerbers wiederauflebte und der Revisionswerber damit unbefristet niedergelassen sei. Zu dem vom Revisionswerber (als Folge der Wiederaufnahme) befürchteten Entzug der Gewerbeberechtigung ist darauf hinzuweisen, dass für die Ausübung eines Gewerbes durch eine ausländische natürliche Person grundsätzlich ein - diesen Aufenthaltszweck deckender - Aufenthaltstitel erforderlich ist, welcher durch die zuständige Behörde nach den nationalen fremdenrechtlichen Vorschriften zu erteilen ist (vgl. § 14 GewO 1994 und VwGH 26.3.2012, 2011/03/0174, mwN). Auch die sonstigen vom Revisionswerber nunmehr in den Raum gestellten, befürchteten Rechtsnachteile tun eine Überschreitung des Beurteilungsspielraumes nicht dar.

13 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

14 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 28. Februar 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010045.L00

Im RIS seit

18.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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