TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/26 96/10/0130

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.1999
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;
93 Eisenbahn;

Norm

AVG §66 Abs2;
EisenbahnG 1957 §11 litd;
ForstG 1975 §1 Abs4 lite;
ForstG 1975 §170 Abs2;
ForstG 1975 §170 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien,

Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Juni 1996, Zl. 18326/06-IA8/96, betreffend Bannlegung (mitbeteiligte Partei: Stifung F in Kalwang, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. August 1993 hatte die Bezirkshauptmannschaft Leoben näher umschriebene Flächen der der mitbeteiligten Stiftung gehörenden Grundstücke Nr. 794/1, 794/2, 794/3, 802, 803/1, 803/2 und (von Amts wegen) des Bahngrundstückes Nr. 794/4 in Bann gelegt.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hatten die Österreichischen Bundesbahnen unter Hinweis auf § 1 Abs. 4 lit. e ForstG und §§ 39 und 41 EisenbahnG u.a. vorgebracht, dass die Grundstücke Nr. 794/2, 794/3, 794/4, 803/1 und 803/2 nicht als Wald gelten, weil die von der Bannlegung erfassten Flächen innerhalb jenes 40 m von der Mitte des äußersten Gleises umfassenden Bereiches lägen, in dem eine unmittelbare Gefahr für die Bahnlinie durch Baumwürfe bestehe. Überdies seien das Bahngrundstück Nr. 794/4 und die Grundstücke Nr. 794/2 und 794/3 nicht bestockt, stünden nicht in forstbetrieblichem Zusammenhang mit Wald und dienten auch nicht der Bewirtschaftung eines Waldes, sondern dem Betrieb der Bahnanlage.

Mit Bescheid vom 5. April 1995 hatte die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde der Berufung Folge gegeben, den Bescheid der BH aufgehoben und den Bannlegungsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Begründend war dargelegt worden, im vorliegenden Fall ergebe sich die Gefahr, die von der Verkehrsanlage abgewendet werden solle, aus dem Wald selbst; die Bannlegung diene jedoch der Abwehr von Gefahren, die nicht aus dem Wald selbst kämen.

Mit Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, Zl. 95/10/0126, hatte der Verwaltungsgerichtshof den soeben erwähnten Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde hatte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 27. März 1995, Zl. 94/10/0106, nicht geteilt und dargelegt, dass dem Ziel der Abwehr der in § 27 Abs. 1 ForstG genannten Gefahren für die dort erwähnten Schutzobjekte auch ein Wald diene, der durch Bannlegung - und die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen und Unterlassungen - in einen solchen Zustand gebracht werde, dass von diesem Wald keine Gefahren für die in § 27 Abs. 1 leg. cit. genannten Schutzobjekte ausgehen können. Eine Bannlegung könne daher auch zum Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Wald selbst bzw. seinem Zustand ergeben, erfolgen. Weiters war dargelegt worden, dass Sachverhaltsfeststellungen insbesondere im Zusammenhang mit der Waldeigenschaft der fraglichen Flächen im Sinne des § 1 Abs. 4 lit. e ForstG erforderlich gewesen wären. Des Näheren wird auf die Begründung des Vorerkenntnisses verwiesen.

Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 12. Juni 1996 hob die belangte Behörde den Bescheid der BH gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm § 73 AVG sowie §§ 27 bis 30 ForstG auf und verwies die Angelegenheit zur Abhaltung einer neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die BH. Nach Darlegung des Verfahrensganges wurde die Auffassung vertreten, es hätten unter anderem Feststellungen getroffen werden müssen, ob bestimmte Teile der in Bann gelegten Waldgrundstücke möglicherweise dem unmittelbaren Betrieb der Eisenbahn dienten und sohin möglicherweise gar nicht Wald im Sinne des Forstgesetzes sein könnten. Zu diesen und anderen, im angefochtenen Bescheid im einzelnen dargelegten Fragen wäre ein eisenbahntechnisches Gutachten einzuholen und eine Verhandlung vor Ort durchzuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Diese macht insbesondere geltend, im Hinblick auf § 170 Abs. 2 ForstG und § 11 EisenbahnG obliege der belangten Behörde die Entscheidung in der Sache selbst; die Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG an die BH sei unzulässig.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 170 Abs. 2 ForstG lautet:

"2) Ist in sonstigen Angelegenheiten des Bundes, die in einem sachlichen Zusammenhang mit einem nach diesem Bundesgesetz durchzuführenden Verfahren stehen, nach den für diese Angelegenheiten geltenden Vorschriften eine Behörde höherer Instanz zuständig als nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, so wird zur Entscheidung auch nach diesem Bundesgesetz die entsprechend höhere Instanz zuständig. Dies gilt sinngemäß auch für die von den Dienststellen (§ 102 Abs. 1) zu besorgenden Aufgaben."

Nach § 1 Abs. 4 lit. e ForstG gelten nicht als Wald im Sinne des Abs. 1 bestockte Flächen, die dem unmittelbaren Betrieb einer im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehenden Eisenbahn dienen.

§ 11 des Eisenbahngesetzes 1957 idF BGBl. Nr. 452/1992

(EisenbahnG) lautet:

"Entscheidung über Vorfragen.

§ 11. Ist die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde von der Klärung der Vorfrage abhängig,

a)

ob eine Beförderungseinrichtung als Eisenbahn (§ 1) oder

b)

als welche der im § 1 angeführten Eisenbahnen eine Eisenbahn oder

              c)              ob ein Verkehr als Werksverkehr (§ 51 Abs. 3) oder beschränkt-öffentlicher Verkehr (§ 51 Abs. 4) oder

              d)              ob eine Anlage als Eisenbahnanlage (§ 10) zu gelten hat oder

              e)              ob eine erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Benützung eines Grundes oder Gebäudes im Sinne des § 18 Abs. 4

erfolgen würde, so ist vorher die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft einzuholen."

Nach § 10 EisenbahnG sind Eisenbahnanlagen u.a. Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs dienen. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Fahrbahn ist nicht erforderlich.

§ 27 Abs. 1 ForstG setzt für eine Bannlegung die Waldeigenschaft der in Bann gelegten Grundstücke voraus.

Die oben wiedergegebenen, den ersten Rechtsgang betreffenden Darlegungen zeigen, dass die belangte Behörde Sachverhaltsfeststellungen u.a. im Zusammenhang mit der Frage der Waldeigenschaft der fraglichen Flächen im Sinne des § 1 Abs. 4 lit. e ForstG zu treffen hatte. Sie hatte - in Bindung an das Vorerkenntnis gemäß § 63 Abs. 1 VwGG - zu untersuchen, ob es sich bei den in das Verfahren einbezogenen Flächen - wie die Beschwerdeführerin behauptet hatte - (zum Teil) um Flächen handelte, die im Sinne des § 1 Abs. 4 lit. e ForstG dem unmittelbaren Betrieb einer Eisenbahn dienen.

Nach § 11 lit. d EisenbahnG ist die Entscheidung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr einzuholen, wenn die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde von der Klärung der Vorfrage abhängig ist, ob eine Anlage als Eisenbahnanlage (§ 10) zu gelten hat. Nach § 10 leg. cit. fallen unter den Begriff der Eisenbahnanlagen u.a. Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs dienen. Im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal des "dem unmittelbaren Betrieb einer Eisenbahn dienen" in § 1 Abs. 4 lit. e ForstG ergab sich somit die Notwendigkeit der Klärung jener Vorfrage, deren Entscheidung nach der Anordnung des § 11 lit. d EisenbahnG dem Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr vorbehalten ist (vgl. das in einem ähnlich gelagerten, die Entscheidung einer Angelegenheit des Jagdrechtes betreffenden Fall ergangene Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 96/03/0353).

Diese dem Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr übertragene Vorfragenentscheidung bildet eine "sonstige Angelegenheit des Bundes, die in einem sachlichen Zusammenhang mit einem nach diesem Bundesgesetz durchzuführenden Verfahren steht", im Sinne des § 170 Abs. 2 ForstG. Nach den für diese Angelegenheit geltenden Vorschriften (§ 11 EisenbahnG) ist der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr zuständig. Die "entsprechend höhere Instanz", die nach § 170 Abs. 2 ForstG zur Entscheidung nach diesem Gesetz im vorliegenden Fall - in erster und einziger Instanz - zuständig ist, ist die belangte Behörde. Diese durfte daher nicht nach § 66 Abs. 2 AVG vorgehen, weil ein solches Vorgehen die Eigenschaft als Berufungsbehörde und die Zuständigkeit der Behörde, an die die Angelegenheit verwiesen wird, voraussetzt. Die belangte Behörde hätte vielmehr - nach Klärung der oben erwähnten Vorfrage durch Einholung der Entscheidung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr im Sinne des § 11 EisenbahnG - mit der Behebung des Bescheides der BH und Entscheidung in der Sache selbst vorgehen müssen; von der Möglichkeit, unter den dort genannten Voraussetzungen nach § 170 Abs. 6 ForstG vorzugehen, hat die belangte Behörde nicht Gebrauch gemacht. Der die Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG aussprechende angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig; er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996100130.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten