TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/26 VGW-152/022/15711/2018

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Entscheidungsdatum

26.02.2019

Index

41/02 Staatsbürgerschaft
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StbG 1985 §27 Abs1
StbG 1985 §42 Abs3
VwGVG §17
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Lehner über die Beschwerde der A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, vom 23. November 2018 gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 5. November 2018, Zl. ..., mit welchem gem. § 27 Abs. 1 StbG der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft festgestellt wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am 21. Jänner 2019,

zu Recht erkannt:

I.       Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolgen „18. Mai 2017“ im Spruch des angefochtenen Bescheides durch die Wortfolgen „30. April 2018“ ersetzt wird.

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang, angefochtener Bescheid und Beschwerde

1.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. November 2018, Zl. ..., stellte jene gemäß § 39 iVm § 42 Abs. 3 StbG – mit näherer Begründung – von Amts wegen fest, dass die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit spätestens mit Wirkung vom 18. Mai 2017 verloren habe. Sie sei nicht österreichische Staatsbürgerin. Die belangte Behörde stützte die Feststellung hinsichtlich der Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit im Wesentlichen auf zwei Beweismittel, nämlich eine ihr übermittelte Liste, welche einen Eintrag betreffend die Beschwerdeführerin enthielt und eine per Internet durchgeführte Abfrage der türkischen Wählerevidenz für die Präsidentschaftswahl und Parlamentswahl am 24. Juni 2018, welche ergab, dass die Beschwerdeführerin wahlberechtigt sei.

2.       Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 23. November 2018, mit welcher die Aufhebung des Bescheides und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung begehrt werden. Die Beschwerdeführerin bestreitet den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nach dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Ein Auszug aus dem Personenstandsregister der Türkei werde ihr vom türkischen Generalkonsulat – trotz eingehender Bemühungen – nicht ausgestellt, zumal sie nicht türkische Staatsangehörige sei. Sie habe daher ihre Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Zum Beweis dafür legte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung des Generalkonsulates der Republik Türkei in Wien vom 22. November 2018 vor, worin im Wesentlichen ausgeführt wird, es dürfe der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband kein Personenstandsregisterauszug ausgestellt werden.

3.       Das Verwaltungsgericht Wien ließ das von der belangten Behörde ermittelte und im Behördenakt als Ausdruck dokumentierte „Auslandswählerabfrageergebnis“ vom 13. Juni 2018 in die deutsche Sprache übersetzen. Mit E-Mail vom 2. Jänner 2019 nahm die belangte Behörde zu dieser Abfrage Stellung.

4.       Mit Stellungnahme vom 14. Jänner 2019 gab der rechtsfreundliche Vertreter seine Bevollmächtigung bekannt. In einem wurden Urkunden – ua. ein Personenstandsregisterauszug – vorgelegt und Zeugen beantragt.

5.       Mit E-Mail vom 18. Jänner 2019 übermittelte die belangte Behörde weitere Stellungnahmen des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres, die der Beschwerdeführerin zu Kenntnisnahme übermittelt wurden. Jene nahm noch am selben Tag dazu Stellung.

6.       Dem hg. Ersuchen um Stellungnahme zum vorgelegten Personenstandsregisterauszug wurde seitens der Österreichischen Botschaft in Ankara mit E-Mail vom 21. Jänner 2019 nachgekommen.

7.       Am 21. Jänner 2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführerin, ihr rechtsfreundlicher Vertreter sowie Vertreterinnen der belangten Behörde erschienen sind und im Zuge derer der Ehegatte und die Tochter der Beschwerdeführerin als Zeugen einvernommen wurden. Auf die Befragung des Sohnes der Beschwerdeführerin wurde allseitig verzichtet.

8.       Mit Schreiben vom 1. Februar 2019 legte eine allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin dem Verwaltungsgericht Wien auftragsgemäß eine Übersetzung des türkischen Erlasses Nr. 140/II vor. Diese Übersetzung wurde den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 5. Februar zur Stellungnahme übersendet.

9.       Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 bzw. vom 22. Februar 2019 nahmen die Wiener Landesregierung und die Beschwerdeführerin Stellung.

II.      Sachverhalt

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juli 1996, Zl. ..., wurde der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Mit Bescheid des türkischen Innenministeriums vom 27. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführerin die türkische Staatsangehörigkeit entzogen.

Am 18. Mai 2017 übermittelte der Klub der Wiener Freihheitlichen Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte einen Datenträger an ein Mitglied der Wiener Landesregierung, auf dem sich mehrere Listen befanden. Es bestand der Verdacht, dass es sich bei diesen Listen um türkische Wählerevidenzlisten handelte. Unter anderem befand sich darauf auch ein Datensatz, der sich augenscheinlich auf die Beschwerdeführerin bezog. Aufgrund dessen leitete die belangte Behörde ein Verfahren gemäß § 42 Abs. 3 StbG zur Feststellung der Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin ein.

Bei diesem der belangten Behörde übermittelten Datensatz handelt es sich nicht um ein authentisches Dokument einer in irgendeiner Weise für Angelegenheiten des türkischen Wahlrechts oder der türkischen Staatsangehörigkeit zuständigen Behörde. Das Alter, die Entstehung, der Ort und die Art der Daten sowie deren Bearbeiter und allfällige Manipulationen können nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführerin war für die türkische Präsidentschafts- und Parlamentswahl am 24. Juni 2018 in der türkischen Wählerevidenz (abrufbar über die offizielle Homepage der hohen Wahlkommission der Türkei, http://www.ysk.gov.tr/) eingetragen. Voraussetzung für die Eintragung in das Wahlregister war der Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit.

Die Beschwerdeführerin hat die türkische Staatsangehörigkeit nach dem Erwerb der österreichischen Staatsangehörigkeit wieder erworben und war zumindest am Stichtag für die Eintragung in das Wählerverzeichnis, dem 30. April 2018, türkische Staatsangehörige.

Der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit war nach der türkischen Rechtslage seit dem Austritt der Beschwerdeführerin im Jahr 1997 nur auf Antrag des Betroffenen zulässig.

Der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit erfolgte auf Antrag der Beschwerdeführerin.

III.    Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft im Juli 1996 und zum Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit im Jänner 1997 ergeben sich aus den dem Behördenakt einliegenden Bescheiden.

Die mangelnde Authentizität und die ungeklärte Herkunft der Inhalte der übermittelten Liste, die auch dem schreibenden Zugriff anderer offen standen, schließen es von vornherein aus, dass dieser Datensatz für die Zwecke des § 27 Abs. 1 StbG im Hinblick auf die Beschwerdeführerin ein taugliches Beweismittel darstellen (vgl. dazu VfGH 11.12.2018, E 3717/2018). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin also in der der belangten Behörde übermittelten Liste aufscheint, hat keinerlei Relevanz für die Frage, ob die Beschwerdeführerin die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen hat.

Anders verhält es sich bei der per Internet durchgeführten Abfrage der von der Hohen Wahlkommission der Türkei zur Verfügung gestellten Wählerevidenz. Eine solche Abfrage war der belangten Behörde über die offizielle Homepage der hohen Wahlkommission (http://www.ysk.gov.tr/) am 13. Juni 2018 möglich. Im Gegensatz zur übermittelten Liste stehen hier die Authentizität und Herkunft der abgefragten Daten fest. Das Verwaltungsgericht Wien hat keinen Zweifel daran, dass es sich dabei tatsächlich um Daten aus dem offiziellen Wählerverzeichnis für die Präsidentschaftswahlen bzw. Parlamentswahlen 2018 handelt. Dies ergibt sich auch aus Pkt. 2. e. und f. der im Akt der belangten Behörde einliegenden Stellungnahme des Bundesministers für Inneres vom 23. Juni 2017 und aus Art. 3 des türkischen Erlass Nr. 140/II, vom 26. 4. 2018, über das Verfahren und die Grundsätze zur Aktualisierung der Auslandswählerregister („YURT DI?I SEÇMEN KÜTÜ?ÜNÜN GÜNCELLE?T?R?LMES? USUL VE ESASLARI“). Die Echtheit der auf dieser Seite abgefragten Daten wurde von der Beschwerdeführerin im Übrigen auch nicht bestritten.

Dass die Beschwerdeführerin in das Wählerverzeichnis eingetragen war, ergibt sich aus einer von der der belangten Behörde per Internet durchgeführten und als Ausdruck im Verwaltungsakt dokumentierten Abfrage vom 13. Juni 2018.

Dass die türkische Staatsbürgerschaft Voraussetzung für die Eintragung in das Wählerverzeichnis ist ergibt sich aus Art. 6 des türkischen Gesetzes Nr. 298 betreffend Wahlen und Wählerregistrierung („SEÇ?MLER?N TEMEL HÜKÜMLER? VE SEÇMEN KÜTÜKLER? HAKKINDA KANUN“), aus Pkt. 2. der im Akt der belangten Behörde einliegenden Stellungnahme des Bundesministers für Inneres vom 23. Juni 2017, sowie aus Art 5 lit. d des türkischen Erlass Nr. 140/II, vom 26. 4. 2018.

Da die Eintragung in das Wählerverzeichnis die türkische Staatsangehörigkeit voraussetzt, wird davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin diese Voraussetzung für die Eintragung in das Wählerverzeichnis zumindest am Stichtag – dem 30. April 2018 – erfüllt hat und daher die türkische Staatsangehörigkeit nach dem Erwerb der österreichischen Staatsangehörigkeit wieder erworben hat. Der Stichtag ergibt sich aus Art. 2 des türkischen Erlass Nr. 140/II, vom 26. 4. 2018.

Freilich kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Aufnahme in das Wählerevidenzverzeichnis zu Unrecht erfolgte, weil die Voraussetzungen für eine solche Eintragung nicht vorlagen. Für diese Fälle sieht Art. 8 iVm Art. 5 lit. d des türkischen Erlass Nr. 140/II, vom 26. 4. 2018 vor, dass zwischen 2. und 12. Mai 2018 Einspruch gegen eine Eintragung erhoben werden konnte. Um eine solche fälschliche Eintragung auszuschließen, wurde die Beschwerdeführerin sowohl durch die belangte Behörde, als auch durch das Verwaltungsgericht Wien aufgefordert, einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister vorzulegen. Der Aufforderung des Verwaltungsgerichts Wien kam die Beschwerdeführerin mit E-Mail vom 14. Jänner 2019 insofern nach, als sie einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister ohne staatsbürgerschaftsrelevante Informationen vorlegte.

Der vorgelegte Auszug aus dem Personenstandsregister vom 9. Jänner 2019 enthält keine Erläuterungen zu den Angaben und damit auch keine unmittelbaren Angaben über die Annahme oder den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit, obwohl solche gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. d des türkischen Gesetzes Nr. 5490 über das Personenstandswesen in das Register aufzunehmen sind und zumindest zum Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit im Jahr 1997 ein entsprechender Eintrag vorhanden sein sollte. Zwar enthält der vorgelegte Auszug den Eintrag „Kapali Kayit“ („Geschlossene Eintragung“), woraus sich nach Auskunft der österreichischen Botschaft in Ankara vom 21. Jänner 2018 ergibt, dass der Registereintrag hinsichtlich der Beschwerdeführerin wegen Verschollenheit oder Verlust der Staatsangehörigkeit geschlossen ist, es lässt sich jedoch ohne einen vollständigen Auszug aus dem Personenstandsregister nicht ableiten wann die Schließung wirksam wurde.

Aufgrund der Auskunft der österreichischen Botschaft in Ankara vom 21. Jänner 2019 erscheint es wahrscheinlich, dass das Register betreffend die Beschwerdeführerin aufgrund des Verlustes der türkischen Staatsangehörigkeit geschlossen wurde (vgl. die in Art. 14 Abs. 1 des türkischen Gesetzes Nr. 5490 über das Personenstandswesen vorgesehenen Schließungsgründe). Der Zeitpunkt dieser Schließung kann aber aus dem vorgelegten Auszug nicht abgeleitet werden, sodass es möglich ist, dass die Schließung erst nach Einleitung des Verfahrens vor der belangten Behörde erfolgte. Die hervorgekommenen Beweismittel sprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschwerdeführerin nach Erhalt der österreichischen Staatsangehörigkeit die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen hat, aufgrund dessen die Aufnahme in das Wählerverzeichnis für die Präsidentschaftswahlen bzw. Parlamentswahlen 2018 erfolgte, die Beschwerdeführerin im Anschluss daran die türkische Staatsangehörigkeit wieder zurückgelegt hat und in der Folge den vorgelegten Auszug aus dem Personenstandsregister erstellen ließ. Zu einem solchen Ablauf der Geschehnisse passt auch, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem ersten Besuch beim türkischen Generalkonsulat in Wien am 4. Mai 2018 lediglich eine „Zeitbestätigung“ erhielt, wonach die Beschwerdeführerin „in eigenen Angelegenheiten“ beim Konsulat zu tun hatte. Eine Bestätigung darüber, dass sie aus dem türkischen Staatsverband ausgebürgert wurde, wurde ihr hingegen erstmals bei einem Besuch des Generalkonsulates am 25. September 2018 ausgestellt.

Die Darstellung der Beschwerdeführerin, ihres Ehemannes und ihrer Tochter, sie habe die türkische Staatsangehörigkeit nach Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht wiedererlangt, lässt sich mit den vorliegenden Beweismitteln nur dann vereinbaren, wenn man unterstellt, die Beschwerdeführerin sei fälschlicherweise in das Wählerverzeichnis für die Präsidentschaftswahlen bzw. die Parlamentswahlen 2018 aufgenommen worden. Für das Vorliegen eines solchen Fehlers liegen aber keine Hinweise vor, obwohl die Beschwerdeführerin durch Vorlage eines vollständigen Auszuges aus dem Personenstandsregister, aus dem auch alle staatsbürgerschaftsrelevanten Daten hervorgehen oder durch Unterlagen über ein Verfahren zur Berichtigung der fehlerhaften Eintragung ins Wahlverzeichnis den Beweis entsprechend hätte führen können. Dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich die Möglichkeit hatte einen Personenstandsregisterauszug zu erhalten, ist schon dadurch belegt, dass jene im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einen Teilauszug vom 9. Jänner 2019 vorlegen konnte. Dem Verwaltungsgericht Wien erscheint nicht schlüssig, dass die Beschwerdeführerin keinen Rechtsanspruch auf Ausstellung eines vollständigen, staatsbürgerschaftsrelevante Daten enthaltenden Registerauszuges habe, es ihr jedoch möglich sei einen Auszug ohne staatsbürgerschaftsrelevante Daten zu erhalten. Hingegen spricht die selektive Vorlage eines unvollständigen Registerauszuges dafür, dass die Beschwerdeführerin zwar belegen wollte, dass sie keine türkische Staatsangehörige mehr sei, gleichzeitig jedoch verhindern wollte, dass die gesamte staatsbürgerschaftsrechtliche Historie offen gelegt wird, aus der sich nachvollziehen ließe, dass die Beschwerdeführerin die türkische Staatsangehörigkeit nach dem Verlust 1997 wiederangenommen und vor dem 9. Jänner 2019 wieder zurückgelegt hat.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, die Verwertung der Online-Abfrage sei unzulässig, da sie auf einer gesetz- bzw. verfassungswidrigen Datenverwendung basiere, ist schon deshalb nicht zu folgen, als nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in Ansehung gesetzwidrigerweise erlangter Beweisergebnisse kein allgemeines Beweisverwertungsverbot (VwGH 20.12.2005, 2005/12/0157, mwN) existiert und im vorliegenden Fall auch kein besonderes Beweisverwertungsverbot auszumachen ist.

Aus der seit dem Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit im Jahr 1997 geltenden türkischen Rechtslage kann abgeleitet werden, dass ein Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nur nach Antrag der Beschwerdeführerin erfolgen konnte. Dies ergibt sich betreffend die ältere Rechtslage aus Art. 11 des türkischen Staatsangehörigengesetzes Nr. 403 vom 11. Februar 1964, nach dem für die Bewerbung um die Einbürgerung zur türkischen Staatsangehörigkeit ein Antrag erforderlich ist. Unter der Überschrift „II. Erlangung durch Entscheidung der zuständigen Behörde“ enthält das Gesetz Nr. 403 über die türkische Staatsangehörigkeit mehrere Artikel (Art. 6 bis 11) über den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch einen Akt der Behörden. Diese Artikel sind wiederum in zwei Abschnitte geteilt, wobei der erste Abschnitt unter der Überschrift „1. Arten der Staatsangehörigkeit und der Niederlassung“ verschiedene materiell-rechtliche Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsangehörigkeit bzw. Niederlassung enthält (Art. 6 bis 9), während der zweite Abschnitt unter der Überschrift „2. Das Verfahren betreffend die Entscheidung des Ministerrates und das Verfahren zur Erlangung der Staatsangehörigkeit“ das Verfahren näher regelt (Art. 10 und 11). Hinsichtlich der Wiederaufnahme in den türkischen Staatsverband durch einen behördlichen Akt regelt Art. 8 die materiellen Voraussetzungen, insbesondere das Absehen von der Niederlassungspflicht (siehe Art. 8 letzter Satz). Das Verfahren wird aber auch hinsichtlich dieser Art des Staatsangehörigkeitserwerbes durch die Art. 10 und 11 geregelt, wobei Art. 11 erster Satz ausdrücklich festlegt, dass ein entsprechender Antrag bei der zuständigen Behörde zu stellen ist. In ähnlicher Weise ergeben sich hinsichtlich der neueren Rechtslage aus Art. 13 und 14 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 5901 vom 29.5.2009 die materiellen Voraussetzungen für einen Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit, während Art. 19 das Verfahren für jeden Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch einen behördlichen Akt regelt. Auch diese Bestimmung sieht nur eine Einleitung des Verfahrens auf Ersuchen des Betroffenen vor. Diesem Verständnis von der türkischen Rechtslage wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht entgegengetreten. Die Beschwerdeführerin machte lediglich darauf aufmerksam, dass in der Vergangenheit oftmals Fehler bei der Anwendung des Gesetzes gemacht wurden, die dazu geführt haben sollen, dass Personen die türkische Staatsangehörigkeit entweder zu Unrecht nie verloren haben oder fälschlicherweise ohne Antrag wieder erlangt haben. Ein konkretes Vorbringen hinsichtlich des Vorliegens eines solchen Fehlers wurde jedoch weder erstattet noch mit entsprechenden Beweismitteln untermauert.

IV.      Erwägungen

Gemäß § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 27 Abs. 1 StbG 1985 festgehalten hat, setzt diese Bestimmung voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsangehörigkeit infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. VwGH 17.11.2017, Ra 2017/01/0334). Es kommt nicht darauf an, ob die fremde Staatsangehörigkeit (nach wie vor) besteht oder mittlerweile wieder zurückgelegt wurde (vgl. VwGH 9.9.2014, Ra 2014/22/0031).

Gemäß § 42 Abs. 3 StbG kann ein Feststellungsbescheid von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht. Das Interesse des Staates, nicht darüber im Zweifel zu sein, ob eine bestimmte Person Staatsangehöriger ist, stellt ein öffentliches Interesse iSd § 42 Abs. 3 StbG dar (vgl. VwGH 15.3.2010, 2007/01/0482; 19.9.2012, 2009/01/0003, mwN).

Das Verwaltungsgericht Wien hält es für erwiesen, dass die Beschwerdeführerin durch eigene Willenserklärung die türkische Staatsangehörigkeit im Zeitraum zwischen 1997 und April 2018 wiedererworben hat. Spätestens ab April 2018 war die Beschwerdeführerin daher wieder Angehörige des türkischen Staatsverbands. Mit diesem Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verlor die Beschwerdeführerin gemäß § 27 Abs. 1 StbG ex lege die österreichische Staatsbürgerschaft. Dass sie die türkische Staatsangehörigkeit möglicherweise nachträglich wieder verloren hat (der vorgelegte Auszug aus dem Personenstandsregister enthält den Eintrag „Geschlossene Eintragung“), hat darauf keine weiteren Auswirkungen.

Das Interesse des Staates, nicht darüber im Zweifel zu sein, ob die Beschwerdeführerin Staatsangehörige ist, stellt ein öffentliches Interesse iSd § 42 Abs. 3 StbG dar, weshalb die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat, dass die Beschwerdeführerin nicht österreichische Staatsbürgerin ist. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Die Änderung hinsichtlich des Datums mit dem spätestens der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft festgestellt wird, ergibt sich daraus, dass die Daten mit dem Stichtag 30. April 2018 in das Wählerverzeichnis übernommen wurden. Das Datum der Übersendung der „Liste“ an die belangte Behörde ist für die Feststellung hingegen nicht relevant.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Entziehung; türkische Staatsbürgerschaft; Wiedererwerb; positive Willenserklärung; freie Beweiswürdigung; Beweismittel; Wählerverzeichnis; Präsidentschaftswahlen

Anmerkung

VfGH v. 17.6.2019, E 1302/2019; Ablehnung/Abtretung an VwGH
VwGH v. 29.9.2021, Ra 2019/01/0350; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.152.022.15711.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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