TE Vwgh Beschluss 1999/4/26 99/17/0173

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Veröffentlicht am 26.04.1999
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37049 Ankündigungsabgabe Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

AnkündigungsabgabeV Wr 1985 §8;
BAO §201;
BAO §311 Abs2;
BAO §311;
BAO §85;
B-VG Art132;
B-VG Art140;
B-VG Art144 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
LAO Wr 1962 §149 Abs2;
LAO Wr 1962 §149;
LAO Wr 1962 §243 Abs1;
LAO Wr 1962 §243 Abs2;
LAO Wr 1962 §243;
LAO Wr 1962 §59;
VwGG §27 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, in der Beschwerdesache des R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen Magistrat der Stadt Wien, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. der Festsetzung von Abgaben von öffentlichen Ankündigungen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei führt in ihrer am 1. April 1999 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG aus, sie habe zunächst am 17. Dezember 1996 bei der belangten Behörde nicht nur die Neufestsetzung der Ankündigungsabgabe ab 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1995, sondern auch die Rückerstattung der Überzahlung für diesen Zeitraum in Höhe von S 332,112.217,-- beantragt, die durch Nichtberücksichtigung eines Abzuges entstanden sei. Die Anträge (sowohl betreffend Neufestsetzung als auch Rückerstattung) habe sie "in diesem Schriftsatz auch für das damals laufende Kalenderjahr hinsichtlich der Monate Jänner bis September 1996 erweitert" (Rückerstattung von S 62,600.488,--). Schließlich sei in diesem Schriftsatz auch noch der Antrag gestellt worden, Abgaben, die ab 1. Jänner 1995 an andere Gebietskörperschaften entrichtet worden seien, anzurechnen und das sich daraus ergebende Guthaben von S 177,245.744,-- zurückzuerstatten. Dieser Schriftsatz (vom 17. Dezember 1996) sei am 23. Dezember 1996 (bei der belangten Behörde) überreicht worden.

In der ersten Ergänzung vom 26. Februar 1997 dieses Antrages sei neben der Neufestsetzung auch die Rückerstattung betreffend den Zeitraum bis 31. Dezember 1996 begehrt worden. Dieser Schriftsatz sei am 4. März 1997 zur Post gegeben worden.

Mit Datum 24. November 1997 sei eine weitere Ergänzung, betreffend den Zeitraum Jänner 1991 bis Dezember 1996 (Teletext) erfolgt; der diesbezügliche Schriftsatz mit den Anträgen sei am 16. Dezember 1997 zur Post gegeben worden.

Zusätzlich zu den bereits erwähnten Anträgen habe die Beschwerdeführerin ab 1995 bei der belangten Behörde monatlich Rückerstattungsanträge gestellt, die sich darauf gegründet hätten, dass die Wiener Ankündigungsabgabe eine europarechtswidrige zweite Umsatzsteuer sei. Diese Anträge werden in der Beschwerde beginnend mit Februar 1995 bis Jänner 1998 des Näheren in einer Übersicht aufgelistet, aus der sich das Datum des jeweiligen Antrages sowie der als Rückerstattung begehrte Betrag (insgesamt S 1.511.055.426,51) ergibt. Die beschwerdeführende Partei bringt hiezu vor, dass die Anträge jeweils an dem der Absendung folgenden Werktag bei der belangten Behörde eingelangt seien, nur der vom 23. Februar 1998 (für Jänner 1998) erst am 25. Februar 1998.

Aus der Beschwerde ergibt sich weiters, dass die belangte Behörde mit Bescheid vom 24. Februar 1998, zugestellt am 26. Februar 1998, den erwähnten monatlichen Anträgen (ausgenommen wohl den betreffend Jänner 1998) sowie dem Antrag vom 17. Dezember 1996 samt Ergänzungen keine Folge gegeben habe; nach dem Spruch sei (nur) über die Anträge auf Rückerstattung abgesprochen worden. In der vorliegenden Beschwerde gehe die beschwerdeführende Partei - unpräjudiziell ihres Rechtsstandpunktes - von einer Trennbarkeit ihres Antrags auf Neufestsetzung von ihrem Antrag auf Rückerstattung aus. Angesprochen seien daher die in den jeweiligen Anbringen enthaltenen Abgabenfestsetzungsanträge; über diese habe die Behörde erster Instanz noch nicht abgesprochen und damit ihre Entscheidungspflicht verletzt.

§ 8 des Beschlusses des Wiener Gemeinderats über die Ausschreibung einer Abgabe von öffentlichen Ankündigungen im Gebiet der Stadt Wien (ABl. Nr. 21/1985 und Nr. 49/1994) lautet auszugsweise:

"§ 8 (1) Unternehmer, die die Vornahme von Ankündigungen gegen Entgelt besorgen, sind verpflichtet, für jeden Monat bis spätestens zum 15. des darauf folgenden Monats dem Magistrat unaufgefordert eine Abrechnung über alle der Abgabe unterliegenden Entgelte vorzulegen und innerhalb der gleichen Frist die hienach sich ergebende Abgabe an die Stadt Wien einzuzahlen.

(2) In die Abrechnung sind alle vereinnahmten Entgelte einzubeziehen. Vorauszahlungen sind in die Abrechnung jenes Monats aufzunehmen, in dem sie empfangen werden.

(3) Wurde ein bereits der Abgabe unterzogenes Entgelt nachgewiesenermaßen wegen Aufhebung des Geschäfts rückerstattet, so kann die dafür entrichtete Abgabe erstattet werden. Der Erstattungsanspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt des ihn begründenden Ereignisses geltend gemacht wird.

(4) ..."

Gemäß § 46 der Wiener Abgabenordnung, LGBl. Nr. 21/1962 idF LGBl. Nr. 60/1998, sind Abgabenbehörden die mit der Verwaltung der im § 1 leg. cit. bezeichneten öffentlichen Abgaben betrauten Behörden der Stadt Wien (Abs. 1). Unter Verwaltung im Sinn dieses Gesetzes sind alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen zu verstehen (Abs. 2). § 47 leg. cit. bestimmt, dass als Abgabenbehörde erster Instanz der Magistrat zuständig ist, so weit die Abgabenvorschriften nicht anderes anordnen. Als Abgabenbehörde zweiter Instanz ist gemäß § 48 leg. cit. die Abgabenberufungskommission zuständig.

§ 59 Abs. 1 der WAO bestimmt, dass Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) grundsätzlich schriftlich einzureichen sind.

Nach § 149 WAO gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen (Abs. 1). Die Abgabenbehörde hat aber die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Von der bescheidmäßigen Festsetzung ist abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt (Abs. 2).

§ 243 WAO regelt die Entscheidungspflicht (und die Devolution):

"(1) Die Abgabenbehörden sind verpflichtet, über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen Anbringen (§ 59) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

(2) Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz mit Ausnahme solcher Bescheide, die auf Grund von Abgabenerklärungen zu erlassen sind, der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen zugestellt, so geht auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz einzubringen; er ist abzuweisen, wenn die Verspätung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Abgabenbehörde erster Instanz zurückzuführen ist."

Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG kann nach § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

Auf der Grundlage dieser zitierten Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst zu prüfen, ob die beschwerdeführende Partei die Voraussetzung für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde erfüllt, nämlich dass sie die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren angerufen werden konnte, tatsächlich angerufen hat und dass diese Behörde säumig ist.

Wie § 243 Abs. 1 WAO zu entnehmen ist, besteht die Entscheidungspflicht der Abgabenbehörden uneingeschränkt bezüglich aller Anbringen der Partei. Was darunter zu verstehen ist, wird durch den Verweis auf § 59 leg. cit. bestimmt. Daraus folgt, dass Anträge Anbringen im Sinne des § 59 WAO sind, über die die Abgabenbehörden gemäß § 243 Abs. 1 leg. cit. ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden haben. Diese Entscheidungspflicht besteht unabhängig vom Inhalt der zu treffenden Entscheidung. Auch wenn ein Anbringen als unzulässig zurückzuweisen ist oder aus anderen Gründen keine rechtsverändernde Wirkung nach sich ziehen kann, hat die Abgabenbehörde darüber zu entscheiden (vgl. zur Rechtslage nach der BAO in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 312/1987 das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1990, Zl. 84/13/0218, mwN). Von dieser Rechtslage ausgehend liegt nach den Beschwerdebehauptungen eine Verletzung der Entscheidungspflicht der angerufenen Behörde vor. Nach § 243 Abs. 2 WAO ist in einem solchen Falle aber die Abgabenbehörde zweiter Instanz über Antrag zur Entscheidung zuständig, es sei denn, es läge ein Verfahren vor, das zu einem Bescheid auf Grund einer Abgabenerklärung zu führen hätte. Wäre dies der Fall, wäre bei Säumnis der Behörde erster Instanz die (direkte) Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. September 1989, G 77/87 = Slg. Nr. 12.167, sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1990).

Zu prüfen ist daher, ob hier ein Bescheid beantragt wurde, der auf Grund einer Abgabenerklärung zu erlassen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof geht dabei davon aus, dass auch die Erklärung betreffend die Selbstbemessung eine "Abgabenerklärung" ist; in beiden Fällen werden die für die Abgabenpflicht maßgebenden Tatsachen (zunächst) von Abgabepflichtigen bekannt gegeben und von der Behörde auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit hin einer Kontrolle unterzogen. Die Regelung des § 149 WAO stellt im Abgabenverfahren jedoch insofern eine Sonderregelung dar, als hier bezüglich der so genannten Selbstbemessungsabgaben Ausnahmen von dem sonst allgemein geltenden Grundsatz, dass Abgaben von den Abgabenbehörden durch Abgabenbescheid festgesetzt werden (§ 146 WAO), normiert sind. In den Fällen der Selbstbemessung gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt (§ 149 Abs. 1 WAO). Eine bescheidmäßige Festsetzung erfolgt hier - abgesehen vom Fall der Unterlassung der Einreichung der Erklärung - nur dann, wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Aber auch diese kann unterbleiben, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt (§ 149 Abs. 2 WAO). Dennoch aber muss - schon unter dem Blickpunkt des Gleichheitsgebotes - eine Partei im Bereich der Selbstbemessungsabgaben einen Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und Bekämpfung des Rechtsstandpunktes der Behörde haben (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1980, G 107/78, G 49/79 = Slg. Nr. 8.726). In Fällen der Bekämpfung einer Selbstbemessungsabgabe ist es möglich und dem Abgabepflichtigen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zumutbar, einen Antrag auf Rückerstattung der von ihm im Wege der Selbstbemessung entrichteten Abgabe mit der Begründung zu stellen, die Abgabenentrichtung hätte sich etwa im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes als unrichtig erwiesen. Der auf Grund dieses Antrages zu erlassende Bescheid ist sodann im Instanzenzug und letztlich auch vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. September 1998, Zl. 96/15/0053, und vom 15. September 1995, Zl. 93/17/0404, mwN aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Bei der Ankündigungsabgabe handelt es sich daher nicht um eine solche, bei der der Bescheid auf Grund von Abgabenerklärungen zu erlassen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt weiters in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass dann, wenn nach der bei Selbstbemessungsabgaben durch die Einreichung der Steuererklärung bewirkten Festsetzung der Abgabe (wozu es keines Bescheides bedarf) der Abgabenpflichtige einen Antrag auf Rückerstattung stellt, der mit einer Unrichtigkeit der Selbstbemessung begründet wird, dieser Antrag zunächst als solcher auf bescheidmäßige Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe zu werten und zunächst bescheidmäßig über die Abgabenfestsetzung und erst anschließend über das Rückzahlungsbegehren zu entscheiden ist (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1996, Zl. 95/16/0238, mwN).

Damit ist aber klargestellt, dass es in diesen Fällen darum geht, die durch die Selbstbemessung geschaffene Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung, welche ein Analogon zur Rechtskraftwirkung eines Bescheides bildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. August 1997, Zl. 97/16/0296), durch eine nachträgliche bescheidmäßige Festsetzung zu durchbrechen. Grundlage des Verfahrens ist daher nicht mehr die Erklärung über die Selbstbemessung sondern der auf Beseitigung der Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung durch Selbstbemessung gerichtete Antrag. Damit liegen aber auch nicht Bescheide vor, die auf Grund von Abgabenerklärungen zu erlassen sind; der Ausschluss der Devolution nach § 243 Abs. 2 WAO umfasst daher Anträge auf Abgabenfestsetzung und Rückerstattung von Selbstbemessungsabgaben nicht.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Anrufung der obersten anrufbaren Behörde als unzulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen war.

Wien, am 26. April 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999170173.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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