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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Nowak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 7. September 1998, Zl. 14/02-677/1, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: F Privatstiftung in Steinberg-Dörfl), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf (BH) vom 7. September 1998 wurde der mitbeteiligten Partei die befristete Rodungsbewilligung für näher bezeichnete Waldflächen in der KG Horitschon im Ausmaß von 20.000 m2 zum Zwecke des Bergbaues (Lehmabbau) unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde habe aufgrund der Behauptung der mitbeteiligten Partei, die beantragte Rodung liege im öffentlichen Interesse am Bergbau, eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle durchgeführt, in deren Verlauf vom Amtssachverständigen für Forstwesen das folgende Gutachten erstattet worden sei:
"Die gegenständliche Rodungsfläche betrifft die Grundstücke Nr. 183, 1884 und 1887, KG Horitschon, im Gesamtausmaß von 2 ha. Die gegenständliche Rodungsfläche befindet sich im Anschluss an eine bestehende Tongrube, getrennt durch die Landesstraße Großwarasdorf-Horitschon. Die Fläche ist durchwegs von einem Zerreichen-Eichenmisch-Niederwald bestockt, welcher zu 3/4 bereits geschlägert wurde. Der nicht geschlägerte Bestand hat ein Alter von 50 Jahren. Das Gelände ist teilweise eben und zum anderen Teil leicht nach Nordosten geneigt. An die Rodungsfläche grenzt durchwegs Wald der Rodungswerberin bzw. die Landesstraße, welche die Rodungsfläche vom alten Abbau trennt, an. Laut gültigem Waldentwicklungsplan weist das Waldgebiet, in welchem die Rodungsfläche liegt, die Kennziffern 1-2-1 auf. Die mittlere Wohlfahrtswirkung wird damit begründet, dass das Waldgebiet in einem Wasserschongebiet gelegen ist. Etwaige Bedenken bezüglich des Wasserschongebietes sollten im noch ausständigen bergrechtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Die Waldausstattung der KG Horitschon liegt mit 18,8 % deutlich unter der durchschnittlichen Waldausstattung des politischen Bezirkes Oberpullendorf (45,5 %). Die gegenständliche Rodungsfläche liegt jedoch bezogen auf die regionale Waldausstattung in einem relativ gut ausgestatteten Teil in dieser Region. Die Waldflächenbilanz zeigt im Erhebungszeitraum 1979 bis 1990 einen Waldflächenzugang von 9 ha (2,6 %)."
Bei einem gegebenen öffentlichen Interesse am Rodungszweck werde aus forstfachlicher Sicht gegen die Erteilung der beantragten Rodung kein Einwand vorgebracht. Da auch im Übrigen gegen das Rodungsvorhaben kein Einwand erhoben worden sei, sei die BH zur Überzeugung gelangt, dass die beantragte Rodung bewilligt werden könne, die Walderhaltung über das bewilligte Ausmaß hinaus nicht beeinträchtigt werde und das öffentliche Interesse auf dem Gebiet des Bergbaues das öffentliche Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Fläche als Wald überwiege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 170 Abs. 8 ForstG unter Anschluss der Verwaltungsakten erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe es verabsäumt, dem Rodungsverfahren einen Amtssachverständigen beizuziehen oder ein sonstiges Gutachten einzuholen, wodurch das öffentliche Interesse am beabsichtigten Lehmabbau hätte fachkundig dokumentiert werden können. Zur Feststellung eines das Walderhaltungsinteresse überwiegenden öffentlichen Interesses an der beantragten Rodung wäre es allerdings erforderlich gewesen, eine von entsprechendem Fachwissen getragene Stellungnahme einzuholen, durch die fallbezogen eine verlässliche Beurteilung in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise ermöglicht werde, ob das betreffende öffentliche Interesse vorliege.
Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG 1975 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.
Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG 1975 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.
Gemäß § 19 Abs. 11 ForstG 1975 sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen zu fassen.
Ausgehend von diesen Bestimmungen ist es Sache der Forstbehörde, gestützt auf entsprechende Ermittlungsergebnisse in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, ob und inwiefern am dargelegten Rodungszweck ein öffentliches Interesse besteht und gegebenenfalls, ob und aus welchen Gründen dieses öffentliche Interesse jenes an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald überwiegt. Die von der Forstbehörde gemäß § 17 ForstG 1975 vorzunehmende Interessenabwägung setzt somit voraus, dass zunächst festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche besteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1998, Zl. 97/10/0194, und die hier zitierte Vorjudikatur).
Im Bergbau begründete Interessen an einem Rodungsvorhaben sind zwar als öffentliche Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 ForstG anerkannt. Die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß ein im Bergbau begründetes öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Rodungsvorhabens der mitbeteiligten Partei besteht, hätte allerdings konkreter, auf der Grundlage fachlich fundierter Ausführungen getroffener, nachvollziehbarer Feststellungen bedurft.
Das Bestehen eines öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung der Waldfläche bedeutet freilich noch nicht, dass deswegen die begehrte Rodungsbewilligung bereits erteilt werden müsste. Vielmehr hat die Behörde, nachdem sie das öffentliche Interesse an einer anderen Verwendung der Waldfläche festgestellt hat, die gesetzlich vorgesehene Interessenabwägung vorzunehmen und in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise zu untersuchen, ob das öffentliche Interesse an der anderen Verwendung der Waldfläche das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1992, Zl. 91/10/0157, und die hier zitierte Vorjudikatur).
Demgegenüber geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ohne nähere Begründung davon aus, dass am beantragten Rodungszweck ein öffentliches Bergbauinteresse bestehe, das das öffentliche Interesse an der Erhaltung der in Rede stehenden Fläche als Wald überwiege.
Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift aus, für den den Gegenstand des Rodungsverfahrens bildenden Lehmabbau sei ein bergrechtliches Verfahren anhängig und in den unmittelbar angrenzenden Abbaufeldern seien entsprechende bergrechtliche Bewilligungen bereits erteilt worden; die Forstbehörde habe daher auch für die verfahrensgegenständliche Waldfläche ein öffentliches Interesse am Bergbau angenommen.
Diesem Vorbringen ist zunächst entgegen zu halten, dass selbst offenkundige Tatsachen in der Begründung des Bescheides so eingehend dargelegt werden müssen, dass der beschwerdeführende Bundesminister und der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob im konkreten Fall ein das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse an der beantragten Rodung besteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1998, Zl. 97/10/0012, und die hier zitierte Vorjudikatur). Selbst wenn die in der Gegenschrift vorgebrachten Erwägungen aber in die Begründung des angefochtenen Bescheides aufgenommen worden wären, wären sie nicht ausreichend, um eine dem Gesetz entsprechende Interessenabwägung zu tragen; kann diesen Ausführungen doch das am Rodungsvorhaben der mitbeteiligten Partei konkret bestehende öffentliche Interesse nicht entnommen werden.
Indem die belangte Behörde es unterließ, die für die gebotene Interessenabwägung erforderlichen Feststellungen zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Wien, am 26. April 1999
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998100413.X00Im RIS seit
20.11.2000