TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/26 98/10/0409

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Veröffentlicht am 26.04.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art18 Abs1;
LebensmittelV kalorienarme Ernährung Gewichtsverringerung 1998;
LMG 1975 §17 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde der E GmbH in W, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien VI, Mariahilferstraße 1d, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom 19. Oktober 1998, Zl. AV 331.919/2-VI/B/12a/98, betreffend Untersagung des Inverkehrbringens eines als diätetischen Lebensmittels angemeldeten Produktes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 3. August 1998 meldete die Beschwerdeführerin - unter Vorlage einer Originalverpackung - das Produkt "Schlank Royal" als "Diät-Lebensmittel (§ 17 LMG)" an und beantragte die Nichtuntersagung.

Die belangte Behörde holte eine amtssachverständige Stellungnahme ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, es handle sich beim angemeldeten Produkt nach den vorliegenden Unterlagen um eine Nährstoffmischung in Riegelform, die zur ausschließlichen Ernährung zwecks Reduktion von Übergewicht bestimmt sei. Der diätetische Zweck liege somit in einer Gewichtsreduktion. Zur sachlichen Beurteilung des Produktes in Ansehung seiner Eignung zu diesem Zweck sei die Verordnung über Lebensmittel für kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung, BGBl. II Nr. 112/1998, heranzuziehen. Dieser Verordnung entspreche das Produkt jedoch weder nach seiner Zusammensetzung, noch nach seiner Kennzeichnung. So entspreche u.a. die Zusammensetzung nicht den in der Anlage I der Verordnung angeführten Kriterien, weil fast alle erforderlichen Mineralstoffe und Spurenelemente fehlten. In Ansehung der Kennzeichnung entspreche z.B. die Sachbezeichnung nicht den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 der zitierten Verordnung. Das Produkt sei daher für den angegebenen diätetischen Zweck nicht geeignet.

In ihrer Stellungnahme vom 11. September 1998 brachte die Beschwerdeführerin gegen diese Auffassung vor, die "Schlankheitsmittelverordnung" sei eine Rechtsvorschrift und keine "fachliche Beurteilung". Ihre fachliche Rechtfertigung (Art. 36 Abs. 2 EGV) sei sogar fragwürdig. Sie gelte ihrem § 5 zufolge aber ohnedies erst ab 31. März 1999; einer Untersagung per 1. April 1999 würde daher nicht entgegengetreten.

Daraufhin teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24. September 1998 u.a. mit, die Bestimmungen der zitierten Verordnung seien vom beigezogenen Amtssachverständigen lediglich als fachliche Basis für die Stellungnahme zitiert worden; niemand bestreite, dass die zitierte Verordnung eine Rechtsvorschrift sei. Unbestritten sei jedoch die Tatsache, dass das in Rede stehende Erzeugnis für den angegebenen diätetischen Zweck auf Grund des Fehlens von wichtigen Mineralstoffen und Spurenelementen bei gleichzeitigem Ersatz der üblichen Nahrung nicht geeignet sei "(und diese fachlich fundierte Aussage hat mit formaljuristischen Scheinargumenten bezüglich Inkrafttretensterminen überhaupt nichts zu tun)". Die Beschwerdeführerin werde daher eingeladen, die Anmeldung innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens zurückzuziehen. Andernfalls müsste auf Grund der Aktenlage entschieden werden.

Die Beschwerdeführerin erwiderte hierauf, sie stimme einer Entscheidung auf Grund der Aktenlage zu. Bei gesetzmäßiger Vorgangsweise könne diese nämlich nur auf Nichtuntersagung lauten.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1998 untersagte die belangte Behörde gemäß § 17 Abs. 4 LMG das Inverkehrbringen des von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produkts als diätetisches Lebensmittel. Sie führte hiezu - nach Darstellung des Verfahrensganges (in der sie u.a. die Auffassung vertrat, der Beschwerdeführerin sei auf Grund des Schreibens vom 24. September 1998 eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden, diese Frist sei aber ungenützt verstrichen) und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen aus, ein Produkt mit dem Anspruch der Gewichtsreduktion bei Ersatz der üblichen Nahrung müsse den im Anhang I der Verordnung über Lebensmittel für kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung, BGBl. II Nr. 112/1998 angeführten Mindestanforderungen hinsichtlich Mineralstoffen und Spurenelementen entsprechen, um Mangelerscheinungen vorzubeugen. Mit dem Inkrafttreten der zitierten Verordnung (Übergangsbestimmung) habe diese fachliche Aussage des Amtssachverständigen gar nichts zu tun. Der entsprechende "formaljuristische Einwand" der Beschwerdeführerin gehe daher ins Leere. Da das angemeldete Produkt für den vorgesehenen diätetischen Zweck somit nicht geeignet sei, sei das Inverkehrbringen dieses Produktes zu untersagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG) sind diätetische Lebensmittel Lebensmittel besonderer Beschaffenheit, die für bestimmte Gruppen von Verbrauchern zu dem Zweck hergestellt wurden,

a) die Zufuhr bestimmter Nährstoffe oder anderer ernährungsphysiologisch wirkender Stoffe zu steigern oder zu verringern oder

b) besonderen Ernährungsbedürfnissen oder Krankheiten, Mangelerscheinungen, Funktionsanomalien und bei Überempfindlichkeit gegen einzelne Lebensmittel oder deren Bestandteile, während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie des Säuglings oder Kleinkindes Rechnung zu tragen,

und die sich dadurch von Lebensmitteln vergleichbarer Art unterscheiden. Wahrheitsgemäße Angaben über den diätetischen Zweck sind keine nach § 9 Abs. 1 verbotenen Bezeichnungen.

Gemäß § 17 Abs. 2 LMG ist es verboten, Lebensmittel unter einer Aufmachung oder unter Verwendung von Bezeichnungen, die die Eignung des Lebensmittels i.S.d. Abs. 1 dartun, vor ihrer Anmeldung beim Bundeskanzleramt in Verkehr zu bringen.

Gemäß § 17 Abs. 4 LMG hat die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz durch Bescheid das Inverkehrbringen einer als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Ware unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn die Ware den im Abs. 1 angeführten Anforderungen nicht entspricht oder für den vorgesehenen diätetischen Zweck nicht geeignet ist.

Gemäß § 17 Abs. 5 LMG sind mit der Anmeldung Warenmuster und jene Unterlagen vorzulegen, die eine Beurteilung i.S.d. Abs. 1 ermöglichen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, das von der Beschwerdeführerin als diätetisches Lebensmittel angemeldete Produkt sei für den angegebenen diätetischen Zweck nicht geeignet, weil es nicht den im Anhang I der Verordnung über Lebensmittel für kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung genannten Mindestanforderungen hinsichtlich Mineralstoffen und Spurenelementen entspreche, die bei Ersatz der üblichen Nahrung gefordert werden müssten, um Mangelerscheinungen vorzubeugen.

Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, das von ihr angemeldete Produkt müsse den Erfordernissen der genannten Verordnung nicht bereits vor deren Inkrafttreten am 1. April 1999 entsprechen. Auch könne aus dem Umstand des Bestehens dieser Regelung zulässigerweise nicht geschlossen werden, diese Regelung sei objektiv notwendig bzw. ihr Inhalt fachlich richtig. Die sich auf diese Verordnung stützende, nicht weiter begründete Aussage des Amtssachverständigen sei nicht nachvollziehbar. So wie eine Sachverständigenäußerung, ein Produkt entspreche nicht den Anforderungen einer Gesetzesbestimmung (etwa des § 17 Abs. 1 LMG), nicht mehr sei als eine bloße Behauptung, der keine im Befund erhobenen Tatsachenfeststellungen zugrunde lägen und die solche daher auch nicht zu ersetzen vermöge, könne auch die Berufung auf ein erst künftig in Kraft tretendes Gesetz die objektive Richtigkeit seiner Regelung derzeit nicht als tatsächlich gegeben erweisen. Die genannte Verordnung habe mit der fachlichen Aussage des Amtssachverständigen nichts zu tun; das sei eine Frage der gebotenen Trennung von Sachverhaltsfeststellung und Rechtsbeurteilung.

Die belangte Behörde ist nicht davon ausgegangen, dass das von der Beschwerdeführerin angemeldete Produkt nicht in Verkehr gebracht werden dürfe, weil es den Bestimmungen der Verordnung über Lebensmittel für kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung, BGBl. II Nr. 112/1998 widerspreche. Vielmehr ist sie - dem beigezogenen Amtssachverständigen folgend - zur Auffassung gelangt, das angemeldete Produkt enthalte nicht alle der im Anhang I der zitierten Verordnung genannten Mineralstoffe und Spurenelemente, was zur Vorbeugung von Mangelerscheinungen jedoch erforderlich sei, wenn - wie im vorliegenden Fall - die übliche Nahrung durch das angemeldete Produkt zur Gänze ersetzt werden solle; aus diesem Grund sei das angemeldete Produkt für den vorgesehenen diätetischen Zweck nicht geeignet.

Wenn die Beschwerdeführerin die Verwertung der gegenständlichen Verordnung durch den Amtssachverständigen rügt, übersieht sie, dass der Gesetzgeber die Vollziehung des § 17 Abs. 4 LMG nicht von der Erlassung einer Durchführungsverordnung abhängig macht. Die Bestimmung ist somit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 B-VG unmittelbar bescheidmäßig vollziehbar. Wenn der Amtssachverständige in seinem Gutachten auf die Verordnung Bezug nimmt, so ist dies gerade nicht als rechtliche Begründung, sondern - im Rahmen des Begutachtungskalküls des Amtssachverständigen - als fachliches Argument für die Beurteilung zu sehen, welche Beschaffenheit Lebensmittel für kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung aufweisen müssen, um die Verbraucher u.a. vor Gesundheitsschädigung zu schützen. Demgegenüber konnte die Beschwerdeführerin kein fachlich fundiertes Vorbringen erstatten, demzufolge die in der Verordnung genannten Mineralstoffe und Spurenelemente in Wahrheit entbehrlich wären. In diesem Sinn ist das Gutachten des Amtssachverständigen also nicht schon deshalb unschlüssig, weil es - mit Blick auf den Sachverhalt - die gegenständliche Verordnung verwertet.

In Ansehung der für das angemeldete Produkt daraus gezogenen Schlussfolgerungen macht die Beschwerde eine Verletzung des Parteiengehörs geltend. Sie rügt, die belangte Behörde habe ihr mit Schreiben vom 24. September 1998 Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht zur Stellungnahme vorgehalten, sondern sie lediglich - quasi ultimativ - zur Rückziehung ihres Antrages eingeladen. Die Behauptung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, es sei ihr eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden, sei ebenso aktenwidrig wie die Behauptung, diese wäre ungenützt verstrichen. Wäre dieser Verfahrensmangel unterblieben, hätte die Beschwerdeführerin darauf hinweisen können, dass eine gesetzmäßige Bescheidbegründung eine qualitative und quantitative Konkretisierung der (angeblich) fehlenden Mineralstoffe und Spurenelemente erfordere und es hätte bei deren "Versuch" die belangte Behörde feststellen müssen, dass vom fachlichen Standpunkt derzeit in Wahrheit keine wichtigen Mineralstoffe und Spurenelemente fehlten, weil nicht jede Unterschreitung künftig geltender Grenzwerte automatisch schon jetzt eine Gefährdung der Gesundheit oder des diätetischen Zweckes nach sich ziehen müsse.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin einen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG relevanten Verfahrensmangel schon deshalb nicht auf, weil ihr sämtliche dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Ermittlungsergebnisse - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - bereits mit Schreiben der belangten Behörde vom 3. September 1998 zur Kenntnis und Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt worden waren. Die Beschwerdeführerin hat allerdings weder bei dieser Gelegenheit noch im weiteren Verwaltungsverfahren konkret vorgebracht, die sachverständige Beurteilung, das angemeldete Produkt sei wegen des Mangels an Mineralstoffen und Spurenelementen für den angegebenen diätetischen Zweck ungeeignet, sei unrichtig. Ihrem Vorbringen, "einer Untersagung per 1.4.1999 würde ... nicht entgegengetreten", ist vielmehr zu entnehmen, dass der festgestellte Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen zugestanden wurde. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin den sachverständigen Ausführungen, welchen Einfluss dieser Mangel auf den vorgesehenen diätetischen Zweck habe, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sondern sie hat lediglich darauf hingewiesen, dass die vom Amtssachverständigen als Grundlage für seine Beurteilung herangezogene Verordnung eine Rechtsvorschrift sei, deren fachliche Rechtfertigung "fragwürdig" wäre.

Die belangte Behörde konnte auf Grund des eingeholten Sachverständigengutachtens daher zu Recht davon ausgehen, dass dem von der Beschwerdeführerin angemeldeten Produkt die Eignung für den vorgesehenen diätetischen Zweck mangelt.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. April 1999

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Gutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998100409.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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