Entscheidungsdatum
15.11.2018Norm
AsylG 2005 §60Spruch
G314 2209260-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, kosovarischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots zu Recht:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid
ersatzlos behoben.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX vom Landesgericht XXXX wegen Vermögensdelikten zu einer sechsmonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit dem Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.08.2018 wurde ihm mitgeteilt, dass deshalb beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung nach Serbien und ein Einreiseverbot zu erlassen. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, sich dazu zu äußern und konkrete Fragen zu beantworten. Am 15.08.2018 langte eine Beantwortung der Fragen beim BFA ein.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF - ausgehend von seiner serbischen Staatsangehörigkeit - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 4 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein fünfjähriges Einreiseverbot gegen den BF erlassen (Spruchpunkt V.). Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF im Bundesgebiet zwei Mal wegen Betrugs strafgerichtlich verurteilt worden sei und mit seinen drei hier lebenden Kindern nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Sein Aufenthalt widerstreite dem öffentlichen Interesse gemäß § 11 Abs 2 Z 1 NAG. Er könne sein Familienleben durch moderne Kommunikationsmittel (E-Mail, Handy, Skype, Facebook) aufrecht halten; außerdem könnten ihn seine Kinder in seinem zukünftigen Aufenthaltsstaat besuchen. Aufgrund seiner Delikte gegen das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit liege seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu, Spruchpunkt II. dahin abzuändern, dass die Unzulässigkeit der Abschiebung des BF nach Serbien bzw. in den Kosovo festgestellt und die Dauer des Einreiseverbots herabgesetzt werde. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er sich seit 2004 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und über eine Daueraufenthaltsberechtigung bzw. eine "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" verfüge. Er habe eine intensive Beziehung zu seinen beiden Kindern aus seiner geschiedenen Ehe, für die er auch finanzielle Leistungen erbringe, und lebe in einem Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen, im XXXX 2018 geborenen Sohn. Er sei aufgrund seiner Erwerbstätigkeit sozialversichert. Bis XXXX 2018 sei er ca. vier Jahre lang bei der XXXX GmbH beschäftigt gewesen; seit XXXX 2018 sei er bei der der XXXX GmbH tätig. Er bereue seine Straftaten, für die an der Untergrenze des Strafrahmens angesiedelte, vollständig bedingt nachgesehene Freiheitsstrafen verhängt worden seien. Die Rückkehrentscheidung und das fünfjährige Einreiseverbot seien unverhältnismäßig. Die Behörde habe seine kosovarische Staatsangehörigkeit nicht berücksichtigt; eine Abschiebung nach Serbien sei daher jedenfalls unzulässig.
Im Nachhang zur Beschwerde übermittelte der BF am 02.11.2018 seinen Versicherungsdatenauszug und die Geburtsurkunde seines jüngsten Kindes.
Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 12.11.2018 einlangten, erstattete eine Gegenäußerung zur Beschwerde und beantragte, diese als unbegründet abzuweisen.
Feststellungen:
Der BF wurde am XXXX in XXXX auf dem Gebiet des heutigen Kosovo geboren, wo er die Volks- und die Hauptschule absolvierte. Er ist kosovarischer Staatsangehöriger und spricht Albanisch.
2002 hielt sich der BF erstmals als Saisonarbeiter in Österreich auf. Seit XXXX 2004 lebt er durchgehend im Bundesgebiet. Über seinen im XXXX 2004 gestellten Antrag auf internationalen Schutz erging eine seit XXXX 2005 rechtskräftige negative Entscheidung.
In der Folge wurden dem BF österreichische Aufenthaltstitel erteilt. Ende XXXX 2011 erhielt er einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG". Zuletzt wurde ihm antragsgemäß eine von XXXX.2016 bis XXXX.2019 gültige "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" ausgestellt.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er war im Bundesgebiet ab 2002 mit Unterbrechungen immer wieder als Arbeiter erwerbstätig. Dazwischen bezog er mehrfach Arbeitslosengeld (erstmals von XXXX 2007 bis XXXX 2008), Krankengeld und (erstmals im XXXX und XXXX 2009) Notstandshilfe. Seine selbständige Erwerbstätigkeit als Eisenverleger zwischen XXXX 2011 und XXXX 2012 führte zu nicht bezahlten Sozialversicherungsbeiträgen und letztlich zu einem Konkursverfahren am Landesgericht XXXX, das am XXXX eröffnet wurde. Nach Ablehnung des Zahlungsplans des BF und Aufhebung des Konkurses XXXX wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet, das im XXXX vorzeitig eingestellt wurde, weil der BF seiner Verpflichtung zur Auskunftserteilung über die Erfüllung seiner Obliegenheiten nicht nachgekommen war.
Ab XXXX 2012 war der BF abermals unselbständig erwerbstätig, immer wieder unterbrochen durch Zeiten des Bezugs von Arbeitslosen- oder Krankengeld. Zum Teil war er auch nur geringfügig beschäftigt. Zwischen XXXX 2013 und XXXX 2018 war sein Dienstgeber die XXXX GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer sein in XXXX lebender Bruder XXXX ist. Auch ein weiterer Bruder des BF lebt in Österreich. Seit XXXX ist der BF bei der XXXX GmbH als Arbeiter erwerbstätig, mit deren Gesellschafterin und Geschäftsführerin XXXX er liiert ist.
Der mittlerweile geschiedenen Ehe des BF mit XXXX entstammen seine am XXXX geborene Tochter XXXX und sein am XXXX geborener Sohn XXXX, die in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter in XXXX leben. Der Beziehung des BF mit XXXX entstammt sein am XXXX geborener Sohn XXXX, der in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter in XXXX lebt. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seinen Kindern.
Der BF wurde in Österreich zwei Mal strafgerichtlich verurteilt. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, wurde er (ausgehend von der Strafdrohung einer bis zu dreijährigen Freiheitsstrafe) zu einer dreimonatigen, für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe wegen des Vergehens des versuchten schweren Betrugs nach den §§ 15 Abs 1, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB verurteilt, weil er im XXXX in XXXX mit Bereicherungsvorsatz versucht hatte, Mitarbeiter der Arbeiterkammer durch die unter Vorlage einer gefälschten Urkunde aufgestellte wahrheitswidrige Behauptung, er habe einem anderen dessen Gehalt für August 2012 von ca. EUR 500 ausbezahlt, zur Unterlassung der Geltendmachung dieses Betrags zu verleiten. Dabei wurden sein reumütiges Geständnis und seine Unbescholtenheit als mildernd berücksichtigt; besondere Erschwerungsgründe lagen nicht vor. Anfang 2017 wurde die Strafe endgültig nachgesehen.
Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde der BF (wieder ausgehend von der Strafdrohung einer bis zu dreijährigen Freiheitsstrafe) zu einer sechsmonatigen, für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe wegen der Vergehen des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse nach § 153d Abs 1 StGB und der Anstiftung zum schweren Betrug nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 2 StGB verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er im Oktober 2014 entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten die Anmeldung von 17 Personen als Mitarbeiter der (mittlerweile insolventen) XXXX KG zur Sozialversicherung veranlasste, obwohl er wusste, dass die daraus resultierenden Sozialversicherungsbeiträge nicht vollständig geleistet werden sollten, wodurch Beiträge an die XXXX Gebietskrankenkasse von ca. EUR 18.000 und Zuschläge zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in unbekannter, EUR 20.000 nicht übersteigender Höhe nicht geleistet wurden. Durch diese Tathandlung bestimmte der BF überdies Mitarbeiter der XXXX KG mit Bereicherungsvorsatz dazu, die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse über tatsächlich bestehende Beschäftigungsverhältnisse zu täuschen, wobei ein EUR 5.000 übersteigender Schaden in Höhe der nicht abgeführten Beiträge bzw. Zuschläge entstand. Bei der Strafbemessung wirkten sich die einschlägige Vorstrafe und die Faktenmehrheit bzw. das Zusammentreffen zahlreicher Vergehen erschwerend aus; besondere Milderungsgründe lagen nicht vor.
Mit dem seit XXXX.2013 rechtskräftigen Bescheid des Finanzamts XXXX, wurde gegen den BF wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2, 38 Abs 1 FinStrG eine Geldstrafe von EUR 40.000 erlassen. Aufgrund der Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafe verbüßte der BF die 56-tägige Ersatzfreiheitsstrafe zwischen XXXX. und XXXX in der Justizanstalt XXXX.
Der BF hat Angehörige außerhalb seiner Kernfamilie, die nach wie vor im Kosovo leben. Andere Verwandte leben in der Schweiz und in Deutschland. Der BF spricht Deutsch; ein bestimmtes Sprachniveau kann nicht festgestellt werden. In Österreich hat er keine weiteren familiären oder nennenswerten privaten Anknüpfungen. Er verfügt über keine Vermögenswerte, hat aber Schulden, die insbesondere aus seiner Insolvenz resultieren. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme einer weitergehenden Integration des BF in Österreich vor.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.
Die kosovarische Staatsangehörigkeit des BF ergibt sich aus den von ihm vorgelegten Ausweiskopien (Reisepass, Personalausweis), aus denen auch sein Geburtsort hervorgeht. Dies wird durch die Staatsangehörigkeit laut dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG", der Vollzugsinformation, der Beschuldigtenvernehmung vom XXXX und dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX untermauert. Aus dem Fremdenregister ergibt sich sowohl die serbische als auch die kosovarische Staatsangehörigkeit des BF. Erstere ist offenbar auch im zuletzt ausgestellten Aufenthaltstitel angeführt; es sind aber auch zwei als authentisch klassifizierte kosovarische Reisepässe gespeichert. In einer Gesamtbetrachtung dieser Beweismittel geht das Gericht (insbesondere aufgrund der vom BF vorgelegten aktuellen Identitätsdokumente) davon aus, dass er nicht - wie im angefochtenen Bescheid angeführt - serbischer, sondern kosovarischer Staatsangehöriger ist.
Der Umstand, dass der BF die Schule im Kosovo besuchte, ergibt sich aus seiner Stellungnahme an das BFA und aus der Beschuldigtenvernehmung vom XXXX. Albanische Sprachkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft plausibel und können festgestellt werden, weil z.B. der Verhandlung vor dem Landesgericht XXXX ein Dolmetsch für diese Sprache beigezogen wurde.
Der BF gab in seiner Stellungnahme an, er sei 2001 erstmals zur Saisonarbeit in das Bundesgebiet eingereist. Aus dem ZMR und aus dem Versicherungsdatenauszug geht allerdings erstmals eine (Neben-)Wohnsitzmeldung und eine Erwerbstätigkeit im XXXX 2002 hervor. Der BF behauptete, sich seit 2003 durchgehend im Bundesgebiet aufzuhalten. Im ZMR scheinen seit XXXX 2004 nahezu durchgehend Hauptwohnsitzmeldungen auf, sodass (in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen) von seinem kontinuierlichen Inlandsaufenthalt seit 2004 auszugehen ist, obwohl aus dem vorgelegten, im XXXX 2017 ausgestellten Personalausweis ein Wohnsitz in "XXXX" hervorgeht.
Die Feststellungen zum Asylverfahren des BF und zu den ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstiteln basieren auf dem Fremdenregister. Aufgrund der Ausstellung eines Daueraufenthaltstitels 2011 ist davon auszugehen, dass ihm schon davor Aufenthaltsgenehmigungen erteilt worden waren.
Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF ergeben. Er gab in seiner Stellungnahme an, gesund zu sein. Seine Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus der aktuell ausgeübten Erwerbstätigkeit und seinem berufsfähigen Alter. Seine Erwerbstätigkeit im Inland sowie der Bezug von Arbeitslosen- und Krankengeld bzw. Notstandshilfe ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug, aus dem auch hervorgeht, dass während seiner Selbständigkeit Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden.
Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren des BF beruhen auf seinen Angaben zu finanziellen Verpflichtungen in der Beschuldigtenvernehmung vom XXXX und auf den entsprechenden Eintragungen in der Insolvenzdatei zum Konkursverfahren XXXX des Landesgerichts XXXX. Die Feststellungen zur Tätigkeit des BF bei der XXXX GmbH und bei der XXXX GmbH basieren auf dem Versicherungsdatenauszug, dem Beschwerdevorbringen und dem Firmenbuch, aus dem die Eigentümer und Geschäftsführer dieser Unternehmen hervorgehen.
Die Feststellungen zu den Kindern des BF werden anhand seiner Stellungnahme getroffen, die durch die Geburtsurkunde seines jüngsten Kindes untermauert wird. Es ist glaubhaft und plausibel, dass er regelmäßig Kontakt zu seinen Kindern hat. Die angegebene Beziehung zu XXXX ist nicht zuletzt aufgrund des gemeinsamen Kindes nachvollziehbar. Ein gemeinsamer Haushalt des BF mit ihr und dem XXXX geborenen XXXX ist allerdings aus dem ZMR - trotz einer entsprechenden Ankündigung in der Beschwerde - nach wie vor nicht ableitbar, sodass keine entsprechende Feststellung getroffen werden kann, zumal der BF in seiner Stellungnahme das Bestehen einer Lebensgemeinschaft noch verneinte.
Die Feststellungen zu den vom BF in Österreich begangenen Straftaten, zu seinen Verurteilungen und zu den Strafzumessungsgründen basieren auf den vorliegenden Strafurteilen. Die Rechtskraft der Verurteilungen und die endgültige Nachsicht der 2013 verhängten Freiheitsstrafe werden durch das Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen des BF aufscheinen. Damit übereinstimmend wurde im Strafurteil des Landesgerichts XXXX seine Unbescholtenheit als Milderungsgrund berücksichtigt. In Ermangelung aussagekräftiger Indizien für weitere strafrechtliche Verurteilungen des BF ist davon auszugehen, dass der Verdacht auf Körperverletzung laut dem aktenkundigen Polizeibericht vom XXXX.2015 nicht zu einer Verurteilung führte, sodass dazu keine Feststellungen getroffen werden.
Die Feststellungen zur Abgabenhinterziehung und zum Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe basieren auf der Vollzugsinformation. Damit in Einklang war der BF zwischen XXXX. und XXXX laut ZMR mit Nebenwohnsitz in der Justizanstalt XXXX gemeldet.
Die Feststellungen zu den außerhalb Österreichs lebenden Angehörigen des BF und zu seinen Deutschkenntnissen beruhen auf seiner Stellungnahme. Da die Kinder und die Ex-Ehefrau des BF sowie die Mutter seines jüngsten Kindes in Österreich leben, ist davon auszugehen, dass es sich bei den genannten, im Kosovo, in der Schweiz und in Deutschland lebenden Verwandten um Angehörige außerhalb seiner Kernfamilien handelt. Ein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen ist nicht erkennbar. Da keine Nachweise für Deutschkurse oder Deutschprüfungen vorgelegt wurden, kann kein konkretes Sprachniveau festgestellt werden. Der BF nannte - neben seinen Kindern, seinen Brüdern und seiner Freundin XXXX - keine weiteren Bezugspersonen in Österreich und verneinte in seiner Stellungnahme die Frage nach weiteren sozialen Bindungen, sodass vom Fehlen von über die Feststellungen hinausgehenden wesentlichen Anknüpfungen im Bundesgebiet auszugehen ist. Für weitere Integrationsmomente gibt es weder im Akteninhalt noch im Vorbringen des BF Hinweise.
Die Frage nach Besitz und Vermögenswerten im Bundesgebiet beantwortete er in seiner Stellungnahme mit "nein". Aus der Beschuldigtenvernehmung vom XXXX.2015 gehen erhebliche Verbindlichkeiten bei der GKK, die aus dem Konkurs resultieren, hervor, sodass eine entsprechende Feststellung zu treffen ist, zumal das Abschöpfungsverfahren XXXX 2018 ohne Restschuldbefreiung beendet wurde.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Der BF ist als kosovarischer Staatsangehöriger Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Da er sich aufgrund des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, setzt eine Rückkehrentscheidung gegen ihn nach dem vom BFA herangezogenen § 52 Abs 4 Z 1 FPG voraus, dass nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG oder § 11 Abs 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre. Gemäß dem hier relevanten § 11 Abs 2 Z 1 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.
Bei der Prüfung, ob die Annahme, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, gerechtfertigt ist, muss eine sein Gesamtverhalten berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden. Bei strafgerichtlichen Verurteilungen ist dabei - gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Straftat(en) - anhand der Umstände des Einzelfalls eine Gefährdungsprognose zu treffen (vgl VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198).
Da die Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben des BF eingreift, dessen Lebensmittelpunkt seit Jahren in Österreich liegt, ist unter dem Gesichtspunkt von Art 8 EMRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Nach § 9 Abs 1 BFA-VG ist (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198).
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist hier zu berücksichtigen, dass der BF zwar bereits zwei Mal wegen Vermögensdelikten strafgerichtlich verurteilt wurde, sodass grundsätzlich der Tatbestand des § 53 Abs 3 Z 1 FPG erfüllt ist, und ihm auch noch weitere finanzielle Malversationen (Abgabenhinterziehung, nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge) zur Last fallen (nicht aber - wie auf Seite 29 des angefochtenen Bescheids fälschlich angegeben - Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit). Er wurde jeweils zu gänzlich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen im unteren Bereich des Strafrahmens verurteilt, wobei die 2013 verhängte Freiheitsstrafe bereits endgültig nachgesehen werden konnte. Um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können, bedarf es nach der Rechtsprechung des VwGH grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/22/0194). Der BF beging seine letzten Straftaten im XXXX 2014. Die ihm anzulastenden Vermögens- und Abgabendelikte wurden in den Jahren 2012 bis 2014 gesetzt. Aufgrund des nunmehr ca. vierjährigen Wohlverhaltens ist bereits eine Abkehr von dem in der Vergangenheit gezeigten Verhaltensmuster erkennbar, obwohl seine letzte Verurteilung noch nicht lange zurückliegt.
Aufgrund des langen rechtmäßigen Aufenthalts des BF in Österreich, seiner Integration am heimischen Arbeitsmarkt und seiner Sozialkontakte, insbesondere zur Mutter seines jüngsten Kindes und zu seinen Brüdern, hat er ein erhebliches privates Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet. Durch seine Deutschkenntnisse ist er hier auch sprachlich verankert. Die Rückkehrentscheidung greift vor allem aufgrund des Familienlebens mit seinen in Österreich lebenden Kindern trotz der fehlenden Unbescholtenheit und der Verstöße gegen die öffentliche Ordnung unverhältnismäßig in seine Rechte nach Art 8 EMRK ein.
In die vorzunehmende Interessenabwägung ist das Interesse seiner Kinder, mit beiden Elternteilen aufzuwachsen, einzubeziehen, zumal sein Aufenthalt in Österreich zur Zeit der Geburt der Kinder nicht unsicher war. Gemäß § 138 Z 9 ABGB sind verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung des Kindeswohls. Gemäß § 186 ABGB hat der BF zu seiner Tochter und seinen Söhnen eine persönliche Beziehung einschließlich persönlicher Kontakte zu pflegen. Obwohl kein gemeinsamer Haushalt besteht, kommt der BF dieser Verpflichtung durch regelmäßige Kontaktaufnahme mit seinen Kindern nach. Die auf Seite 26 des angefochtenen Bescheids vorgeschlagene Aufrechterhaltung der Vater-Kind-Beziehung mittels moderner Kommunikationsmittel ist jedenfalls für den erst wenige Monate alten Sohn des BF aus seiner aktuellen Beziehung nicht möglich. Dem BF kommt grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt mit ihm zu (vgl VwGH 17.04.2013, 2013/22/0088). Regelmäßige, verlässliche, persönliche Kontakte sind auch in Bezug auf die beiden älteren Kinder des BF, die zehn bzw. acht Jahre alt sind, telefonischer oder elektronischer Kommunikation und gelegentlichen Besuchen außerhalb Österreichs vorzuziehen, zumal gemäß § 187 ABGB Kontakte zwischen Eltern und Kindern regelmäßig stattfinden und sowohl Zeiten der Freizeit als auch die Betreuung im Alltag umfassen sollen.
Trotz des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Vermögenskriminalität und Steuerhinterziehung sowie am Schutz der öffentlichen Ordnung ist angesichts der sozialen und beruflichen Integration des BF während seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich sowie insbesondere zur Wahrung des Wohls seiner minderjährigen Kinder durch regelmäßige persönliche Kontakte von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn Abstand zu nehmen. Sein privates Interesse an einem Verbleib überwiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Dies bedingt auch den Entfall der übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids, der somit in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben ist. Sollte der BF allerdings wieder straffällig werden, wird die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots gegen ihn neuerlich zu prüfen sein.
Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.
Zu Spruchteil C):
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zukommt, nicht zu lösen war.
Schlagworte
Arbeitsmarktprüfung, aufschiebende Wirkung, Deutschkenntnisse,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2209260.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.04.2019