Entscheidungsdatum
18.12.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G306 2199775-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Mag. Werner PURR, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 25.05.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.12.2018, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n .
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) stellte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 16.03.2018 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens".
Zum gegenständlichen Antrag wurde der BF am 09.05.2018 vorn Organen des BFA niederschriftlich einvernommen.
Mit Schreiben vom 13.03.2018 des BFA wurde dem BF nachweislich zur Kenntnis gebracht, dass es beabsichtigt sei, den Antrag vom 29.09.2017 abzuweisen. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde dem BF eine Frist von zwei Wochen gewährt. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 30.05.2018, wurde der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina gemäß § 46 bis zum Abschluss der medizinischen Versorgung/Behandlung/Therapie nicht zulässig ist (Spruchpunkt II.).
Mit am 26.06.2018 beim BFA eingebrachtem Schreiben, erhob der BF vermittels seines damals ausgewiesenen Rechtsvertreters (RV) gegen den zuvor genannten Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht BVwG.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurde vom BFA dem BVwG am 03.07.2018 vorgelegt.
Am 05.12.2018 fand beim BvWG - Außenstelle Graz - eine mündliche Verhandlung statt an der der BF als auch sein nunmehriger RV persönlich teilnahmen. Die belangte Behörde entsandte ebenfalls zwei Vertreter.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), ist Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina und ist im Besitz eines gültigen biometrischen Reisepasses.
Der BF ist gegenwärtig ohne gültigem Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhältig. Die Abschiebung seiner Person ist jedoch gemäß § 46 FPG bis zum Abschluss seiner medizinischen Versorgung/Behandlung/Therapie nicht zulässig.
Der BF war beginnend im Frühjahr 2010 bis einschließlich Sommer 2017 immer wieder als Saisonarbeitskraft in der Landwirtschaft im Bundesgebiet beschäftigt (siehe Sozialversicherungsauszug). Seine letztmalige Arbeitserlaubnis im Bundesgebiet endete mit 22.10.2017. Seit dieser Zeit hält sich der BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Krankheitsbedingt - BF leidet an einer ausgedehnte linksseitigen Perianalabzesses mit transsphinktärer Fistelli und Fistelverbindung - und wurde schon mehrmals einer Operation unterzogen. Der BF befindet sich nach wie vor in medizinischer Behandlung. Der BF bezog daher vom XXXX.2017 - XXXX.2018 Krankengeld und seit dem XXXX.2018 Arbeitslosengeld. Der BF ist trotz seines Gesundheitszustandes offensichtlich arbeitsfähig - ansonsten der Bezug von Arbeitslosengeld nicht möglich wäre.
Der BF ist seit dem 10.10.2017 durchgehend im Bundesgebiet mittels Hauptwohnsitz gemeldet. Der BF weist zuvor immer wieder im Zuge seines Aufenthaltes im Bundesgebiet als Saisonarbeiter, Wohnsitzmeldungen auf (zwischen 2 - 7 Monate mit anschließenden Unterbrechungen von 2 - 6 Monaten). Der BF ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Die Gattin, Kinder sowie die Eltern des BF leben in Bosnien und Herzegowina. Der BF fährt einmal pro Monat für eine Dauer von etwa 3 - 5 Tagen zu seiner Familie nach Bosnien. Der BF geht aktuell keiner Erwerbstätigkeit nach sondern lebt vom Kranken.- bzw. Arbeitslosengeld. Die Familie in Bosnien wird auch mit diesem Geld mitversorgt.
Der BF weist im Bundesgebiet keine familiären Bindungen auf. Der Schwager des BF arbeitet in Wien. Ein gemeinsamer Wohnsitz (Haushalt) bzw. ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis konnte nicht festgestellt werden und wurde vom BF auch nicht behauptet. Der BF ist bei XXXX mittels Hauptwohnsitz gemeldet. XXXX besitzt ein Haus in welchem noch eine weitere Person - besachwaltet - gemeldet und Unterkunft nimmt. Des Weiteren betreibt XXXX im Haus eine Fremdenpension und hat immer wieder Gäste (z.B. Monteure) als Untermieter. XXXX und der BF haben ein langjähriges freundschaftliches Verhältnis. Der BF hat bis zur Erkrankung den Garten des Unterkunftsgebers gepflegt bzw. diesem auch bei Waldarbeiten usw. unterstützt. Ob diesbezüglich arbeitsrechtliche bzw. finanzrechtliche gesetzliche Bestimmungen eingehalten wurden, konnte nicht festgestellt werden.
Ob der BF der Deutschen Sprache mächtig ist konnte nicht festgestellt werden.
Im Herkunftsstaat halten sich weiterhin engste Familienangehörige des BF auf.
Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine familiäre jedoch über private Bindungen. Es konnten jedoch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer tiefgreifenden Integration in Österreich festgestellt werden.
Der BF hält sich seit dem 23.10.2017 nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zur Familie deren Aufenthalt in Bosnien, zur Hauptwohnsitzmeldung, zu den immer wiederkehrenden Rückreisen nach Bosnien, zum Nichtbesitz eines Aufenthaltstitels sowie Arbeitsbewilligung, zur Erwerbslosigkeit sowie das de BF gegenwärtig Kranken.- bzw. Arbeitslosengeld bezieht getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen sowie aus den eigenen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung.
Zudem wurde die Feststellung der Saisonarbeiten, zum Nichtbesitz eines zum längeren Aufenthalt und zu Erwerbstätigkeiten berechtigenden Rechtstitels, durch den Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters und die Erwerbslosigkeit im Bundesgebiet, durch einen Sozialversicherungsauszug gestützt.
Die gegenwärtig Nichtbeantragung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG beruht auf dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters und dem Nichtvorbringen eines diesbezüglichen Sachverhaltes seitens des BF in der mündlichen Verhandlung.
Dass die Deutschsprachkenntnisse des BF nicht festgestellt werden konnten, beruht darauf, dass der BF keinerlei diesbezüglich Nachweise vorlegte bzw. die mündliche Verhandlung nur unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers, möglich war.
Dass der BF über zwei Wohnsitzadressen sowie über Familienangehörige im Herkunftsstaat verfügt, er seine Gattin, Kinder und Eltern monatlich für ca. 3 - 5 Tage in Bosnien besucht und er deren Leben mitfinanziert, beruhen auf dem Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung.
Die Arbeitsfähigkeit des BF beruht auf der Tatsache, dass dieser bis zum XXXX.2018 Krankengeld und seit dem XXXX.2018 Arbeitslosengeldbezieher ist.
Die festgestellte Erkrankung des BF beruht auf im Verwaltungsakt einliegenden Krankenberichte sowie durch das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.
Die Nichtfeststellbarkeit von Anhaltspunkten welche für eine tiefgreifende Integration des BF im Bundesgebiet sprechen können, beruht auf der Tatsache, dass der BF erst seit dem 10.10.2017 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist - wobei aus den Stempeleintragungen des Reisepasses des BF ersichtlich ist, dass dieser - wie selbst angegeben - monatlich nach Bosnien zu seiner Familie reist und sich dort jeweils fast eine Woche aufhält. Der BF der Deutschen Sprache nicht mächtig ist, der BF zwar schon über Jahre hinweg im Bundesgebiet als Saisonarbeiter arbeitet, aber dies, wie der Begriff schon aussagt, immer nur für eine Saison, hier im Bundesgebiet aufhältig war. Der BF konnte zwar ein Empfehlungsschreiben des für seinen Wohnsitz zuständigen Bürgermeisters sowie eine bedingte aufschiebend wirksame Einstellungszusage - nach Genesung des BF - seines ehemaligen Arbeitsgebers vorlegen, jedoch stellt diese keine Tatsache einer tiefgreifenden Integration dar.
Die Feststellung, dass der BF sehr wohl über teilweise private und soziale Bindungen im Bundesgebiet verfügt, ergibt sich aus den eigenen sowie den Angaben des Unterkunftsgebers in der mündlichen Verhandlung. Es mag sein, dass das Verhältnis zum Unterkunftsgeber ein sehr freundschaftliches und enges ist, es handelt sich jedoch um keine "Familie" im Sinne der Rechtsprechung. Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides:
Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:
"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."
Der mit "Antragstellung und amtswegiges Verfahren" betitelte § 58 AsylG idgF. lautet:
"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem
7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."
Der mit "Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen" betitelte § 60 AsylG lautet:
"§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder
2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Nach § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und jener Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, gemäß Abs. 4 Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger.
Der BF ist aufgrund seiner Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Staatsangehörige der Republik Bosnien und Herzegowina, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, und Art 6 der Verordnung (EU) Nr. 2016/399 vom 09.03.2016, ABl. L 77/1 (Schengener Grenzkodex) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.
Gemäß Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an, sofern die Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs. 1 lit. a bis e Schengener Grenzkodex vorliegen.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).
Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a.,
Zl. 26940/10).
Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach der Judikatur des VwGH regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325; auch VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249; 30.08.2011, 2008/21/0605; 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).
Nach der Judikatur des VwGH ist aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer. (VwGH 17.10.2016 Ro, 2016/22/0005; 23.02.2017 Ra2016/21/0340).
Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Auch der Verfassungsgerichtshof verweist darauf, dass ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken könne. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfSlg. 19.086/2010 mwH).
Wie sich aus den bisherigen Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde sowie mündlichen Verhandlung ergibt, verfügt dieser in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte. In Österreich lebt nur sein Schwager, welcher in Wien arbeitet und welcher ihn ab und zu bei den Heimreisen nach Bosnien mitnimmt. Ein gemeinsamer Wohnsitz bzw. eine Abhängigkeit wurde nicht festgestellt und auch nicht behauptet. Der BF hat durch seine immer wiederkehrende Tätigkeit als Saisonarbeiter im Bundesgebiet ein gewisses soziales Umfeld, welches jedoch immer nur befristet war (Saisonarbeitskraft). Der BF ist seit 10.10.2017 durchgängig mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der BF hat mit seinem Unterkunftgeber ein sehr freundschaftliches Verhältnis und liegt daher ein gewisses schützenswertes Privatleben des BF im Bundesgebiet im Sinne des Art 8 EMRK vor. (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 859).
Vor dem Hintergrund, dass der BF bereits im Zeitpunkt seiner immer wiederkehrenden Einreisen ins Bundesgebiet - ermöglicht durch die immer wiederkehrenden befristeten Bewilligungen als Saisonarbeitskraft - und der anschließenden Rückkehr nach Bosnien über dessen Unsicherheit seines Aufenthalts in diesem und der damit einhergehenden allfälligen Unmöglichkeit der Weiterführung seines in Österreich eingegangenen sozialen und privaten Kontakte in Kenntnis gewesen sein musste, müssen diese - im Sinne der obzitierten Judikatur - jedenfalls eine wesentliche Relativierung hinnehmen. In diesem Kontext hat auch auf die der bisher immer wieder nur relativ begrenzten Aufenthalte der BF im Bundesgebiet (2 - 7 Monate als Saisonarbeitskraft in der Landwirtschaft) und sein nach wie vor im Herkunftsstaat gelegener Lebensmittelpunkt eine weitere Relativierung der genannten Beziehungen in Österreich zu führen. Der BF reist nachweislich monatlich seit dem 10.10.2017 nach Bosnien zu seiner Familie und hält sich dort auch immer für beinahe eine Woche auf.
Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende darüberhinausgehende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind schon im Hinblick auf die - zwar immer wiederkehrenden jedoch relativ kurzen Dauer seiner Saisonaufenthalte - sowie den bisherigen durchgehenden Aufenthalt in Österreich (seit 10.10.2017 - welcher wiederum jedes Monate für eine Woche unterbrochen wurde, da der BF in dieser Zeit in Bosnien bei seiner Familie aufhält) nicht erkennbar. Der BF hat zwar private und soziale Kontakte im Bundesgebiet, diesen kommt im Kontext gesehen keinesfalls ein derartiger Stellenwert zu, welche für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Integration der BF in Österreich sprechen könnten. Der BF begründete sein Privatleben ganz überwiegend in einem Zeitpunkt, als seine Aufenthaltserlaubnisse immer vom erbringen einer Einstellung als Saisonarbeiter abhängig war und war dem BF auch bewusst, dass dies nicht immer möglich sein wird. Mit Blick auf die vom BF gesetzten Integrationsschritte ist daher festzuhalten, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus bzw. später seines unrechtmäßigen Aufenthalts und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des - unrechtmäßigen - Aufenthalts der BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse dieses am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Letztlich ist anzumerken, dass durch eine Rückkehrentscheidung des BF dessen Beziehungen zu im Bundesgebiet aufhältigen Privatpersonen nicht unweigerlich einen absoluten Abbruch erfahren müssen. Vielmehr steht es dem BF jederzeit offen neuerlich in das Bundesgebiet einreisen zu können. Das Weitern können in Österreich aufhältige Freunde den BF auch in Bosnien besuchen. Auch die Nutzung grenzüberschreitender Kommunikationsmittel können zur Aufrechterhaltung der obgenannten Kontakte herangezogen werden.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene Feststellung keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert behauptet. Was den gesundheitlichen Zustand des BF anbelangt ist darauf zu verweisen, dass diesem bei der Bescheiderlassung Rechnung getragen wurde. Die belangte Behörde hat eine Abschiebung bis zum Abschluss der Versorgung/Behandlung/Therapie für unzulässig erklärt.
Überdies bestünde für den BF auch die Möglichkeit, allenfalls nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Dazu ist jedoch festzuhalten, dass keine Umstände hervorgekommen sind, weshalb es dem BF nicht möglich sein sollte, zum Zweck eines beabsichtigten längerfristigen Aufenthalts in Österreich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu stellen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein solcher Antrag grundsätzlich auch im Fall einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung gestellt werden kann, nachdem der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist (§ 11 Abs. 1 Z 3 NAG). Der Umstand, dass eine solche Antragstellung nachweis-, gebühren- und allenfalls auch quotenpflichtig ist, vermag daran nichts zu ändern, da eine Antragstellung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes mit einer von Anfang an beabsichtigen Umgehung der Bestimmungen des NAG als missbräuchlich anzusehen wäre.
Im Lichter einer nach § 9 BFA-VG iVm. Art 8 Abs. 2 EMRK (vgl. VwGH 23.02.2017, RA 2016 21/0325) gebotenen Abwägung, hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts durch Nichterteilen eines Aufenthaltstitels nach
§ 55 AsylG überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des
§ 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet in Form der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG, das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die Nichterteilung des beantragten Aufenthaltstitels eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt.
Im Ergebnis liegen sohin die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht vor, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Arbeitsfähigkeit, gesundheitliche Beeinträchtigung, illegalerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G306.2199775.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.04.2019