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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art140 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des Dr. M in Wien, vertreten durch Kunz Schima Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Porzellangasse 4, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. Jänner 1999, Zl. Jv 14.022-13/98, betreffend Streichung aus dem Verzeichnis der Notariatskandidaten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war beim öffentlichen Notar Dr. St. als Notariatskandidat in praktischer Verwendung und im Verzeichnis der Notariatskandidaten der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingetragen. Mit Eingabe vom 3. Juli 1998 teilte Notar Dr. St. mit, er habe den Beschwerdeführer mit Wirkung vom 2. Juli 1998 dienstfrei gestellt und ersuche, ihn mit sofortiger Wirkung aus der Liste der Notariatskandidaten zu streichen. Der Eingabe war die Fotokopie eines Handschreibens angeschlossen, mit dem der Beschwerdeführer erklärte, die Dienstfreistellung zur Kenntnis zu nehmen.
Mit Bescheid der Notariatskammer vom 8. Juli 1998 wurde der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 2. Juli 1998 gemäß § 118a Abs. 1 lit. a zweiter Fall NO aus dem Verzeichnis der Notariatskandidaten gestrichen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Notariatskammer erhobenen Berufung nicht Folge gegeben. Über den oben dargelegten Sachverhalt hinaus stellte die belangte Behörde Folgendes fest: Der Beschwerdeführer sei seit 2. Juli 1998 unauffindbar gewesen. Am 10. Juli 1998 sei gegen ihn ein Haftbefehl des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erlassen worden. Danach stehe er im Verdacht des Verbrechens nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB, weil er von 1994 bis 1996 seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht habe, dass er bei Wohnungs- und Liegenschaftsverkäufen der Firmengruppe Str. Treuhandschaften übernommen und Gelder vereinbarungswidrig weitergeleitet habe, wobei ein Schaden von über S 500.000,-- entstanden sei. Es sei Fluchtgefahr anzunehmen, weil er von seinem Arbeitsplatz, der Notariatskanzlei Dr. St., seit 2. Juli 1998 dienstfrei gestellt und seither unauffindbar sei. Der Beschwerdeführer sei am 13. Oktober 1998 festgenommen worden. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Oktober 1998 sei gemäß § 180 Abs. 2 Z. 1 und 2 StPO die Untersuchungshaft verhängt worden. Diese sei am 11. November 1998 unter Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 180 Abs. 5 Z. 1 und 2 StPO aufgehoben worden. Das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes nach § 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB sei weiterhin anhängig. Nach der Erörterung einer Verfahrensrüge der Berufung vertrat die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen die Auffassung, die Notariatskammer habe die Streichung des Beschwerdeführers aus dem Verzeichnis der Notariatskandidaten gemäß § 118a Abs. 1 lit. a zweiter Fall NO vorgenommen, weil die Unterbrechung seiner praktischen Verwendung nach § 117 Abs. 4 NO angezeigt worden sei. § 118 Abs. 2 NO verfüge die rückwirkende Streichung. Die Streichung sei daher mit dem Tag der tatsächlichen Beendigung der Tätigkeit (2. Juli 1998) vorzunehmen gewesen. Ein gesetzlich oder vertraglich zugesicherter Urlaub im Sinne des § 117 Abs. 5 Z. 1 NO bzw. eine drei aufeinander folgende Werktage nicht überschreitende Verhinderung aus einem wichtigen, die Person betreffenden Grund im Sinne der Z. 2 leg. cit. liege nicht vor. Hinsichtlich der Anzeige des Ausbildungsnotars über den Austritt oder die Unterbrechung der praktischen Verwendung eines Notariatskandidaten (§ 118a Abs. 1 lit. a NO) finde eine Prüfung allfälliger Gründe durch die Notariatskammer nicht statt. Ob der Notar aus arbeitsrechtlichen Gründen eine Kündigungsfrist einhalten müsse, ob diese richtig berechnet worden oder eine Entlassung gerechtfertigt gewesen sei, somit alle mit dem Angestelltenverhältnis zusammenhängenden Fragen, blieben im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht. Die öffentlich-rechtliche Kandidateneigenschaft, die sich ausschließlich aus § 117 Abs. 2 herleite, stehe in keinem Zusammenhang zum arbeitsrechtlich zu beurteilenden privatrechtlichen Angestelltenverhältnis. Für die Streichung aus der Liste der Notariatskandidaten sei daher einzig maßgebend, dass die Praxis als Notariatskandidat beendet sei. Dies sei hier seit 2. Juli 1998 der Fall.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 117 Abs. 1 bis 5 NO lauten:
"(1) Der Notar kann in seiner Kanzlei Angestellte unter seiner Leitung und Aufsicht zum Notariat heranbilden.
(2) Notariatskandidaten sind diese Angestellten nur, wenn sie in das bei der Notariatskammer geführte Verzeichnis der Notariatskandidaten eingetragen sind. Die Eintragung ist auf Anzeige des Notars vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen hiefür gegeben sind.
(3) Der Eingetragene ist vom Tag des Einlangens der Anzeige über den Eintritt, frühestens jedoch vom Tag des Beginns seiner Tätigkeit an Notariatskandidat.
(4) Der Notar hat den Austritt des Notariatskandidaten aus seiner Kanzlei und eine Unterbrechung der praktischen Verwendung unverzüglich der Notariatskammer anzuzeigen.
(5) Es gilt nicht als Unterbrechung der praktischen Verwendung des Notariatskandidaten, soweit
1. er einen nach Gesetz oder Vertrag gebührenden Urlaub verbringt, längstens jedoch bis zu insgesamt 36 Werktagen im Kalenderjahr, zuzüglich weiterer 24 Werktage Prüfungsurlaub zur Vorbereitung auf die Notariatsprüfung,
2. eine Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines anderen wichtigen, seine Person betreffenden Grundes, in jedem einzelnen Fall drei aufeinander folgende Werktage nicht überschreitet,
3. länger als drei aufeinander folgende Werktage dauernde Verhinderungen wegen Krankheit oder Unfalls im Kalenderjahr insgesamt die Dauer von 12 Wochen, als Folge eines Dienstunfalles die Dauer von 16 Wochen, nicht überschreiten oder
4. bei weiblichen Notariatskandidaten ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz besteht,
5. eine zumindest die Hälfte der Normalarbeitszeit umfassende Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221, oder dem Eltern-Karenzurlaubsgesetz, BGBl. Nr. 651/1989, ausgeübt wird."
§ 118a NO lautet auszugsweise:
"(1) Der Notariatskandidat ist von der Notariatskammer aus dem Verzeichnis der Notariatskandidaten zu streichen,
a) wenn sein Austritt oder die Unterbrechung seiner praktischen Verwendung nach § 117 Abs. 4 angezeigt wird,
b) wenn die Notariatskammer in Ausübung ihrer Überwachungspflicht nach § 118 Abs. 4 feststellt, dass der Notariatskandidat nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise verwendet wird,
....
(2) Die Streichung ist mit dem Zeitpunkt zu verfügen, in dem der für die Streichung maßgebende Umstand eingetreten ist.
(3) Vor der Streichung ist der Notariatskandidat, in den Fällen des Abs. 1 Buchstaben b und k auch der Notar, zu hören. Gegen die Streichung steht den Anhörungsberechtigten die Berufung (§ 138) zu. ..."
Die Beschwerde macht zunächst eine Verletzung des Parteiengehörs geltend. Die belangte Behörde habe ihre Entscheidung unter anderem damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1998 festgenommen, über ihn mit Beschluss vom 15. Oktober 1998 die Untersuchungshaft verhängt und diese am 11. November 1998 gegen Anwendung gelinderer Mittel aufgehoben worden sei. Folge man dieser Sachverhaltsdarstellung, könne die weitere Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit 2. Juli 1998 unauffindbar gewesen sei, so nicht richtig sein. Diese Ermittlungsergebnisse seien dem Beschwerdeführer niemals vorgehalten worden. Dies sei schon deshalb wesentlich, weil die Dienstfreistellung bis zur Bescheiderlassung erster Instanz nur sechs Tage gedauert und der weitaus längere Teil der Abwesenheit des Beschwerdeführers den Zeitraum nach der Erlassung des Bescheides erster Instanz betroffen habe. Gerade im Hinblick auf ein Beschäftigungsverhältnis, bei dem die Zeit der praktischen Verwendung und Ausbildung für die spätere Berufslaufbahn essentiell sei (vgl. dazu § 11 Abs. 3 NO), wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Immerhin wäre es leicht denkbar gewesen, dass der Beschwerdeführer nach dem 8. Juli 1998 seine Tätigkeit wieder aufgenommen und daher die kurzfristige Abwesenheit nur das Ausmaß eines in der Notariatsordnung vorgesehenen Urlaubes nicht überschritten hätte. Auch kurze Haftaufenthalte würden von Dienstnehmern, um arbeitsrechtliche Nachteile zu vermeiden, nicht selten im Rahmen des Urlaubsverbrauches abgebüßt. Hätte die belangte Behörde die grundlegenden verfahrensrechtlichen Vorschriften beachtet, wäre sie daher zum Ergebnis gelangt, dass kein Grund für die Streichung aus der Liste der Notariatskandidaten bestanden hätte.
Mit der Behauptung, die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer seit 2. Juli 1998 unauffindbar gewesen sei, könne- folge man der Sachverhaltsdarstellung der belangten Behörde - so nicht richtig sein, soll offenbar ein Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden; näher begründet wird dies nicht. Es genügt daher der Hinweis, dass die Feststellungen, die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegen, nicht als widersprüchlich zu erkennen sind; insbesondere gehen die Feststellungen zweifelsfrei in die Richtung, dass die "Unauffindbarkeit" des Beschwerdeführers jedenfalls mit seiner Festnahme am 13. Oktober 1998 endete.
Auch sonst wird mit den oben wiedergegebenen Darlegungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die Verletzung des Parteiengehörs bildet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Um dies beurteilen zu können, muss der Beschwerdeführer jene entscheidenden Tatsachen in der Beschwerde bekannt geben, die der Behörde wegen dieser Unterlassung unbekannt geblieben sind (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) § 45 AVG E 536 referierte hg. Rechtsprechung).
In der vorliegenden Beschwerde werden keine - der belangten Behörde infolge Verletzung des Parteiengehörs unbekannt gebliebenen - Tatsachen behauptet, auf deren Grundlage die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Hinweis, dass von der Dienstfreistellung bis zur Erlassung des Bescheides erster Instanz nur ein Zeitraum von sechs Tagen gelegen sei, ist im vorliegenden Zusammenhang in mehrfacher Hinsicht nicht zielführend. Zum einen ist der Begründung des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei zu entnehmen, dass der belangten Behörde dieser Umstand bekannt war. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde davon ausgehend zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können; denn nach der Anordnung des Gesetzes (§ 117 Abs. 4 iVm § 118a Abs. 1 lit. a NO) ist der Notariatskandidat aus dem Verzeichnis zu streichen, wenn der Notariatskammer der Austritt oder die Unterbrechung seiner praktischen Verwendung angezeigt wird. Die Streichung ist mit dem Zeitpunkt zu verfügen, in dem der für die Streichung maßgebende Umstand eingetreten ist (§ 118a Abs. 2 NO). Es ist somit ohne rechtliche Bedeutung, welcher Zeitraum zwischen dem zuletzt genannten Tag und dem Tag der Erlassung des Bescheides der Notariatskammer lag. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass eine Wiederaufnahme der praktischen Verwendung - auch nach einer Unterbrechung derselben von nur wenigen Tagen, sofern diese nicht dem § 117 Abs. 5 NO zu subsumieren ist - den Streichungsgrund des § 118a Abs. 1 lit. a NO nicht rückwirkend beseitigt, sondern - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - die neuerliche Eintragung in das Verzeichnis der Notariatskandidaten begründet.
Der weitere Hinweis der Beschwerde, es wäre "leicht denkbar", dass der Beschwerdeführer nach dem 8. Juli 1998 seine Tätigkeit wieder aufgenommen und daher die kurzfristige Abwesenheit nur das Ausmaß eines in der Notariatsordnung vorgesehenen Urlaubes nicht überschritten hätte, ist offenkundig bloß hypothetisch. Es kann angesichts gegenteiliger Anhaltspunkte weder dem Akteninhalt entnommen werden noch wird in der Beschwerde behauptet, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit kurz nach dem 8. Juli wieder aufgenommen hätte. Dass selbst in einem solchen Fall - sofern die Voraussetzungen nach § 117 Abs. 5 NO nicht vorlagen - die mit Wirkung vom 2. Juli 1998 verfügte Streichung aus dem Verzeichnis der Notariatskandidaten nicht rechtswidrig wäre, wurde oben bereits dargelegt.
Im Rahmen der Rechtsrüge wird geltend gemacht, es wäre zu prüfen, ob nicht die Dienstfreistellung (als weitere Form der dienstlichen Abwesenheit) vom Ausnahmetatbestand des § 117 Abs. 5 Z. 1 NO erfasst wäre. Auch bei einer Dienstfreistellung handle es sich um die Unterbrechung des arbeitsvertraglichen Synallagmas, weil sowohl beim Urlaub als auch bei einer Dienstfreistellung der Dienstnehmer auf die Entgegennahme der Hauptpflicht des Arbeitnehmers, nämlich Dienste zu erbringen, verzichte, ohne dass der Dienstnehmer seinen Entgeltanspruch gegen den Dienstnehmer verliere. Für die Subsumtion der Dienstfreistellung unter § 117 Abs. 2 (gemeint wohl: Abs. 5) Z. 1 NO spreche außerdem, dass nur dieser Ausnahmebestand ausschließlich auf Gründen beruhe, die der Sphäre des Dienstgebers zuzurechnen seien, weil die Dienstfreistellung einseitig vom Dienstgeber veranlasst werde. Die anderen in diesem Zusammenhang genannten Ausnahmetatbestände bezögen sich allesamt auf die Person des Notariatskandidaten. Sonstige der Sphäre des Notars zuzurechnende Gründe, die zu einer Unterbrechung der praktischen Verwendung oder der Ausbildung führen müssten, wie z.B. die Abwesenheit des Notars, führten grundsätzlich nicht zu einer Streichung aus dem Verzeichnis. Auch dieser Aspekt spreche dafür, dass eine Dienstfreistellung, die ausschließlich vom Notar bestimmt werde und nicht einmal einem Willkürverbot unterliege, nicht zu einer Unterbrechung der Eintragung in die Liste der Notariatskandidaten führen dürfe. Weiters spreche für die Anerkennung der Dienstfreistellung als Ausnahmetatbestand gemäß § 117 Abs. 5 Z. 1 NO, dass es einem Dienstnehmer unbenommen bleibe, während einer Dienstfreistellung Urlaub zu konsumieren.
Diese Darlegungen entfernen sich völlig vom festgestellten Sachverhalt. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang, ob die Behörde auf Grund der Mitteilung des Notars Dr. St. vom 3. Juli 1998 zu Recht vom Tatbestand "Austritt oder Unterbrechung der praktischen Verwendung" im Sinne des § 117 Abs. 4 iVm § 118a Abs. 1 lit. a NO ausgehen durfte.
Mit dem in der Notariatsordnung mehrfach, z.B. in den §§ 6 und 117 ff, verwendeten Begriff der "praktischen Verwendung" wird, soweit die Verwendung als Notariatskandidat in Rede steht, auf das in § 117 Abs. 1 NO umschriebene Ausbildungsverhältnis Bezug genommen. Maßgeblich ist die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit in Eingliederung in die Kanzlei eines öffentlichen Notars, die dem in § 117 Abs. 1 NO umschriebenen Ausbildungszweck entspricht. Im vorliegenden Fall liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der Beschwerdeführer eine solche - ein tatsächliches Naheverhältnis zur Kanzlei des öffentlichen Notars voraussetzende - Tätigkeit nach dem 2. Juli 1998 ausgeübt hätte. Ebenso wenig liegt ein Anhaltspunkt für einen dem § 117 Abs. 5 Z. 1 NO zu subsumierenden Sachverhalt vor. Auch der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass seine festgestellte Abwesenheit von der Kanzlei des Notars Dr. St. ab dem 2. Juli 1998 nicht auf einen "nach Gesetz oder Vertrag gebührenden Urlaub", der 36 Werktage im Kalenderjahr nicht überstieg, sondern auf andere Umstände zurückzuführen war. Ob - wie der Beschwerde offenbar vorschwebt - bei Dienstfreistellungen eine Analogie zu § 117 Abs. 5 Z. 1 NO in Betracht kommt, kann schon deshalb hier auf sich beruhen, weil im Beschwerdefall unbestrittenermaßen kein Sachverhalt vorliegt, der mit dem "Verbringen eines nach Gesetz oder Vertrag gebührenden Urlaubs" in den maßgeblichen Voraussetzungen dafür, im Sinne des § 117 Abs. 5 Z. 1 NO keine "Unterbrechung der praktischen Verwendung" anzunehmen, übereinstimmte.
Die Rechtsrüge wendet sich weiters gegen die im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf Wagner, Notariatsordnung4, § 118a, Rz 1, vertretene Auffassung, es finde hinsichtlich der Anzeige des Ausbildungsnotars über den Austritt oder die Unterbrechung der praktischen Verwendung eines Notariatskandidaten eine Prüfung allfälliger Gründe durch die Notariatskammer nicht statt. Die Beschwerde macht geltend, insbesondere bei Ausbildungsverhältnissen sei ein Recht auf Arbeit zu bejahen. Es sei zwangsläufig ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsvertragsverhältnis und der Eintragung in das Verzeichnis der Notariatskandidaten gegeben. Es wäre wenig sachgerecht, wenn die dem Notariatskandidaten durch die Eintragung zustehenden Rechte und Vorteile - z.B. die daraus resultierende Listenplazierung, die für das Besetzungsverfahren von großer Bedeutung sei - von der Dauer eines gerichtlichen Verfahrens abhängig wären, das über ein solches Recht auf Arbeit bzw. über die allfällige Unwirksamkeit einer Entlassung entscheide. Auch bei einem freien Dienstvertrag träfen den Notar Treuepflichten, und sein Verhalten wäre nach der Gute-Sittenregel und nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Beachtung der Übung des redlichen Verkehrs zu beurteilen. Gerade der Hinweis der belangten Behörde, dass Notariatskandidaten berechtigt seien, selbst persönlich haftende Gesellschafter in einer Notarpartnerschaft im Sinne des § 22 NO zu sein, verdeutliche die Unhaltbarkeit und rechtsstaatliche Unerträglichkeit der Rechtsmeinung, dass die Streichung aus der Liste der Notariatskandidaten keiner inhaltlichen Überprüfung unterläge. Nach dieser Auffassung könnte ein Notariatskandidat, der gemeinsam mit einem oder mehreren Notaren am Aufbau und wirtschaftlichen Erfolg einer Gesellschaft mitwirke, gleichsam über Nacht um die Früchte seiner Arbeit gebracht werden. Die Auffassung der belangten Behörde widerspreche auch der Grundrechtsformel des Verfassungsgerichtshofes betreffend den Gleichheitssatz. Der Oberste Gerichtshof habe die mittelbare Drittwirkung von Verfassungsrechten im Zusammenhang mit dem Gestaltungsrecht der Kollektivvertragspartner bejaht und ausgeführt, dass ein dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteter Vertrauensschutzgedanke bei jeder Änderung von maßgeblichen, auf Dauer angelegten subjektiven Rechten auf Anwartschaften zu berücksichtigen und darüber hinaus auch die Verletzung des Eigentumsrechtes zu prüfen sei. Gerade wenn Personen langfristig ihre gesamte Lebensplanung auf ein Berufsziel abstellten und für die Erreichung dieses Zieles Rechte erworben worden seien, seien Eingriffe darin auf ihre Zulässigkeit unter Beachtung der Grundrechte, insbesondere auch des Eigentumsschutzes nach Art. 5 StGG und Art. I erstes ZPMRK, zu prüfen. Es gebe keinen Grund, warum die Notariatskammer und danach die belangte Behörde von diesen den Gesetzgeber ebenso wie Vertragspartner bindenden Grundsätzen abweichen dürften.
Mit diesen Darlegungen macht die Beschwerde im Ergebnis ebenfalls Verfahrens- und Begründungsmängel, nämlich das Fehlen einer Auseinandersetzung mit den Gründen der "Dienstfreistellung" und des Verlangens des öffentlichen Notars Dr. St., den Beschwerdeführer aus dem Verzeichnis der Notariatskandidaten zu streichen, geltend.
Verfahrensfehler der Behörde - dies gilt auch für Begründungsmängel eines Bescheides - führen nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, wenn die Behörde bei deren Unterbleiben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Diese Relevanz des Verfahrensverstoßes darzutun, ist Sache des Beschwerdeführers. Er hat durch konkretes tatsächliches Vorbringen in der Beschwerde anzuführen, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/10/0041, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Diesen Anforderungen entsprechen die oben wiedergegebenen Darlegungen der Beschwerde nicht. Ihnen kann kein Sachverhalt entnommen werden, bei dessen Kenntnis die belangte Behörde zur Auffassung hätte gelangen können, dass der Tatbestand eines "Austrittes oder Unterbrechung der praktischen Verwendung" im Sinne der §§ 117 Abs. 4, 118a Abs. 1 lit. a NO nicht vorliege. Schon deshalb liegt die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vor; eine abschließende Auseinandersetzung mit der oben dargelegten Auffassung der Beschwerde ist daher entbehrlich. Nur der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass gegen die Sachlichkeit einer Regelung, die im gegebenen Zusammenhang - mit der Eintragung ins Verzeichnis der Notariatskandidaten - an tatsächliche Beschäftigung und Ausbildung unter Eingliederung in die Kanzlei eines öffentlichen Notars anknüpft, keine Bedenken bestehen. Eine bestimmte Dauer der praktischen Verwendung (als Notariatskandidat) ist einerseits Voraussetzung der Erlangung einer Notarstelle (vgl. § 6 NO); andererseits ist bei der Reihung mehrerer Bewerber unter anderem auf die Dauer der praktischen Verwendung abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass die praktische Verwendung dem Erwerb und der Vertiefung der für die Ausübung des Berufes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten dienen soll; sie ist aber auch Voraussetzung dafür, dass eine gesetzmäßige Prüfung der Eignung eines Bewerbers unter den weiteren in § 11 Abs. 3 NO genannten Gesichtspunkten (bewiesene Fähigkeiten und Kenntnisse, Vertrauenswürdigkeit, Erfolg der bisherigen Verwendung, Maß der Eignung für die Führung der zu besetzenden Amtsstelle, besondere Verdienste, Verhalten) stattfinden kann. Davon ausgehend ist eine Regelung nicht als unsachlich anzusehen, die auf die tatsächliche Beschäftigung und Ausübung der Tätigkeit als Notariatskandidat und nicht auf allfällige arbeitsvertragliche Ansprüche abstellt.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen. Im Hinblick auf dieses Ergebnis erübrigt sich eine abgesonderte Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 26. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999100024.X00Im RIS seit
19.06.2001