Entscheidungsdatum
07.02.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2201331-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2018, Zl. 1191837910-180476549, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Nigeria, stellte am 21.05.2018 den vorliegenden Antrag, ihm in Österreich internationalen Schutz zu gewähren. Laut der im Akt aufliegenden EURODAC-Treffermeldung suchte der Beschwerdeführer am 30.07.2015 in Italien um Asyl an (IT1 ...).
Am 22.05.2018 fand eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinem Reiseweg befragt angab, seine Heimat im Dezember 2014 mittels PKW verlassen zu haben und über Niger und Libyen nach Italien gelangt zu sein, wo er um Asyl angesucht habe; ein bestimmtes Zielland habe er nicht gehabt. Er habe sich dann von Juli 2015 bis Mai 2018 in Italien aufgehalten. Sein Asylantrag sei negativ entschieden worden. Er habe in Italien nach der negativen Entscheidung seine Unterkunft verloren und habe das Land verlassen müssen. In Italien habe es dem Beschwerdeführer "nicht gefallen". Nach Italien zurückkehren wolle der Beschwerdeführer nicht, da er dort keine Unterkunft habe. Er wolle nunmehr in Österreich bleiben. Das Vorliegen von familiären Anknüpfungspunkten in Österreich oder in einem anderen EU-Land sowie das Vorhandensein von gesundheitlichen Problemen wurde vom Beschwerdeführer verneint.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 23.05.2018 ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (in der Folge Dublin III-VO) an Italien; dies unter Bekanntgabe des vom Beschwerdeführer angegebenen Reiseweges und des Eurodac-Treffers der Kategorie 1 mit Italien aus 2015.
Mit Schreiben vom 07.06.2018 teilte die österreichische Dublin-Behörde der italienischen Behörde mit, dass aufgrund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Art 25 Abs 2 Dublin III-VO Verfristung eingetreten und Italien nunmehr für die Durchführung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers zuständig sei.
Am 18.06.2018 fand - in Anwesenheit eines Rechtsberaters und nach durchgeführter Rechtsberatung - die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Hierbei gab der Beschwerdeführer zu seinem Gesundheitszustand befragt an, der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen zu können. Über Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Italien erklärte der Beschwerdeführer, nicht nach Italien zurückkehren zu wollen, da er dort weder eine Unterkunft noch eine Arbeit oder Dokumente habe. Dies bedeute, dass er in Italien auf der Straße schlafen müsste. In Österreich oder einem anderen Land der EU habe er keine Familienangehörigen oder Verwandte. In Österreich würde der Beschwerdeführer gerne die Schule besuchen bzw eine gute Arbeit haben. Eine Rückkehr nach Italien wäre "schlecht" für ihn.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Artikel 18 Abs. 1 lit. b (richtig: iVm Art 25 Abs 2) Dublin III-VO Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Feststellungen zur Lage in Italien wurden im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst (nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 19.01.2018, Asylstatistik und Unterbringung (relevant für Abschnitt 2/Allgemeines zum Asylverfahren und Abschnitt 6/Unterbringung)
2018 haben in Italien bis 12. Jänner 2.326 Personen einen Asylantrag gestellt. Mit demselben Datum waren 2.214 Asylverfahren entschieden. Davon erhielten 164 Antragsteller einen Flüchtlingsstatus, 117 einen subsidiären Schutz, 562 humanitären Schutz und 1.267 endeten negativ (einschließlich unzulässiger Anträge). 104 Antragsteller entzogen sich dem Verfahren (MdI 12.1.2018). Mit Stand 31.12.2017 waren im Land 183.681 Fremde in staatlicher Unterbringung (VB 17.1.2018).
Quellen:
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MdI - Ministero dell Interno (12.1.2018): Statistiken des MdI, per -E-Mail
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VB des BM.I Italien (17.1.2018): Bericht des VB, per E-Mail
KI vom 13.12.2017, Unterbringung (relevant für Abschnitt 6/Unterbringung)
Mit Stand 30.11.2017 waren in Italien 186.884 Fremde in staatlicher Unterbringung, und zwar in folgender regionaler Verteilung:
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(VB 12.12.2017)
Quellen:
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VB des BM.I Italien (12.12.2017): Auskunft des VB, per E-Mail
KI vom 30.11.2017, Asylstatistik und Unterbringung (relevant für Abschnitt 2/Allgemeines zum Asylverfahren und Abschnitt 6/Unterbringung)
2017 haben in Italien bis 24.11. des Jahres 123.020 Personen einen Asylantrag gestellt. Mit demselben Datum waren 74.184 Asylverfahren entschieden. Davon erhielten 6.271 Antragsteller einen Flüchtlingsstatus, 6.399 einen subsidiären Schutz, 18.232 humanitären Schutz und 38.813 endeten negativ (einschließlich unzulässiger Anträge). 3.891 Antragsteller entzogen sich dem Verfahren. Mit Stand 18.6.2017 waren im Land 194.809 Fremde in staatlicher Unterbringung (VB 29.11.2017; vgl. MdI 24.11.2017).
Quellen:
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MdI - Ministero dell Interno (24.11.2017): Statistiken des MdI, per -E-Mail
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VB des BM.I Italien (29.11.2017): Auskunft des VB, per E-Mail
KI vom 26.07.2017, Neuer Circular Letter (Tarakhel); Asylstatistik; Unterbringung (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer und Abschnitt 6/Unterbringung)
Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, die als Dublin-Rückkehrer nach Italien zurückkehren. Zuletzt wurde am 24. Juli 2017 ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Sie umfasst nun 18 SPRAR-Projekte mit zusammen 78 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 24.7.2017).
Aus einer Statistik des UNHCR geht hervor, dass 2017 bis 16. Juli
93.213 Bootsflüchtlinge in Italien gelandet sind. Das sind um 13.373 Personen mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Allerdings ist der Juli 2017 bislang mit 9.461 Migranten etwas schwächer als der Vergleichszeitraum 2016 (9.618). Aus den Statistiken geht hervor, dass mehr Personen in Italien Asylanträge stellen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, wobei diese Anträge nicht notgedrungen von Neuankünften gestellt worden sein müssen (UNHCR 16.7.2017).
Laut offizieller italienischer Statistik haben 2017 bis zum 14. Juli
80.665 Personen einen Asylantrag gestellt. Mit selbem Datum waren
22.406 Anträge negativ erledigt, 3.842 erhielten Flüchtlingsstatus,
4.165 erhielten subsidiären Schutz, 10.632 erhielten humanitären Schutz. 2.118 Antragsteller waren nicht mehr auffindbar (VB 19.7.2017a).
Mit Stand 18. Juni 2017 waren 194.809 Migranten in staatlichen italienischen Unterbringungseinrichtungen untergebracht (VB 19.7.2017b).
Quellen:
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MdI - Ministero dell Interno (24.7.2017): Circular Letter, per -E-Mail
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UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (16.7.2017): Italy weekly snapshot - 16 Jul 2017, per E-Mail
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VB des BM.I Italien (19.7.2017a): Statistiken der ital. Asylbehörde, per E-Mail
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VB des BM.I Italien (19.7.2017b): Auskunft des VB, per E-Mail
Allgemeines zum Asylverfahren
In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).
Aus aktuellen Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es im Jahre 2016 insgesamt 123.600 Asylanträge gegeben hat, was einer Steigerung von 47% gegenüber 2015 entspricht (MdI 10.3.2017, vgl. Eurostat 16.3.2017). 4.808 Personen haben 2016 Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen, 12.873 subsidiären Schutz und
18.979 internationalen humanitären Schutz. 54.254 Anträge (60%) wurden abgewiesen (MdI - 10.3.2017).
Die Asylverfahren nehmen je nach Region sechs bis fünfzehn Monate in Anspruch. Wenn Rechtsmittel ergriffen werden, kann sich diese Dauer auf bis zu zwei Jahren erstrecken (USDOS 3.3.2017).
Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es in Italien 2017 mit Stand 21. April 46.225 Asylanträge gab.
...
(VB 26.4.2017)
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017
-
MdI - Ministero dell'Interno (10.3.2017): Dati e statistiche, http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/it/documentazione/statistica/i-numeri-dellasilo; Zugriff 23.3.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Italy,
http://www.ecoi.net/local_link/337159/479923_de.html, Zugriff 30.3.2017
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VB des BM.I Italien (26.4.2017): Statistik des ital. Innenministeriums, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Die meisten Dublin-Rückkehrer landen auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:
Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies nun tun, so wie jede andere Person auch (AIDA 2.2017).
Ist das Verfahren des Rückkehrers noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere Asylwerber auch (AIDA 2.2017).
Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Italien im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren auf Antrag wieder aufgenommen (EASO 12.2015).
Bei Rückkehrern, die unter Art. 18(1)(d) und 18(2) fallen und welche Italien verlassen haben, bevor sie über eine negative erstinstanzliche Entscheidung informiert werden konnten, beginnt die Rechtsmittelfrist erst zu laufen, wenn der Rückkehrer von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurde (EASO 12.2015; vgl. AIDA 2.2017).
Wurde der Rückkehrer beim ersten Aufenthalt in Italien von einer negativen Entscheidung in Kenntnis gesetzt und hat dagegen nicht berufen, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE (Schubhaftlager) gebracht werden. Wurde ihm die Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht, steht dem Rückkehrer der Beschwerdeweg offen, sobald er informiert wurde (AIDA 2.2017).
Hat sich der Rückkehrer dem persönlichen Interview nicht gestellt und sein Antrag wurde daher negativ beschieden, kann er nach Rückkehr ein neues Interview beantragen (AIDA 2.2017).
(Für weitere Informationen, siehe Kapitel 6.3 Dublin-Rückkehrer.)
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017
-
EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix Report: Dublin procedure, per E-Mail
Non-Refoulement
Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 25.6.2015).
Hinsichtlich unbegleiteter Minderjähriger besteht ein absolutes Rückschiebeverbot an der Grenze (UNICEF 29.3.2017).
Das italienische Innenministerium hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Zugang zu Asylverfahren und Grundrechten Personen nicht verweigert werden kann, für die willkürlich angenommen wird, dass sie des internationalen Schutzes nicht bedürfen. Außerdem wurde explizit bestätigt, dass alle Migranten das Recht haben, vor Refoulement geschützt zu werden. Es würden laut Innenministerium keine Ausweisungsbefehle erlassen, wenn Migranten zuvor nicht korrekt informiert wurden (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017
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UNICEF - United Nations Children's Fund (29.3.2017): Approvata la "Legge Zampa": più tutele e inclusione per i minori stranieri non accompagnati,
http://www.unicef.it/doc/7324/approvata-la-legge-zampa-per-minori-stranieri-non-accompagnati.htm, Zugriff 3.4.2017
-
USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Italy, http://www.ecoi.net/local_link/306380/443655_de.html, Zugriff 14.4.2016
Versorgung
Unterbringung
Grundsätzlich sind Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen und eine entsprechende Bedürftigkeit besteht. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht dieses Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Gemäß der Praxis in den Jahren 2015 und 2016 erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione) anstatt sofort nach der erkennungsdienstlichen Behandlung (fotosegnalamento). Zwischen diesen beiden Schritten sind, abhängig von Region und Antragszahlen, Wartezeiten von Wochen oder gar Monaten möglich, in denen Betroffene Probleme beim Zugang zu alternativer Unterbringung haben können. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Tatsächlich ist diese Problematik durch die Erweiterung der SPRAR-Kapazitäten und Einführung der temporären Unterbringungsstrukturen (CAS) nur für Personen relevant, die ihren Antrag im Land stellen, nicht für auf See geretteten Asylwerber (AIDA 2.2017).
Wie die untenstehende Statistik des italienischen Innenministeriums zeigt, wurden die Unterbringungskapazitäten in den letzten 3 Jahren massiv gesteigert.
...
(MdI - 31.3.2017)
Mit Stand 31.3.2017 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 137.599 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 2.204 in den sogenannten Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 13.835 in Erstaufnahmezentren, 137.599 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.867 in staatlicher Betreuung (SPRAR):
...
(VB 19.4.2017)
Grundsätzlich lässt sich die Struktur der Unterkünfte wie folgt grafisch darstellen.
...
(AIDA 2.2017)
CPSA - (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots
Menschen, die - vor allem auf dem Seeweg - illegal nach Italien kommen, erhalten zunächst Unterstützung in den großen Einwanderungszentren bzw. Hotspots (AIDA 2.2017, vgl: MdI 28.7.2015). Die ursprünglichen CPSA in Lampedusa und Pozzallo bilden seit 2016 zusammen mit den Zentren Taranto und Trapani die sogenannten Hotspots. Dieses Hotspot-Konzept wurde von der Europäischen Kommission entwickelt, um jene Mitgliedsstaaten zu unterstützen, die an den EU-Außengrenzen einem besonderen Migrationsdruck ausgesetzt sind. Nähere Informationen sind weiter unten dem Abschnitt "Hotspots" zu entnehmen (AIDA 2.2017, vgl. EC o. D.). Nach dieser Phase der ersten Hilfe unmittelbar nach Ankunft in den CPSA bzw. Hotspots werden die Fremden, je nach Status, entweder rückgeführt oder in andre Unterkünfte verlegt (AIDA 2.2017, vgl. MdI 28.7.2015). (Für weitere Informationen siehe Kapitel 6.2 Hotspots.)
CDA, CARA und CAS
CDA, CARA und CAS sind Erstaufnahmezentren und bieten eine eher grundlegende Versorgung mit Essen, Kleidung, Basisinformation, Rechtsberatung und medizinischer Notversorgung. Es handelt sich um große Erstaufnahmezentren mit sehr vielen Unterbringungsplätzen (AIDA 2.2017).
Die CDA (centri di accoglienza) sind allgemeine Aufnahmezentren, in denen insbesondere die auf dem Staatsgebiet aufgegriffenen Fremden zur Identitätsfeststellung und Statusbestimmung untergebracht werden, während CARA (Centri d'Accoglienza Richiedenti Asilo) Zentren für die Aufnahme von Asylwerbern sind. CDA und CARA umfassen derzeit 15 Erstaufnahmezentren mit ca. 14.694 Plätzen (AIDA 2.2017). Asylwerber sollen dort einige Wochen oder Monate untergebracht werden, bis die administrativen Formalitäten bezüglich eines Asylantrags abgeschlossen und ein neuer Unterkunftspatz gefunden ist. Sprachtraining oder andere Integrationsmaßnahmen finden in diesen Zentren nicht statt (CoE 2.3.2017).
CARA, CDA und CPSA sollen sukzessive in den durch das Gesetz 142/2015 eingeführten sogenannten "hub regionali" aufgehen. Jede Region soll über einen solchen hub verfügen. Migranten, die in den Hotspots um internationalen Schutz ansuchen, sollen dann an diese "hub regionali" als Erstaufnahmezentren weitergeleitet werden. Ziel ist es, die Strukturen zu straffen und die Schutzsuchenden in Zentren unterzubringen, die in der Nähe von Einwanderungsbüros liegen (AIDA 2.2017, vgl. MdI 2016; SFH 8.2016)
Die CAS (Centri di accoglienza straordinaria) sind temporäre Aufnahmezentren, die speziell in Zeiten hoher Migrationsströme andere Zentren entlasten sollen. De facto dienen sie zur Unterbringung von Bootsflüchtlingen. Ihre Zahl wird je nach Bedarf angepasst und ist daher nur schwer festzumachen. Die CAS dienen auch als "Second-Line-Aufnahme" in Vorbereitung auf die Unterbringung in SPRAR. Derzeit sind ca. 130.000 Personen in über 7000 CAS-Unterkünften in ganz Italien untergebracht (AIDA 2.2017, vgl. MdI 28.7.2015). Primär als Notunterkünfte vorgesehen, liegt der Schwerpunkt der CAS nicht auf einer längerfristigen Integration, obwohl viele Asylsuchende während der Bearbeitung ihrer Asylanträge in einem CAS untergebracht sind (CoE 2.3.2017).
Grundsätzlich sollen Asylwerber jedenfalls in allen hier genannten Einrichtungen nur temporär untergebracht werden, bis eine Verlegung in das SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) möglich ist. Da SPRAR aber nicht über ausreichende Kapazitäten verfügt, gibt es einen chronischen Rückstau, der wiederum eine zum Teil massive Überbelegung der CAS-Unterkünfte zur Folge hat. Viele Asylsuchende bleiben bis zum Asylentschied in den CAS. Um eine gewisse Entlastung des Systems herbeizuführen, werden Asylwerber oft sofort nach Erhalt eines positiven Bescheids aus dem Aufnahmesystem genommen (AIDA 2.2017).
Generell variiert die Qualität zwischen den verschiedenen Arten von Flüchtlingsunterkünften und auch innerhalb der jeweiligen Kategorien stark und hängt vom Ausmaß der jeweiligen Überbelegung und dem lokalen Management ab (AIDA 2.2017). Die Bedingungen in einigen Einrichtungen führen zu Bedenken nach den Artikeln 3 und 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (CoE 2.3.2017).
SPRAR - (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati)
Das SPRAR besteht derzeit (Stand 2. Februar 2017) aus 640 kleineren dezentralisierten Zweitaufnahmezentren/Projekten mit einer aktuellen Gesamtkapazität von 25.838 betreuten Personen. Etwa 95 dieser Projekte widmen sich unbegleiteten Minderjährigen (2.007 Personen) und 44 Unterkünfte mit insgesamt 592 Plätzen widmen sich Menschen mit psychischen Problemen (SPRAR 2.2.2017).
Die SPRAR-Projekte der Gemeinden sind hauptsächlich Wohnungen oder kleine Zentren und bieten Übersetzungsleistungen, linguistisch-kulturelle Mediation, rechtliche Beratung, medizinische Versorgung, sozio-psychologische Unterstützung, Unterstützung Vulnerabler, Integrationsberatung sowie Freizeitaktivitäten. Die Unterbringungsbedingungen sind besser als in CARA-Zentren. Es steht mehr Platz pro Person zur Verfügung (in kleineren Einheiten teilen sich oft nur zwei Personen ein Zimmer) und die hygienischen Standards sind besser. Es gibt Erholungsbereiche, manchmal besteht auch die Möglichkeit, selbst zu kochen. Bei Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger werden diese Standards normalerweise - beispielsweise um Sportmöglichkeiten - nochmals ausgeweitet (AIDA 2.2017).
Trotz aller positiver Aspekte ist das Wachstum von SPRAR in den vergangenen Jahren nicht ausreichend, um den Unterbringungsbedürfnissen in ausreichendem Maße entsprechen zu können. SPRAR deckt derzeit nur etwa 20% der Aufnahmenachfrage ab (AIDA 2.2017, vgl. MdI 31.3.2017).
Ist in keiner der vorgesehenen Strukturen Platz für einen Asylwerber gegeben, wäre für den Zeitraum, in dem dieser nicht untergebracht werden kann, eigentlich ein Taggeld vorgesehen. In der Praxis wird dieses aber nicht ausbezahlt. Stattdessen wird der Asylwerber unter Inkaufnahme einer entsprechenden Überbelegung trotzdem untergebracht (AIDA 2.2017).
NGOs berichten, dass Tausende legale und illegale Fremde - ohne Zugang zu öffentlichen Diensten und Leistungen - in verlassenen alten Gebäuden leben (USDOS 3.3.2017).
NGOs
Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben etwa von Kirchen und Freiwilligenorganisationen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie im Notfall oder für die Unterbringung von Familien (AIDA 2.2017).
CIE - (Centro di identificazione ed espulsione)
Personen, die sich illegal im Land aufhalten und für internationalen Schutz nicht in Frage kommen, werden in Erwartung der Abschiebung in den Schubhaftzentren CIE untergebracht. Die Dauer des Aufenthalts beträgt hierbei maximal 18 Monate (MdI 28.7.2015).
Italien verfügt mit Stand vom 20. Jänner 2016 über insgesamt sechs in Betrieb befindlichen CIEs mit einer theoretischen Kapazität von insgesamt 720 Plätzen (PI 2.2016).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017
-
CoE - Council of Europe Secretary General (2.3.2017): Bericht zu Fact-Finding-Mission zur Lage von MigrantInnen und Flüchtlingen von 16. bis 21. Oktober 2016 (Aufnahmebedingungen; unbegleitete Kinder;
internationale Schutzverfahren; MigrantInnen im Transit;
Integration; etc.),
https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectId=09000016806f9d70, Zugriff 7.4.2017
-
EC - European Commission (o.D.), Hotspot-Konzept zur Steuerung außergewöhnlicher Migrationsströme, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/background-information/docs/2_hotspots_de.pdf, Zugriff 3.4.2017
-
MdI - Ministero dell'Interno Italiano (28.7.2015): Centri per l'imigrazione,
http://www.interno.gov.it/it/temi/immigrazione-e-asilo/sistema-accoglienza-sul-territorio/centri-limmigrazione, Zugriff 28.3.2017
-
MdI - Ministero dell'Interno Italiano (2016): Piano accoglienza 2016. Tavolo di ccordinamento nazionale, Zugriff 11.4.2017
-
MdI - Ministero dell'Interno (31.3.2017): Dati e statistiche, http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/it/documentazione/statistica/cruscotto-statistico-giornaliero, Zugriff 4.4.2017
-
PI - Parlamento Italiano, Senato della Repubblica (2.2016):
Rapporto sui centri di identificazione ed espulsione in Italia, https://www.senato.it/application/xmanager/projects/leg17/file/repository/commissioni/dirittiumaniXVII/rapporto_cie.pdf, Zugriff 11.4.2017
-
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.2016): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1472034789_160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf, Zugriff 11.4.2017
-
SPRAR - Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati (2.2.2017): Composizione di base della rete SPRAR, http://www.sprar.it/i-numeri-dello-sprar, Zugriff 11.4.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Italy,
http://www.ecoi.net/local_link/337159/479923_de.html, Zugriff 30.3.2017
-
VB des BM.I Italien (19.4.2017): Statistik des ital. Innenministeriums, per E-Mail
Hotspots
Im Zuge der zunehmenden Migrationsbewegungen in Richtung Europa hat die Europäische Kommission am 13. Mai 2015 eine Migrationsagenda zur "besseren Steuerung der Migration" verabschiedet. Eine der Maßnahmen ist der sog. "Hotspot approach", bei dem mit Unterstützung der europäischen Asylunterstützungsagentur EASO (sowie unter Hinzuziehung von Frontex, Europol und Eurojust) mit den Behörden der Grenzstaaten eine rasche Identifizierung der ankommenden Migrantinnen und Migranten und die umfassende Registrierung sowie die Abnahme der Fingerabdrücke gewährleisten sollen. Menschen, die Anspruch auf internationalen Schutz haben, können von den betroffenen Mitgliedsstaaten an andere EU Mitgliedsstaaten umverteilt werden, wo ihr Asylantrag bearbeitet wird. Italien und Griechenland sind die ersten beiden Mitgliedstaaten, in denen das Hotspot-Konzept derzeit angewandt wird (EC 27.3.2017; vgl. SFH 8.2016).
Migranten, die - vor allem auf dem Seeweg - illegal nach Italien kommen, erhalten zunächst Unterstützung in den großen Hotspot-Zentren. Dort werden ihre Daten erkennungsdienstlich aufgenommen, es erfolgt ein erster medizinischer Check und sie haben die Möglichkeit, um internationalen Schutz anzusuchen (AIDA 2.2017). Jene Menschen, die keinen Schutzanspruch haben, sollen rasch rückgeführt werden. Die anderen werden in die "hub regionali" (Regionalzentren) überstellt. Auch wird eine mögliche Umverteilung an andere EU-Staaten für die Durchführung des Asylverfahrens überprüft (AIDA 2.2017; vgl. EC 27.3.2017).
In Italien wurden bisher 4 Hotspots mit einer Kapazität von insgesamt 1.600 Personen eingerichtet (Lampedusa, Pozzallo, Taranto und Trapani) (EC 27.3.2017). Nach Medienberichten sollen diese nun durch weitere Hotspots ergänzt werden. Im Gespräch hierfür sind Messina und Palermo auf Sizilien sowie Corigliano, Reggio Calabria und Crotone in Kalabrien (AIDA 2.2017, vgl. GdS 17.3.2017).
Die gesetzlich zulässige Aufenthaltsdauer von 48 bzw. 72 Stunden in den Hotspots wird in der Praxis vielfach nicht eingehalten (AIDA 2.2017).
Die hohe Anzahl der Ankünfte hat sich negativ auf das System zur Registrierung und auf das italienische Empfangssystem als Ganzes ausgewirkt. Nicht immer ist die wirksame Identifizierung von Opfern von Menschenhandel oder Vulnerablen bzw. die Bereitstellung von angemessenen Informationen über deren Rechte gewährleistet. Dies ist insbesondere problematisch, wenn eine hohe Anzahl von Flüchtlingen und Migranten gleichzeitig eintrifft (CoE 2.3.2017).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017
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CoE - Council of Europe Secretary General (2.3.2017): Bericht zu Fact-Finding-Mission zur Lage von MigrantInnen und Flüchtlingen von 16. bis 21. Oktober 2016 (Aufnahmebedingungen; unbegleitete Kinder;
internationale Schutzverfahren; MigrantInnen im Transit;
Integration; etc.),
https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectId=09000016806f9d70, Zugriff 7.4.2017
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EC - European Commission (27.3.2017), Hotspots in Italy, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/press-material/docs/state_of_play_-_hotspots_en.pdf, Zugriff 3.4.2017
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GdS - Giornale di Sicilia (17.3.2017): Migranti, hotspot a Palermo e Messina. Tramonta l'ipotesi Mineo, http://catania.gds.it/2017/03/17/migranti-hotspot-a-palermo-e-messina-tramonta-lipotesi-mineo_641852/, Zugriff 4.4.2017
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SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.2016): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1472034789_160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf, Zugriff 11.4.2017
Dublin-Rückkehrer
Dublin-Rückkehrer die noch nicht in Italien offiziell untergebracht waren, haben Zugang zu Unterbringung. Eine allgemeine Aussage, wie lange es dauert bis tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. Aufgrund von Informationsmangel, Fragmentierung des Systems und Platzknappheit, dauert es tendenziell länger. In den letzten Jahren wurden daher temporäre Aufnahmestrukturen für die Rückkehrer geschaffen, in denen vulnerable Fälle verbleiben bis eine alternative Unterbringung gefunden ist, bzw. in denen nicht-vulnerable Fälle bleiben, bis ihr rechtlicher Status geklärt ist. Berichten zufolge kommt es aber vor, dass Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden und sich daher selbst um ihre Unterbringung - mitunter in Behelfssiedlungen - kümmern müssen (AIDA 2.2017).
Wenn Rückkehrer in Italien bereits einmal offiziell untergebracht waren und diese Unterbringung einfach verlassen haben, kann dies zu Problemen führen. Wenn diese Personen nach Rückkehr einen Antrag auf Unterbringung stellen, kann dieser von der zuständigen Präfektur abgelehnt werden. Ebenso haben Rückkehrer mit einem Schutzstatus in Italien Probleme beim Zugang zu Unterbringung (AIDA 2.2017).
Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte IT im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind. Zuletzt wurde am 12. Oktober 2016 ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Sie umfasst nun 11 SPRAR-Projekte mit zusammen 58 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 12.10.2016).
Die NGOs Danish Refugee Council und Swiss Refugee Council haben Anfang 2017 6 Fälle von vulnerablen Rückkehrern (Familien mit Kindern bzw. Schwangeren) nach Italien einem Monitoring unterzogen und berichten, dass 2 dieser Fälle bei Rückkehr keinen Zugang zu Unterbringung hatten. Die übrigen 4 Fälle wurden zunächst übergangsweise untergebracht, wobei die Bedingungen als für Vulnerable unpassend kritisiert wurden. In weiterer Folge konnten Plätze in SPRAR gefunden werden. Die Betroffenen und die beteiligten NGOs sprechen von Willkür oder zumindest Unvorhersehbarkeit seitens der italienischen Behörden. Als problematisch wurde in den gemonitorten Fällen vor allem der mangelnde Informationsfluss betreffend die Vulnerabilität der Rückkehrer zwischen den Behörden des überstellenden Staats und Italiens beschrieben (DRC/SRC 9.2.2017).
Der BM.I-Verbindungsbeamte in Italien, der gegebenenfalls die Rückkehr vulnerabler Fälle aus Österreich am Flughafen Rom-Fiumicino begleiten kann, berichtete im Feber 2017 von der Rückkehr einer Familie mit Kindern nach Italien, woraus sich abseits des Einzelfalls interessante allgemeine Fakten ergeben. Am Flughafen Fiumicino sind ab 10:30 Uhr Vertreter der Vereinigung ITC (Interpreti Traduttori in Cooperativa) vertreten. Es handelt sich dabei um eine Kooperative von Übersetzern, Dolmetschern und Kulturmediatoren, die in ganz Italien mit über 2.000 Experten aktiv sind und mehrere italienische Behörden und internationale Organisationen mit ihrer Kompetenz beim Umgang mit Migranten unterstützen. Diese decken offenbar eine gewisse Bandbreite an Sprachen ab und unterstützen gegebenenfalls bei der niederschriftlichen Befragung zu den Asylgründen in Italien. Die Quästur hat direkt am Flughafen Rom Fiumicino eine Zweigstelle eingerichtet, um den administrativen Ablauf zu beschleunigen und den Rückkehrern die Anfahrt ins Zentrum von Rom zu ersparen. Nach der Befragung wurde der Familie der zeitlich auf 6 Monate befristete Aufenthaltstitel für Asylwerber von der Quästur ausgestellt und die Familie erhielt eine Mahlzeit, während mit der Präfektur von Rom abgeklärt wurde, wo die Rückkehrer vorübergehend unterzubringen wären. Da zum Zeitpunkt der Anreise keine Plätze in SPRAR-Strukturen (Unterkünfte der 2. Stufe; auch: Folgeunterkünfte) zur Verfügung standen, wurde die Familie zuerst außerordentlich untergebracht (in sogenannten Centri accoglienza straordinari). Auch bei dieser Art der Unterbringung werden Familien in eigenen Strukturen untergebracht. Sobald ein Platz in einer SPRAR-Struktur frei wird, werden die Familien dorthin verlegt. Der Transfer in die Unterbringung erfolgt entweder organisiert, oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei die Kosten dann durch die Vereinigung "ITC" getragen werden. Im gemonitorten Fall war der Transfer für denselben Nachmittag angekündigt. (VB 14.2.2017; ITC o.D.).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017
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DRC - Danish Refugee Council / SRC - Swiss Refugee Council (9.2.2017): Is mutual trust enough? The situation of persons with special reception needs upon return to Italy, https://www.refugeecouncil.ch/assets/news/2017/drc-osar-drmp-report-090217.pdf, Zugriff 8.5.2017
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ITC Interpreti Traduttori in Cooperativa (o.D.): The Cooperative, http://www.cooperativaitc.org/en/about-us/the-cooperative, Zugriff 9.5.2017
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MdI - Ministero dell Interno (12.10.2016): Circular Letter, per -E-Mail
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VB des BM.I für Italien (14.2.2017): Bericht des VB, per E-Mail
Medizinische Versorgung
Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das Recht auf medizinische Versorgung erfolgt im Moment der Registrierung eines Asylantrags, der wiederum von der Zuweisung eines "codice fiscale" (Steuer-Codes) abhängt, der von den Quästuren im Zuge der Formalisierung des Asylantrags vergeben wird. Das kann Wochen oder sogar Monate dauern, zumal 2016 ein eigenes Steuercode-System für Asylwerber eingeführt wurde. Bis dahin haben Asylsuchende nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tess