TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/13 W211 2202501-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2019
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Entscheidungsdatum

13.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W211 2202501-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXXnach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am XXXX2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Die beschwerdeführende Partei wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am XXXX2018 und am XXXX2018 fanden Einvernahmen der beschwerdeführenden Partei durch die belangte Behörde statt. Die beschwerdeführende Partei brachte dabei vor, aus der Stadt Saakow in der Region Jubbada Dhexe zu stammen und dem Clan der Madhiban anzugehören. Sie habe im Teehaus ihrer Familie gearbeitet und sei dabei von einem Mitglied der Al Shabaab aufgefordert worden, sich der Miliz anzuschließen. Die beschwerdeführende Partei habe sich geweigert der Aufforderung nachzukommen, woraufhin sie entführt und an einem unbekannten Ort festgehalten worden sei. Nach mehreren Tagen habe ihr ein ehemaliger Kunde des Teehauses die Flucht ermöglicht. Die beschwerdeführende Partei sei in weiterer Folge in ihren Heimatort zurückgekehrt und wenig später aus Somalia ausgereist.

3. Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG betrug die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.

5. Am XXXX2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen sie nach ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX2018 für die Teilnahme an der Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias. Sie stellte am XXXX2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2 Die beschwerdeführende Partei stammt aus der Stadt Saakow in der Region Jubbada Dhexe und gehört dem Clan der Madhiban/Gabooye, XXXX an.

Die beschwerdeführende Partei besuchte in Somalia vier Jahre lang eine Koranschule und arbeitete anschließend im Teehaus ihrer Mutter.

Die Mutter und die Geschwister der beschwerdeführenden Partei leben mittlerweile im Flüchtlingslager XXXX. Die beschwerdeführende Partei hat zur Zeit keinen Kontakt zu ihren Verwandten.

1.1.3. Die beschwerdeführende Partei ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur relevanten Situation in Somalia wird festgestellt wie folgt:

Die gesamte Region Middle Juba wird von al Shabaab kontrolliert, sie gilt als Bastion der Gruppe (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017).

Die Regionalhauptstadt Buale (Middle Juba) sowie die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib (Middle Juba), Jamaame (Lower Juba), Sablaale, Kurtunwaarey (Lower Shabelle), Diinsoor (Bay), Tayeeglow (Bakool), Ceel Buur, Ceel Dheere (Galgaduud) befinden sich unter Kontrolle der al Shabaab. Alle anderen Regional- und Bezirkshauptstädte werden von anti-al-Shabaab-Truppen gehalten. Viele der Städte sind gleichzeitig auch Garnisonsstädte der AMISOM (BFA 8.2017). Eine andere Quelle nennt ebenfalls die o.g. Städte als unter Kontrolle der al Shabaab befindlich, fügt aber die Stadt Xaradheere (Mudug) hinzu und zieht Diinsoor ab (LI 20.12.2017).

In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.1.2017). Al Shabaab exekutiert vor allem jene, welche der Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung bezichtigt werden (HRW 12.1.2017).

Die Schwelle dessen, was die al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt (BFA 8.2017).

Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen:

a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017).

Spezifisch als mögliche Ziele aufgrund von Kollaboration genannt wurden z.B. Rückkehrer in Gebiete der al Shabaab (Vorwurf der Spionage); Händler/Wirtschaftstreibende, welche z.B. AMISOM beliefern; Arbeiter oder Handwerker, die z.B. für Ministerien tätig werden; Hotels, die Politikern Unterkunft geben. Besonders gefährdet sind Personen, die von der al Shabaab als Spione wahrgenommen werden. Es kommt fast täglich zu Übergriffen bis hin zur Exekution von der Spionage verdächtigten Personen (BFA 8.2017).

Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).

Al Shabaab foltert und exekutiert Personen, denen die Gruppe Spionage vorwirft, oder welche sich nicht an ihre Interpretation der Scharia halten (AI 22.2.2017). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen unter dem Vorwurf hin, diese hätten mit der Regierung, einer internationalen Organisation oder einer westlichen Hilfsorganisation zusammengearbeitet (AA 1.1.2017; vgl. AI 22.2.2017).

In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen (LI 20.12.2017). Die Gruppe verfügt nicht nur über Kämpfer und Agenten, sie kann auch auf Sympathisanten zurückgreifen (NLMBZ 11.2017). Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können (BFA 8.2017). Die al Shabaab übt über das Jubatal Kontrolle aus und kann sich auch in vielen anderen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (USDOS 3.3.2017). Al Shabaab beherrscht weiterhin große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia, v.a. in Bay, Gedo, Lower Shabelle und Middle Juba (AI 22.2.2017; vgl. BFA 8.2017). Auch rund um Städte in Süd-/Zentralsomalia, die von nationalen oder regionalen Sicherheitskräften und/oder AMISOM gehalten werden (SEMG 8.11.2017), kontrolliert al Shabaab den ländlichen Raum und wichtige Versorgungsstraßen (SEMG 8.11.2017; vgl. UKHO 7.2017). Dadurch gelingt es der Gruppe, große Teile der Bevölkerung von einer Versorgung abzuschneiden (SEMG 8.11.2017).

Die al Shabaab rekrutiert Kinder und zwingt diese, an Kampfhandlungen teilzunehmen (USDOS 3.3.2017). Rekrutiert wird vorwiegend in den Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab (DIS 3.2017). Insgesamt gibt es fünf Hauptarten der Rekrutierungsbestrebungen durch die al Shabaab:

a) direkte Rekrutierung von Frauen, arbeitslosen Jugendlichen und vulnerablen Bevölkerungsteilen; v.a. über soziale und ökonomische Anreize;

b) Zwangsrekrutierung durch Entführung, Bedrohung oder den Befehl z. B. an Eltern, einen Sohn abzugeben;

c) Rekrutierung über Dritte - über Freund und Verwandte (peer pressure);

d) Medienarbeit: Propaganda, Soziale Medien, Radio und Internet;

e) religiöse Überzeugung: Predigten und Radikalisierung in Madrassen (UNSOM 18.9.2017; vgl. DIS 3.2017)

Somalische Bürger identifizierten die Gruppe der 10-15jährigen als primäres Ziel der al Shabaab zum Zweck der Rekrutierung. Das junge Alter garantiert, dass die Rekruten noch nicht so sehr zwischen Gut und Böse unterscheiden können (UNSOM 18.9.2017).

Al Shabaab rekrutiert Kämpfer gezielt in Moscheen (ÖB 9.2016). Außerdem hat die Gruppe als Rekrutierungswerkzeug ein eigenes Madrassen-System aufgezogen. Diese ‚Bildungsmaßnahme' für Kinder und Erwachsene soll mögliche Rekruten frühzeitig indoktrinieren und ausbilden. Das System zeigt für die al Shabaab gute Erfolge. So befinden sich in den sieben Madrassen in Jilib jeweils ca. 600 15-20jährige in Ausbildung; in Saakow gibt es sechs Madrassen mit ähnlichen Besuchszahlen, wobei dort auch viele unter-15jährige den Unterricht besuchen (SEMG 8.11.2017). Die Madrassen dienen auch dazu, Mädchen als mögliche Bräute für eigene Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017).

Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängen. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren.

1.3. Es wird festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei 2015 in Saakow von Mitgliedern der Al Shabaab, in Folge ihrer Weigerung sich der Miliz anzuschließen, entführt und an einem unbekannten Ort mehrere Tage festgehalten wurde, bevor ihr die Flucht gelang.

Es wird weiter festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach Saakow, in eine von Al Shabaab kontrollierte Stadt, einer Gefährdung durch die Al Shabaab unterliegen würde. Eine Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden kann nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zur Herkunft, zum Schulbesuch, zur Clanzugehörigkeit und zu ihrer Berufstätigkeit gründen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren. Die Clanzugehörigkeit wurde außerdem bereits durch die Behörde festgestellt.

Hinsichtlich einer Herkunft aus Saakow muss angemerkt werden, dass die diesbezüglichen Ausführungen der beschwerdeführenden Partei in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht teilweise ungenau und vage blieben (siehe Verhandlungsprotokoll S 7f). Aus diesem Grund ist aus Sicht der erkennenden Richterin eine Herkunft aus Saakow mit leichten Zweifeln behaftet, jedoch stellte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung selbst fest, dass die beschwerdeführende Partei zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Saakow noch über Familienmitglieder verfügte (siehe dazu S 125 des angefochtenen Bescheides). Weiter ergaben sich im Laufe des Verfahrens keine Hinweise auf einen anderen Herkunftsort der beschwerdeführenden Partei. Vor diesem Hintergrund wurde eine Herkunft aus Saakow festgestellt.

Die Feststellungen zu den Familienangehörigen der beschwerdeführenden Partei in XXXX beruhen auf ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Laufe der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei in keinem Kontakt zu ihren in XXXX lebenden Verwandten steht, beruht auf ihren glaubhaften Angaben im Laufe der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.

2.3. Die Feststellungen zu 1.2. fußen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia aus 2018. Sie beruhen auf den folgenden Detailquellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,

https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017

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LI - Landinfo (20.12.2017): Somalia: Al-Shabaab utenfor byene i Sør-Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1515415669_2012.pdf, Zugriff 10.1.2018

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

-

UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (18.9.2017):

Countering Al-Shabaab Propaganda and Recruitment Mechanisms in South Central Somalia,

https://unsom.unmissions.org/sites/default/files/countering_al-shabaab_propaganda_and_recruitment_mechanisms_report_final_-_14_august_2017.pdf, Zugriff 11.11.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Ausgewogenheit, Aktualität und Verlässlichkeit der Länderinformationen zu zweifeln.

2.4. Die Feststellung, dass sich die Stadt Saakow in den Händen der Al Shabaab befindet, ergibt sich aus den angeführten Länderinformationen und den damit übereinstimmenden glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei.

Es muss der belangten Behörde entgegengetreten werden, wenn sie beweiswürdigend vermeint, das Fluchtvorbringen sei in seiner Gesamtheit unglaubwürdig, da die beschwerdeführende Partei bloß oberflächliche und blasse Angaben hinsichtlich ihrer versuchten Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab gemacht habe. Es ist festzuhalten, dass sich das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei ihre Fluchtgründe betreffend in der mündlichen Verhandlung als durchaus detailliert und kohärent erweist. Die Ausführungen zu ihrer Entführung und Verbringung in ein Lager der Al Shabaab aufgrund ihrer Weigerung, sich der Miliz anzuschließen, zu ihrer mehrtägigen Festhaltung und zu ihrer Flucht, die ihr durch einen alten Mann ermöglicht wurde, sind in sich schlüssig und stimmen auch weitgehend mit ihren in den beidem Einvernahme vor der belangten Behörde (AS 255ff und AS 291f) gemachten Angaben überein, wobei diese jedoch nicht gänzlich wortgleich bzw. vollkommen ident sind, was darauf hinweist, dass die beschwerdeführende Partei tatsächlich von selbst Erlebtem berichtet und nicht eine auswendig gelernte Erzählung wiedergibt.

Dabei wird nicht übersehen, dass die beschwerdeführende Partei in der Verhandlung teilweise Schwierigkeiten hatte, konkrete Angaben hinsichtlich der Beschreibung des Ortes Saakow, bzw. dessen genauer geographischen Lage zu machen. Diesbezügliche Ungenauigkeiten im Vorbingen der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf die Ereignisse des Jahres 2015 sind jedoch nicht geeignet, das ganze Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, insbesondere in Anbetracht ihres jugendlichen Alters (sie war im Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse 15 bzw. 16 Jahre alt), infrage zu stellen. Auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes erscheint das diesbezügliche Vorbringen daher plausibel und von der Länderinformation der in Somalia verbreiteten Rekrutierungspraxis der Miliz betreffend Minderjährige gedeckt.

Al Shabaab ist nach den Länderinformationen für ihr autoritäres und repressives Regime bekannt; die Miliz foltert und exekutiert Personen, denen die Gruppe Spionage vorwirft und setzt Menschen in von ihr kontrollierten Gebieten harten Strafen aus. Zwangsrekrutierungen durch Al Shabaab kommen vor, auch durch Entführung, Bedrohung oder Befehl. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei im Falle ihrer Rückkehr wiedererkannt und als Verweigerer und damit Oppositioneller wahrgenommen oder der Spionage verdächtigt werden würde. Es konnte daher eine entsprechende Feststellung zu einer Gefährdung getroffen werden.

Die Feststellung zur fehlenden Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden ergibt sich aus der Kontrolllage in Saakow.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Spruchpunkt I.:

3.1. Rechtsgrundlagen:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Wie in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung ausgeführt geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach Saakow, das nach wie vor unter der Kontrolle der Al Shabaab steht, aufgrund ihrer Desertation nach versuchter Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab, der damit einhergehenden Weigerung diese zu unterstützen, und der damit verbundenen, von der Miliz auch nur unterstellten, oppositionellen politischen oder religiösen Gesinnung eine Verfolgung befürchten muss. Eine solche Verfolgung ist nach den relevanten Länderinformationen auch maßgeblich aktuell, wahrscheinlich und intensiv.

3.2.2. Von einer entsprechenden Schutzfähigkeit und -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden geht das Bundesverwaltungsgericht in Hinblick auf die Kontrollsituation in Saakow durch die Al Shabaab nicht aus.

3.2.3. In der Situation der beschwerdeführenden Partei muss noch geprüft werden, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht. Hinsichtlich der fehlenden Zumutbarkeit einer Neuansiedlung in Mogadischu verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die Länderberichte, nach denen ein soziales Netz an Kernfamilie und Clanschutz als unabdinglich für eine Rückkehr nach Mogadischu vorausgesetzt wird. Da sich sämtliche Familienmitglieder der beschwerdeführenden Partei mittlerweile in XXXX aufhalten, fehlt der beschwerdeführenden Partei gerade solch ein familiärer Rückhalt. Weiter darf nicht übersehen werden, dass die beschwerdeführende Partei dem Minderheitsclan der Madhiban bzw. Gabooye angehört und somit überdies eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Diskriminierung besteht.

3.2.4. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Schutzunfähigkeit,
Schutzunwilligkeit, soziale Gruppe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2202501.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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