Entscheidungsdatum
18.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W129 1414450-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch RA MMag. Marion Battisti, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zl. 1211811208-181068660, zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird in Stattgebung der Beschwerde behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Erster Antrag auf internationalen Schutz:
1.1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 04.09.2009 als Minderjähriger mit seiner Mutter in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte durch seine gesetzliche Vertreterin einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab an, er habe seinen Herkunftsstaat verlassen, da es für junge Leute in Tschetschenien gefährlich sei und man nicht sagen könne was man denkt. Seine Familie habe in Tschetschenien ein Problem. Die ganze Familie sei ständig von jemandem kontrolliert worden, deswegen seien sie weggelaufen. Der Beschwerdeführer und seine Familie haben Angst gehabt, dass er zum Militär müsse und seine Familie nie wieder sehe. In Österreich lebe sein älterer Bruder XXXX.
1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.06.2010, Fz. 09 10.675-BAI, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte die Identität und Nationalität des Beschwerdeführers fest und traf umfangreiche Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt aus, es sei glaubhaft, dass der Beschwerdeführer keine Fluchtgründe habe, zudem seine gesetzliche Vertreterin für ihn auch keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht habe. Zur Begründung des Asylantrages habe die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers auf die Fluchtgründe in ihrem Verfahren verwiesen. Hinsichtlich der Befürchtungen werde auf die Bescheidbegründung im Verfahren der Mutter des Beschwerdeführers verwiesen. Der Beschwerdeführer habe daher - vertreten durch seine Mutter - eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsland nicht glaubwürdig darlegen können. Dem Beschwerdeführer drohen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Es liege zwar ein Familienbezug bzw. Familienleben in Österreich vor, die Ausweisung des Beschwerdeführers stelle aber keinen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben dar.
1.3. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.01.2011, Zl. D12 414450-1/2010/2E, als unbegründet abgewiesen. Beweiswürdigend wurde - unter anderem - ausgeführt, dass der Vater des Beschwerdeführers laut Vorbringen zwar bedroht, aber nicht geschlagen worden sei. Somit handle es sich um Geschehnisse von geringer Eingriffsdauer und Intensität, in deren Folge weder dem Beschwerdeführer noch seinem Vater weitere Konsequenzen erwachsen seien. Der Vater des Beschwerdeführers lebe nach wie vor unbehelligt in Tschetschenien und arbeite als Lehrer. Auch dies sei ein Indiz, dass die Familie des Beschwerdeführers trotz der Widerstandstätigkeit des Cousins des Beschwerdeführers keinen asylrelevanten Verfolgungen ausgesetzt sei.
1.4. Genanntes Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft. Am 24.02.2011 erfolgte die Ausreise des Beschwerdeführers in seine Heimat unter Verwendung von Rückkehrhilfe.
2. Zweiter Antrag auf internationalen Schutz:
2.1. Am 08.11.2018 reiste der Beschwerdeführer neuerlich in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
2.2. In seiner Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer zur Begründung dieses Folgeantrags an, dass der Geheimdienst versuche, seinen Vater zu bekommen. Die Familie habe Probleme aufgrund eines Cousins, welcher in Haft sei. Der Beschwerdeführer sei sogar von der Universität während einer Vorlesung abgeführt worden und zu seinem Vater befragt worden. Er glaube, es habe sich um Geheimdienstmitarbeiter gehandelt.
2.3. Am 26.11.2018 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt niederschriftlich einvernommen.
Hier auf das Wesentlichste zusammengefasst brachte der Beschwerdeführer während der Einvernahme vor, er sei "immer wieder" nach seinem Vater befragt worden. Zu Hause, auf der Universität und auf dem Heimweg von der Universität sei er monatlich befragt worden. Er sei auch geschlagen worden.
Kurz nach der Heimkehr des Beschwerdeführers nach dem Erstverfahren sei sein Vater, der sich bis dahin in Tschetschenien aufgehalten habe, nach Österreich geflüchtet, die zweite Schwester nach Deutschland.
2.4. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zl. 1211811208-181068660, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 08.11.2018 gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe gemäß § 55 Abs 1a FPG 2005 nicht (Spruchpunkt VI.). Es wurde gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und der Beschwerdeführer gem. § 15b Abs 1 AsylG 2005 aufgefordert, in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).
Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz vom 08.11.2018 wegen entschiedener Sache begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keinen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, welcher nach dem rechtskräftigen Abschluss seines letzten Asylverfahrens entstanden sei. Das Vorbringen sei gesteigert worden und somit unglaubwürdig.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 28.01.2019 zugestellt.
2.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Diese rügt im Wesentlichen, dass hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers keine entschiedene Sache vorliege.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.
Insbesondere stellt das Bundesverwaltungsgericht dazu fest, dass der in der Sache erledigte - erste - Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers damit begründet wurde, dass insbesondere der Vater des Beschwerdeführers von den tschetschenischen Behörden verfolgt werde. Mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.01.2011 wurde der Antrag auf internationalen Schutz für den Status eines Asyl- sowie subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.
Insbesondere stellt das Bundesverwaltungsgericht zum Verfahrensgang ferner fest, dass der Beschwerdeführer am 24.02.2011 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausreiste und in weiterer Folge bis zum 04.11.2018 wieder in der Russischen Föderation lebte.
Insbesondere stellt das Bundesverwaltungsgericht zum Verfahrensgang schließlich fest, dass der hier maßgebliche Antrag auf internationalen Schutz nunmehr zu einem erheblichen Teil auf ein Vorbringen von Verfolgungshandlungen gestützt wurde, welche nach der Rückkehr aus Österreich und vor der neuerlichen Flucht aus der Russischen Föderation gegen die Person des Beschwerdeführers selbst gerichtet waren.
Abschließend ist festzustellen, dass der Vater des Beschwerdeführers - abweichend vom ersten Verfahrensgang - nun selbst die Russische Föderation verlassen hat und in Österreich um Internationalen Schutz angesucht hat. Der (damalige) Verbleib des Vaters in der Russischen Föderation stellte ein wesentliches Sachverhaltselement dar, worauf der (damalige) Asylgerichtshof einen Teil seiner Beweiswürdigung zu Lasten des Beschwerdeführers stützte.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte sowie unter Pkt. II. festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der Verwaltungsakten des Bundesasylamts bzw. des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und aus den Gerichtsakten des Asylgerichtshofes sowie des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass einige Aspekte des Vorbringens (Widerstandstätigkeit eines Cousins, neuerliche Verfolgungshandlungen gegen den Vater des Beschwerdeführers) auch Elemente des ersten Verfahrensganges darstellen, doch stützt sich das neue Vorbringen zu einem nicht unerheblichen Teil auf ein neues Vorbringen in Bezug auf nunmehr gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungshandlungen. Es kann nicht gesagt werden, dass das neue Vorbringen bereits prima vista völlig unglaubwürdig ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.
Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/ Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).
Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).
Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).
Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).
3.2. Zum hier maßgeblichen Antrag auf internationalen Schutz bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei in den Jahren nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation nun auch selbst bestimmten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Auch sei nunmehr auch sein Vater - dessen (damaliger) Verbleib in der Russischen Föderation vom (damaligen) Asylgerichtshof zu Lasten der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausgelegt wurde - ebenfalls aus der Russischen Föderation nach Österreich geflohen.
Somit stützt der Beschwerdeführer seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf erhebliche Umstände, die sich erst nach Eintritt der Rechtskraft des genannten abweisenden Erkenntnisses des Asylgerichtshofes zugetragen haben sollen. Dass dieses Vorbringen zumindest prima vista nicht als völlig unglaubwürdig erachtet werden kann, wurde bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt.
Schließlich ist es für dieses Vorbringen - sollte es als glaubhaft gemacht festgestellt werden können - nicht von vornherein völlig ausgeschlossen, zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu führen.
Daher ging das Bundesamt nicht zu Recht davon aus, dass für das zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers eine entschiedene Sache vorliege. Der Antrag wäre mithin nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sondern in der Sache zu erledigen gewesen.
Deswegen ist Spruchpunkt I. (sowie die von Spruchpunkt I. bedingten übrigen Spruchpunkte) des angefochtenen Bescheides mangels Vorliegen entschiedener Sache zu beheben.
Die belangte Behörde wird sich in weiterer Folge inhaltlich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie seines ebenfalls nach Österreich geflohenen Vaters auseinanderzusetzen haben.
Daher ist spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
entschiedene Sache, Folgeantrag, RechtswidrigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W129.1414450.3.00Zuletzt aktualisiert am
01.04.2019