TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/19 W196 2142634-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2019
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Entscheidungsdatum

19.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W196 2142634-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2016, Zl. 1073933607-150693165, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.09.2017 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.) Die Beschwerdeführerin reiste illegal in Österreich ein. Am 17.06.2015 brachte sie einen Antrag auf internationalen Schutz ein, wobei sie angab das Land verlassen zu haben, weil sie Probleme mit ihrem Exmann gehabt habe. Nach der Heirat mit einem anderen Mann habe er gedroht die Beschwerdeführerin zu töten. Daher habe sie flüchten müssen.

2.) Am 22.06.2017 gab sie beim Amt für Fremdenwesen und Asyl befragt zu ihrem Fluchtgrund an, sie habe Somalia verlassen müssen, da ihr erster Mann sie habe umbringen lassen wollen. Er habe einer größeren Volksgruppe angehört und sie habe ihn am Verkaufsstand der Mutter kennengelernt. Sie sei damals sehr jung gewesen und von ihm geblendet. Obwohl die Mutter sie gewarnt habe, hätte sie dennoch geheiratet und nach einem Monat Ehe habe der Mann begonnen sie zu schlagen, da er drogensüchtig gewesen wäre. Sie habe dann eine Scheidung gewollt, sei aber daraufhin noch stärker geschlagen worden. Sie habe versucht zur Mutter zurückzugehen, sei aber auch wiedergeholt und geschlagen worden. Als Nachbarn dies gehört hätten, hätte der Exmann in die Scheidung eingewilligt. Er habe sie dann allerdings nicht in Ruhe gelassen, sondern wollte sie wieder zurückhaben. Fünf Monate nach der Scheidung habe sie ihren jetzigen Mann kennengelernt und auch geheiratet. Als der Exmann davon erfahren habe, sei er außer sich gewesen und meinte er wolle sie und die Familie vernichten. Er habe dann ihren Ehemann in seinem Geschäft aufgesucht und ihm gesagt, dass die Eheschließung ungültig gewesen sei, da er noch mit der Beschwerdeführerin verheiratet wäre. Außerdem habe er mit einer Pistole ihren Ehemann bedroht und gesagt, dass er ihn töten werde, wenn er ihn noch einmal mit der Beschwerdeführerin zusammen sehe. Die Beschwerdeführerin sei ins Nachbarhaus geflüchtet als der Exmann sie zu Hause aufsuchen wollte. Sie habe sich dann bei einer Freundin versteckt bis sie das Geld für die Flucht organisieren habe können und habe dann Somalia Richtung Äthiopien verlassen. Sie wisse nicht wo sich ihre Familie jetzt aufhalte. Bei einer Rückkehr nach Somalia habe sie Angst vor ihrem Exmann.

3.) Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2016, Zl. 1073933607-150693165 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 17.06.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs 1 iVm §2Abs1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und ihr ein Aufenhaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist. (Spruchpunkt III.) gemäß § 55 Abs. 1bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründet wurde die Entscheidung in der Hauptsache damit, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, aufgrund der Allgemeinheit der in den Raum gestellten Behauptungen und der mangelnden Nachvollziehbarkeit ihrer Fluchtgründe, keine Glaubwürdigkeit zuerkannt habe werden können.

4.) In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 09.12.2016 brachte Beschwerdeführerin vor, ihren Fluchtgrund glaubwürdig angegeben zu haben, auch wenn der zweite Ehemann nicht gleichzeitig mit ihr habe fliehen können und dass die Behörde keine konkreten Punkte gefunden habe, die die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin in Frage stellen würden. Auch sei den Länderberichten eindeutig zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin keinen Schutz durch das Militär oder Behörden erhalten würde und auch, dass eine Ansiedlung außerhalb ihres Heimatortes nicht in Frage komme, da sie dort kein soziales Netz vorfände. Mogadischu sei durch die von Al Shabaab verübten Anschläge in allen Stadtteilen nicht sicher genug, denn Zivilisten würden sehr leicht zufällige Ziele. Weiters sei die Lage der Frauen und Mädchen besonders prekär, weil sie Vergewaltigung, Verschleppung und sexueller Versklavung ausgesetzt seien. Gegen solche Übergriffe, besonders in den Lagern für Binnenvertriebene (IDP Camps) bestehe kein ausreichender staatlicher Schutz. Auch Al Shabaab entführe und rekrutiere Frauen und Mädchen, oder zwinge sie zur Ehe.

5.) Am 19.09.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die somalische Sprache, statt.

...............

R: Sprechen Sie schon deutsch?

BF: Ein bisschen.

R: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

BF: Galje'el, das ist eine Untergruppe von Hawiye.

R: Sie sind in Mogadischu geboren?

BF: Ja.

R: Erzählen Sie von Ihrem Leben. Haben Sie die Schule besucht?

BF: Ich habe im Bezirk Hawlwadaag in Mogadischu gelebt, ich habe bis zur achten Klasse die Schule besucht. Ich habe bei meinen Eltern und Geschwistern gelebt, dann ist mein Vater gestorben und ich habe weiter bei meiner Mutter und den Geschwistern gelebt. Ich habe zwei ältere Brüder, drei jüngere Schwestern.

R: Wie hat die Schule geheißen?

BF: Al Madar, im Bezirk Lambar Afar. Meine Mutter hat auf dem Markt Gemüse verkauft, ich habe ihr dabei geholfen. Dann habe ich einen Mann kennengelernt, wir haben im Jänner 2014 geheiratet. Ich habe ihn am Markt kennengelernt.

R: Was war das für eine Hochzeit?

BF: Es war eine traditionelle Hochzeit, keine standesamtliche. Es gab keine Hochzeitsfeier, weil der Mann konnte sich das nicht leisten. Es war aber nicht heimlich. Ich war acht Monate verheiratet. Im achten Monat haben wir uns getrennt. Wir haben uns geschieden. Ein Monat nach der Heirat hat er angefangen, mich zu schlagen. Er hat mich immer grundlos geschlagen. Er hat Drogen konsumiert. Er hat Khat gekaut. Er ist spät in der Nacht nach Hause gekommen. Wenn ich ihn gefragt habe, warum er sich verspätet hat, hat er mich geschlagen. Oder er sagte mir, dass ich das Essen kochen soll, dann hat er mich geschlagen, er hat mich immer geschlagen. Eines Tages habe ich das Haus verlassen, ich bin zu meiner Mutter gegangen, ich war drei Tage weg. Er ist zu uns nach Hause gegangen, um mich zurückzuholen. Meine Mutter hat mich aufgefordert, mitzugehen, weil er ja mein Mann ist. ich bin mitgegangen. Er hat mich weiter geschlagen, er hat sich nicht geändert. Ich habe ihm gesagt, ich will mich scheiden lassen, jedesmal, dann hat er mich noch mehr geschlagen. Ich war die einzige Frau. Ich habe das ausgehalten, bis eines Abends er mich so verprügelt hat, dass ich es nicht mehr aushalten konnte. Ich habe laut geschrien. Die Nachbarn haben mich gehört. Sie sind zu uns gekommen und haben sie ihn von mir ferngehalten. In dieser Nacht hat er eingewilligt in die Scheidung, ich habe diese Nacht bei den Nachbarn verbracht. Am nächsten Tag in der Früh bin ich zu meiner Mutter gegangen. Dann bin ich bei meiner Mutter geblieben, ich habe weiter meiner Mutter geholfen. Die Scheidung wurde vor den Nachbarn ausgesprochen. Vorher, als wir noch im Zimmer waren, hat er gesagt, dass er mich gehen lassen wird. Er hat mich dann immer angerufen. Er sagte, dass er mich zurück haben will. Ich habe gesagt, dass wir nach islamischem Recht bereits getrennt sind. Nach einer Scheidung müsste ich einverstanden sein, zurückzugehen. Fünf Monate nach der Scheidung habe ich meinen jetzigen Mann Abdifatah geheiratet. Die Verehelichung hat stattgefunden, aber die Hochzeitsfeier hat noch nicht stattgefunden und ich habe noch bei meiner Familie gewohnt, ich bin noch nicht zu ihm gezogen. Vier Tage nach der Heirat hat mein Ex-Mann angerufen und gesagt, dass ich nicht heiraten darf, ich bin noch mit ihm verheiratet. Mein jetziger Mann hat im Bakara-Markt im Geschäft seines Onkels gearbeitet. Mein Mann hat mich angerufen und sagte, dass mein Ex-Mann Adnan zu ihm gegangen ist und sagte, dass er noch mit mir verheiratet ist. Er hat meinen Mann vorgeworfen: "Wie konnte er mich dann heiraten, wo ich doch verheiratet war." Mein Mann sagte mir, dass mein Ex-Mann mit Banditen gekommen ist, sie haben ihm eine Pistole an den Kopf gehalten und gesagt, dass er sich augenblicklich von mir scheiden lassen muss. Er hat das Scheidungswort aus Angst ausgesprochen, aber das ist nicht gültig, ich bin noch seine Frau. Als ich das erfahren habe, hatte ich Angst, dass mein Ex-Mann zu mir nach Hause kommt, er ist ein schlechter Mann. Ich habe das von ihm erwartet und habe mich beim Nachbarn versteckt. Er ist zu uns nach Hause gekommen, wie ich das erwartet habe. Nur meine jüngeren Schwestern waren zu Hause. Er hat nach mir gefragt. Die Schwestern haben gesagt, dass ich am Markt arbeiten bin. Er hat draußen vor dem Haus auf mich einige Zeit gewartet. Nach einiger Zeit habe ich die Schreie meiner Schwestern gehört. Ich wollte das Haus des Nachbarn verlassen, um zu schauen, was mit den Schwestern passiert ist. Die Nachbarin ist hinübergegangen, um zu schauen. Die Nachbarin hat meinen Ex-mann gesehen, er hat meine Schwestern mit der Pistole bedroht, weil es nicht sein kann, dass ich so lange am Markt bleibe, ich solle den Aufenthaltsort bekannt geben. Meine Nachbarin hat mit ihm gesprochen. Er hat einige Zeit gewartet, dann ist er gegangen. Die Schwestern wussten nicht, dass ich bei den Nachbarn war. Die Nachbarin ist zurückgekommen und sagte, dass er bereits gegangen ist. So lange war sie bei den Schwestern. Am Abend ist meine Mutter nach Hause gekommen und ich habe ihr alles erzählt. Die Nachbarin hat ein Taxi angerufen. Ich und die Tochter der Nachbarin wurden weggeschickt. Das Taxi hat uns nach Sebiyaano gebracht, ich verbrachte eine Woche dort. Weil ich Angst hatte, hat sie mich begleitet, damit ich mich nicht einsam fühle. Nach einer Woche hat mich meine Mutter angerufen und sagte, dass der Ex-Mann jeden Tag kommt, sie kann mich vor ihm nicht schützen, ich soll Somalia verlassen. Ich habe dann meinen Mann angerufen und habe ihm gesagt, dass ich Somalia verlassen muss, ich kann nicht weiter bleiben.

R: Wieso hat Ihr Mann Sie nicht beschützen können?

BF: Mein aktueller Mann Abdifatah ist nicht bewaffnet, er konnte mich nicht beschützen. Ich hatte Angst. Er hatte keine Waffe, weil er von der Minderheit ist. Wir sind nicht bewaffnet, ich weiß nicht warum. Der Adnan, Ex-Mann, gehört der Habr Gedir an.

Dann habe ich Somalia verlassen, ich bin mit dem Bus in der Früh weggefahren.

R: Was macht der jetzige Mann?

BF: Ich habe keine Ahnung, wir haben keinen Kontakt. Wir waren noch verheiratet, als ich das Land verlassen habe.

BFV: Sind Sie sich sicher, dass Sie nicht mehr mit dem ersten Mann verheiratet sind?

BF: Ja, er hat die Scheidung vor mir ausgesprochen, er weiß auch, dass wir geschieden sind. Wie er mich angerufen hat, hat er gesagt, wir kommen wieder zusammen.

BFV: Ist es nicht so in Somalia, dass, wenn ein Mann die Scheidung ausspricht, er drei Monate Bedenkzeit hat, ob er sich wirklich scheiden lassen möchte?

BF: Ja, aber die Frau muss auch einwilligen.

BFV: Wie stehen die älteren Brüder zu Ihrer Scheidung von Ihrem ersten Ehemann?

BF: Die Brüder und meine Mutter haben gesehen, dass die Scheidung gültig ist. Er hat am Telefon gesagt, wir kommen wieder zusammen. Aber nachdem ich wieder geheiratet habe, sagte er, er hat sich nicht von mir scheiden lassen, wir sind noch verheiratet.

BFV: Wollen Ihre Brüder, dass Sie zu Ihrem Ex-Mann zurückgehen?

BF: Ja.

BFV: Warum wollen Ihre Brüder, dass Sie zurückgehen?

BF: Sie wussten, dass er mich immer geschlagen hat, aber sie wollten, dass ich zu ihm zurückgehe, so ist das in Somalia, dass eine Frau den Mann dulden muss. Sie sehen es als Schande, dass eine Frau, so kurz verheiratet ist und so schnell wieder geschieden wird.

BFV: Hat Ihr aktueller Mann Angst vor Ihrem Ex-Mann?

BF: Jetzt weiß ich nichts von ihm, aber er hatte damals Angst vor ihm.

BFV: Woher hatte Ihr Ex-Mann die Waffe?

BF: Sein Freund war ein Security, er hat die Firma seines Onkels bewacht und daher ist die Waffe gekommen. Das waren eine Gruppe Männer, sie haben den Onkel bewacht.

BFV: Ist es üblich, dass Frauen in Somalia nicht gleich nach der Hochzeit in den Haushalt des Mannes übersiedeln?

BF: Es ist beides üblich. Entweder man zieht gleich zu ihm oder nicht, je nachdem wie die Familie das ausmacht. Man hat mich für die Hochzeit vorbereitet, dann ist das inzwischen passiert.

R: Aber vor dem Imam haben Sie geheiratet?

BF: Ja.

R: Die Scheidung meldet man dem Imam nicht mehr?

BF: Die Scheidung muss nicht vor einem Imam oder Scheich stattfinden, ein Nachbar kann auch als Zeuge fungieren.

R: Wie viele Zeugen gibt es, dass sich Ihr erster Mann scheiden hat lassen?

BF: Es gab einen Mann, seine Frau (obwohl als Zeuge nicht gültig) und ein Mann, der beim Nachbarn gewohnt hat. Ein Mann könnte sich auch ohne Zeugen scheiden lassen.

R: Wenn Sie nach Somalia zurückgingen, würden Sie Ihren jetzigen Mann finden?

BF: Ich weiß nicht, ob er noch dort ist oder ob ich ihn finden würde. Das hat sich alles in Mogadischu abgespielt, ich weiß nicht, ob er überhaupt noch in Somalia ist.

R: Warum sollte er dort nicht mehr sein?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie?

BF: Nein, der letzte Kontakt war, als ich weggegangen bin.

BFV: Warum ist der Kontakt zu Ihrer Familie abgebrochen?

BF: In Äthiopien hat der Schlepper das Handy von mir weggenommen und habe ich Tel. Nr. nicht mehr. In Italien habe ich versucht Kontakt zu meiner Familie aufzunehmen, aber ich habe es nicht geschafft. Der Schlepper hat allen Flüchtlingen das Handy abgenommen, er sagte, er wird es zurückgeben, aber er hat es nicht getan.

R: Sie haben keine Tel.Nr.?

BF: Nein.

Keine weiteren Fragen.

Ende des Beweisverfahrens.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin kommt aus Mogadischu und gehört dem Subclan Gaal Jecel an. Dabei handelt es sich um einen Stamm des Hawiye Hauptclans. Die Beschwerdeführerin hat seit ihrer Flucht keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie und könnte diesen im Falle einer Rückkehr nicht wiederherstellen.

Sie wird durch ihren Exmann und seine Familie bedroht und sie kann bei einer Rückkehr keinen staatlichen oder familiären Schutz erwarten. Bei einer Rückkehr droht ihr außerdem die Verbringung in ein Flüchtlingslager am Rand von Mogadischu (IDP Camps) wo sie als alleinstehende Frau auf Grund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage sexuellen Übergriffen durch Al Shabaab und Soldaten ungeschützt ausgeliefert wäre.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Zur maßgeblichen Situation in Somalia wird festgestellt:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Die humanitäre Lage in Somalia bleibt prekär. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken. 305.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Zwischen Jänner und Juni wurden ca. 490.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt, 125.000 Kinder konnten wegen akuter Unterernährung behandelt werden (UNSC 6.9.2016). UNOCHA stellt hinsichtlich Nahrungsmittelsicherheit nebenstehende aktuelle Karte zur Verfügung (UNOCHA 9.9.2016).

Das Klimaphänomen El Niño führte in Somaliland und in Puntland zu Dürre. Dort sind 385.000 Menschen akut von Nahrungsmittelunsicherheit bedroht, weitere 1,3 Millionen Menschen sind dem Risiko ausgesetzt, ohne Unterstützung in eine akute Bedrohung abzugleiten (UNSC 6.9.2016; vgl. UNOCHA 1.9.2016). In Süd-/Zentralsomalia brachte El Niño hingegen schwere Regenfälle und teilweise Überschwemmungen (UNOCHA 1.9.2016).

Die Regenzeit Gu (März-Juni) brachte für Puntland und Somaliland zwar eine teilweise Entlastung; doch wird für den Zeitraum Juli-Dezember 2016 wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet (UNSC 6.9.2016). Für eine nachhaltige Besserung bedarf es mehr als nur einer guten Regenzeit. Prognosen zufolge könnte sich die Situation durch das nachfolgende Wetterphänomen La Niña weiter verschärfen. So bietet auch die Nahrungsmittelsicherheit in Süd-/Zentralsomalia zunehmend Grund zur Sorge. Derzeit sind also - v.a. im Norden - noch die Auswirkungen von El Niño zu spüren, während aufgrund von La Niña eine schlechte Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) erwartet wird. Die schwere Hungersnot der Jahre 2011/2012 war durch La Niña verursacht worden (UNOCHA 1.9.2016).

Quellen:

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (9.9.2016): Somalia - Humanitarian Snapshot, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Somalia%20Humanitarian%20Snapshot%20-%20September%202016.pdf, Zugriff 20.9.2016

-

UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.9.2016): Humanitarian Bulletin Somalia, August 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/August%202016%20Somalia%20Humanitarian%20Bulletin.pdf, Zugriff 20.9.2016

-

UNSC - UN Security Council (6.9.2016): Report of the Secretary-General on Somalia [S/2016/763], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1473923936_n1627603.pdf, Zugriff 20.9.2016

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren - mit der Ausnahme von al Shabaab - akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vgl. AA 1.12.2015).

Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).

Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vgl. AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).

Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).

Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Die Bundesregierung hat einen Prozess zur Schaffung föderaler Bundesstaaten initiiert (BS 2016). Das Bundesparlament hat eine Grenz- und Bundeskommission einberufen, welche hinsichtlich der Grenzen der Bundesstaaten, Regionalverwaltungen und Bezirke beraten soll. Die Kommission wird von der UN und anderen Partnern unterstützt (UNSC 11.9.2015).

Der Schritt zur Föderalisierung hat zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016).

Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: die Galmudug Interim Administration (GIA); die Interim Juba Administration (JIA); und die Interim South West Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 13.4.2016).

1) Im Juni 2015 fand in Cadaado die Staatsbildungskonferenz für den Bundesstaat Galmudug statt. Es sollte eine Galmudug Interim Administration (GIA) für die zentralen Regionen Galgaduud und Mudug geschaffen werden (UNSC 11.9.2015). In der Folge wurde eine Regionalversammlung gebildet, die im Juli 2015 Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (UNSC 11.9.2015; vgl. EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten (USDOS 13.4.2016). Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert (UNSC 11.9.2015) und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 13.4.2016). Fraktionen der ASWJ haben sich später mit der GIA arrangiert (UNSC 11.9.2015). Trotzdem kontrolliert ASWJ noch immer teile der GIA, darunter die wichtige Stadt Dhusamareb (UNSC 8.1.2016). Auch Puntland hat sich ursprünglich gegen die GIA gestellt, da es selbst den nördlichen Teil von Mudug beansprucht. Nach Verhandlungen hat die GIA ihre Ansprüche auf Nord-Mudug zurückgezogen (UNSC 11.9.2015). Unter die GIA fallen demnach neben Galgaduud noch die Bezirke Hobyo und Xaradheere (EASO 2.2016). Die GIA hat bei der Einrichtung ihrer Verwaltungsinstitutionen in der Übergangshauptstadt Cadaado Fortschritte gemacht. Auch wurden Anstrengungen unternommen, die Bevölkerung zu erreichen, Clanmilizen zu entwaffnen und Sicherheitskräfte auszubilden (UNSC 8.1.2016). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016).

2) Nach dem Ende einer zweijährigen Übergangsperiode wurde Sheikh Ahmed Islam "Madobe" am 15.8.2015 von der neuen, 75sitzigen Regionalversammlung des Bundesstaates Juba (Lower und Middle Juba, Gedo) als Präsident der Interim Juba Administration (IJA) angelobt (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 11.9.2015). Zuvor war im Mai 2015 die Regionalversammlung selbst in Kismayo eingerichtet worden. Dabei gab es auch Kritik und das Bundesparlament strebte eine Auflösung der Regionalversammlung an (UNSC 11.9.2015). Bei der Lösung von Konflikten zwischen Clans sowie innerhalb der Darod/Marehan auf dem Gebiet der IJA gibt es Fortschritte (UNSC 8.1.2016).

3) Nach anfänglichen Streitigkeiten über die Frage, ob der Bundesstaat South West aus drei oder sechs Regionen bestehen soll, einigte man sich auf die drei-Regionen-Lösung. Die Interim South West Administration (ISWA) umfasst nunmehr die Regionen Bay, Bakool und Lower Shabelle. Im November 2014 wurde Sharif Hassan Sheikh Adan von einer ISWA-Konferenz zum Präsidenten gewählt. Damit wurde die Übergangsverwaltung ISWA offiziell geschaffen (USDOS 13.4.2016). Im August 2015 wurde ein Prozess gestartet, um eine ISWA-Regionalversammlung zu schaffen (UNSC 11.9.2015). Mit der Einrichtung der Regionalversammlung ist die Errichtung der ISWA abgeschlossen. Von den 146 Abgeordneten sind 30 weiblich (UNSC 8.1.2016).

4) Im August 2015 wurde von der Bundesregierung ein Prozess zur Bildung eines Bundesstaates Hiiraan-Middle Shabelle initiiert (UNSC 11.9.2015). Dieser Prozess wird weiter vorangetrieben. Buulo Barde könnte die Hauptstadt des neuen Bundesstaates werden (UNSC 8.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016

-

AP - Associated Press (23.12.2015): Somalia no longer a failed state, just a fragile one, says UN. The Guardian, http://www.theguardian.com/world/2015/dec/23/somalia-no-longer-a-failed-state-just-a-fragile-one-says-un, Zugriff 20.4.2016

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

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UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

-

UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

-

UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

1.1. Süd-/Zentralsomalia

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz

gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vgl. UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vgl. BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kampfhandlungen gegen al Shabaab gibt es aus dem ganzen Land auch Berichte über Inter- und Intra-Clankonflikte um Land und Wasserressourcen (EASO 2.2016).

AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 10.2015). Bei gemeinsamen Offensiven mit der somalischen Armee wurde al Shabaab aus Städten in Hiiraan, Bay, Bakool, Gedo und Lower Shabelle vertrieben (AI 24.2.2016). Bei den beiden jüngeren Offensiven (Operation Indian Ocean, Operation Jubba Corridor) trafen AMISOM und Regierungskräfte aufgrund taktischer Rückzüge der al Shabaab nur auf wenig Widerstand. Eingenommen wurde die letzte Bastion der al Shabaab in der Region Gedo - Baardheere - und Diinsoor in der Region Bay. Der al Shabaab wurde zwar die Kontrolle über diese Städte entzogen, doch ist sie ansonsten nicht relevant geschwächt worden. Dahingegen kann AMISOM aufgrund einer Überdehnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr in jeder Stadt und in jedem Dorf eine Präsenz aufrecht halten (EASO 2.2016). Auch die Haupttransportrouten werden von al Shabaab kontrolliert (HRW 27.1.2016).

In der Folge kam es zu schweren Angriffen der al Shabaab auf Janaale (am 1.9.2015) (UNSC 8.1.2016) und Leego (am 26.6.2015) mit insgesamt rund 100 Toten Soldaten der AMISOM und zahlreichen Vermissten (BFA 10.2015; vgl. UNSC 8.1.2016, EASO 2.2016). Als Reaktion auf diese Angriffe begann AMISOM mit einer Umgruppierung, wobei einige Städte und Ortschaften geräumt wurden, darunter Kurtunwarey, Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley (Lower Shabelle); Buq-Aqabla und Xarar-Lugoole in Hiiraan; und Fidow an der Grenze zu Middle Shabelle. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch Qoryooley und Wanla Weyne blieben über Tage ohne permanente Truppen der AMISOM (allerdings mit Besatzungen der somalischen Armee). Insgesamt ist einzelnen, exponierten und schwach besetzten Außenposten ein permanenter Status abzusprechen. Spätestens seit dem Angriff der al Shabaab auf den AMISOM-Stützpunkt in Leego werden einzelne Orte zugunsten einer Konzentration von Truppen in größeren Stützpunkten aufgegeben, teilweise wurde der Schutz an die - nur eingeschränkt widerstandsfähige - somalische Armee übertragen (BFA 10.2015).

Es ist nicht möglich, zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der al Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/Zentralsomalia verfügt al Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer (DIS 9.2015). Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als Inseln auf dem Gebiet der al Shabaab umschrieben werden (BFA 10.2015; vgl. DIS 9.2015). Jedenfalls verfügt al Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung asymmetrische Kriegsführung (hit-and-run-Angriffe, Sprengstoffanschläge, gezielte Attentate) anzuwenden. Es gibt in allen Regionen in Süd-/Zentralsomalia Gebiete, wo al Shabaab Präsenz und Einfluss hat, und wo sie die lokale Bevölkerung zu Steuerzahlungen zwingt. Die Bastion der al Shabaab ist dabei die Region Middle Juba (DIS 9.2015).

Die Sicherheitslage in von der Regierung kontrollierten Städten bleibt also volatil (HRW 27.1.2016). Al Shabaab ist nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 24.2.2016). Bei aller Fragilität der Lage hat aber auch UNHCR festgestellt, dass es Zeichen zunehmender Stabilität gibt (UNHRC 28.10.2015). Seitens der Regierung, AMISOM und der internationalen Gemeinde gibt es Anstrengungen, die neu eroberten Bezirke zu stabilisieren. So wurden etwa nach Diinsoor unmittelbar Verwaltungsbeamte entsendet (UNSC 11.9.2015). Dass al Shabaab unter den gegenwärtigen Umständen Städte zurückerobert, in denen starke Garnisonen ("strongholds") der AMISOM stationiert sind, ist sehr unwahrscheinlich (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016

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BFA - BFA Staatendokumentation (10.2015): Analyse zu Somalia:

Lagekarten zur Sicherheitslage, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329638_soma-analyse-lagekarten-2015-10-12-endversion.pdf, Zugriff 23.3.2016

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

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UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

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UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

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UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

1.1.1. Interim Juba Administration (IJA; Gedo, Lower und Middle Juba)

Mehrere wichtige Städte auf dem Gebiet der IJA sowie große Teile des Hinterlandes befinden sich noch unter Kontrolle der al Shabaab, z.B. Buale, Jilib und Jamaame. Auf dem Gebiet der IJA kommt es zu v.a. kleineren Angriffen und Hinterhalten der al Shabaab auf somalische Armee und AMISOM sowie auf die Kräfte der IJA. Dabei gibt es auch zivile Opfer. Im Hinterland, das sich unter Kontrolle der al Shabaab befindet, kommt es auch zu Luftschlägen gegen die Terroristen (EASO 2.2016).

Im nördlichen Teil der IJA kommt es v.a. in Garbahaarey zu Spannungen. Außerdem gibt es in diesem Landesteil zahlreiche Clanmilizen, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Neben der somalischen Armee und AMISOM finden sich dort als weitere Akteure die äthiopische Armee, Kräfte der Verwaltung von Jubaland, Reste der Ahlu Sunna Wal Jama'a (im Raum Luuq) und eine Marehan-Miliz (entlang der Grenze). Al Shabaab kontrolliert den ländlichen Raum im Gebiet Baardheere und Buurdhuubo sowie im Süden von Belet Xawo (EASO 2.2016).

Mit der Regierung verbündete Kräfte (Armee, AMISOM, Äthiopien) kontrollieren fast alle wichtigen Städte von Gedo. Der Bezirk Luuq wird als relativ sicher beschrieben. Dies gilt auch für die Stadt Doolow (EASO 2.2016). In Ceel Waaq und Luuq hat sich die Lage in der Vergangenheit verbessert (BFA 10.2015).

Größere Garnisonen der AMISOM befinden sich in Doolow, Luuq, Bulo Xawo, Garbahaarey, Ceel Waaq und Baardheere (Gedo); sowie in Dif, Dhobley, Tabta, Afmadow, Kismayo und Badhaade (Lower Juba). Die Region Middle Juba befindet sich zur Gänze unter Kontrolle der al Shabaab (EASO 2.2016).

In der Hauptstadt der IJA, Kismayo, stieg die Zahl terroristischer Aktivitäten nach der Befreiung im Jahr 2012 konstant an und erreichte im Quartal Q4 2013 ihren Höhepunkt. Seither sind die Zahlen gezielter Attentate und Sprengstoffanschläge konstant zurückgegangen (BFA 10.2015).

In Kismayo kam es im Oktober 2015 zu Auseinandersetzungen zwischen Kräften der IJA und der somalischen Armee. Außerdem gibt es in der Stadt ein großes Potential für Clankonflikte. Die al Shabaab hat in Kismayo eine verdeckte Präsenz, während die Stadt und der nähere Umkreis von den Kräften der IJA, der somalischen Armee und AMISOM kontrolliert wird (EASO 2.2016).

Quellen:

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BFA - BFA Staatendokumentation (10.2015): Analyse zu Somalia:

Lagekarten zur Sicherheitslage, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329638_soma-analyse-lagekarten-2015-10-12-endversion.pdf, Zugriff 23.3.2016

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

1.1.2. Bakool, Bay

Al Shabaab ist in Bay und Bakool weiterhin aktiv, hat Präsenz und Einfluss. Es kommt zu Hinterhalte auf Militärkonvois und zu meist kleiner

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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