TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/20 W185 2166977-1

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Veröffentlicht am 20.02.2019
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Entscheidungsdatum

20.02.2019

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W185 2166977-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2017, Zl. 1156744201-170715899, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz

BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid wird behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 18.06.2017 den Antrag, ihm in Österreich internationalen Schutz zu gewähren.

EURODAC-Treffermeldungen zufolge wurde der Beschwerdeführer am

27.02.2016 in Italien erkennungsdienstlich behandelt (IT2.........)

und suchte dort am 02.03.2016 auch um Asyl an (IT1............). Am

24.11.2016 stellte der Beschwerdeführer in der Schweiz einen Antrag

auf internationalen Schutz (CH1..............).

Am 19.06.2017 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen und gab hierbei zusammengefasst an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und keine Medikamente einnehmen zu müssen. In Österreich oder einem anderen EU-Staat habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen. Ein bestimmtes Zielland habe er bei Ausreise aus der Heimat nicht gehabt. Er habe die Heimat im Februar 2016 mittels PKW verlassen und sei über Niger und Libyen nach Italien gelangt, wo er sich etwa 6 Monate aufgehalten auch um Asyl angesucht habe. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer in die Schweiz gereist, wo er ebenfalls um Asyl angesucht habe. Er sei weder in Italien noch in der Schweiz zum 2. Interview gegangen. Der Verfahrensstand sei ihm weder in Italien noch in der Schweiz bekannt. Er sei überall gut behandelt worden. Die Schweiz habe den Beschwerdeführer nach 3 Monaten Aufenthalt nach Italien rücküberstellt. In Italien sei er bei seinem ersten Aufenthalt in einem Lager untergebracht gewesen; nach der Rückkehrt aus der Schweiz sei dem Beschwerdeführer der Zugang zum Lager aber verwehrt worden. Er habe dann in Italien auf der Straße leben müssen. Falls er in Italien einen Lagerplatz erhalten würde, werde er dorthin zurückgehen. .

Am 21.06.2017 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (infolge Dublin III-VO) an Italien; dies unter Hinweis auf den vom Beschwerdeführer behaupteten Reiseweg bzw die Aufenthalte in Italien und der Schweiz sowie der Eurodac-Treffermeldungen.

Die österreichische Dublin-Behörde wies Italien mit Schreiben vom 07.07.2017 auf die Verfristung und die dadurch nunmehr bestehende Zuständigkeit Italiens für die Führung des gegenständlichen Asylverfahrens hin; dies beginnend mit 06.07.2017.

Am 19.07.2017 fand - in Anwesenheit eines Rechtsberaters und nach durchgeführter Rechtsberatung - eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Hiebei gab dieser im Wesentlichen an, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. In Österreich bzw sonst in der EU habe er keine Familienangehörigen oder Verwandte. Die Angaben zum Reiseweg würden der Wahrheit entsprechen. Es sei richtig, dass der Beschwerdeführer im März 2016 in Italien einen Asylantrag gestellt habe. Er sei zwar nicht zum Interview gegangen, habe jedoch einen Aufenthaltstitel erhalten (Permesso die Soggiorno); wann genau, könne er sich nicht erinnern. ER habe ihn auf der Zugfahrt in die Schweiz verloren. Dies habe er bei der Erstbefragung nicht erwähnt, da er nicht danach gefragt worden sei. Über Vorhalt der beabsichtigten Zurückweisung des Antrages und der Zuständigkeit Italiens, erklärte der Beschwerdeführer, in Italien nach seiner Rückkehr aus der Schweiz auf der Straße habe schlafen müssen. Er habe auch ein Problem mit seinem Auge bekommen. Er habe dann einen Mann getroffen, welcher ihm Hilfe versprochen hätte. Dieser Mann hätte jedoch in der Folge sexuelle Handlungen am Beschwerdeführer ausführen wollen; als der Beschwerdeführer dies abgelehnt hätte, sei er vom Genannten am Arm verletzt worden. In der Folge sei der Beschwerdeführer weggelaufen. Den Vorfall habe er zur Anzeige bringen wollen, doch sei er immer wieder weggeschickt worden. Nach Italien zurückkehren könne der Beschwerdeführer nicht, da er dort "kein normales Leben führen" könne. Auch ahbe er in Österreich bereits Freunde gefunden.

Im Akt findet sich eine Überweisung an einen Facharzt für Augenheilkunde mit der Diagnose Visusminderung und dem Ersuchen um Brillenanpassung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Artikel 18 Abs. 1 lit b iVm Art 25 Abs 2 Dublin III-VO Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen den Bescheid des Bundesamtes richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher vorgebracht wurde, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Italien nicht an die geforderten unions- und völkerrechtlichen Standards heranreichen und systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens bestehen würden. Die Länderfeststellungen würden nicht die tagesaktuellen Gegebenheiten wiederspiegeln; die Praxis weiche weit von der Theorie ab. Die Situation von Dublin-Rückkehrern sei menschenrechtlich höchst bedenklich. Italien sei mit dem Massenzustrom von Flüchtlingen überfordert. Der Beschwerdeführer habe über die Probleme in Italien bereits berichtet; insbesondere hätte er dort keine Unterkunft mehr gehabt. Vor allem Dublin-Rückkehrer hätten Probleme bei der Unterbringung und dem tatsächlichen Zugang zu medizinischer Versorgung. Das italienische Asylwesen sei durch das Vorliegen systemischer Mängel gekennzeichnet. Österreich wäre demnach gehalten gewesen, den Selbsteintritt zu erklären. Es werde beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Mit E-Mail vom 26.09.2017 teilte das Bundesamt mit, dass das Verfahren des Beschwerdeführers aufgrund unbekannten Aufenthalts ausgesetzt worden sei.

Mit Schreiben vom 07.02.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das Bundesamt, sich zum möglichen Ablauf der Überstellungsfrist zu äußern.

Mit E-Mail des Bundesamtes vom selben Tag wurde das BVwG darüber informiert, dass die Überstellungsfrist am 06.01.2019 abgelaufen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Obwohl unzweifelhaft die Zuständigkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers vorlag, erfolgte dessen Überstellung nicht binnen der in Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO festgelegten Frist von achtzehn Monaten, konkret bis zum Ablauf des 06.01.2019. Das Verfahren wurde aufgrund unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers ausgesetzt und es kam zu einer Fristverlängerung im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf achtzehn Monate.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere auch aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren.

Die Feststellungen zum Untertauschen des Beschwerdeführers basieren auf einem entsprechenden Schreiben des Bundesamtes vom 26.09.2017 und vom BVwG veranlasste Abfragen aus dem Zentralen Melderegister (zuletzt vom 07.02.2019).

Dass eine fristgerechte Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien nicht erfolgt ist, ergibt sich aus einer entsprechenden Mitteilung seitens des Bundeamtes vom 07.02.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 21 (3) BFA-VG: Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:

Art 20

Einleitung des Verfahrens

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

...

Art 23

Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung im ersuchenden Mitgliedstaat

...

(2) Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen.

...

Artikel 25

Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochengemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Artikel 29 Dublin III - VO: Modalitäten und Fristen

(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez- passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."

...

Artikel 42 Berechnung der Fristen

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:

a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.

b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten.

Auf Grund des Wiederaufnahmegesuchs Österreichs gem. Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO an Italien vom 21.06.2017, der Nichtbeantwortung des Gesuchs durch die italienische Dublinbehörde und somit des Vorliegens von Verfristung gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO, endete die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 iVm Art 42 lit b Dublin III-VO grundsätzlich mit Ablauf des 06.01.2019.

Der Beschwerdeführer war spätestens seit dem 14.08.2017 unbekannten Aufenthaltes; eine Aussetzung des Verfahrens bzw eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate hat stattgefunden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist somit die auf achtzehn Monate verlängerte Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bereits abgelaufen. Die Verfristungsbestimmungen der Dublin III-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang bzw. eine Zuständigkeitsbegründung des die Überstellung nicht während dieser Frist durchführenden Mitgliedsstaates.

Ein Übergang der Zuständigkeit hat im gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und ist Österreich demnach nunmehr für die Führung des materiellen Verfahrens des Beschwerdeführers zuständig. Dementsprechend war der gegenständliche, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende, Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen.

In diesem Zusammenhang bleibt noch anzuführen, dass die in Art 29 Abs 1 und 2 Dublin III-VO normierte Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat eine zwingende Frist ist (siehe EuGH 25.10.2017, Rs C-201/16 Shiri), bei deren Nichteinhaltung die Zuständigkeit, ohne dass dies von der Reaktion des zuständigen Mitgliedstaates abhängig wäre, auf den ersuchenden Staat übergeht. Darauf kann sich auch ein Antragsteller berufen (VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0081).

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen treffen Art. 29 Dub III-VO und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare eindeutige Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung,
Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W185.2166977.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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