Entscheidungsdatum
21.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W272 2152925-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit XXXX , vertreten durch BH Leibnitz, vertreten durch Caritas Graz, gegen den Bescheid des BUNDESAMTES FÜR FREMDENWESEN UND ASYL, Regionaldirektion Steiermark vom 08.03.2017, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde des XXXX wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides gem. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis 21.02.2020 erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde wird der Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär und schleppergestützt in Österreich ein und stellte am 09.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG)
2. Bei der am 11.12.2015, erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er unter Verwendung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei im Iran geboren und habe 5 Jahre eine Grundschule besucht. Seine Eltern und 3 Geschwister (1 Bruder und 2 Schwestern) seien noch immer im Iran. Er sei von Iran über die Türkei nach Griechenland, wo er einen Landesverweis erhielt, über unbekannte Länder nach Österreich geflüchtet. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem.
Als Fluchtgrund gab er an, dass er nicht wisse, warum seine Eltern Afghanistan verließen. Den Iran habe er verlassen, da sein Vater unbekannten Männer Geld schulde und sie ihn dadurch in den Brunnen warfen. Sein Vater sei seitdem gelähmt und die ganze Familie sei von diesen Leuten geschlagen worden. Sie seien nicht zur Polizei gegangen, da sie bedroht worden seien. Deshalb habe sein Vater ihn nach Österreich geschickt, damit die ganze Familie nachkommen kann.
3. Bei seiner Einvernahme am 19.10.2017 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass seine bisherigen Angaben im Verfahren der Wahrheit entsprechen und brachte im Wesentlichen Folgendes vor:
Er sei nie in Afghanistan gewesen. Er und seine Familie hätten Feinde im Iran.
Die Einvernahme wurde abgebrochen, da der BF einen afghanischen Dolmetscher wollte.
4. Bei seiner Einvernahme am 31.01.2018 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass seine bisherigen Angaben im Verfahren der Wahrheit entsprechen und brachte im Wesentlichen Folgendes vor:
Seine Familie sei in den Iran gezogen, da sein Vater Probleme mit den verstorbenen Großeltern hatte. Sie haben in Daikundi gelebt.
Zur Flucht gab er an:
Er sei im Iran geboren und habe in Quom an der Adresse Falak-e-Police Wohnung 3 in der Gasse 8 gelebt. Mit seinem Vater, seiner Stiefmutter, seiner Schwester Fatima, der Halbschwester Sakina und dem Halbbruder Rohullah. Sein Onkel und er haben die Familie versorgt. Sein Vater sei gelähmt. Seine Mutter lebe in Schweden. Sein Vater sei Brunnenbauer gewesen und seine Auftraggeber hätten ihm Geld geschuldet. Als er das Geld gefordert habe, sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen und sein Vater sei in den Brunnen gestoßen worden. Der BF sei damals 8 Jahre alt gewesen. Sein Vater habe den Täter anzeigen wollen, da er jedoch von diesem bedroht worden sei, habe er dies unterlassen. Sie hätten diesen Täter jedoch längere Zeit nicht mehr gesehen. Ein paar Jahre später, habe der Vater zum BF gesagt, er solle ausreisen, da er vor Ort keine Zukunft habe und nur fünf Jahre die Schule besucht habe. Das Geld sei von Freunden und Verwandten. Der BF solle später seiner Familie helfen.
Der BF habe in einer Sandalenfabrik gearbeitet. Seine Stiefmutter und seine Schwester Teppiche geknüpft. Seine Mutter sei nach Schweden gegangen und dann zurück nach Afghanistan. Er glaube sie sei Polizistin. Zu seiner Familie im Iran habe er Kontakte.
In Afghanistan kenne er niemanden.
Folgende Unterlagen liegen vor:
Befundbericht von Dr. TRABI Thomas, v. 16.01.2017, Diagnose:
Posttraumatische Belastung mit depressiver Symptomatik und St.p. Autoaggression. Gerichtsauflage alle 6 Monate den Psychiater zu besuchen. Keine Medikamente. Keine Gefährdung im Sinne des UbG.
Kontrollbestätigung: 22.12.2016, 12.01.2017.
Pädagogische Stellungnahme des AIS Jugendservice vom 27.01.2017
Ärztlicher Entlassungsbrief vom 18.11.2016 (alkoholisiert, nicht einsichtig und paktfähig, akute Selbst- und Fremdgefährdung nicht ausschließbar)
Ärztlicher Entlassungsbrief vom 30.05.2016 (suizidales Verhalten - alkoholisiert).
Kurzarztbrief vom 29.01.2017: (alkoholisiert-akute Selbstgefährdung)
5. Stellungnahme zur Einvernahme vom 31.01.2017, in der vorgebracht wurde, dass der BF aufgrund der Zugehörigkeit zur besonders vulnerablen sozialen Gruppe der verlassenen Kinder in Afghanistan als Flüchtling anzusehen sei. Der BF sei nie in Afghanistan gewesen und habe dort keine Verwandte. Weiters sei er Hazara und würde aufgrund seines Auftretens und seiner Sprache als westlich orientiert und "unafghanisch" eingestuft und verfolgt werden. Auch die Gefahr einer Zwangsrekrutierung wäre gegeben. Aufgrund der Sicherheitslage in Kabul, wäre auch eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht möglich. Seine medizinischen Befunde zeigen auf, dass eine entsprechende Versorgung in Afghanistan nicht möglich sei und daher eine Verletzung in der in Art. 3 EMRK gewährleisteten Recht drohe. Mit vorgelegt wurden die Aufenthaltsberechtigungskarten der Familienmitglieder im Iran und die Geburtsurkunde des jüngsten Bruders.
5. Mit Bescheid vom 08.03.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt II) ab und erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG (Spruchpunkt III.). Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung vorübergehend als unzulässig festgestellt (Spruchpunkt III).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF, zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es wurden kein Verfolgungsgründe zum Herkunftsstaat festgestellt. Die Situation im Herkunftsstaat sei nicht so schlecht, dass eine Rückkehr generell als unmöglich einzustufen wäre. Die Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs sei gegeben. Der BF würde in keine ausweglose Situation geraten. Der BF befinde sich seit Dezember 2016 in Österreich und habe keine verwandtschaftlichen Bindungen in Österreich. Es gibt keine Anhaltspunkte die gegen eine dauernde Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung stehen. Da der BF jedoch der Schulpflicht unterliegt und bereits am laufenden Schulbetrieb teilnehme sei eine Rückkehrentscheidung bis zum 08.07.2017 als vorübergehend unzulässig einzustufen. Der Aufenthalt sei daher geduldet.
6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein. In der Beschwerdebegründung wurde die Ermittlungstätigkeit des BFA kritisiert und moniert, dass sich die Behörde viel zu wenig mit dem Faktum auseinandergesetzt hat, dass der BF minderjährig ist, nie in Afghanistan war und dort auch keine Verwandten hat. Weiters habe er keine Schul- oder Berufsausbildung und wäre auf sich alleine gestellt. Er gehöre weiters der von den Eltern verlassenen Kinder/verwaisten Kinder an und daher einer sozialen Gruppe, welcher die Flüchtlingseigenschaft gem. GFK anzuerkennen ist. Auch durch seine Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara sei die Gefahr einer Verfolgung wahrscheinlich und er daher einer Diskriminierung ausgesetzt. Die Sicherheitslage in Daikundi aber auch in Kabul lasse eine Rückkehr nicht zu. Es sei daher auch eine IFA nicht zumutbar.
7. Der BF wurde
am 07.10.2016 von einem Bezirksgericht wegen dem Vergehen der Sachbeschädigung mit Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (Probezeit 2 Jahre) und Anordnung einer Bewährungshilfe
sowie
am 12.12.2016 von einem Landesgericht wegen dem Vergehen der Gefährlichen Drohung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten, bedingt (Probezeit 3 Jahre) unter Anordnung einer Bewährungshilfe
sowie
am 19.06.2017 von einem Landesgericht wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift im öffentlichen Verkehr, versuchten Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Verleumdung, versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, davon 7 Monate bedingt (Probezeit 3 Jahre)
sowie
am 01.02.2018 von einem Landesgericht wegen des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung und Körperverletzung, Besitz und Konsum von Suchtgift, versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten
sowie
am 05.04.2018 von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens der Körperverletzung
verurteilt.
8. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 13.04.2017 vom BFA vorgelegt.
9. Mit Einladung zur mündlichen Verhandlung wurden dem BF und dem Vertreter die aktuellen Länderinformationen vorab mitübermittelt.
10. Mit Schreiben vom 03.12.2018 teilte das BFA mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werden und beantragt die Abweisung der Beschwerde.
11. Am 03.01.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt. Der BF wurde beauftragt bis 10.01.2019 eine Aufenthaltskarte der Angehörigen (Iran), die Arztbestätigung betreffend seinen Vater und den Bruder, Zeugnisse aus der eigenen Schulzeit sowie Abgabe einer Stellungnahme zu den eingebrachten LIB Stand 29.06.2019 letzte Kurzinformation vom 23.11.2018 und der aktuellen UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018 vorzulegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, der mündlichen Verhandlung am 03.01.2018 vor dem BVwG und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in Afghanistan, wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:
1.1. Zur Person:
Der BF reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 09.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF führt den Namen XXXX , er wurde am XXXX im Iran geboren und ist dort aufgewachsen. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF ist Dari, weiters spricht er Farsi und verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Seine Sprache hat einen leichten iranischen Akzent. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Verwandte in Afghanistan hat. Sein Vater ist krank und lebt mit seinen Geschwistern im Iran. Sein Vater stammte aus Daikundi und seine Mutter aus Kabul.
Der BF hat eine fünfjährige Schulausbildung in einer iranischen Schule abgeschlossen und eine Berufserfahrung als Hilfsarbeiter im Schuhbereich.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF lebte bis zur Ausreise mit seinem Vater seiner Stiefmutter, zwei Schwestern und einem Bruder in Quom (Iran), ein Bruder wurde geboren, als er in Österreich eingereist ist. Seine Familie lebt noch immer in diesem Ort. Seine leibliche Mutter ist mit einer älteren Schwester aus dem Iran geflüchtet. Der BF selber war nie in Afghanistan und verfügt über keine Ortskenntnisse in Afghanistan. Er hatte im Iran Kontakt zu den Iranern, aber auch zu den Afghanen und kennt teilweise deren Kultur. Der BF verfügt über keinen Familienanschluss in Afghanistan.
Aufgrund der schlechten gesundheitlichen Situation des Vaters musste der Onkel beim Verdienst des Lebensunterhaltes mitunterstützen.
Der BF ist grundsätzlich seinem Alter entsprechend entwickelt und hatte psychische Probleme und war unter Alkoholeinfluss einer Gefahr der Selbst- oder Fremdverletzung ausgesetzt. Er nimmt zurzeit keine Medikamente zu sich und ist gesund und arbeitsfähig, machte jedoch einen labilen Eindruck.
Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, er hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.
Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen. Er hat in Österreich einen Deutschkurs besucht und spricht etwas Deutsch. Er besuchte eine Schule in Graz.
Der BF hatte in Österreich mehrere strafrechtliche Delikte (Vergehen) begangen.
Verurteilung vom 07.10.2016 BG LEIBNITZ (Ausspruch der Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren)
* Sachbeschädigung gem. § 125 StGB
Verurteilung vom 12.12.2016 LG F. Strafsachen GRAZ (Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit für drei Jahre nachgesehen)
* Gefährliche Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB
Verurteilung vom 19.06.2017 LG F. Strafsachen GRAZ (Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, Teil der Strafe in der Dauer von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen)
* versuchte Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB
* Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB
* Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB
* Sachbeschädigung nach § 125 StGB
* teils versuchter Diebstahl nach §§ 15, 127 StGB
* unerlaubter Umgang mit Suchtgift nach § 27 Abs. 2a erster FALL SMG, § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG und § 27 Abs. 1 zweiter Fall Abs. 2 SMG
Verurteilung vom 01.02.2018 LG F Strafsachen Graz (Freiheitsstrafe 8 Monate)
* versuchte schwere Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 2 StGB
* versuchte Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB
* versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB
* unerlaubter Umgang mit Suchtgift nach § 27 Abs. 2 SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG und versucht nach § 27 Abs. 2a SMG
Verurteilung vom 05.04.2018 BG GRAZ-WEST (keine Zusatzstrafe unter Bedachtnahme vom Urteil v. 01.02.2018
* Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB
Eine Tätowierung konnte nicht festgestellt werden.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF war nie in Afghanistan. Der BF verließ den Iran, da er dort in einer wirtschaftlichen schlechten Lage war und sein Vater ihn nach Europa schickte um ein besseres Leben zu haben, sowie die Familie nachziehen zu lassen.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF wegen Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt gewesen wäre.
1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland.
Im Fall einer Rückkehr in sein Herkunftsland besteht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass der BF in Afghanistan keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.
Dem BF steht zurzeit keine innerstaatliche Fluchtalternative wie in Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung. Eine Unterstützung in Afghanistan durch seine Familie aus dem Iran kann nicht erfolgen.
Eine Verfolgung aufgrund der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher oder dritter Seite kann nicht festgestellt werden.
1.4. Zum Herkunftsstaat:
Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationblatt, welches auch für die Feststellungen des BFA verwendet wurden.
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Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformation:
KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer
Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für
Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der
Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI
der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.
Zivile Opfer:
Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).
Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:
davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018). Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).
Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).
Quellen:
-
AAN - Afghanistan Analysts Network (26.10.2018): Before Election
Day Three: Looking at
Kandahar's upcoming vote,
https://www.afghanistan-analysts.org/before-election-day-threelooking-
at-kandahars-upcoming-vote/, Zugriff 29.10.2018
-
AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018a): Election Day One (Evening Update): Voter
determination and technical shambles, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-oneevening-
update-voter-determination-and-technical-shambles/ Zugriff 22.10.2018
-
AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018b): Election Day Two: A triumph of administrative
chaos,
https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-two-a-triumph-of-administrative-chaos/,
Zugriff 22.10.2018
-
AAN - Afghanistan Analysts Network (20.10.2018): Election Day One:
A rural-urban divide
emerging,
https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-one-a-rural-urban-divide-emerging/,
Zugriff 22.10.2018
-
AFP - Agence France Presse (20.10.2018): Nearly 170 casualties as violence rocks chaotic
Afghan elections,
https://www.afp.com/en/news/15/nearly-170-casualties-violence-rocks-chaoticafghan-
elections-doc-1a599v9, Zugriff 22.10.2018
-
AJ - Al Jazeera (19.10.2018): Afghanistan: Kandahar elections delayed by a week after killings,
https://www.aljazeera.com/news/2018/10/afghan-election-polls-kandahar-delayed-week-
181019082632025.html Zugriff 22.10.2018
-
CNN - Cable News Network (27.10.2018): Kandahar goes to the polls in Afghan parliamentary
vote delayed by violence,
https://edition.cnn.com/2018/10/27/asia/afghan-elections-kandahar-intl/
index.html, Zugriff 29.10.2018
-
LS - La Stampa (21.10.2018): Ancora sangue sul secondo giorno di voto in Afghanistan,
http://www.lastampa.it/2018/10/21/esteri/ancora-sangue-sul-secondo-giorno-di-voto-inafghanistan-
quhK2AP00HBuCKGBEHU8TN/pagina.html, Zugriff 22.10.2018
-
RN - Rainews (21.10.2018): Chiusi I seggi in Afghanistan, 4 milioni al voto nonostante gli attacchi
dei Talebani,
http://www.rainews.it/dl/rainews/articoli/Chiusi-i-seggi-in-Afghanistan-4-milioni-alvoto-
nonostante-gli-attacchi-52f120d0-cda8-4c1c-b469-363549cb767c.html, Zugriff 22.10.2018
-
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018),
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_
3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf, Zugriff 25.10.2018
.
KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:
Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).
Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).
Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).
Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).
Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).
Wahlen
Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).
Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichnet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).
Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).
KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (Sicherheitslage)
Anschläge in Nangarhar 11.9.2018
Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demonstration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheliegenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).
Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).
IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018
Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b)
IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018
Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).
Politische Lage:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).
Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).
Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).
Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).
Parteien:
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018). Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).
Parteienlandschaft und Opposition:
Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).
Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb- e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).
Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).
Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).
Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unt