TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/25 G314 2193874-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2019
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Entscheidungsdatum

25.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

G314 2193874-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.:

Serbien, vertreten durch XXXX, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt IV. zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 20.04.2016 in XXXX verhaftet, am 22.04.2016 wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2016, XXXX, wurde er wegen Suchtgiftdelikten zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit den Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.04.2016 und vom 29.11.2017 wurde dem BF die Möglichkeit gegeben, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen. Er erstattete keine Stellungnahme. Nach seiner bedingten Entlassung aus der Freiheitsstrafe wurde der BF am 20.04.2018 vor dem BFA unter anderem zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen; anschließend wurde über ihn die Schubhaft verhängt.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt II.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Das Einreiseverbot wurde mit der oben genannten Verurteilung des BF und dem Fehlen sozialer und beruflicher Bindungen in Österreich begründet.

Ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt IV. dieses Bescheids richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu, die Dauer zu reduzieren. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Die Gefährdungsprognose der Behörde sei lückenhaft und inhaltlich falsch. Vom BF gehe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Das BFA habe die Dauer des Einreiseverbots willkürlich und ohne entsprechende Begründung festgelegt. In Anbetracht der konkreten Umstände des Falles hätte es bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Erlassung eines zehnjährigen Einreiseverbots nicht geboten sei.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 27.04.2018 einlangten, und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX in der serbischen Hauptstadt XXXX geboren. Er spricht Serbisch. Er ist ledig, hat weder Kinder noch anderweitige Sorgepflichten und war zuletzt ohne Beschäftigung. Seine Herkunftsfamilie lebt in Serbien.

Der BF schloss 2015 in Serbien die Schule ab und war danach einige Monate erwerbstätig. In seinem Herkunftsstaat wohnte er zuletzt in Zemun, einem Stadtbezirk von XXXX. Wegen seiner angespannten finanziellen Situation entschloss er sich dazu, in Österreich als Mitglied einer grenzüberschreitend tätigen kriminellen Vereinigung Drogen zu verkaufen, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. In Umsetzung dieses Plans reiste er Anfang 2016 in das Bundesgebiet ein, wo er sich ohne Wohnsitzmeldung aufhielt, und schloss sich der kriminellen Vereinigung an, die in XXXX arbeitsteilig große Mengen an Heroin in Verkehr setzte. Nach einer Einschulung in den Heroinverkauf durch ein anderes Mitglied der Tätergruppe war er ab Anfang März 2016 für die Vereinigung als "Läufer" beim Straßenhandel mit Heroin tätig.

Am 20.04.2016 wurde der BF verhaftet und in der Folge in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft angehalten. Seiner Verurteilung mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2016, XXXX, liegt zugrunde, dass er in XXXX von XXXX.2016 bis XXXX.2016 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Heroin in einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das 25-fache übersteigenden Menge (nämlich insgesamt ca. 800 g mit einem Wirkstoffgehalt von 115,12 g reinem Heroin und 7,2 g Monoacetylmorphin) diversen bekannten und unbekannt gebliebenen Abnehmern durch überwiegend gewinnbringenden Verkauf überließ bzw. am 20.04.2016 zu überlassen versuchte, indem er bei der Betretung durch die Polizei 4,4 g Heroin zu Verkaufszwecken bei sich trug. Die Grenzmenge für Heroin und Monoacetylmorphin wurde um mehr als das 40-fache überschritten. Der BF beging dadurch das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, 15 StGB als junger Erwachsener und wurde ausgehend vom Strafrahmen des § 28a Abs 4 SMG (Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren) unter Anwendung von § 19 JGG zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Es handelt sich um seine erste und bislang einzige strafgerichtliche Verurteilung. Bei der Strafzumessung wurden die mehrfache Qualifikation und der Umstand, dass das 25-fache der Grenzmenge um weitere 15 Grenzmengen überstiegen wurde, als erschwerend, das Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel, die Tatbegehung nach Vollendung des 18., aber vor Vollendung des 21. Lebensjahres und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, dagegen als mildernd gewertet. Eine auch nur teilbedingte Strafnachsicht kam wegen der Teilnahme an international organisiertem Suchtgifthandel nicht in Betracht.

Der BF verbüßte die über ihn verhängte Freiheitsstrafe zunächst in der Justizanstalt XXXX und ab XXXX 2016 in der Justizanstalt XXXX. Am XXXX.2018 wurde er bedingt entlassen. Da er während des Strafvollzugs gearbeitet hatte, verfügte er bei seiner Entlassung über Bargeld von ca. EUR 2.000.

Nach der Entlassung aus der Strafhaft wurde der BF in Schubhaft genommen und am 26.04.2018 nach Serbien abgeschoben. Ihm war nie ein österreichischer Aufenthaltstitel erteilt worden; er war hier nie legal erwerbstätig und hat keine in Österreich lebenden Bezugspersonen.

Beweiswürdigung

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF sowie zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen beruhen auf dem Strafurteil und auf seinen Angaben vor dem BFA.

Die Feststellung der Serbischkenntnisse des BF beruht auf seiner Herkunft sowie auf dem Umstand, dass eine Verständigung mit der Dolmetscherin für diese Sprache vor dem BFA problemlos möglich war.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2016, XXXX. Die Rechtskraft dieser Verurteilung wird auch durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen des BF in Österreich aufscheinen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen des BF in anderen Staaten, zumal sein zuvor ordentlicher Lebenswandel als Milderungsgrund berücksichtigt wurde.

Der BF erklärte zwar gegenüber dem BFA, er sei nicht mit der Absicht, Drogen zu verkaufen, in das Bundesgebiet eingereist; die Situation sei "nun mal so gekommen". Dem kann angesichts des zeitlichen Ablaufs und der Feststellungen im Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft, in der Anklageschrift und im Strafurteil nicht gefolgt werden. So geht aus dem Strafurteil hervor, dass der BF noch in Serbien von einem Mann kontaktiert worden sei, der ihm angeboten habe, in XXXX Suchtgift zu verkaufen, und daraufhin in das Bundesgebiet eingereist sei (Urteilseite 4) und dass er sich schon in Serbien entschloss, Mitglied der kriminellen Vereinigung zu werden und Suchtgift in Österreich zu verkaufen (Urteilseite 7).

Der Umstand, dass der BF für eine grenzüberschreitend bzw. international tätige kriminelle Vereinigung tätig war, ergibt sich ebenfalls aus dem Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft, aus der Anklage und aus dem Strafurteil, aus denen hervorgeht, dass der BF in Serbien als Läufer "angeworben" wurde, es sich um eine serbische Tätergruppe handelt, die in XXXX Heroin in Verkehr setzte, und der Preis für das Suchtgift von XXXX aus bestimmt wurde. Die arbeitsteilige Zusammenarbeit der Tätergruppe (einer Organisation aus Suchtgiftlieferanten, Suchtgifttransporteuren und Straßenverkäufern) geht auch aus der Anklageschrift und dem Strafurteil hervor.

Die Festnahme des BF ergibt sich aus dem Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft, der Vorhaftanrechnung laut dem Strafurteil und der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt laut dem Zentralen Melderegister (ZMR).

Der Vollzug der Freiheitsstrafe ergibt sich aus der Wohnsitzmeldung des BF in den Justizanstalten laut ZMR und aus den von der Justizanstalt XXXX am 24.10.2016 bekannt gegebenen Anhaltungszeiten. Die Feststellung der bedingten Entlassung des BF beruht auf dem Strafregister, die zu seinen finanziellen Mitteln auf seinen Angaben gegenüber dem BFA, die aufgrund der Arbeitspflicht im Strafvollzug insoweit glaubhaft sind.

Aus dem ZMR ergibt sich, dass der BF - abgesehen von Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten und im Polizeianhaltezentrum - nie meldeamtlich erfasst. Damit im Einklang ergibt sich aus dem Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft und aus dem Strafurteil, dass er bei seiner Verhaftung in Österreich keine feste Unterkunft hatte.

Die Feststellungen zu den in Serbien lebenden Verwandten des BF werden anhand seiner Angaben getroffen. Anhaltspunkte für nennenswerte familiäre oder private Bindungen im Bundesgebiet bestehen nicht.

Aus dem Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der BF in Österreich nicht legal erwerbstätig war. Dies deckt sich mit dem Umstand, dass er über keinen Aufenthaltstitel in Österreich verfügte, was aus dem Fremdenregister folgt, in dem kein Aufenthaltstitel dokumentiert ist.

Die Abschiebung des BF ergibt sich aus dem Fremdenregister und aus der Mitteilung über die Durchführung der Außerlandesbringung vom 26.04.2018.

Rechtliche Beurteilung:

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien ein Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder ein anderes in Art 8 Abs 2 EMRK genanntes öffentliches Interesse aus, kann gemäß § 53 Abs 3 FPG ein Einreiseverbot für bis zu zehn Jahre verhängt werden. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige von einem Gericht rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten (§ 53 Abs 3 Z 1 erster Fall FPG) oder wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat (§ 53 Abs 3 Z 2 FPG) verurteilt wurde. In bestimmten Fällen kann sogar ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren (§ 53 Abs 3 Z 5 FPG).

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde (vgl VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen sei eine entsprechend schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung und Bestrafung des Betroffenen abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt. Es ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen

(Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12).

In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt hat das BFA zu Recht das Vorliegen des Tatbestands des § 53 Abs 3 Z 1 FPG bejaht. Aufgrund der Verurteilung des BF zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe kann gegen ihn ein Einreiseverbot für höchstens zehn Jahre erlassen werden. Dazu kommt, dass auch die Voraussetzung des § 53 Abs 3 Z 2 FPG erfüllt ist, zumal der BF XXXX 2016 in das Bundesgebiet einreiste und hier ab XXXX 2016 mit Suchtgift handelte. Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, ist vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften (vor allem von "harten" Drogen wie Heroin, mit dem der BF handelte) führt, jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft.

Der Behörde ist auch dahin beizupflichten, dass der Aufenthalt des BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die ein Einreiseverbot erforderlich macht, zumal er als Teil einer international operierenden kriminellen Vereinigung ein äußerst gefährliches Suchtgift in einer übergroßen Menge gewinnbringend verkaufte und so seinen Lebensunterhalt finanzierte. Angesichts seiner tristen finanziellen Lage kann trotz der während des Strafvollzugs angesparten Mittel ein Rückfall nicht ausgeschlossen werden. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz wiederholt festgehalten, dass dies ein besonders verpöntes Fehlverhalten ist, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist (siehe VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249 mwN). An der Verhinderung von Suchtgifthandel der vorliegenden qualifizierten Art besteht ein besonders großes öffentliches Interesse (vgl VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0054). Um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom BF ausgehenden, durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierten Gefährlichkeit ausgehen zu können, bedarf es grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 27.04.2017, Ra 2016/22/0094). Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Zugunsten des BF ist aber zu berücksichtigen, dass er zum ersten Mal strafgerichtlich verurteilt wurde, bei den Straftaten unter 21 Jahre alt war und vorzeitig bedingt entlassen werden konnte, zumal der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft worden war. Dem Erstvollzug ist außerdem eine erhöhte spezialpräventive Wirkung zuzubilligen ist. Das vom BFA in der Höchstdauer von zehn Jahren ausgemessene Einreiseverbot ist daher trotz des Fehlens signifikanter privater oder familiärer Anknüpfungen des BF an das Bundesgebiet überschießend.

Die Dauer des Einreiseverbots ist auf sieben Jahre herabzusetzen, weil dies angesichts des Fehlverhaltens des BF und seiner persönlichen Umstände auch in Anbetracht der besonderen Gefährlichkeit von Suchtgiftkriminalität in der vorliegenden qualifizierten Form angemessen ist. Dadurch bleibt auch die Möglichkeit gewahrt, die Sanktion bei einer allfälligen neuerlichen oder noch schwereren Delinquenz angemessen zu steigern. Insoweit ist der angefochtene Spruchpunkt IV. des Bescheids in teilweiser Stattgebung der Beschwerde abzuändern.

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt hier nicht klärungsbedürftig ist und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Einreiseverbots möglich wäre, kann die (gar nicht beantragte) Beschwerdeverhandlung unterbleiben, zumal in der Beschwerde kein relevantes neues Tatsachenvorbringen erstattet wurde.

Die Revision war nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

Einreiseverbot, Gefährdungsprognose, Herabsetzung, strafrechtliche
Verurteilung, Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2193874.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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