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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art144 Abs1 / PrüfungLeitsatz
Zurückweisung einer Beschwerde gegen das negative Ergebnis einer Prüfung zum Abschluß des Studiums der Rechtswissenschaften mangels Bescheidcharakters von PrüfungsergebnissenSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. In seiner auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, daß er seit 1975 Rechtswissenschaften nach den Bestimmungen der juristischen Rigorosenordnung, RGBl. 57/1872 studiere. Er habe mit Ausnahme des Rigorosums aus österreichischem Strafrecht sämtliche Prüfungen abgelegt, welche zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor iuris nach den bis zum 30. September 1995 geltenden Bestimmungen der "alten Studienordnung" notwendig waren.
Die letzte zur Ablegung vorgeschriebene Prüfung habe er erstmals am 14. Juli 1995 abzulegen versucht, doch wurde diese negativ beurteilt. Auch beim zweiten Antreten am 29. September 1995 sei seine Leistung mit "nicht genügend" beurteilt worden.
Zur Zulässigkeit der Beschwerde, insbesondere zur Frage, ob die beschwerdegegenständliche Prüfungsentscheidung einen Bescheid im Sinne des Art144 Abs1 B-VG darstellt, führt er i.w. folgendes aus:
"Das geltende Studienrecht gibt dem Studierenden gegen eine Reihe von Entscheidungen im Zusammenhang mit Prüfungen einen
formalisierten Rechtsschutz. ... Von diesem Rechtsschutz ist
jedoch der eigentliche Prüfungsakt ... ausgenommen, da die Berufung gegen die Beurteilung einer Prüfung durch §43 Abs2 AHStG für unzulässig erklärt wird. Aus dieser gesetzlichen Bestimmung ist jedoch nach meiner Auffassung nicht abzuleiten, daß Prüfungen keine Bescheide sind, die dem für Bescheide vorgesehenen Rechtsschutzinstrumentarium nicht unterliegen.
Tatsächlich wurde die Qualifikation der Prüfungen als Gutachten von der Lehre in Frage gestellt, die vor allem darauf hinweist, daß auch dann, wenn Prüfungen keine Bescheide im Sinne des AVG wären, sie jedenfalls als Bescheide im verfassungsrechtlichen Sinn angesehen werden müßten ... . In Anbetracht der Entwicklung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, insbesondere dem Erkenntnis des VfGH vom 11.3.1994, B966/93 u.a. erscheint die Bestimmung des §43 Abs2 AHStG verfassungswidrig. Die zitierte Entscheidung des VfGH legt dar, daß Verwaltungsakte, die erhebliche Rechtswirkungen haben, rechtlich nicht als unbekämpfbare Verwaltungsakte konstruiert werden dürfen, weil diesfalls das verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechtssystem leerlaufen würde. Daß es sich nämlich bei der von mir bekämpften Prüfungsentscheidung um einen Verwaltungsakt handelt, der erhebliche Rechtswirkung hat, erscheint unbestreitbar: Gerade in meinem Fall hat die ... rechtswidrige Durchführung der Prüfung dazu geführt, daß ich nach geltendem Recht keine Möglichkeit mehr habe, noch innerhalb des Geltungszeitraumes des §15 RW-StudienG 1978 die letzte Prüfung meines Rigorosenstudiums nach der Rigorosenordnung 1872 abzulegen. Würde die Bestimmung des §43 Abs2 AHStG den Rechtsschutz gegen die negative Prüfungsentscheidung nicht ausschließen ... hätte die Aufhebung der von mir abgelegten negativen Prüfung zur Folge, daß ich nach 'altem Recht' die Prüfung wiederholen könnte. Aufgrund der geltenden Gesetzeslage hat aber das Nichtbestehen der beschwerdegegenständlichen Prüfung für mich dieselbe Wirkung, wie das Nichtbestehen der letzten zulässigen Wiederholung einer Prüfung im Sinne des §30 Abs6 AHStG - sieht man von der Möglichkeit ab, ins 'neue rechtswissenschaftliche Studienrecht' umzusteigen und die damit verbundenen erheblichen zusätzlichen Mühen auf sich zu nehmen. An das Nichtbestehen der letzten zulässigen Wiederholung einer Prüfung knüpft sich der Ausschluß vom Studium ('nach altem Recht'). Es handelt sich daher in der beschwerdegegenständlichen Prüfungsentscheidung um einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen von erheblicher Eingriffsintensität.
Ein derartiger Eingriff ... in mein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Bildung (Art2 1. ZPMRK) i.V. mit der in Art18 StGG garantierten Berufsausbildungsfreiheit muß von Verfassungs wegen als bekämpfbarer Akt ausgestaltet sein und ist daher als Bescheid im Sinne des Art144 Abs1 B-VG zu qualifizieren. Eine andere Qualifikation hätte zur Folge, daß ein Teil der staatlichen Verwaltung befugt wäre, unüberprüfbare rechtserhebliche Akte zu setzen, was aber den rechtsstaatlichen Grundsätzen der österreichischen Bundesverfassung und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht entsprechen würde."
Der Beschwerdeführer beantragt, der gegenständlichen Beschwerde kostenpflichtig stattzugeben, den bekämpften Verwaltungsakt (Prüfungsentscheidung) zu beheben und die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten festzustellen. Er regt weiters die Aufhebung des §43 Abs2 des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes und des §15 des Bundesgesetzes über das Studium der Rechtswissenschaften an.
Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr hat zur vorliegenden Beschwerde Stellung genommen. Darin vertritt er im Anschluß an die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a. Slg. 7350 A/1968) die Auffassung, daß Prüfungsentscheidungen nicht als Bescheide, sondern als Gutachten zu werten seien. Zudem sehe das Studienrecht ein Rechtsschutzinstrument gegen negativ beurteilte Prüfungen vor, das dem Wesen einer Prüfung besser entspräche als eine eventuelle Berufung gegen einen Bescheid: Gemäß §30 Abs1 AHStG dürfen nicht bestandene Einzelprüfungen, Teilprüfungen einer Gesamtprüfung, Prüfungsarbeiten oder wissenschaftliche Arbeiten dreimal, nicht bestandene kommissionelle Prüfungen zweimal wiederholt werden. Im zweiten und dritten Studienabschnitt ist jeweils eine weitere Wiederholung dieser Prüfungen zulässig. Die Juristische Rigorosenordnung geht ebenfalls davon aus, daß ein Rigorosum dreimal wiederholt werden darf. Im übrigen verteidigt der Bundesminister die Verfassungskonformität der vom Beschwerdeführer als verfassungswidrig gerügten studiengesetzlichen Regelungen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden, sofern ein solcher in Betracht kommt.
2. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Verwaltungsakt dann ein Bescheid, wenn er gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn er also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat (VfSlg. 8744/1980).
Die Beschwerde richtet sich gegen das negative Ergebnis einer Prüfung. Wie der Verfassungsgerichtshof schon in der Vergangenheit zu Recht erkannt hat (vgl. VfSlg. 11252/1987), sind weder die mündliche noch die schriftliche Verkündung des Prüfungsergebnisses als Erlassung eines Bescheides, sondern als die Bekanntgabe eines Gutachtens anzusehen, an das in der Regel bestimmte - ex lege eintretende - Rechtsfolgen geknüpft sind (so bereits VwSlg. 7350 A/1968 und die dort angeführte Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Gerade im vorliegenden Zusammenhang ist dabei grundsätzlich auf die Rechtsschutzmöglichkeiten hinzuweisen, die sich aus §30 AHStG ergeben. Demnach ist bei nicht bestandener Prüfung die Zulassung zu Wiederholungsprüfungen vorgesehen, worüber im Einzelfall ein bescheidmäßiger Abspruch begehrt werden kann.
3. Die Beschwerde ist daher wegen Fehlens der Prozeßvoraussetzungen zurückzuweisen.
Bei diesem Ergebnis ist auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Bescheidbegriff, Hochschulen, PrüfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B3474.1995Dokumentnummer
JFT_10029688_95B03474_00