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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art49 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamts Braunau Ried Schärding in 4780 Schärding, Gerichtsplatz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 16. Juli 2018, Zl. RV/5101960/2017, betreffend Normverbrauchsabgabe 6/2014 und Kraftfahrzeugsteuer 4-12/2014 (mitbeteiligte Partei: A S in F), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheiden vom 27. Oktober 2015 setzte das revisionswerbende Finanzamt gegenüber der Mitbeteiligten Normverbrauchsabgabe für 6/2014 für ein näher bezeichnetes Fahrzeug sowie einen Verspätungszuschlag fest. Mit Bescheid vom gleichen Tag schrieb das revisionswerbende Finanzamt der Mitbeteiligten für dieses Fahrzeug die Kraftfahrzeugsteuer für 4- 12/2014 vor.
2 Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass das streitgegenständliche Fahrzeug seinen dauernden Standort in Österreich habe. Es werde von der Mitbeteiligten und deren Ehegatten für Fahrten von und zur Arbeitsstelle in Deutschland verwendet. Aus dem Fahrtenbuch gehe hervor, dass die privat veranlassten Fahrten gegenüber den geschäftlichen Fahrten bei weitem überwiegen würden. Aus diesem Grund hätte das Fahrzeug kraftfahrrechtlich in Österreich zugelassen werden müssen, sodass die vorgeschriebenen Abgaben zu entrichten seien.
3 In ihrer Beschwerde vom 22. November 2015 brachte die Mitbeteiligte zusammengefasst vor, der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen liege in Deutschland. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei auf das von ihr und ihrem Ehegatten gemeinsam betriebenen, in Deutschland ansässigen Unternehmen zugelassen und werde zu mehr als 90% außerhalb des österreichischen Hoheitsgebiets verwendet. Die Vorschreibung der Normverbrauchsabgabe und der Kraftfahrzeugsteuer sei daher zu Unrecht erfolgt. Im Übrigen sei beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren dazu anhängig, ob die erlaubte "1-Monats-Frist" (gemäß § 82 Abs. 8 KFG) beim Verlassen des österreichischen Hoheitsgebiets und anschließender Wiedereinreise wieder neu zu laufen beginne.
4 Mit Erkenntnis vom 16. Juli 2018 gab das Bundesfinanzgericht - nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung durch das revisionswerbende Finanzamt und einem Vorlageantrag der Mitbeteiligten - der Beschwerde Folge und hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
5 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Mitbeteiligte sei deutsche Staatsbürgerin und habe ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Auch ihr Ehegatte und ihre beiden Kinder seien deutsche Staatsbürger. Die Mitbeteiligte und ihr Ehegatte seien in Deutschland nichtselbständig tätig; die Kinder studierten in Deutschland. Weiters betreibe die Mitbeteiligte gemeinsam mit ihrem Ehegatten in Deutschland eine Hausverwaltung. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei seit dem 5. Juni 2014 "auf diese Hausverwaltungsfirma in Deutschland zugelassen". Auf die Revisionswerberin seien in Österreich im streitgegenständlichen Zeitraum auch zwei PKW zugelassen. Aufgrund der beruflichen und privaten Verhaltensweisen der Mitbeteiligten sei das streitgegenständliche Fahrzeug nie länger als einen Monat ununterbrochen in Österreich verblieben. Schon allein dieser Umstand sei entscheidungswesentlich, habe der Verwaltungsgerichtshof doch in seinen Erkenntnissen vom 21. November 2013, 2011/16/0221, und vom 25. April 2016, Ro 2015/16/0031, ausgesprochen, dass die in § 82 Abs. 8 KFG 1967 normierte Monatsfrist unterbrechbar sei und mit jeder Wiedereinbringung neu zu laufen beginne.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht habe die Rechtslage verkannt und auf den vorliegenden Sachverhalt zu Unrecht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der bis zum 23. April 2014 geltenden Fassung angewandt.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:
8 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet. 9 Gemäß § 1 Z 3 des Normverbrauchsabgabegesetzes
(NoVAG 1991), BGBl. 695/1991 in der im Revisionsfall noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 34/2010, unterliegt der Normverbrauchsabgabe die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach § 1 Z 1 oder Z 2 leg. cit. eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a leg. cit. erfolgt ist. Als erstmalige Zulassung gilt u.a. auch die Verwendung eines Fahrzeugs im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.
10 Bei Verwendung eines Fahrzeugs im Inland, das nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, entsteht die Steuerschuld gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG 1991, BGBl. 695/1991 idF BGBl. I Nr. 34/2010, mit dem Zeitpunkt der Einbringung in das Inland.
11 Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 (KfzStG) unterliegen der Kraftfahrzeugsteuer Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).
12 Bei widerrechtlicher Verwendung eines Kraftfahrzeugs gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG dauert die Steuerpflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 leg. cit. vom Beginn des Kalendermonats, in dem die Verwendung einsetzt, bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem die Verwendung endet.
13 Gemäß § 79 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 leg. cit. eingehalten werden.
14 § 82 Abs. 8 Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 in der (bis zum 23. April 2014 geltenden) Fassung des zweiten Abgabenänderungsgesetzes (2. AbgÄG 2002) BGBl. I Nr. 132, lautete:
"(8) Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiteres Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Die Ablieferung begründet keinen Anspruch auf Entschädigung."
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen vom 21. November 2013, 2011/16/0221, VwSlg. 8868/F, und vom 25. April 2016, Ro 2015/16/0031, ausgesprochen, dass § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des 2. AbgÄG 2002 beim Beginn der Frist auf denselben Vorgang abstellte wie § 79 leg. cit., nämlich auf das Einbringen des Fahrzeugs, und lediglich eine andere Dauer der Frist normierte. Auch für die in § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des 2. AbgÄG 2002 normierte Monatsfrist galt daher, dass beim Verbringen des betreffenden Fahrzeugs ins Ausland und bei neuerlicher Einbringung dieses Fahrzeugs in das Bundesgebiet die Frist mit der neuerlichen Einbringung neu zu laufen begann.
16 Der Gesetzgeber änderte aufgrund dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erläuterungen des Initiativantrags vom 17. Dezember 2013, 113/A XXV. GP) § 82 Abs. 8 KFG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2014.
17 § 82 Abs. 8 KFG, BGBl. Nr. 267/1967 iF BGBl. I Nr. 26/2014, lautet nunmehr wie folgt:
"(8) Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht. Nach Ablauf eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiteres Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Die Ablieferung begründet keinen Anspruch auf Entschädigung."
18 Da der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. Dezember 2014, G 72/2014, VfSlg. 19.920, die Bestimmung des § 135 Abs. 27 KFG, womit der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2014 geänderte § 82 Abs. 8 KFG rückwirkend mit 14. August 2002 in Kraft gesetzt wurde, aufgehoben und ausgesprochen hat, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, gilt § 82 Abs. 8 KFG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 26/2014 gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung, somit mit Ablauf des 23. April 2014.
19 Das Bundesfinanzgericht trifft keine Feststellung zum Zeitpunkt der (erstmaligen) Einbringung des Fahrzeugs in das Bundesgebiet und durfte sich daher nicht allein auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des 2. AbgÄG 2002 stützen, wonach die darin normierte Monatsfrist bei vorübergehender Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland mit der neuerlichen Einbringung des Fahrzeugs in das Bundesgebiet neu zu laufen beginnt.
20 Das angefochtene Erkenntnis enthält keine tragfähige Begründung für die Aufhebung der bekämpften Bescheide. Es war daher - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 28. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018160190.L00Im RIS seit
18.06.2019Zuletzt aktualisiert am
18.06.2019