Index
E3L E09301000Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Zollamtes Feldkirch Wolfurt gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 29. Mai 2017, Zl. RV/1200036/2014, betreffend Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung (mitbeteiligte Partei: R. Spedition Gesellschaft mb H in L, vertreten durch Dr. Peter Schütz, Rechtsanwalt in 2463 Stixneusiedl, Alte Bundesstraße 45), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht den Bescheid des revisionswerbenden Zollamtes Feldkirch Wolfurt, mit dem von der mitbeteiligten Partei gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG Einfuhrumsatzsteuer nachgefordert und eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG festgesetzt wurde, auf und es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Begründend ging das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die mitbeteiligte Partei als indirekte Vertreterin für verschiedene in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Empfänger die Überführung von diversen Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Wirkung (Verfahren 4200) beantragt habe und in den Zollanmeldungen zum Zeitpunkt der Einfuhr ungültige oder unrichtige UID-Nummern der Abnehmer angegeben seien sowie ein Hinweis auf den Beförderungsnachweis gefehlt habe. Allerdings hätten die Abnehmer jeweils über eine gültige UID-Nummern verfügt, die dem revisionswerbenden Zollamt nachträglich bekannt gegeben worden seien. Eine derartige spätere Berichtigung sei zulässig und schließe die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nicht aus.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Das revisionswerbende Zollamt macht für die Zulässigkeit der Revision geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob die Steuerbefreiung des Art. 6 Abs. 3 UStG auch dann zur Anwendung kommen könne, wenn die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung zum Zeitpunkt der Einfuhr nicht vorlagen, die entsprechenden Nachweise aber nachträglich erbracht werden.
7 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 21.11.2017, Ro 2017/16/0005).
8 Ist eine Rechtsfrage, von deren Antwort die Entscheidung über die Revision abhängt, durch ein Urteil des EuGH beantwortet, liegt eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor (vgl. abermals VwGH 21.11.2017, Ro 2017/16/0005).
9 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 34, wurde in Umsetzung der Richtlinie 2009/69/EG zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zur Bekämpfung des Steuerbetrugs bei der Einfuhr (ABl. Nr. L 175 vom 4.7.2009, S 12) dem Art. 6 Abs. 3 UStG ein Unterabsatz angefügt (vgl. ErläutRV 662 BlgNR 24. GP 16), wonach als weitere Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung erforderlich ist, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr den Zollbehörden seine eigene UID-Nummer und jene des Abnehmers angibt, sowie den Nachweis erbringt, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, vom Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet zu werden.
10 Zu der genannten unionsrechtlichen Grundlage judiziert der EuGH, dass die infolge der Änderung durch die Richtlinie 2009/69 in Art. 143 Abs. 2 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie genannte Pflicht des Importeurs, die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers anzugeben, nicht als eine materielle Voraussetzung für die Befreiung angesehen werden kann, sondern nur darauf abzielt, Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Befreiung zu beseitigen. Deshalb dürften beispielsweise die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nicht allein deshalb ablehnen, weil infolge einer nach der Einfuhr eingetretenen Änderung der Umstände die in Rede stehenden Waren an einen anderen Steuerpflichtigen als den geliefert wurden, dessen Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer auf der Einfuhranmeldung angegeben war, obwohl der Importeur den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats sämtliche Informationen über die Identität des neuen Erwerbers mitgeteilt hat, sofern nachgewiesen wird, dass die materiellen Voraussetzungen der Befreiung der nachfolgenden innergemeinschaftlichen Lieferung tatsächlich erfüllt sind (EuGH 20.6.2018, Enteco Baltic, C-108/17, Rn. 44ff).
11 Das gilt umso mehr für die hier vom revisionswerbenden Zollamt aufgezeigte Rechtsfrage einer bloßen Berichtigung der UID-Nummern ohne Austausch des Abnehmers. Das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab.
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2019
Gerichtsentscheidung
EuGH 62017CJ0108 Enteco Baltic VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017160121.L00Im RIS seit
27.06.2019Zuletzt aktualisiert am
28.06.2019