TE Vwgh Beschluss 2019/2/28 Ra 2017/16/0081

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Index

E3R E02202000
E6J
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §280 Abs1 lite
BAO §93 Abs3 lita
31992R2913 ZK 1992 Art203
31992R2913 ZK 1992 Art92
62004CJ0409 Teleos VORAB
62006CJ0230 Militzer und Münch VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der D Zollspedition in W, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 1. Dezember 2016, Zl. RV/7200218/2013, betreffend Eingangsabgaben und Abgabenerhöhung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden des Revisionswerbers gegen die vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK buchmäßig erfassten, in der Folge dem Revisionswerber mitgeteilten und vorgeschriebenen Eingangsabgaben nach Art. 203 ZK und Abgabenerhöhungen nach § 108 ZollR-DG als unbegründet ab. Es ging davon aus, dass der Revisionswerber mit Versandanmeldungen externe gemeinschaftliche Versandverfahren im EDV-gestützten Verfahren NCTS (New Computerised Transit System) für die Beförderung von eingangsabgabepflichtigem Knoblauch vom Zollamt St. Polten Krems Wiener Neustadt, Zollstelle Wiener Neudorf als Abgangsstelle zu einem konkret bezeichneten, in der Slowakei an der Grenze zur Ukraine gelegenen Zollamt als Bestimmungsstelle eröffnet habe. Der Revisionswerber sei als zugelassener Versender gemäß Art. 398 ZK-DVO und als Hauptverpflichteter gemäß Art. 96 Abs. 1 ZK aufgetreten. Ihm seien die angemeldeten Waren mit näher genannten Fristen für die Gestellung überlassen worden. Die in den Versandscheinen vorgesehene Bestimmungsstelle habe - obwohl der in Rede stehende Knoblauch dort nicht angekommen sei - sowohl Ankunftsanzeigen als auch Kontrollergebnisnachrichten über die Ankunft der Waren im NCTS-Verfahren übermittelt. Die Erledigungen der Versandscheine stammten von damals im Dienst befindlichen, aber korrupten Beamten, die Stempel und Unterschriften seien echt. Diese Ware sei weder bei der Bestimmungsstelle gestellt, noch in das ukrainische Zollgebiet eingeführt worden, ihr Verbleib sei ungewiss. Wegen der genannten Bestätigungen und Eintragungen im NCTS werde gegen 34 slowakische Zollbeamte ein Ermittlungsverfahren geführt. Der verfahrensgegenständliche Knoblauch sei im Zuge eines sorgfältig geplanten betrügerischen Gesamtkonzeptes von wem auch immer vorsätzlich dem Versandverfahren entzogen worden.

2 Seine Feststellungen begründete das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen mit den Aussagen des Revisionswerbers und eines Zeugen sowie den Erhebungsergebnissen der Gemeinschaftsmission des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und slowakischer Behörden.

3 Rechtlich folgerte das Gericht, eine Einfuhrzollschuld sei entstanden, weil einfuhrabgabenpflichtige Waren im Versandverfahren bei der Bestimmungsstelle nicht gestellt und somit der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, wobei den bewusst falsch ausgestellten Bestätigungen der Bestimmungsstelle über ordnungsgemäße Gestellungen keine Bedeutung zukomme. Das vorsätzliche Entziehen eingangsabgabepflichtiger Waren aus der zollamtlichen Überwachung begründe den Finanzstraftatbestand des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG, sodass die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß Art. 221 Abs. 4 ZK iVm § 74 Abs. 2 ZollR-DG anzuwenden und die Festsetzung der Eingangsabgaben rechtzeitig erfolgt sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob eine Gestellung im Sinn der Art. 4 Z 19, 92 ZK vorliege, wenn im Amt befindliche Zollbeamte eines EU-Mitgliedstaates die ordnungsgemäße Gestellung der Waren und des Versandscheines bestätigten, und zwar sowohl eine Ankunftsanzeige als auch eine Kontrollergebnisnachricht über die Ankunft der Waren im NCTS-Verfahren übermittelten, mögen die Zollbeamten auch korrupt gewesen sein und die Waren dann tatsächlich nicht aus dem Zollgebiet der EU ausgeführt worden sein.

8 Gemäß Art. 4 Nr. 19 ZK ist die Gestellung die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden. Nach Art. 92 ZK endet das externe Versandverfahren, wenn die Waren und das dazugehörige Dokument entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Verfahrens am Bestimmungsort der dortigen Zollstelle gestellt werden. Eine derartige Gestellung in Form einer Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form wurde vom Gericht explizit nicht festgestellt, sodass die Revision schon deshalb nicht von der aufgezeigten Rechtsfrage abhängt. Hinzu kommt, dass bei nicht ordnungsgemäßer Beendigung eines externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens - wie etwa unter Beteiligung von Zollbeamten an Straftaten - die Zollschuld in der Person des Hauptverpflichteten nach Art. 203 ZK entsteht (vgl. EuGH 3.4.2008, Militzer & Münch, C- 230/06, Rn. 11, 13 und 48).

9 Als weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bringt die Revision die Unschlüssigkeit der vom Gericht vorgenommenen Beweiswürdigung betreffend die Feststellungen vor, dass die Warensendung beim slowakischen Zollamt nicht angekommen und der tatsächliche Verbleib der Waren weiterhin ungewiss sei.

10 Mit ihren Ausführungen, dass die Überlegungen des Gerichts nicht zwingend seien und andere Abläufe und Routen nicht ausgeschlossen werden könnten, wird keine Unvereinbarkeit mit den Denkgesetzen aufzeigt, weshalb der Rüge der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses keine über den Revisionsfall hinaus weisende Bedeutung zukommt. Es trifft auch das weitere Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht zu, dass nur die Mitteilung, die Waren befänden sich bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort, zu den Ankunftsmeldungen und den Kontrollergebnisnachrichten führten, weil das Gericht von einem sorgfältig geplanten betrügerischen Gesamtkonzept ausging, weshalb eine gesetzmäßige Gestellung nicht unbedingt zu erwarten ist. Der Revision gelingt es mit ihrem Vorbringen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG nicht aufzuzeigen, dass das Gericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise gepflogen hätte, sodass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung unter diesem Blickwinkel nicht vorliegt (vgl. VwGH 2.5.2016, Ra 2016/16/0007).

11 Als nächste Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird aufgeworfen, ob es mit den EU-rechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, von Treu und Glauben und Rechtsstaatlichkeit vereinbar sei, dass ein Hauptverpflichteter, der die Warenbeförderung selbst nicht organisiert habe, nachträglich zur Haftung für Eingangsabgaben herangezogen werde, obwohl die Abgabenbehörden eines EU-Mitgliedstaates durch korrupte Zollbeamte die ordnungsgemäße Beendigung des Versandverfahrens durch Ankunftsanzeige und Kontrollergebnisnachricht im NCTS-Verfahren bestätigten.

12 Dazu reicht ein Hinweis auf das schon genannte und einen vergleichbaren Sachverhalt betreffende Urteil des EuGH vom 3.4.2008, wo in Rn. 43 ff ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verneint und die Haftung des gutgläubigen Hauptverpflichteten bestätigt wird. Das in der Revision genannte Urteil EuGH 27.9.2007, Teleos u.a., C-409/04, betraf hingegen keine Zollschuld nach Art. 203 ZK.

13 Zuletzt releviert die Revision zu ihrer Zulässigkeit noch das Fehlen einer zusammenhängenden Darstellung des festgestellten Sachverhalts sowie der Beweiswürdigung hinsichtlich eines vorsätzlich begangenen, von Gericht oder Spruchsenat zu ahnenden Finanzvergehens und der Gestellung.

14 Allein der Umstand, dass das Gericht Tatsachenüberzeugungen auch im Zuge seiner Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung zum Ausdruck brachte und Gründe für seine Überzeugung außerdem im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen darlegte, stellt per se keine relevante Verletzung verfahrensrechtlicher Grundsätze dar, zumal § 280 Abs. 1 lit. e BAO eine nähere Gliederung der Begründung des Erkenntnisses nicht normiert und, wie die weiteren Ausführungen der Revision verdeutlichen, die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses in ausreichendem Maße seine Nachvollziehbarkeit und damit auch die Kontrolle im Rahmen des Rechtsschutzes gewährleistete (vgl. VwGH 25.2.2016, Ra 2016/16/0006).

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2019

Gerichtsentscheidung

EuGH 62004CJ0409 Teleos VORAB
EuGH 62006CJ0230 Militzer und Münch VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017160081.L00

Im RIS seit

27.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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