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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Jänner 1999, Zl. UVS-04/A/30/00335/97, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach der Wiener Bauordnung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 20. Mai 1997 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach außen vertretungbefugtes Organ der N Gesellschaft mbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Bauführerin vom 24. Februar 1997 bis 19. März 1997 in Wien, der Bauwerberin E die Durchführung eines Stahlprofilschachtes in der Stiegenspindel des genannten Hauses ohne vorherige Erwirkung der hiefür erforderlichen Baubewilligung insofern vorsätzlich erleichtert habe, als er trotz Kenntnis vom Nichtvorliegen einer entsprechenden Baubewilligung mit Arbeiten für den Aufzugseinbau, nämlich Herstellung eines Stahlprofilschachtes in der Stiegenspindel, begonnen habe.
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 30. Juli 1997 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen) verhängt. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, die N GesmbH habe lediglich die Herstellung eines Stahlprofilschachtes in der Stiegenspindel durchgeführt. Es seien jedoch keinerlei Arbeiten zum Einbau des Aufzuges selbst erfolgt. Die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 60 der Wiener Bauordnung sei erst für den Einbau eines Aufzuges erforderlich. Dies ergebe sich auch schon daraus, dass bei zahlreichen Bauvorhaben im Wiener Raum der bisherige modus vivendi so gewesen sei, dass regelmäßig die Baubewilligungsbescheide erst nach Besichtigung der Baustelle erteilt wurden. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits bei zahlreichen Baustellen der Stahlprofilschacht errichtet worden, dies sei von der zuständigen Behörde stillschweigend toleriert worden. Falls das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht eingestellt werde, möge von der Verhängung einer Strafe abgesehen bzw. die verhängte Geldstrafe herabgesetzt werden.
In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vom 18. November 1998 erklärte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers u.a., dass E jedenfalls nicht Bauwerberin gewesen sei und führte dazu das "offene Grundbuch" als Beweis an. Der als Zeuge vernommene D.I. R, der angab, Verhandlungsleiter im Zuge der Bauverhandlung für die Errichtung des Aufzuges gewesen zu sein, erklärte, Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft und Bauwerber sei T. Er habe jedenfalls immer nur mit T Kontakt gehabt, wisse allerdings nicht, wer jetzt im Grundbuch stehe.
Am 30. November 1998 wurde die Abweisung der Berufung verkündet, der schriftliche Berufungsbescheid vom 18. Jänner 1999 wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters am 27. Jänner 1999 zugestellt, der Erstbehörde wurde dieser Bescheid am 22. Jänner 1999 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzustellen, dass entgegen der Annahme des Beschwerdeführers die Frist des § 51 Abs. 7 VStG nicht abgelaufen ist: Die Berufung vom 22. September 1997 langte am 23. September 1997 bei der Behörde ein, die Berufungsentscheidungsfrist endete somit gemäß § 51 Abs. 7 VStG mit 23. Dezember 1998. Noch am 30. November 1998 - somit fristgerecht - wurde der Berufungsbescheid verkündet.
Auch die Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs. 1 VStG ist nicht eingetreten:
Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass die Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter sprachlich unschön gefasst war, sie enthielt aber alle der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhaltselemente, sodass der Beschwerdeführer in die Lage versetzt war, alles zu seiner Rechtfertigung dienende vorbringen zu können. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, der mit dem Berufungsbescheid bestätigt wurde, lautete dahingehend, dass der Beschwerdeführer der Bauwerberin die Durchführung von Arbeiten zum Einbau eines Aufzuges, und zwar die Herstellung eines Stahlprofilschachtes ohne vorherige Erwirkung der hiefür erforderlichen Baubewilligung, insofern vorsätzlich erleichtert habe, als er trotz Kenntnis des Nichtvorliegens einer entsprechenden Baubewilligung für den Aufzugseinbau mit den entsprechenden Arbeiten, nämlich der Herstellung eines Stahlprofilschachtes in der Stiegenspindel, begonnen habe.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, steht eine Präzisierung (Neuformulierung) des Spruches der Verfolgungsverjährung nicht entgegen, wenn innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG eine Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 leg. cit. vorgenommen wurde, die sich auf alle der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 929 unter 23 a und b zitierte hg. Judikatur).
Dem Beschwerdeführer war die Verletzung des § 7 VStG (Beihilfe) in Verbindung mit § 60 Abs. 1 lit. a und § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien zur Last gelegt worden. Anstiftung und Beihilfe sind nur dann strafbar, wenn der unmittelbare Täter das Tatbild hergestellt hat, das der übertretenen Vorschrift entspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1960, Slg. Nr. 5194/A, u. v.a.). Die Feststellung, wer der unmittelbare Täter ist, ist somit wesentlich.
Der Beschwerdevertreter hat in der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass E, die nur die Hausverwaltung des Objektes durchführe, nicht die Bauwerberin sei. Der als Zeuge vernommene D.I. R, der Verhandlungsleiter im Bauverfahren betreffend den Aufzugseinbau war, erklärte ausdrücklich, dass T Bauwerber (und Grundeigentümer) gewesen sei, er habe immer nur mit T zu tun gehabt. Begründungselemente dafür, weshalb von einer Haupttäterschaft der Hausverwalterin ausgegangen wurde, enthält der angefochtene Bescheid nicht. Den Ausführungen in der Gegenschrift, wonach das "offene Grundbuch" nicht geeignet sei, die Bauherrenschaft einer darin als Eigentümer intabulierten Person unter Beweis zu stellen, ist zwar beizupflichten, es ist aber nicht nachvollziehbar, weshalb von der Haupttäterschaft einer Hausverwalterin ausgegangen wird, wenn deren Haupttäterschaft durch den der Beihilfe Beschuldigten ausdrücklich bestritten wird und der als Zeuge vernommene Leiter der betreffenden Bauverhandlung ausführt, Bauwerber sei T (der Grundeigentümer) gewesen, er, der Verhandlungsleiter habe immer nur mit T zu tun gehabt, zumal es sich bei einem Aufzugseinbau nicht um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung handelt.
Wer sich der Beihilfe schuldig gemacht hat, muss gemäß § 7 VStG vorsätzlich gehandelt haben. Der Vorwurf der Fahrlässigkeit genügt also nicht.
Im angefochtenen Bescheid wurde auf Grund der Abweisung der Berufung und der damit erfolgten Bestätigung des erstinstanzlichen Spruches zwar ausgesprochen, dass die Tat vorsätzlich erfolgte, in der Begründung wurde aber ausgeführt, es handle sich bei der gegenständlichen Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt, in einem solchen Fall sei gemäß § 5 Abs. 1 VStG Fahrlässigkeit anzunehmen, was bedeute, dass der Beschwerdeführer initiativ alles darzulegen habe, was für seine Entlastung spricht. Mit dieser Argumentation verkannte die belangte Behörde aber, dass zwar das Delikt, für dessen Beihilfe der Beschwerdeführer bestraft wurde, ein Ungehorsamsdelikt ist, nicht aber die Beihilfe selbst. Entgegen der Annahme der belangten Behörde konnte sie sich daher nicht darauf beschränken, auf die initiative Darlegung der Entlastungsgründe des Beschwerdeführers zu warten; überdies durfte sie bei ausdrücklicher Bestreitung der Person des unmittelbaren Täters durch den Beschwerdeführer und dem Vorliegen der Zeugenaussage, die auf einen anderen Täter hinwies, als die belangte Behörde angenommen hat, nicht ohne Ermittlung und ohne Begründung davon ausgehen, dass die Hausverwalterin die Täterin war.
Da die belangte Behörde die auf einem Rechtsirrtum beruhende Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens nicht erkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999050020.X00Im RIS seit
20.11.2000