TE Vwgh Beschluss 2019/2/28 Ra 2019/01/0029

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §35 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §14;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/01/0030 Ra 2019/01/0031 Ra 2019/01/0032 Ra 2019/01/0033 Ra 2019/01/0039 Ra 2019/01/0035 Ra 2019/01/0036 Ra 2019/01/0037 Ra 2019/01/0038 Ra 2019/01/0034

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kienesberger, über die Revision von 1. S D,

2.

S A, 3. A A, 4. A A, 5. S A, 6. S A, 7. N A, 8. Z A, 9. I A,

10.

I A und 11. S A, alle vertreten durch Dr. Barbara Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 23, diese vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Februar 2018, Zlen. 1) W212 2185139-1/2E, 2) W212 2185136- 1/2E, 3) W212 2185130-1/2E, 4) W212 2185128-1/2E, 5) W212 2185135- 1/2E, 6) W212 2185134-1/2E, 7) W212 2185133-1/2E, 8) W212 2185138- 1/2E, 9) W212 2185131-1/2E, 10) W212 2185132-1/2E und

                 11)      W212 2185137-1/2E, betreffend Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Nairobi), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber, alle Staatsangehörige von Somalia, stellten am 22. März 2017 Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) bei der österreichischen Botschaft Nairobi (ÖB Nairobi). Als Bezugsperson gaben sie ihren Ehemann beziehungsweise Vater an. Diesem sei mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25. Februar 2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten gewährt worden. In einer Stellungnahme zu den Anträgen gaben die Revisionswerber im Wesentlichen an, die dreijährige Wartefrist für Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten in § 35 Abs. 2 AsylG 2005 werde in den vorliegenden Fällen zwar nicht eingehalten, diese erweise sich jedoch aus näher dargelegten Gründen als verfassungswidrig oder müsse jedenfalls verfassungskonform so interpretiert werden, dass von dieser Voraussetzung in bestimmten Fällen abgesehen werden könne, und stelle deshalb in der besonders berücksichtigungswürdigen Situation der Revisionswerber kein Erteilungshindernis dar. Die Kriterien des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 seien im vorliegenden Fall ebenfalls nicht erfüllt, dennoch sei eine Mitteilung über die wahrscheinliche Asylgewährung zu erteilen, weil in der konkreten Situation der Familie die Fortführung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK dringend geboten sei und somit § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 zur Anwendung komme.

2 Nach einer negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA im Sinne des § 35 Abs. 4 AsylG 2005, die im Wesentlichen mit der Nichterfüllung der in § 35 Abs. 2 AsylG 2005 vorgesehenen dreijährigen Wartefrist begründet wurde, und einer neuerlichen Stellungnahme der Revisionswerber, in welcher diese im Wesentlichen ihr Vorbringen aus der ersten Stellungnahme wiederholten und auf medizinische Probleme der Fünftrevisionswerberin hinwiesen, wies die ÖB Nairobi mit Bescheid vom 3. Oktober 2017 die Anträge ab. Begründend stützte sich die ÖB Nairobi auf die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde vom 31. Oktober 2017, in welcher die Revisionswerber ein in den wesentlichen Punkten mit den Ausführungen in den Stellungnahmen identes Vorbringen erstatteten, wies die ÖB Nairobi mit Beschwerdevorentscheidung vom 2. Jänner 2018 ab.

4 Nach fristgerechtem Vorlageantrag wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 19. Februar 2018 die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte das BVwG hierzu im Wesentlichen aus, die Antragstellung durch die Revisionswerber sei vor Ablauf der dreijährigen Wartefrist des § 35 Abs. 2 AsylG 2005 erfolgt und diese Bestimmung sei einer verfassungskonformen Interpretation im Sinne der Möglichkeit des Absehens von dieser Voraussetzung nicht zugänglich.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde nach Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 10. Oktober 2018, E 1216-1226/2018-22, ablehnte, wobei er unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom selben Tag, E 4248/2017 ua., ausführte, dass vor dessen Hintergrund in Hinblick auf die behauptete Rechtswidrigkeit des § 35 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe. Über nachträglichen Antrag trat der VfGH mit Beschluss vom 12. November 2018, E 1216-1226/2018-25, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Gegen das oben genannte Erkenntnis des BVwG vom 19. Februar 2018 richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsvorbringen zusammengefasst ausgeführt wird, die Beschwerdevorentscheidung durch die ÖB Nairobi sei erst nach Ablauf der Frist des § 14 Abs. 1 VwGVG ergangen, weshalb die belangte Behörde unzuständig gewesen sei. Überdies hätte den Revisionswerbern nach ihrer Rechtsansicht aus humanitären Gründen ein Visum nach § 22 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erteilt werden müssen. Die Behörde und das BVwG hätten die Erteilung aufgrund einer Verkennung der Rechtslage unterlassen und gegründet auf diese unrichtige Rechtsauffassung auch keine ausreichenden Feststellungen über das Vorliegen humanitärer Gründe getroffen. Es fehle zur Rechtsfrage der Berücksichtigung von § 22 FPG im Verfahren nach § 35 AsylG 2005 und überhaupt zu den Voraussetzungen für die Annahme des Vorliegens humanitärer Gründe im Sinne des § 22 FPG Rechtsprechung. Darüber hinaus wird im Zulässigkeitsvorbringen ausführlich dargelegt, weshalb die Bestimmung des § 35 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 verfassungswidrig sei.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Soweit die Revision im Rahmen ihrer Zulässigkeitsbegründung auf eine Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wegen Ablaufs der Frist des § 14 VwGVG verweist, vermag sie im Hinblick darauf, dass das BVwG gegenständlich eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, welche an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung getreten ist (z.B. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, VwGH 8.5.2018, Ro 2018/08/0011), keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen, weil dadurch eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der Revisionswerber nicht ersichtlich ist.

11 Das diesbezügliche Vorbringen verhilft der Revision somit nicht zur Zulässigkeit.

12 Insofern die Revision erstmals vorbringt, den Revisionswerbern wären Visa nach § 22 FPG zu erteilen gewesen, unterliegt dieses Vorbringen dem Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, weil darunter auch Rechtsausführungen fallen, wenn deren Richtigkeit nur auf Grund von Tatsachenfeststellungen überprüft werden kann, die deshalb unterblieben, weil der Revisionswerber im Verwaltungsverfahren (trotz gegebener Möglichkeit hiezu) in dieser Hinsicht nichts vorbrachte (vgl. VwGH 22.1.1993, 91/17/0154, mwN).

13 Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung schließlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 35 Abs. 2 AsylG 2005 ins Treffen führt, genügt der Hinweis auf den oben (Rz 5) genannten Ablehnungsbeschluss des VfGH vom 10. Oktober 2018, E 1216-1226/2018-22. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt an der Verfassungskonformität der in § 35 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 genannten Frist angesichts der ausführlichen Beschäftigung des VfGH mit dieser Frage in dessen Erkenntnis vom 10. Oktober 2018, E 4248/2017 ua, keine Bedenken. Der Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der in Rede stehenden Norm war daher nicht näherzutreten.

14 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010029.L00

Im RIS seit

29.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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