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41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
ASVG §293Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der Steiermärkischen Landesregierung gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 15. Oktober 2018, Zl. LVwG 70.9-536/2018-6, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Partei: M K in G, vertreten durch Mag. Taner Önal, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B, 1. OG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Vorgeschichte
1 Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung (Behörde) vom 15. Dezember 2017 wurde der Antrag des Mitbeteiligten, eines Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm § 10 Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.
2 Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, die vom Mitbeteiligten vorgelegten Einkommensnachweise erreichten nicht die nach § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG erforderliche (näher bezeichnete) Höhe. Die freiwilligen Unterhaltszahlungen des Vaters bzw. des Bruders könnten nicht berücksichtigt werden.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht). Angefochtener Beschluss
4 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde dieser Bescheid der Behörde aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Behörde zurückverwiesen. Die Revision wurde für unzulässig erklärt.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe auf die von ihm namhaft gemachten finanziellen Unterstützungen durch seine Eltern bzw. seinen Bruder hingewiesen.
6 Die Rechtsprechung zu § 11 Abs. 5 NAG sei auf das StbG übertragbar. Nach dieser sei jede Geldleistung, wie Spareinlagen oder Guthaben aus Wertpapierdepots, die dem Antragsteller zur Verfügung stünden, als taugliches Unterhaltsmittel zu berücksichtigen.
7 Somit seien auch die dem Mitbeteiligten zur Verfügung stehenden Geldzuwendungen seiner Familienangehörigen entsprechend zu berücksichtigen. Seitens des Verwaltungsgerichtes fänden sich keine Anhaltspunkte, dass diese allenfalls "aus unsicheren oder nicht nachvollziehbaren Quellen" stammten.
8 Da somit die Voraussetzungen iSd § 10 Abs. 5 StbG erfüllt seien, habe die Behörde im fortgesetzten Verfahren die allfällig noch ausstehenden Ermittlungsschritte hinsichtlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Mitbeteiligten durchzuführen.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Behörde.
10 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Aufwandersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zulässigkeit
11 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei im angefochtenen Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 5 StbG abgewichen (Verweis auf VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169, und VwGH 30.4.2018, Ro 2017/01/0003).
12 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Freiwillige finanzielle Zuwendungen und bestehendes
Vermögen
13 Nach der zu § 10 Abs. 5 StbG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der weite Begriff der Einkünfte vor dem Hintergrund des Zieles der Regelung des § 10 Abs. 5 StbG zu sehen:
Die Verleihung der Staatsbürgerschaft soll den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen, zu der nach der Wertung des Gesetzgebers auch gehört, dass der Verleihungswerber sein Fortkommen ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft bestreiten kann. Daher erfordert die Annahme eines "hinreichend gesicherten Lebensunterhalts" eine Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung.
Berücksichtigt man dieses Ziel der Regelung, so werden nur jene Einkünfte nach § 10 Abs. 5 StbG heranzuziehen sein, welche die Prognose erlauben, dass der Verleihungswerber sein Fortkommen auch künftig ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft bestreiten kann. In diesem Sinne können "freiwillige Geldgeschenke einer dritten Person" sowie finanzielle Zuwendungen, auf welche kein Rechtsanspruch im Sinne eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches bestehe, nicht als Einkünfte im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG angesehen werden (vgl. zu allem VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169, mwN).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiter festgehalten, dass die zu § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG ergangene Rechtsprechung, wonach zum Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel gemäß den genannten Gesetzesbestimmungen auch Spareinlagen in Betracht kommen, nicht auf § 10 Abs. 5 StbG übertragbar ist.
Während nämlich die Rechtsposition nach dem NAG eine befristet verliehene mit der Möglichkeit der Neubewertung der finanziellen Situation in einem allfälligen Verlängerungsverfahren darstellt, wird die Staatsbürgerschaft auf Dauer verliehen und kann eine Prüfung der - langfristigen - Selbsterhaltungsfähigkeit des Verleihungswerbers nur einmalig erfolgen. Insbesondere im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit der verliehenen Rechtsposition kommt daher bei der Staatsbürgerschaftsverleihung dem Erfordernis der Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung besondere Bedeutung zu.
Zudem bringt der Gesetzgeber im Falle der Staatsbürgerschaftsverleihung das Erfordernis der Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass gemäß StbG nur bestimmte Arten von Einkünften in die anzustellende Berechnung einfließen können, und zwar nur solche, welche die Prognose einer langfristigen und nachhaltigen Sicherung des Lebensunterhaltes des Fremden erlauben. Der Gesetzgeber stellt in § 10 Abs. 5 StbG hier ausschließlich auf Einkommensquellen wiederkehrender Natur ab ("Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen").
Somit hat bestehendes Vermögen an sich bei der Berechnung regelmäßiger eigener Einkünfte nach § 10 Abs. 5 StbG außer Betracht zu bleiben. Folglich kann auch hinsichtlich eines Sparguthabens oder sonstigen Vermögens, selbst wenn es die Summe der relevanten Richtsätze gemäß § 293 ASVG vor Antragstellung übersteigt, nicht von Ersparnissen in ausreichender Höhe für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ausgegangen werden, da ein bestehender Vermögenswert - für sich genommen - bereits von vorneherein in die Berechnung regelmäßiger Einkünfte nicht einzubeziehen ist (vgl. zu allem VwGH 30.4.2018, Ro 2017/01/0003, Ra 2017/01/0065, mwN).
15 Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss abgewichen, indem es die Geldzuwendungen der Familienangehörigen des Mitbeteiligten allein nach dem Kriterium beurteilt hat, ob sie allenfalls "aus unsicheren oder nicht nachvollziehbaren Quellen" stammten.
16 Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht diese Geldzuwendungen dahin zu prüfen gehabt, ob es sich um gesetzliche Unterhaltsansprüche des Mitbeteiligten iSd § 10 Abs. 5 StbG oder um freiwillige, nicht gemäß § 10 Abs. 5 StbG zu berücksichtigende Geldzuwendungen handelt.
17 In dieser Hinsicht verweist die Amtsrevision auf die Rechtslage von Bosnien und Herzegowina (Artikel 215 und 216 des Familiengesetzes der Föderation Bosnien und Herzegowina vom 6.6.2005, Amtsblatt Nr. 35/05, 41/05 und 31/14). Nach dieser Rechtslage habe der Unterhaltsanspruch des Mitbeteiligten gegenüber seinen Eltern mit Erreichen des 26. Lebensjahres bereits geendet und handle es sich daher vorliegend um freiwillige Geldzuwendungen.
18 Somit erfolgte die Zurückverweisung der Rechtssache an die Behörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu Unrecht (vgl. zu den Voraussetzungen einer derartigen Zurückverweisung aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2017/01/0287, mwN).
Ergebnis
19 Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
20 Der Mitbeteiligte hat bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz (vgl. etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0291, mwN).
Wien, am 28. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010004.L00Im RIS seit
18.06.2019Zuletzt aktualisiert am
18.06.2019