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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
BAO §293Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des TU in B, vertreten durch die Vockenhuber & Co Steuerberatung GmbH in 4820 Bad Ischl, Kaiser-Franz-Josef-Str. 14, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 10. Oktober 2018, RS/5100004/2018, betreffend Einstellung eines Säumnisbeschwerdeverfahrens i.A. Familienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Gmunden-Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision gegen die Einstellung des Verfahrens betreffend den Zeitraum ab Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber hatte in seinem Antrag vom 12. September 2013 die Gewährung von Familienbeihilfe für seine Kinder A und O ab 19. August 2013 beantragt.
2 In seiner Säumnisbeschwerde vom 16. Feber 2018 machte der Revisionswerber geltend, dass das Finanzamt seine Entscheidungspflicht für den Zeitraum ab November 2014 verletzt habe und beantragte, dem Finanzamt aufzutragen, über seinen Antrag auf Zuerkennung auf Familienbeihilfe ab November 2014 "bis laufend" zu entscheiden.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Bundesfinanzgericht das Verfahren über diese Säumnisbeschwerde ein. Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das Gericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass das Finanzamt dem Gericht am 9. Mai 2018 eine Mitteilung im Sinn des § 12 FLAG übermittelt habe, wonach dem Revisionswerber für den Zeitraum November und Dezember 2014 für beide Kinder Ausgleichszahlungen und für den Zeitraum Jänner bis März 2015 Familienbeihilfe gewährt worden seien. Mit "Abweisungsbescheid" vom 2. Oktober 2018, lautend auf
"Ihr Antrag vom 12. 6. 2018 auf Familienbeihilfe wird abgewiesen
für:
... A ... ab Mai 2018
... O ... ab Mai 2018"
habe sich das Finanzamt zweifellos auf den ursprünglichen Beihilfenantrag vom 12. September 2013 bezogen. Insofern sei dem Finanzamt im Abweisungsbescheid ein - gemäß § 293 BAO berichtigbarer - Schreibfehler unterlaufen. Da das Finanzamt somit über den verfahrensgegenständlichen Antrag innerhalb der - vom Gericht verlängerten - Frist mit rechtsmittelfähigem Bescheid entschieden habe, sei das Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO einzustellen gewesen.
Unpräjudiziell werde noch angemerkt, dass dem Finanzamt im Bescheidspruch ein weiterer - ebenfalls berichtigungsfähiger - Schreibfehler insofern unterlaufen sei, als der Beihilfenantrag für den Zeitraum ab Mai 2018 abgewiesen worden sei. Auch insofern gelte, dass sich die bescheidmäßige (abweisende) Erledigung des Finanzamtes nur auf den Zeitraum ab Mai 2015 beziehen könne. Dafür spreche insbesondere auch der Umstand, dass nur bis einschließlich April 2015 Familienbeihilfe gewährt werde. Das Finanzamt habe in der Bescheidbegründung klar zum Ausdruck gebracht, dass ab Mai 2015 kein Beihilfenanspruch mehr bestehe. Für eine Berichtigung der im Bescheid vom 2. Oktober 2018 unterlaufenen Schreibfehler sei gemäß § 293 BAO das den Bescheid erlassende Finanzamt zuständig.
Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Gericht im Kern damit, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege nicht vor, weil die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens gesetzliche Folge der nachgeholten Bescheiderlassung sei.
5 Unbestritten ist, dass das Finanzamt mit Bescheid vom 12. Oktober 2018, dem Revisionswerber am 16. d.M. zugestellt, den Bescheid vom 2. d.M. dahingehend berichtigte, dass der "Antrag vom 12.09.2013 auf Familienbeihilfe ... ab Mai 2015 abgewiesen" werde.
6 Die - offensichtlich nur gegen den Beschluss vom 10. Oktober 2018 erhobene - außerordentliche Revision begründet ihre Zulässigkeit in der Frage, ob ein Säumnisbeschwerdeverfahren eingestellt werden dürfe, wenn zwar von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde die Bescheiderstellung nachgeholt worden sei, der erlassene Bescheid sich aber auf ein falsches Antragsdatum beziehe und nicht in vollem Umfang über den Zeitraum abspreche, für welchen eine Entscheidung im Rahmen des ursprünglichen Antrages begehrt und in weiterer Folge in einer Säumnisbeschwerde urgiert worden sei. Der Revisionswerber habe in seiner Säumnisbeschwerde vom 16. Feber 2018 eine Entscheidung über die Zuerkennung von Familienbeihilfe ab November 2014 "bis laufend" urgiert. Für November und Dezember 2014 sei eine Ausgleichszahlung gewährt worden. Dies sei in einer nicht rechtsmittelfähigen Mitteilung gemäß § 12 FLAG mitgeteilt worden. In dem der Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens zugrunde liegende Abweisungsbescheid sei die Entscheidungspflicht für den Zeitraum November und Dezember 2014 nicht erfüllt worden, weil für diese Monate dem Antrag nicht vollumfänglich entsprochen worden sei, weshalb hier eine Bescheidpflicht bestehe.
7 Für den Zeitraum von Jänner bis einschließlich April 2015 sei Familienbeihilfe gewährt worden, dies sei dem Revisionswerber gemäß § 12 FLAG mitgeteilt worden. Der Abweisungsbescheid spreche jedoch nicht über den Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Mai 2015 bis April 2018 ab. Dies habe auch das Verwaltungsgericht in dem das Säumnisbeschwerdeverfahren einstellenden Beschluss festgestellt, als Versehen der Behörde interpretiert und unpräjudiziell angemerkt, dass die den Bescheid erlassende Behörde den Bescheidspruch gemäß § 293 BAO berichtigen könnte. Das Säumnisbeschwerdeverfahren sei also mit der bloß unpräjudiziellen Hoffnung, die Behörde könnte möglicherweise ihrer Entscheidungspflicht durch eine Bescheidkorrektur auch nach Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens nachkommen, eingestellt worden. Für Revisionsverfahren sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Erledigung maßgeblich. Aufgrund dieses Neuerungsverbotes könne die Frage, ob eine derartige Bescheidkorrektur tatsächlich erfolgt sei, für die Prüfung der Zulässigkeit der Revision und das Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die zwei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die hier aufgeworfen würden, "sind:
-
Darf ein Säumnisbeschwerdeverfahren eingestellt werden, wenn einem Antrag nicht vollinhaltlich entsprochen worden ist und dies nur in einem nicht rechtsmittelfähigen Schreiben (Mitteilung gem. § 12 FLAG) mitgeteilt worden ist?
-
Darf ein Säumnisbeschwerdeverfahren aufgrund eines vom Verwaltungsgericht insinuierten Irrtums im Bescheid der erlassenden Behörde eingestellt werden, wenn die Entscheidung der Behörde nur einen Teil des Zeitraums umfasst, für welchen eine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt und im Rahmen des Säumnisbeschwerdeverfahrens eine Entscheidung nachzuholen ist?"
8 Auf Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 37 VwGG zur Berichtigung des Bescheides vom 2. Oktober 2018 brachte der Revisionswerber in seiner Stellungnahme vom 24. Januar 2019 zusammengefasst ergänzend vor, im Revisionsverfahren solle der Sachverhalt, wie er sich dem Bundesfinanzgericht zum Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung dargestellt habe, geprüft werden. Es sei unter Berücksichtigung der "unidirektionalen Natur der physikalischen Zeit" deshalb denkunmöglich, dass in diese Betrachtung eine erst später ergangene Entscheidung einbezogen werde.
Selbst unter Berücksichtigung der rückwirkenden Berichtigung sei der verfahrenseinleitende Antrag noch immer nicht für den gesamten entscheidungspflichtigen Zeitraum erledigt. Für den Zeitraum November und Dezember 2014 sei erst per 6. November 2018 ein separater Bescheid (zugestellt am 8. d.M.) ergangen. Dieser über einen im Rahmen der Säumnisbeschwerde entscheidungspflichtigen Zeitraum ergangene Bescheid wirke nicht zurück. Die Frage, ob per 10. Oktober 2018 die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens hätte erfolgen dürfen, werde von diesem nachträglich ergangenen Bescheid nicht berührt. Die Revision sei deshalb zulässig.
9 Zur Zurückweisung der Revision gegen den Einstellungsbeschluss betreffend den Zeitraum ab Mai 2015:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
10 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einer - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 26.11.2018, Ra 2018/02/0283, mwN). Bezüglich der behaupteten Säumnis für den Anspruchszeitraum ab Mai 2015 bis einschließlich April 2018 räumt der Revisionswerber in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Januar 2019 selbst die Berichtigung des (die Familienbeihilfe versagenden) Bescheides vom 2. Oktober 2018 durch den Berichtigungsbescheid vom 12. d.M, zugestellt am 16. d.M. ein, stellt allerdings die Relevanz der Berichtigung für die Prüfung des angefochtenen Beschlusses in Abrede.
11 Darin verkennt der Revisionswerber allerdings, dass die Berichtigung auf den Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides zurückwirkt. Ein berichtigender Bescheid tritt - soweit sein Inhalt reicht - an die Stelle des berichtigten Bescheides (vgl. etwa die in Ritz, Kommentar zur BAO6, unter Rz 28 zu § 293 BAO wiedergegebene Rechtsprechung).
In seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, 2008/16/0055, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, erfolge die Berichtigung während des hinsichtlich des berichtigten Bescheides laufenden Beschwerdeverfahrens, so habe der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid in der berichtigten Form dem weiteren Verfahren zugrunde zu legen.
Nichts anderes gilt für eine Berichtigung der anzufechtenden Entscheidung für ein laufendes Revisionsverfahren, sodass sich die von der Revision aufgeworfene Frage einer - vor Erlassung des Bescheides vom 2. Oktober 2018 allenfalls bestehenden - teilweisen Säumnis der Behörde nicht mehr stellt.
12 Die vorliegende Revision gegen die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens über den Zeitraum ab Mai 2015 ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Zur Revision gegen die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens betreffend die Monate November und Dezember 2014:
Wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
14 Bei einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 55 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnisses - im Besonderen durch das Verwaltungsgericht selbst oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war § 33 Abs. 1 VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 jedoch nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) nach § 33 Abs. 1 VwGG trat darnach unter anderem dann ein, wenn der Beschwerdeführer durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung mit einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes prozessual nicht günstiger gestellt gewesen wäre als dies ohne meritorische Entscheidung der Fall war (VwGH 15.2.1950, 562/48 = Slg. 1253/A, 10.1.1979, 712/78 = Slg. 9732/A,. und 30.5.1996, 95/19/1696)
Diese Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof auf § 33 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 übertragen (VwGH 18.12.2015, Ra 2015/02/0190, 16.6.2017, Ra 2017/03/0005, 7.9.2017, Ra 2016/17/0105, und 30.12.2017, Ra 2015/22/0168).
15 Der Revisionswerber bringt in seiner Stellungnahme vom 24. Januar 2019 selbst vor, dass er zwischenzeitig für die Monate November und Dezember 2014 (auch) eine bescheidförmige Erledigung erhielt, womit sein rechtliches Interesse an der Erlangung einer anfechtbaren Entscheidung über diesen Anspruchszeitraum erfüllt ist und er durch eine Aufhebung des angefochtenen Einstellungsbeschlusses bezüglich November und Dezember 2014 keine prozessuale Besserstellung mehr erlangen würde.
16 Das Verfahren über die Revision gegen die Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend die Monate November und Dezember 2014 ist daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und einzustellen.
17 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG, insbesondere § 55 erster Satz VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 28. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018160214.L00Im RIS seit
03.07.2019Zuletzt aktualisiert am
03.07.2019