Gbk 2018/10/2 GBK I/666/15

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Veröffentlicht am 02.10.2018
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Mangelnde Abhilfe im Falle einer (sexuellen) Belästigung, Verletzung des Benachteiligungsverbots

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 2. Oktober 2018 über den am 7. Dezember 2015 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer (sexuellen) Belästigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß §§ 6 Abs. 1 Z 2 und 7 Abs. 1 Z 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 107/2013; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) und durch eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes gemäß § 13 GlBG durch die V GmbH (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/666/15, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

1.   Frau A ist auf Grund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer (sexuellen) Belästigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß §§ 6 Abs. 1 Z 2 und 7 Abs. 1 Z 2 GlBG durch die V GmbH diskriminiert worden.

2.   Frau A ist auf Grund des Geschlechtes durch eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes gemäß § 13 GlBG durch die V GmbH diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 24. Juli und 2. Oktober 2018. Als weitere Auskunftspersonen wurden Herr G und Herr S am 24. Juli 2018 sowie Frau I und Frau F am 2. Oktober 2018 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf das Schreiben der GAW an die Antragsgegnerin vom 17. April 2015, eine Stellungnahme der Antragsgegnerin an die GAW vom 2. Mai 2015 und eine Stellungnahme von Mag.a R vom 1. Oktober 2018.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von 6. Oktober 2014 bis 30. Jänner 2015 bei der Antragsgegnerin beschäftigt gewesen. Sie sei zuerst als …Köchin am Standort W eingesetzt gewesen. Dabei habe sie auch als Bindeglied … fungiert und habe dabei auch Waren, wie z.B. Pasta aus dem Kühlhaus nach vorne bringen müssen. Im Zuge dieser Tätigkeit sei es immer wieder zu Reibungen zwischen den Teams gekommen, z.B. wegen fehlender Beschriftungen und Stresssituationen. Die Antragstellerin habe von einem Vorfall am 3. Dezember 2014 berichtet, bei dem sie Pastasorten aus dem Kühlhaus für das Restaurant nachfüllen habe sollen. Dabei habe sie eine kurze Auseinandersetzung mit einem Kollegen aus dem Team der …küche, Herrn B gehabt. Die Antragstellerin bringe vor, dass Herr B sich wegen einer Kritik von der Antragstellerin sehr ungehalten verhalten habe und dabei sehr laut geworden sei. Als die Antragstellerin ersucht habe, er solle sie nicht so anschreien, sei Herrn B sehr vehement auf sie zugekommen und ihr sehr nahegekommen. Dabei habe er wiederum seine Stimme erhoben und habe gemeint „Ich schreie so laut wie ich will“. Die Antragstellerin habe diese Situation sehr bedrohlich empfunden. Ca. eine halbe Stunde später habe die Antragstellerin bemerkt, dass Herrn B mit einem weiteren Arbeitskollegen, Herrn K laut über sie gesprochen habe. Herr K habe zu Herrn B gemeint, dass jemand festgestellt habe, dass „Die Antragstellerin schon wieder mit so einer traurigen Miene herumliefe und dass jemand etwas mit ihr tun sollte". Herr B habe daraufhin gemeint: „Was soll ich mit ihr machen, soll ich sie ficken?'. Daraufhin habe Herr K gemeint: „Das würde vielleicht helfen", worauf Herr B gemeint habe, dass die Antragstellerin „so einen ekelhaften Stil" habe. Daraufhin habe Herr K festgehalten: „Du musst nicht ihren Stil ficken, sondern nur ihre Fotze." Dieses laut geführte Gespräch habe in der …küche bei offener Türe stattgefunden. Die Antragstellerin habe in unmittelbare Nähe geharbeitet und habe dieses Gespräch mitgehört. Es sei nicht auszuschließen, dass auch andere ArbeitskollegInnen dieses Gespräch mitgehört haben. Der Antragstellerin sei erinnerlich, dass zumindest ein weiterer Mitarbeiter, Herr L, das Gespräch gehört haben musste, der an diesem Tag am Standort für jemanden eingesprungen gewesen sei. Herr L sei normalerwiese am Standort Z tätig.

Die Antragstellerin sei geschockt gewesen, habe nicht mehr arbeiten können und habe sich ins Kühlhaus zurückgezogen. Dort sei sie in Tränen ausgebrochen und sei von Frau Y, der Assistentin von Herrn S, dem Restaurantleiter, gefunden worden. Die Antragstellerin habe sich nicht imstande gesehen ihr mitzuteilen, was sie konkret erlebt habe und habe sich nur auf den vorangegangenen Streit mit Herrn B bezogen. Die Antragstellerin sei angehalten worden eine halbe Stunde Pause zu machen. Nachdem sich die Antragstellerin nach dieser Pause immer noch nicht beruhigen habe können, sei sie nach Hause geschickt worden. Die Antragstellerin habe erfahren, dass Herr S von Frau Y von dem Streit in Kenntnis gesetzt worden sei und auch mit dem Team darüber gesprochen habe.

Die Antragstellerin habe in weiterer Folge zwei Tage frei gehabt und gehofft, dass sich die Sache wieder beruhigen werde. Gerade auch deswegen habe sie über die verbalen Belästigungshandlungen noch geschwiegen. Sie habe die darauffolgenden zwei Wochen allerdings sehr belastend empfunden und habe viel Distanz eingehalten.

Am 15. Dezember 2014 sei es zu einem kleinen Disput mit dem Teamleiter der …küche, Herrn G, gekommen. Die Antragstellerin habe sich durch die vorangegangene Situation überlastet gefühlt und habe Herrn G mitgeteilt, dass sie wohl kündigen müsse und es nicht mehr mit dem Team aushalten würde. Die Antragstellerin habe dann von dem Gespräch zwischen Herrn B und Herrn K über sie berichtet. Herr G habe nachgefragt, warum sie dies nicht sofort dem Restaurantleiter berichtet hätte. Die Antragstellerin habe wahrheitsgemäß geantwortet, dass ihr die Sache sehr peinlich gewesen sei, sie ihren Arbeitskollegen keine Probleme machen wollte und sie gehofft habe, dass sich alles wieder von alleine beruhigen würde. Herr G habe in weiterer Folge mit dem Team gesprochen und Herrn K direkt auf das Gespräch angesprochen. Dieser habe sich damit gerechtfertigt, dass dieses Gespräch nur zwischen ihm und Herrn B geführt worden seien. Die Antragstellerin habe das Vorgehen von Herrn G darauf unterstützend empfunden und habe den Eindruck gehabt, dass er unmissverständlich im Team klargemachte habe, dass derartige Gespräche über sie in Zukunft zu unterlassen seien. Danach sei die Arbeitssituation für die Antragstellerin auch wieder in Ordnung gewesen.

Bereits vor dem Vorfall habe die Antragstellerin Herrn S mitgeteilt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der …Küche arbeiten könne, da sie Atembeschwerden habe. Letztendlich habe sich herausgestellt, dass die Antragstellerin an Asthma leide. Sie sei immer wieder vertröstet worden und habe deswegen sogar kündigen wollen. Herr S habe diese Kündigung aber nicht akzeptiert und habe ihr versprochen, dass sie ab Jänner 2015 im …team sein werde und, dass die Antragstellerin im Dezember 2014 nur mehr eine Stunde kochen werde müssen. Tatsächlich sei diese Stunde immer wieder bei weitem überschritten worden. Im Jänner 2015 habe die Antragstellerin festgestellt, dass sie wieder im …Team eingeteilt worden sei und habe ihren Unmut über die Nichteinhaltung der Vereinbarungen gegenüber Herrn S zum Ausdruck gebracht. Herr S habe zunächst gemeint, „was denn jetzt nicht passen würde," habe dann aber veranlasst, dass die Antragstellerin im Jänner 2015 einer Umschulung als … zum Standort „M" versetzt werde. Herr S habe allerdings zu dieser Versetzung gemeint, „dass sie dort zunächst eine Woche eingeschult werden würde, und anschließend zwei Wochen arbeiten solle. Wenn sie dann bleiben wolle, werde man sehen". Diese Aussage habe die Antragstellerin befremdlich gefunden, da Herr S sie zuvor von ihrem Kündigungsversuch im Dezember 2014, die einen gesundheitlichen Hintergrund gehabt hätte, abgehalten habe, und nun aber das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses scheinbar in Frage gestellt habe.

Kurz vor der Versetzung habe Herr G der Antragstellerin mitgeteilt, sie solle aufpassen, weil der dortige Küchenchef, Herr H, „ein Tier sei". Er habe weiter gemeint, sie solle nicht ernst nehmen, was dieser sage. Auch diese Aussage sei für die Antragstellerin befremdlich gewesen.

Am 14. Jänner 2015 habe der erste Tag der Umschulung am Standort „M“ stattgefunden. Zu Arbeitsende habe Herr H alle MitarbeiterInnen für eine gemeinsame Besprechung zusammengerufen. Dabei sei er nur auf die Antragstellerin zugekommen und habe nachgefragt, wie es ihr gefalle würde. Die Antragstellerin habe gemeint, es wäre sehr nett, weil hier niemand streiten würde. Sehr ruhig und überlegt habe Herr H zur Antragstellerin vor allen gesagt: „Weißt Du, wer ich bin? Ich war am Montag bei euch am W und das sind dort meine Freunde. Weißt Du was die mir gesagt haben? Jetzt hast Du das … gewonnen. Sie haben mir alles erzählt. Ich weiß genau, wer du bist. Du bist das Mädchen, mit dem niemand arbeiten kann, die selbst mit allen ein Problem hat und unfähig ist. Und Du bist das Mädchen, das niemand ficken will. Solange du bei mir bist, sage ich, wann wir anfangen und ich sage dir, was du machst und ich will von Dir nichts hören. Hast Du das verstanden?" Die Antragstellerin sei total geschockt und gedemütigt gewesen. Sie habe dieses Verhalten als derart feindselig empfunden, dass ihr die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses nicht mehr möglich gewesen sei und sie mit 16. Jänner 2015 gekündigt habe. Einer von der Antragsgegnerin mehrmals angestrebten einvernehmlichen Lösung durch die Personalchefin, Mag.a N, habe die Antragstellerin nicht zugestimmt, da aus ihrer Sicht eine zu überprüfende Verletzung des Gleichbehandlungsgesetzes vorliege und diesbezüglich keinerlei Ausgleich vorgesehen gewesen sei.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 27. März 2016 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die (rechtlichen und beweiswürdigenden) Ausführungen der GAW in ihrem Schreiben vom 17. April 2015 werden bestritten. Insbesondere werde der vorgreifenden Beweiswürdigung entgegengetreten. Dabei handle es sich um eine vorgeschobene Scheinbegründung.

Aufgabe der Beweiswürdigung sei es, bei einander widerstreitenden Beweisergebnissen intersubjektiv nachvollziehbar darzustellen, dass und warum einem Beweisergebnis im Vergleich zu dem widerstreitenden Beweisergebnis eine höhere Glaubwürdigkeit zukomme. Nachdem der Behörde (sic!) aber – soweit erkennbar – lediglich die Aussage der Antragstellerin als Personalbeweis vorliege, zeigen diese Ausführungen eine bedenkliche Voreingenommenheit der Behörde (sic!) zugunsten der Antragstellerin.

Die Antragsgegnerin teile mit, dass sie keine Einwendungen gegen eine gemeinsame Befragung habe. Im Gegenteil werde beantragt, die Antragstellerin und die Zeugen/Auskunftspersonen in derselben mündlichen Verhandlung einzuvernehmen, um insbesondere über Vorhalte die aufzunehmenden Personalbeweise besser auf ihre Glaubwürdigkeit prüfen zu können.

Die Behauptung der Umkehrung der Täter- und Opferrollen entbehre jeder sachlichen Rechtfertigung. Herr H sei am 16. Jänner 2015 zum Geschäftsführer zitiert worden und in Anwesenheit der Vorsitzenden des Betriebsrates vom Geschäftsführer mit dem gegen ihn erhobenen Vorwurf konfrontiert worden. H habe den Vorwurf bestritten und habe Zeugen für seine Darstellung benannt, dass der Vorwurf nicht zutreffen würde.

Für die Antragsgegnerin sei mit den Mitteln, die einem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, der Vorwurf nicht zu klären gewesen. Es sei der Antragsgegnerin aufgrund der einander widersprechenden Behauptungen auch nicht möglich oder zumutbar gewesen, disziplinären Maßnahmen gegen den mutmaßlichen Täter H zu setzen, ohne die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht, die der Antragsgegnerin auch Herrn H gegenüber obliege, zu verletzen.

Trotz dieser nicht aufklärbaren Situation habe die Antragsgegnerin Herrn H – als mutmaßlichen Täter – strengstens verwarnt und die Antragstellerin – als mutmaßliches Opfer – die Möglichkeit einer Mediation oder sonstigen Hilfestellung angeboten. Unter Beachtung der eingeschränkten Möglichkeiten eines Arbeitgebers könne daher nicht von einer Verkehrung der Täter- und Opferrollen gesprochen werden.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch den/die ArbeitgeberIn dadurch diskriminiert wird, indem er/sie schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte (Z 3) angemessene Abhilfe zu schaffen.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte im Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt wird.

§ 6 Abs. 1 Z 2 GlBG enthält eine Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht. Demnach haben ArbeitgeberInnen auch dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in den Betrieb eingegliederten ArbeitnehmerInnen nicht durch Belästigungen durch Dritte beeinträchtigt wird. ArbeitgeberInnen haben daher dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, sexuelle Integrität und Intimsphäre der ArbeitnehmerInnen nicht gefährdet werden. ArbeitgeberInnen sind zum unverzüglichen Einschreiten verpflichtet, wenn sexuelle Belästigungen hervorkommen, zum einen, um die Betroffenen nicht der Gefahr weiterer Belästigungen auszusetzen, zum anderen aber auch, um sich nicht selbst dem Vorwurf auszusetzen, nicht wirksam für angemessene Abhilfe gesorgt zu haben. „Angemessen“ ist die Abhilfe dann, wenn sie geeignet ist, die belästigte Person vor weiteren Belästigungen zu schützen. Um angemessene Abhilfe zu schaffen, bedarf es der Ermahnung, Verwarnung, Versetzung, Kündigung oder allenfalls Entlassung der belästigenden Person, wobei nach herrschender Rechtsprechung das jeweils gelindeste Mittel zu wählen ist. Es ist eine Handlung des Arbeitgebers/ der Arbeitgeberin gefordert, die weitere Belästigungen mit sofortiger Wirkung und effizient verunmöglicht.

Um ein schuldhaftes Unterlassen annehmen zu können, muss dem/der Arbeitgeber/in das Vorliegen einer Abhilfe gebietenden Situation entweder bekannt oder zumindest erkennbar sein. Der/Die Arbeitgeber/in haftet daher nicht, wenn er/sie von der Belästigung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin weder wusste noch wissen musste. Für eine Haftung des Arbeitgebers genügt Fahrlässigkeit. Bei „Erkennbarkeit“ kommt es auf eine besondere „Bekanntgabe“ durch die betroffene Person nicht mehr an.2

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, es sei durch ihre Arbeitskollegen Herrn B, Herrn K und Herrn H zu (sexuellen) Belästigungen gekommen, wobei von der Antragsgegnerin keine dem GlBG angemessenen Maßnahmen zur Beendigung von bzw. Verhinderung zukünftiger Belästigungen getroffen worden seien, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin von 6. Oktober 2014 bis 30. Jänner 2015 bei der Antragsgegnerin beschäftigt war. Sie war zuerst als …Köchin am Standort „W“ eingesetzt. Im Zuge dieser Tätigkeit kam es immer wieder zu Konflikten zwischen den MitarbeiterInnen aufgrund der angespannten Arbeitssituation. Am 3. Dezember 2014 gab es eine Auseinandersetzung der Antragstellerin mit Herrn B in der …küche am Standort „W“. Streitthema war der Nachschub von Pasta. Später unterhielt sich der Antragsgegner mit Herrn B in abschätzigster Weise in der …küche über die Antragstellerin. Dort waren sie grundsätzlich zu zweit. Da zum Zeitpunkt dieses Gespräches allerdings die Türe von der …küche offen stand, konnte die Antragstellerin die beiden hören. Aufgrund der offenen Türe bestand die Möglichkeit, dass auch andere MitarbeiterInnen die Konversation verfolgen konnten. Die Antragstellerin wurde im Kühlhaus, wo sie in Tränen ausgebrochen ist, von Frau Y, der Assistentin von Herrn S, dem Restaurantleiter gefunden. Dieser berichtete sie von dem Streit mit Herrn B, nicht aber von dem Gespräch zwischen Herrn K und Herrn B.

Am 15. Dezember gab es einen kleinen Streit zwischen der Antragstellerin und Herrn G, dem Betriebsrat. Diesem berichtete sie in der Folge von dem Gespräch zwischen Herrn B und K. Herr G nahm dies zum Anlass um mit den beiden Mitarbeitern über das Thema zu sprechen. Das Gespräch zwischen Herrn B und Herrn K wurde in der Folge von Herrn G an andere MitarbeiterInnen, so auch an Herrn H weitererzählt. Außerdem berichtete Herr G anderen MitarbeiterInnen, dass die Antragstellerin eine sehr anstrengende Art habe und man es ihr nicht Recht machen könne.

Sobald Herr S von dem Vorfall am W erfuhr, unterhielt er sich ebenfalls mit Herrn B, Herrn K und der Antragstellerin und versuchte den Vorfall aufzuklären. Für ihn war das Ergebnis, dass es Aussage gegen Aussage stand. Er sah sich deshalb nicht veranlasst weitere Schritte zu unternehmen. In der Folge bot er der Antragstellerin einen Restaurantwechsel an.

Aufgrund gesundheitlicher Probleme, die im Zuge ihrer Arbeit in der …Küche vermehrt auftraten, wollte die Antragstellerin kündigen. Herr S hielt sie allerdings davon ab und versprach ihr, sie ab Jänner 2015 im …team einzusetzen. Schließlich wurde sie im Jänner 2015 zum Standort „M“ … versetzt. Herr G warnte die Antragstellerin vor der Versetzung, dass Herr H, der dortige Küchenchef, ein sehr grober Mensch sei und man nicht alles ernst nehmen dürfe, was er sage.

Schließlich wurde sie Mitte Jänner in den Standort „M" versetzt. Einige Tage vor der Versetzung besuchte Herr H, der Küchenchef der Filiale „M“ die Filiale „W“ und erkundigte sich über die Antragstellerin. Dort wurde ihm unter anderem mitgeteilt, dass die Antragstellerin anstrengend ist. Am 14. Jänner nach Schichtende versammelte er seine MitarbeiterInnen und beschimpfte die Antragstellerin vor dem anwesenden Team wüst. Dabei sagte er unter anderem „Du bist das Mädchen, das niemand ficken will.“ und „Du bist das Mädchen, mit dem niemand arbeiten kann, die selbst mit allen ein Problem hat und unfähig ist.“

Nachdem die Antragstellerin die (sexuellen) Belästigungen an die Arbeiterkammer gemeldet hat und für sie von der AK ein Kündigungsschreiben verfasst und abgesendet wurde, meldete sich Mag.a N, die Personalchefin bei der Antragstellerin. Es kam zu einem Gespräch bei dem unter anderem die Antragstellerin, die Personalchefin und Mag.a R seitens des Betriebsrates anwesend waren. Dabei legte die Personalchefin der Antragstellerin mehrmals die einvernehmliche Auflösung und die Rückziehung ihrer Kündigung nahe. Außerdem wurde der Antragstellerin in diesem Gespräch eine bezahlte Mediation bzw. eine weitere Versetzung angeboten. Eine finanzielle Gutmachung wurde ihr nicht angeboten. Herr H wurde außerdem von der Antragsgegnerin strengstens verwarnt.

In den von der Antragstellerin gegen Herrn B, Herrn K und Herrn H geführten Verfahren vor der dem Senat I der GBK wurden Diskriminierungen auf Grund des Geschlechtes gemäß §§ 6 Abs. 1 Z 3 und 7 Abs. 1 Z 3 GlBG festgestellt. Diese Personen waren zum Zeitpunkt der Belästigungen bei der Antragsgegnerin beschäftigt. Die (sexuellen) Belästigungen durch Dritte waren nicht Thema des vorliegenden Verfahrens. Demnach musste in diesem Verfahren lediglich die Abhilfemaßnahmen der Antragsgegnerin überprüft werden.

Der mündlichen Befragung der Beteiligten und dem Eindruck, den der erkennende Senat von ihnen gewinnt, kommt eine Schlüsselrolle bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens zu. Die Antragstellerin konnte den Senat davon überzeugen, dass ihr Glauben zu schenken war. Die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin und ihres Vorbringens ergibt sich für den Senat aufgrund verschiedener Faktoren. Die Antragstellerin konnte den Vorwurf der mangelnden Abhilfe in ihrem schriftlichen Vorbringen sowie ihrer mündlichen Befragungen glaubhaft darlegen.

Da die Antragsgegnerin nicht zu einer mündlichen Befragung erschien, konnte kein persönlicher Eindruck gewonnen werden. Es ist ein starkes Indiz dafür, dass die Antragsgegnerin nicht am Verfahren interessiert ist. Die Antragsgegnerin konnte folglich nicht das Gegenteil von der Version der Antragstellerin glaubhaftmachen. Mag.a N, die Personalchefin, die ursprünglich als informierte Arbeitgebervertreterin geladen war, bat auf ihre Befragung zu verzichten, da sie auf Grund des fortgeschrittenen Zeitverlaufs keine persönliche Erinnerung an das Vorgefallene habe. Das erscheint für den Senat nachvollziehbar und verständlich. Allerdings merkte sie in einem Beisatz an, dass bei der Antragsgegnerin (Betriebsratsvorsitzenden Mag.a R) Gedächtnisprotokolle vorliegen würden, die sie aufgrund des Datenschutzgesetztes sowie subjektiver Darstellung nicht zur Verfügung stellen dürfe. Diese Ansicht war für den Senat nicht erklärlich, da gemäß § 10 Abs. 2 GBK/GAW-Gesetz die ArbeitgeberInnen und alle Beschäftigten der betroffenen Betriebe verpflichtet sind, der Kommission und den Ausschüssen (§ 15) die für die Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Anzuerkennen ist, dass Mag.a R dem Senat zumindest eine schriftliche Stellungnahme zukommen ließ. In dieser behandelt sie skizzenhaft die Besprechung mit der Antragstellerin nach deren Kündigung im Jänner 2015. Zu den Vorfällen am „W“ führte sie aus, dass sich diese Angelegenheit in der Darstellung der Antragstellerin erledigt hat, weil sich sowohl der Betriebsrat als auch die Restaurantleitung eingeschalten hatten. Offensichtlich hat sich Mag.a R nicht mit dem Fall bzw. Vorbringen der Antragstellerin ausführlicher auseinandergesetzt. Das Interesse an einer endgültigen Klärung der Vorfälle schien der Antragsgegnerin kein primäres Anliegen zu sein. Bezeichnend für die Antragsgegnerin war die Äußerung ihres Rechtsanwalts in seinem Schreiben an die GAW für praktikable Vorschläge dieser Behörde (sic!) zu geeigneten Abhilfemaßnahmen zum Schutz vor und zur Beseitigung von Belästigungen offen und interessiert gegenüberzustehen, und in der Folge keiner Sitzung beizuwohnen.

Auch der Rechtsanwalt der Antragsgegnerin erschien am ersten Befragungstermin nicht. Am zweiten Termin, dem 2. Oktober 2018, erschien er nach Ende der Verhandlung und erklärte, dass er davon ausgegangen war zu einer anderen Uhrzeit geladen gewesen zu sein. Tatsächlich wurden dem Rechtsanwalt zwei Ladungen zugestellt, die laut Rückschein übernommen wurden. Außerdem ist ihm eine E-Mail zugesendet worden, die Bezug auf die vorhergehende Ladung und die zukünftige Sitzung nahm. Der Rechtsanwalt bestätigte den Erhalt dieser E-Mail. Schließlich teilte er mit, dass er ohne Zustimmung der Betroffenen keine Informationen aus dem Personalakt weitergeben dürfe. Wie oben ausgeführt, kann der Senat diese Rechtsansicht nicht teilen.

Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung war zuerst zu überprüfen, ob der Antragsgegnerin eine die Abhilfe gebietende Situation bekannt oder erkennbar war, also ob die Antragsgegnerin von der (sexuellen) Belästigung durch die Herren B, K und H gewusst hat oder wissen hätte müssen. Die Antragstellerin erläuterte, dass sie am 3. Dezember 2014 nach dem Vorfall mit Herrn B und Herrn K, Frau Y zunächst nichts von den sexuellen Belästigungshandlungen erzählte, da sie kein Vertrauen in diese hatte und zudem Angst vor einer schlechten Nachrede. Wie eine EU-weite Erhebung der Grundrechteagentur der Europäischen Union zu Gewalt gegen Frauen zeigt, sind Scham und Verlegenheit, der Eindruck die erlebte Belästigung sei zu unbedeutend bzw. nicht schwerwiegend genug, Angst vor dem Täter und die Annahme, es werde/könne sowieso nichts getan werden, wichtige Gründe für betroffene Frauen den Vorfall nicht zu melden.3 Die Meldung sexueller Belästigung kann als peinlich und entwürdigend wahrgenommen werden, die Reaktion der Betroffenen hängt auch von deren Erwartung ab, ob die Situation im Unternehmen gelöst werden kann.4 In Anbetracht dieser Tatsachen ist es daher für den Arbeitgeber zur Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht nicht nur wichtig, sich dieser Spezifika sexualisierter Gewalt bewusst zu sein sondern daraus folgend dafür Sorge zu tragen, dass Voraussetzungen geschaffen werden, die Schwierigkeiten für betroffene Personen, Vorfällen sexueller Belästigung zu melden, zu reduzieren.

Schließlich berichtete die Antragstellerin Herrn G erst einige Tage später von den Ereignissen. Die Auskunftsperson G bestätigte, dass sie von den Vorfällen mit Herrn B und Herrn K von der Antragstellerin informiert wurde. Es kommt jedenfalls nicht darauf an, ob die Antragstellerin die geschilderten Vorfälle explizit als „sexuelle Belästigung“ betitelte. Auch Herr S erfuhr von den Anschuldigungen und sprach die Beteiligten darauf an. Nach dem Vorfall im Jänner 2015 mit Herrn H wurde die gesamte Geschäftsleitung mit allen Vorwürfen konfrontiert. Der Antragsgegnerin war demgemäß die einer Abhilfe gebietenden Situation bekannt, stellte im Nachhinein auch keineswegs in Abrede, dass es Vorwürfe gegeben hat.

Folglich waren die Maßnahmen zu überprüfen, die von der Antragsgegnerin gesetzt wurden, um die Belästigungen aufzuklären bzw. zu unterbinden. Die ersten Maßnahmen, die als Reaktion auf die Vorwürfe getätigt wurden, waren das Gespräch zwischen Herrn G mit den Herren K und B sowie das Gespräch des Herrn S mit den beiden Herren. Herr S schloss aus seiner Befragung der Beteiligten, dass es Aussage gegen Aussage stehe. Er begnügte sich mit dem Ergebnis, dass keine abschließende Klärung des Falles gefunden werden konnte. Nach Meinung des Senates ist es jedenfalls unzureichend nur mit den Beteiligten zu sprechen. Eine genauere Aufarbeitung des Vorfalles, beispielsweise wie sich die beiden Mitarbeiter normalerweise verhalten, und ob der Vorwurf theoretisch der Wahrheit entsprechen könnte, wäre notwendig gewesen. Herr S erklärt in seiner Befragung, dass er den Vorfall zudem dem „Office“ mitgeteilt hat. Von höherer Seite erfolgte allerdings keine Kommunikation der Antragsgegnerin an die Antragstellerin. Was im „Office“ mit dem Vorwurf passiert ist, konnte nicht festgestellt werden, da zur Befragung kein/e Vertreter/in der Antragsgegnerin erschienen ist. In dem Schreiben des RA der Antragsgegnerin an die GAW wird von Dienstnehmergesprächen nach den Vorfällen am 3. Dezember 2014 berichtet, an denen die Unternehmensleitung in Anwesenheit auch der Leiterin der Personalabteilung und der Vorsitzenden des Betriebsrates berichtet wird. Diese Gespräche konnten von keiner der Auskunftspersonen bestätigt werden, dieses Vorbringen wirkte demnach für den Senat nicht nachvollziehbar, ein derartiges Gespräch hat nach Ansicht des Senates wohl nie stattgefunden.

Die „Lösung“ war die Versetzung der Antragstellerin in die Filiale „M“. Diese erfolgte zwar nicht primär als Reaktion auf die Vorkommnisse, sondern war auch im Interesse der Antragstellerin hinsichtlich ihrer Gesundheit. Nichts desto weniger handelte es sich dabei um eine Opfer-Täter-Umkehr. Nicht die Belästiger wurden versetzt, sondern die belästigte Person. Außerdem stellt auch alleine die Versetzung infolge von derartigen Vorwürfen zu Herrn H, den die Auskunftspersonen F, G und H glaubhaft als sexistischen und groben Machtmenschen beschrieben, eine Verletzung dar. Dass dieser ein inadäquates Verhalten gegenüber Frauen an den Tag legte, war im Unternehmen bekannt. Gerade in Bezug auf die Antragstellerin, die eine sexuelle Belästigung erfahren hat und sich damit an die Geschäftsleitung gewandt hat, ist diese Vorgehensweise im zweifachen Sinne unverständlich und bedenklich. Die Wirksamkeit der Abhilfe war nicht gegeben.

Einen schwerwiegenden Vertrauensverlust verursachte zudem der Betriebsrat. Herr G erzählte nämlich die Unterhaltung von Herrn B und Herrn K an Herrn H und weitere MitarbeiterInnen. Diese Maßnahme schützte die Antragstellerin nicht, ganz im Gegenteil, sie war sogar mitursächlich für weitere Belästigungen.

Die Maßnahmen nach dem zweiten Vorfall waren wie folgt zu beurteilen: Nach der Kündigung der Antragstellerin wurde Herr H von der Geschäftsführung befragt. Dieser bestritt den Vorfall und nannte der Antragsgegnerin drei Zeugen. Damit gab sich die Antragsgegnerin zufrieden. Allerdings die Situation derartig zu belassen und sich damit zu rechtfertigen, man habe mit den Mitteln, die einem/einer ArbeitgeberIn zur Verfügung stehen, den Vorwurf nicht klären können, ist höchst fragwürdig. Es gab neben der Antragstellerin und den zwei Auskunftspersonen genug andere MitarbeiterInnen, die eine Aussage zu dem Vorfall machen hätten können. Darauf wurde anscheinend bewusst verzichtet. Selbstverständlich obliegt der Antragsgegnerin auch eine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht, diese allerdings so auszulegen, dass man keine ZeugInnen zu einem Vorfall befragt, ist für den Senat unerklärbar.

Die Wirksamkeit der „vorgenommenen“ Abhilfe ist genau so wenig gegeben, da sich nach der Verwarnung des Herrn H nichts an seinem Verhalten verändert hat. Nach Einlangen der Briefe der Arbeiterkammer ist Herr H laut Befragung der Auskunftspersonen nicht mehr im Unternehmen weiterbeschäftigt worden. Ob dies in zeitlichem Zusammenhang als Abhilfe zu sehen ist, ist fraglich, da dies erst fast ein Jahr später passiert ist. Zudem wurde der Senat nicht darüber aufgeklärt, warum und ab wann Herr H nicht mehr im Unternehmen beschäftigt war.

Darüber hinaus wurde die Meldung der sexuellen Belästigung und deren Aufarbeitung auch durch den Umstand erschwert, dass der Antragstellerin keine klare Ansprechperson bekannt war, wie auch Frau F in ihrer Befragung erzählte. Gerade wenn das Vertrauen in die Geschäftsleitung verloren geht, bedarf es Vertrauenspersonen, denen man derartiges melden kann. Dass normalerweise der Betriebsrat für solche Fälle herangezogen werden kann, hatte in diesem Fall gerade einen gegenteiligen Effekt. Der geschilderte Ablauf zeigt auch, dass im Unternehmen im Falle von Meldungen von (sexueller) Belästigung keine klaren Vorgehensweisen definiert waren, wie in einer solchen Situation zu handeln ist.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Die mangelnde Abhilfe im Falle einer Belästigung nach § 7 Abs. 1 Z 2 GlBG war von Amts wegen zu überprüfen, da im Fall betreffend Herrn H eine sexuelle und eine geschlechtsbezogene Belästigung festgestellt worden ist. In beiden Fällen hat die Antragsgegnerin keine angemessene Abhilfe geleistet.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer (sexuellen) Belästigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß §§ 6 Abs.1 Z 2 und 7 Abs. 1 Z 2 GlBG vor.

Gemäß § 13 GlBG darf als Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des Unternehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes ein/e ArbeitnehmerIn durch den/die ArbeitgeberIn nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden.

§ 13 GlBG zählt drei unzulässige Viktimisierungshandlungen der AG auf: Entlassungen, Kündigungen und vom Gesetzgeber nicht näher präzisierte andere Benachteiligungen von ArbeitnehmerInnen „als Reaktion“ auf die Geltendmachung von Diskriminierungen. Die Formulierung „anders benachteiligt“ eröffnet einen ausreichenden Spielraum für die Rechtsanwendung, weil dem unbestimmten Begriff „Benachteiligung“ vielfältige Verhaltensweisen der ArbeitgeberIn unterstellt werden können.5

Der Regelungszweck des Benachteiligungsverbotes ist somit eine Verstärkung des Rechtsschutzes für jene ArbeitnehmerInnen, die sich in eigener Sache oder im Interesse von Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen mit rechtlich anerkannten Mitteln gegen (vermutliche) Diskriminierungen durch ihre ArbeitgeberInnen wenden.6 Die benachteiligende Reaktion des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin muss in einem plausiblen Zusammenhang mit dem Auftreten des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin stehen, wobei auch ein gewisser zeitlicher Konnex gegeben sein muss.7

Ob im Einzelfall eine Benachteiligung nach § 13 GlBG vorliegt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Es reicht daher nicht aus, dass ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin von dem betroffenen Arbeitnehmer bzw. der betroffenen Arbeitnehmerin subjektiv als benachteiligend empfunden wird.8

Die Beweiserleichterung des § 12 Abs. 12 GlBG gilt auch für das Benachteiligungsverbot (§ 13 GlBG letzter Satz).

Die Antragstellerin brachte weiters vor, die ihr angedrohte Kündigung, die Versetzung auf den Standort „W“ und die schlechte Nachrede, die sie im Unternehmen erfahren habe, habe als Reaktion auf ihre Meldung der (sexuellen) Belästigung bei der Antragsgegnerin stattgefunden.

Der oben festgestellte Sachverhalt war zudem in Hinblick auf § 13 GlBG zu überprüfen. Das Hauptaugenmerk dieser Überprüfung lag auf anderen Aspekten der Vorfälle und deren rechtliche Beurteilung. An dieser Stelle wird daher auf eine Wiederholung der intensiven Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit der Beteiligten verzichtet. Diese richtet sich nach dem oben gesagten.

Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist nach dem ersten Vorfall (Gespräch zwischen den Herren B und K) erfolgt. Nachdem sich die Antragstellerin bei Herrn G über die sexuellen Belästigungen beschwert hat, erzählte dieser den Vorfall an eine unbestimmte Anzahl an andere MitarbeiterInnen weiter. Die Antragstellerin hat daraufhin eine schlechte Nachrede erfahren. Unter anderem ist über die Antragstellerin gesagt worden, dass sie sich beschwere und man es ihr nicht Recht machen könne. Im ganzen Unternehmen ist derart über sie gesprochen worden. Die schlechte Nachrede stellt eine Benachteiligung im Sinne des § 13 GlBG dar und ist als unmittelbare Folge auf die Bekanntgabe der Vorwürfe zu betrachten. Pikanterweise war diese Informationsweitergabe zusätzlich ursächlich für die Belästigung durch Herrn H, der sich auf den Vorfall am „W“ bezog. Der Betriebsrat hat nach Meldung der Vorwürfe seine vertrauliche Stellung wissentlich missbraucht und für die Antragstellerin eine benachteiligende Situation geschaffen. Sie hätte sich in einer besseren Situation wiedergefunden, wenn sie den Vorfall niemals gemeldet hätte. Genau das soll durch das Benachteiligungsverbot verhindert werden, ein effektiver Rechtsschutz soll gewährleistet werden.

Dass sich die Antragstellerin dabei in erster Linie an Herrn G gewandt hat, der Betriebsrat war, und nicht an Herrn S, als ihren direkten Vorgesetzten, ist unerheblich. Die gesetzliche Formulierung – „Beschwerde … innerhalb des betreffenden Unternehmens …“ (und nicht beim oder gegenüber dem/der ArbeitgeberIn) – spricht auch für die Erfassung weiterer Fallkonstellationen; etwa jener Fälle, in denen sich die ArbeitnehmerInnen bloß „indirekt“ an ihre ArbeitgeberInnen wenden, indem sie die Beschwerden gegenüber RepräsentantInnen der ArbeitgeberIn (zB bei unmittelbaren Vorgesetzten) oder bei Belegschaftsvertretungsorgangen (zB beim Betriebsrat) zum Ausdruck bringen). Es sollte daher ausreichen, wenn es den ArbeitgeberInnen bekannt oder objektiv erkennbar ist, dass ArbeitnehmerInnen durch ihr Verhalten auf eine (vermutliche) Diskriminierung aufmerksam machen, sich dagegen zur Wehr setzten und Abhilfe verlangen.9 Zudem war Herr G auch in der Funktion als Vorgesetzter im Unternehmen tätig.

Die Versetzung der Antragstellerin war ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Benachteiligungsverbotes zu betrachten. Die Beurteilung dieser Maßnahme war nicht zweifelsfrei. Einerseits sagt die Antragstellerin selber aus, dass sie aus gesundheitlichen Gründen gerne an einer anderen Stelle arbeiten würde, andererseits wurde sie ohne Zustimmung in eine andere Filiale versetzt. Zu bedenken ist, inwiefern eine Versetzung in eine … Kilometer entfernte Filiale überhaupt eine Benachteiligung darstellt. Dies unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerin noch nicht sehr lange im Unternehmen beschäftigt war und damit nicht in der Belegschaft verankert. Würde man eine Benachteiligung annehmen, stellt sich zudem die Frage ob die Versetzung überhaupt in Zusammenhang mit der Erhebung der Vorwürfe der sexuellen Belästigungen steht. Der Senat schloss aus der Befragung, dass die Versetzung eher den gesundheitlichen Problemen der Antragstellerin geschuldet war und von dieser begrüßt wurde. Daher war diese Maßnahme nicht als Verstoß gegen § 13 GlBG zu werten.

Dass der Senat nur einen Verstoß gegen § 13 GlBG erblickt hat, mindert allerdings nicht das Ausmaß der Benachteiligung, die sie durch die Handlungen des Herrn G erfahren hat. Die schlechte Nachrede und die mitverursachte weitere Belästigung durch Herrn H war – aufgrund der Massivität sogar als einzelner Vorfall – nach Auffassung des Senates als grobe Verletzung des Benachteiligungsverbots zu betrachten.

Bezüglich der Ausführungen zur Glaubwürdigkeit wird auf § 6 GlBG verwiesen. Zusammenfassend ist das Vorbringen der Antragstellerin, die Benachteiligung, nämlich die schlechte Nachrede, ist als Reaktion ihrer Meldung erfolgt, dem Senat glaubwürdig erschienen. Dies wird zudem durch die Aussagen der Auskunftspersonen gestützt.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat zu der Ansicht, dass die Antragsgegnerin nicht einmal versuchte zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen. In der Stellungnahme der Antragsgegnerin setzt sich nicht mit dem Benachteiligungsverbot auseinander, zudem erschien seitens der Antragsgegnerin niemand zur Sitzung.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund durch eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes gemäß § 13 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der der Antragsgegnerin, V GmbH gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und werden folgende Vorschläge zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

1. Leistung eines angemessenen Schadenersatzes,

2. Erstellung von betriebsinternen Vorkehrungen für Fälle von (sexueller) Belästigung,

3. Sensibilisierungsmaßnahmen zum Thema (sexuelle) Belästigung.

Wien, 2. Oktober 2018

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 13.

3  Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung, Zeitraum März – September 2012, Ergebnisse veröffentlicht im März 2014.

4  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 59.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 9.

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 7.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 33.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 9.

9  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 16.

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2019
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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