Gbk 2018/12/11 GBK I/722/16

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Veröffentlicht am 11.12.2018
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 11. Dezember 2018 über den am 7. November 2016 eingelangten Antrag von Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch die X GmbH (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/722/16, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

Frau A ist auf Grund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 21. August 2018 und von Herrn Geschäftsführer B (als informierten Vertreter der Antragsgegnerin) vom 11. Dezember 2018. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf den Dienstvertrag der Antragstellerin vom 27. Jänner 2016 und eine Slack-Nachricht von Herrn GF B an die Antragstellerin vom 9. Mai [2016]. Weiters lagen dem Senat ein E-Mail der Antragsgegnerin an die Rechtschutzabteilung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für … (AK …) vom 4. Jänner 2017 sowie ein E-Mailverkehr zwischen der Antragstellerin und der AK … vom 17. Jänner 2017 vor.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei seit 27. Jänner 2016 bei der Antragsgegnerin als Kundenberaterin beschäftigt gewesen.

Bei ihrem Einstellungsgespräch mit dem Geschäftsführer der Agentur, Herrn B, habe sie erwähnt, dass sie ein Kind habe und dass es klein sei. Das Alter habe sie jedoch nicht kommuniziert.

Sie habe beim Vorstellungsgespräch informiert und darauf bestanden, dass sie nur bis 17:30 Uhr arbeiten könne, weil sie nur bis 18:00 Uhr eine Kinderbetreuung habe. Daher würde sie ein Firmenhandy benötigen, um verfügbar zu sein und um ihre Mails am Handy abzurufen. Sie habe auch darauf bestanden, dass sie von zu Hause arbeiten können müsste, wenn ihr Kind krank wäre, da die 8 Tage Freistellung nie ausreichen würden. Dies habe kein Problem dargestellt.

Das Firmenhandy habe sie nie erhalten, lediglich ein iPad ohne Sim-Karte.

Kurz nachdem die Antragstellerin zu arbeiten begonnen habe, habe sie die Kindergartenleiterin informiert, dass in den Schulferien die Kinderbetreuung nur bis 17:00 Uhr gewährleistet werden könne, da der Hort zu hätte. Obwohl ihre schriftliche Vereinbarung bis 18:00 Uhr festgelegt gewesen sei, habe sie sich rasch um einen neuen Kindergartenplatz bemühen müssen. So habe die Antragstellerin Herrn B Anfang März informiert, dass sie den Kindergarten wechseln müsste, welche die Gründe seien, und was die Folgen wären, nämlich, dass sie eine Woche Urlaub nehmen müsste um die Eingewöhnung im neuen Kindergarten zu durchführen. Herr B sei sichtlich von ihrem Lösungsvorschlag positiv überrascht gewesen, und habe ihr die Urlaubswoche sofort genehmigt. Diese sei im System vom Front Office eingetragen worden.

Eine Woche sei verdammt knapp, vor allem weil es auch noch einen Feiertag in dieser Woche gegeben habe. Normalerweise dauere die Eingewöhnung bei einem Kind, das schon im Kindergarten betreut worden sei, mindestens zwei Wochen. Sie kenne Kinder, die bereits fünf Jahre alt seien, bei denen die Eingewöhnung über ein Monat gedauert habe.

Am 28. April habe Herr B sie erstmalig informiert, dass die Agentur zu einer Ausschreibung (Pitch) eingeladen worden sei, und dass er Rückfragen zu dieser habe. So habe er mit ihr gemeinsam die Marketingleiterin dieser Firma angerufen (dies tat er am Empfang der Agentur), und habe ihr Fragen gestellt. Die Antragstellerin habe sich Handnotizen gemacht, da sie den Inhalt der Ausschreibung nicht gekannt habe. Diese habe sie in einer neuen Mappe abgelegt, wo sie auch die Ausschreibungsunterlagen, die er ihr später per E-Mail weitergeleitet habe, beigefügt habe.

Am 29. April, als sie sich ausnahmsweise pünktlich um 17:30 Uhr verabschiedet habe (es sei der letzte Tag im alten Kindergarten gewesen), habe sie Herrn B gesagt: „Wegen Pitch kannst du mich anrufen, wenn du weißt, wann du das Brainstorming machen willst, ich sage dir dann, ob ich kommen kann oder nicht, es hängt nicht von mir ab. Aber nachmittags ist für mich besser, da kann ich sicher, ich muss nur die Kleine mitnehmen.“ Er habe überrascht Was?“ geantwortet, darauf die Antragstellerin „Nächste Woche habe ich frei, da ist die Eingewöhnung im neuen Kindergarten, das weißt du schon längst, wir haben schon darüber gesprochen und es ist im Kalender eingetragen“.

In dieser Woche habe die Antragstellerin nur Anrufe eines Mitarbeiters zu einem bestimmten Projekt gehabt, keine Anrufe von Herrn B.

Als sie am 9. Mai aus ihrem „Urlaub“ zurückgekommen sei, habe sie Herrn B im Hof mit den Hunden gesehen. Er habe sie kaum gegrüßt, habe aber mit Frau C gesprochen, die sie im Bus getroffen gehabt habe. Frau C sei bei ihm stehen geblieben, die Antragstellerin sei hineingegangen. Herr B habe sie um 9:30 Uhr zu einem Gespräch hereingeholt. Inzwischen seien die anderen Mitarbeiter auch schon angekommen, und sie habe deren seltsamen Blick bereits zu Kenntnis genommen und sei auch überrascht gewesen, dass sie keiner gefragt habe, wie die Eingewöhnung gelaufen sei.

Herr B habe das Gespräch gestartet mit „Ich habe das ganze Wochenende darüber nachgedacht und bin am Sonntag zum Schluss gekommen, dass wir die Zusammenarbeit mit Dir beenden werden. Dein Vorgänger hatte in einer solchen Situation sein Urlaub storniert.".

Die Antragstellerin: „Ja aber ich war nicht im Urlaub, das war die Eingewöhnung im Kindergarten.“

Herr B: „Damals haben wir den D im Urlaub angerufen und ihm den Flug bezahlt.“

Die Antragstellerin: „Ich war nicht in Italien am Strand, sondern im Kindergarten. Wir haben schon darüber gesprochen, ihr Vater hat Urlaubssperre und meine Mutter konnte auch nicht kommen.“

Herr B: „Ich habe mich lange mit E darüber unterhalten, er hat auch Probleme mit seiner Tochter, die Eingewöhnung dauert ewig.“

Die Antragstellerin: „Ich habe nur eine Woche genommen, inklusive Feiertag. Das ist verdammt kurz, normalerweise geben die Kindergärten zwei Wochen vor. Da kann ich mich glücklich schätzen, dass es in einer Woche machbar war, und so auch geklappt hat.“

Herr B: „Zu meiner Zeit war das nicht so. Meine Mutter hat uns hingebracht, und ist wieder gegangen. Meine Schwester und ich haben geweint, aber das war egal.“

Die Antragstellerin: „Zu deiner Zeit hat man Kleinkinder ohne Narkose operiert. Deswegen war die Sterberate auch so hoch.“

Danach meinte er, es würde sich ohnehin der wichtigste Kunde beschweren. Die Antragstellerin habe geantwortet, dass dieser Kunde sich seit sie hier arbeite beschwert habe, zum Teil sei der Kunde selber daran schuld, zum anderen habe sie sich in der Urlaubswoche auch Gedanken darüber gemacht, wie die Abläufe optimiert werden könnten, wie die Mitarbeiter in die Pflicht genommen werden können etc. Er habe dann gesagt, dass sie auch nie da wäre, wenn der Kunde kurzfristig Termine vereinbaren würde, und er immer mit dem Kollegen hingehen müsse. Ihre Tochter sei tatsächlich zweimal krank gewesen, und sie habe von zu Hause aus gearbeitet. Das habe der Kunde gewusst. Beim Kunden sei nichts weitergegangen, wenn die Projektleiterinnen Pflegetage nahmen. Herr B habe sich auch beschwert, das Protokoll zum o.g. Telefongespräch nicht im System gefunden zu haben. Da habe die Antragstellerin geantwortet, er hätte sie anrufen können, er habe es nicht getan, also könne es nicht so wichtig für ihn gewesen sein

Das Gespräch sei dann mit weiteren Vorwürfen weitergegangen, die darauf hingewiesen hätten, dass Herr B sie für die Agenturleiterin gehalten habe, was sie nicht gewesen sei, und habe heraushören lassen, dass er bereits mit dem Kunden einen Deal ausgemacht gehabt habe: Marketing Leiter auf Kundenseite werde „ausgeschaltet" (dixit B), es übernehme ab sofort ein Neuer die Agenden, Herr F übernehme die Kundenleitung, die Antragstellerin bringe nur ein bestimmtes Projekt zu Ende.

Sie habe ihn informiert, dass sie die Kündigung annehme, sie seine Begründungen für falsch halte, aber da so viel in dieser Agentur schieflaufe, werde sie nicht um diesen Arbeitsplatz kämpfen. Er könne mit seiner Begründung aufhören und müsse nicht noch mehr Ausreden finden.

Am selben Tag habe er ihr per Slack eine Nachricht geschrieben, dass er sich alles noch einmal überlegen möchte, weil er ihre Argumente sehr ernst genommen habe, und je nachdem wie sich die Ausschreibung X (sie wisse nicht mehr welche) entwickeln würde, würde er sie gerne weiter beschäftigen, eventuell unter anderen Verhältnissen.

Die Antragstellerin habe ihn also ein paar Wochen später gefragt, wie der Stand sei. Darauf sei die Antwort gekommen: „Wenn Du mir garantieren kannst, dass du jeden Tag bis 22:00-23:00 Uhr zur Verfügung stehst, das auch an Samstag und Sonntagen, dann können wir uns darüber unterhalten. Ansonsten nicht.“

Sie habe mit mehreren Personen darüber gesprochen, alle fänden diese Begründung diskriminierend. Herr B habe gewusst, dass sie ein Kind habe, er habe rasch gewusst, wie alt das Kind gewesen sei, und er habe gewusst, dass sie alleinerziehend gewesen sei. Er hätte das Arbeitsverhältnis in der Probezeit beenden können, zB Anfang März, als sie ihn über die Sachlage informiert habe

Seine Begründung „Dem D haben wir den Flug bezahlt“ finde sie umso mehr diskriminierend, weil nur die Eltern/Großeltern die Eingewöhnung durchführen können, kein Babysitter kurzfristig einspringe. Abgesehen davon, dass sie ihr Gehalt nie pünktlich erhalten habe, und sie somit keinen Babysitter zahlen habe können.

Der Satz „Wenn Du mit garantieren kannst, dass Du jeden Tag bis 22:00 etc.“ ist eine weitere Provokation. Er hätte einfach antworten können „ist leider nichts geworden“ oder „ich bleibe bei meiner Entscheidung“.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 2. Dezember samt Richtigstellung vom 5. Dezember 2016 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Der erhobene Vorwurf, die Antragsgegnerin hätte eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Familienstandes (Alleinerzieherschaft bzw. Mutterschaft), also aus unlauteren und diskriminierenden Motiven ausgesprochen, sei unwahr. Diese Behauptung sei auch – im weitesten Sinn – als ehrenrührig zu betrachten.

Die erhobenen Anschuldigungen seien unrichtig und der im Antrag beschriebene Ablauf sei weitgehend falsch dargestellt. Dem Antrag komme sohin keine Berechtigung zu.

Die Antragstellerin habe die Stelle aufgrund glaubhaft vorgebrachter Qualifikationen im zweiten Bewerbungsanlauf erhalten, weil die Antragsgegnerin zuerst einen besser geeignet erscheinenden Bewerber eingestellt gehabt habe (längere Vordienstzeit im geforderten Berufsbild und Ausbildung durch Lehrberuf).

Die Antragstellerin sei unter den drei am besten geeigneten Bewerbern gereiht gewesen.

Sie sei schon im ersten Vergabeprozess persönlich informiert worden, dass sie – sollte der erstgereihte Bewerber in der Probezeit es sich anders überlegen bzw. sich als nicht geeignet herausstellen – sofort kontaktiert würde, ob sie (dann) noch zur Verfügung stünde. Dazu sei es dann auch gekommen.

Zu keinem Zeitpunkt habe irgendein Problem bestanden, dass die Antragstellerin Alleinerzieherin sei – was es übrigens auch bei niemand anderem wäre, da die Antragsgegnerin seit der Unternehmensgründung eine strikte Gleichbehandlungs-Policy in allen Fragen von zB Gehalt bis Karenz (vor-)leben habe.

Das Alter des Kindes und die angespannte private Situation mit dem Kindesvater usw. habe die Antragstellerin kommuniziert.

Die Antragstellerin sei schon beim Bewerbungsgespräch davon überzeugt gewesen, dass sie trotz dieser privaten Problemstellungen in der Lage sei, auch als Alleinerzieherin flexibel und ergebnisorientiert ihre Funktion einer teamverantwortlichen Mitarbeiterin zu übernehmen und zu erfüllen.

Die Leitung der Agentur selbst sei ihr zu keiner Zeit angeboten, übertragen oder ähnliches worden. Diese Behauptung sei unrichtig.

Richtig sei, dass vereinbart gewesen sei, dass die Antragstellerin das Büro jeweils pünktlich (wegen dem Erfordernis der Abholung ihrer Tochter vom Kindergarten) um 17:30 Uhr verlasse.

Die Antragstellerin habe sich aber bereit erklärt gehabt, gegebenenfalls auch noch nach 18:00 Uhr für allfällige Fragen und Abstimmungen erreichbar zu sein. Die Übernahme eines Firmenhandys dazu sei angeboten worden (iPhone 5s), dies sei aber dann nicht zustande gekommen. Das zur Verfügung gestellte iPad, habe sie ohne Sim-Card erhalten, weil sie versichert habe, zu Hause ohnehin ein voll funktionstüchtiges WLAN zu haben.

Die Antragstellerin habe eine führende Position als Teamleiterin bekleidet. Der Anforderung habe sie dann aber in der Folge – aus welchen Gründen auch immer – nicht genügt.

Schon vor der Einstellung sei sie darauf hingewiesen worden, dass bei einigen Kunden in den Verträgen eine Bedingung, dass Schlüsselarbeitskräfte (wie bei der Antragstellerin) unter Umständen auch nach 18:00 Uhr erreichbar sein müssten, enthalten sei, für die die Agentur garantieren müsse. Dazu habe sich die Antragstellerin auch bereit erklärt gehabt. Sie habe also gewusst, dass es sich um keinen regelmäßigen nine to five Job gehandelt habe, sondern bei Bedarf auch längere Erreichbarkeit notwendig gewesen seien.

Schon im Bewerbungsgespräch sei sie darüber (ohne Vorbehalte) informiert worden, dass sich die Werbeagentur in einer arbeitsintensiven Akquisitionsphase befinde, die durchaus fordernd für das gesamte Team sein könne. Das sei der Antragstellerin auch bewusst gewesen. Sie habe den Eindruck vermittelt, sie könne auch entsprechend Einsatz bringen und sei teamfähig.

Das bestehende Team sei dazu aufgefordert worden, die Antragstellerin umfassend zu unterstützen, sie auch entsprechend zu entlasten, damit sie in ihrer Anwesenheitszeit ihre Arbeit auch erledigen könne um anschließend (in ihrer Freizeit) ihren Pflichten als Alleinerzieherin nachkommen zu können und sich auf ihr Kleinkind konzentrieren könne. Weil aber Team-Arbeit eben oft noch nicht um Punkt 17:30 Uhr erledigt sei, sei das Team darauf hingewiesen worden, dass eben der alleinerziehenden Mutter besonders kollegial unter die Arme zu greifen wäre usw.

Die Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt etwa betreffend Arbeitszeiten unter Druck gesetzt worden. Sie habe regelmäßig den Arbeitsplatz um 17:30 Uhr verlassen können. Gegenteilige Behauptungen seien grob unwahr.

Es sei einmal vorgekommen, dass die Antragstellerin wegen eines unaufschiebbaren Termins ihre Tochter ausnahmsweise von anderen Eltern aus dem Kindergarten abholen lassen habe müssen und dies aber nicht – wie erwartet – geklappt habe (das Kind sei für kurze Zeit unbeaufsichtigt gewesen und die Antragstellerin deswegen in großer Sorge). Das sei von ihr zumindest so kommuniziert worden.

Daher sei ihr angeboten– entsprechend dem Unternehmensleitbild – und dazu eingeladen worden, jederzeit ihre Tochter ins Unternehmen auch mitzubringen bzw. das Kind auf Kosten der Arbeitgeberin von einem sehr zuverlässigen Limousinen Service vom Kindergarten abholen zu lassen, für den Fall der Notwendigkeit. Dies sei von der Antragstellerin jedoch zurückgewiesen worden.

Ihre Tochter sei auch einmal persönlich im Unternehmen anwesend gewesen und habe offensichtlich großen Spaß daran gehabt, mit Papier, Stiften und den kleinen Hunden, die in der Agentur seien, zu spielen.

Es liege eher der Verdacht nahe, dass die Antragstellerin vor allem deshalb das Angebot abgelehnt habe, ihre Tochter kostenfrei nach dem Kindergarten ins Büro chauffieren zu lassen, weil sie das Umfeld der Agentur für das Kind für ungeeignet gehalten habe.

Das Unternehmen werde vom Geschäftsführer der Arbeitgeberin und dessen Partner seit jeher als – offen – homosexuell lebendes Paar geführt, was bei der Antragstellerin offenkundig merkliches Unbehagen ausgelöst habe.

Bemerkungen wie, „man (die beiden) wüsste/n ja nicht, wie es sei, ein Kind noch dazu alleine großzuziehen“, würden Rückschlüsse in diese Richtung zulassen. (Anm.: gemeint der Geschäftsführer und sein Partner)

Die Ausführungen der Antragstellerin zum Urlaub seien irrelevant. Dazu komme, dass sie hier offenbar etwas verwechsle. Einem ehemaligen früheren Mitarbeiter seien einmalig die Kosten für einen Urlaubsabbruch samt Rückreise nach … rückerstattet worden. Alle Kosten und Spesen seien ersetzt und die Urlaubszeit sei wieder gutgeschrieben worden, weil seine Anwesenheit unerlässlich gewesen sei (Kunden von Werbeagenturen beziehen sich in ihrer Zusammenarbeit oft stark auf bestimmte fachkundige Mitarbeiter).

Keinesfalls sei ähnliches von ihr verlangt worden. Eine Behauptung in diese Richtung sei unwahr und auch nicht Verfahrensgegenstand.

Die Antragstellerin sei in der gesamten KW 16/2016 auf Pflegeurlaub gewesen, weil ihr Kind erkrankt gewesen sei. Der Kindergarten-Angewöhnungsurlaub sei später erfolgt. Das Kind sei dabei gewesen, den Kindergarten zu wechseln.

In der Folgewoche (KW 17), am 28. April 2016, sei die Zusage eines Neukunden für eine Ausschreibungsteilnahme eingelangt. Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin habe das Gespräch mit der dortigen Marketingleitung am Telefon geführt. Die Antragstellerin sei ihm dabei hilfreich zur Seite gestanden und habe handschriftliche Notizen usw. verfasst, die sie irgendwo abgelegt habe.

Trotz Aufforderung und Usus in der Agentur habe aber die Antragstellerin die Notizen nicht in das interne Projektmanagementsystem via iPad oder PC übertragen, sodass auch niemand auf diese – im System nicht erfassten – Daten Zugriff erlangen habe können.

Auch sei ein solcher Eintrag nicht am letzten Arbeitstag vor dem Urlaub, am 29. April 2016, erfolgt.

In der KW 18 sei die Antragstellerin auf Urlaub gewesen. Für das Unternehmen sowie die übrigen Mitarbeiter seien diese Notizen für die Ausschreibung nicht zur Verfügung gestanden.

Dadurch habe der Geschäftsführer ein Gesprächsprotokoll nachverfassen und in das System eintragen müssen, sodass es dann den Teamkollegen zur Verfügung gestanden sei, die sich der Ausschreibung anstelle der Antragstellerin annehmen haben müssen.

Da es sich um einen Kunden gehandelt habe, den die Antragstellerin schon von ihrer vorigen Arbeitsstelle gekannt habe, da sie einen Mitbewerber des potenziellen Kunden betreut gehabt und ihre Sachkundigkeit vorgegeben habe, und das auch deutlich im Team kommuniziert habe, wen sie dort kenne usw. und sie wisse, wie es dort ablaufe etc., sei es dann doch überraschend gewesen, dass sie nicht den Versuch eines vernünftigen Teamworks gemacht habe als es der Agentur in der Folge gelungen sei, mit diesem Kunden in die Ausschreibungsrunde geladen zu werden. Das ihr überantwortete Team hätte zu diesem essentiellen Neukundengewinn führen können.

Die Antragstellerin habe ihr – wie eingangs erwähnt – freiwilliges Angebot, eine flexible Erreichbarkeit nach 17:30 Uhr zu gewährleisten dahingehend einseitig abgeändert, dass sie auf die Frage, weshalb die ihr unterstellten MitarbeiterInnen sie nicht erreichen können sobald sie einen Fuß aus dem Büro gesetzt habe, zu verstehen gegeben, dies sei nach 21 Uhr (!) kein Problem. Von 17:30 Uhr bis dahin sei sie eben nicht erreichbar.

Die Antragstellerin habe in ihrem Bewerbungsgespräch angegeben, sich mit Social Media Werkzeugen und Online-Projekten weitgehend genug auszukennen, um zumindest beratend in diesen immer wichtigeren Fragen tätig zu sein. Dies habe sich zT nicht bewahrheitet. Die unter ihr laufende Neuerrichtung einer großen Kundenhomepage habe sie nicht zufriedenstellend koordinieren können, die ihr unterstellten Mitarbeiterlnnen haben die Social Media Projekte gänzlich ohne ihr Monitoring umsetzen müssen.

Die angesprochene Unzufriedenheit der ihr überantworteten Kunden habe aus dem rasch ersichtlichen Mangel an Projekt-Koordinationsvermögen, einer dauerhaft unterlassenen Qualitätskontrolle der gelieferten Konzepte und Entwürfe, die zu mehreren hundert (!) nicht einbringlichen Stunden an Kundenprojekten geführt haben und der konsequenten Ablehnung der vorgeschriebenen digitalen Werkzeuge wie etwa dem Projektmanagementsystem und Intranet, resultiert. Es sei der Antragstellerin aus diesem Grunde nicht möglich gewesen, den in ihrer Position geforderten Überblick über die Teamperformance zu behalten.

Ein weiteres Problem sei ihre oftmals unwirsche Kommunikation zu den Kunden und deren Mitarbeiterlnnen gewesen – sowohl am Telefon als auch in E-Mails und Meetings.

Weiters habe die Antragstellerin versucht die Agenturkunden gegenüber den MitarbeiterInnen als „ausbeuterisch“ und „falsch“ darzustellen, insbesondere, wenn es darum gegangen sei, nicht einbringlichen Mehrleistungen auf die Spur zu kommen.

Es habe sich außerdem – später – herausgestellt, dass die Antragstellerin trotz ihrer vorgeblichen Qualifikation vereinzelte Angebote oder Abrechnungen in völliger Fehleinschätzung von Budget und Aufwand an Kunden geschickt gehabt habe, die dadurch fast als Geschäftspartner verloren gegangen wären.

Das Arbeitsverhältnis mit der Antragstellerin sei wegen mangelnder Leistung und problematischem persönlichem Verhalten sowohl gegenüber Teamkollegen und Mitarbeiterlnnen als auch gegenüber Kunden beendet worden. Die Kündigung sei frist- und vertragskomform zum 30. Juni 2016 erfolgt. Andere Behauptungen dazu seien unwahr.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 3 Z 7 GlBG darf aufgrund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es bei Berufung auf §§ 3 oder 4 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 2 vorliegt.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses stehe in einem Zusammenhang damit, dass sie ein Kind habe und alleinerziehende Mutter sei, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin von 27. Jänner bis 30. Juni 2016 bei der Antragsgegnerin als Senior Account Manager beschäftigt war. Im Dienstvertrag vom 27. Jänner 2016 war u.a. geregelt, dass die ersten zwei Monate als Probemonate gelten und die Dienstzeiten im Rahmen der gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen vom Dienstgeber frei festgesetzt werden können. Bereits im Zuge des Einstellungsgesprächs mit dem Geschäftsführer B erwähnte die Antragstellerin, dass sie ein kleines Kind habe und nur bis 17:30 Uhr arbeiten könne, weil sie nur bis 18:00 Uhr eine Kinderbetreuung habe. In der KW 16/2016 nahm die Antragstellerin Pflegefreistellung in Anspruch um ihr erkranktes Kind zu betreuen. Am 28. April 2016 (KW 17) langte die Zusage eines Neukunden für eine Ausschreibungsteilnahme ein. In der KW 18/2016 nahm die Antragstellerin Urlaub um ihr Kind in einem neuen Kindergarten einzugewöhnen. Am 9. Mai 2016, nach der Rückkehr der Antragstellerin, fand ein Gespräch von Herrn B mit der Antragstellerin statt, in dem es um den weiteren Verbleib der Antragstellerin im Unternehmen ging. Diesem Gespräch folgte eine Nachricht von Herrn B an die Antragstellerin per Slack in dem dieser nochmals das Thema der weiteren Zusammenarbeit aufgriff und ein Gespräch nach einem Termin bei einem Kunden ankündigte. Schließlich wurde das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig mit 30. Juni 2016 beendet.

Als Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde von der Antragsgegnerin die mangelhafte Arbeitsleistung der Antragstellerin und ihr problematisches persönliches Verhalten sowohl gegenüber TeamkollegInnen und Mitarbeiterlnnen als auch gegenüber KundInnen genannt.

Die Antragstellerin wiederholte in der mündlichen Befragung das Gespräch mit Herrn B am 9. Mai 2016 wie im Antrag dargestellt und betonte, dass sich die KundInnen vorher nicht beschwert haben, sich dann aber plötzlich angeblich KundInnen beschwert haben.

Das Vorbringen der Antragstellerin, dass die Kündigung mit ihren Kinderbetreuungspflichten in Zusammenhang stehe, erschien dem Senat glaubhaft. Sie brachte glaubhaft vor, abends zu Hause gearbeitet zu haben. Ebenfalls überzeugend waren ihre Ausführungen, dass sie ihre Tochter nicht ins Büro mitgenommen habe, da diese beschäftigt werden wollte und die Antragstellerin, wenn ihre Tochter auf ihrem Schoß sitze, nicht tippen könne. Es ist zudem nachvollziehbar, wieso die Antragstellerin das Angebot, ihre dreijährige Tochter von einem Limousinen-Service abholen zu lassen und ins Büro zur Antragstellerin zu bringen, ausgeschlagen hat.

Das Gegenvorbringen der Antragsgegnerin, dass die Kündigung aus sachlichen Gründen erfolgt sei, konnte hingegen nicht überzeugen. Von der Antragsgegnerin wurde keinerlei schriftlicher Nachweis über die mangelnde Arbeitsleistung, wie beispielsweise Beschwerden von KundInnen, vorgelegt, noch wurden Auskunftspersonen namhaft gemacht, die Wahrnehmungen zum Verhalten der Antragstellerin schildern könnten. Vielmehr wies Herr GF B bei mehreren Vorwürfen –Kommunikation gegenüber KundInnen, kurzfristiger Urlaubsantrag – darauf hin, dass diese keine Kündigungsgründe darstellen würden. Er lobte in der mündlichen Befragung sogar die Pünktlichkeit der Antragstellerin.

Zur oben genannten Beweislastverteilung nach § 12 Abs. 12 GlBG ist auszuführen, dass die betroffene Person den glaubhaften Anschein einer Diskriminierung darlegen muss.2 Gelingt dies, verlagert sich die Beweislast auf den/die AntragsgegnerIn. Diese/r muss dann den Beweis erbringen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat, sondern ein anderes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war. Dieses Motiv darf weder zu einer anderen Diskriminierung führen noch gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen. Ausschlaggebend bedeutet nicht ausschließlich, aber das Motiv überwiegt soweit, dass es die Entscheidung des/der AntragsgegnerIn bestimmt hat.3

Das Thema Erreichbarkeit bzw. Verfügbarkeit der Antragstellerin war in der Befragung von Herrn Geschäftsführer B omnipräsent. Auch wenn aus Sicht der Antragsgegnerin „das Kind“ der Antragstellerin „nie das Thema“ war, „sondern die Verfügbarkeit“, so sind nach Auffassung des Senates bei ArbeitnehmerInnen mit Kinderbetreuungspflichten diese beiden Aspekte eben gerade nicht so ohne Weiteres voneinander trennbar. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ArbeitnehmerInnen mit Kinderbetreuungspflichten nicht im selben Ausmaß Flexibilität und Präsenz im Arbeitsalltag zeigen können wie ArbeitnehmerInnen ohne Betreuungspflichten. Erst flexible Arbeitsmodelle, wie beispielsweise eine Stellvertretung für den Zeitraum 17:30 bis 19:00 Uhr, ermöglichen ArbeitnehmerInnen mit Kinderbetreuungspflichten den Zugang zu höher qualifizierten Tätigkeiten in dieser Lebensphase. Eine derartige Regelung wurde im gegenständlichen Fall jedoch nicht getroffen.

Vollständigkeitshalber ist darauf hinzuweisen, dass Herr E zwar geladen wurde, aber aufgrund des Umstandes, dass er den mehrmaligen Ladungen entschuldigt nicht nachgekommen ist und schließlich per E-Mail mitteilte, dass er keine persönlichen Wahrnehmungen zum Sachverhalt habe, auf seine Befragung verzichtet wurde.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive, hier die mangelhafte Arbeitsleistung der Antragstellerin, für die Kündigung ausschlaggebend waren.

Denn das Vorliegen anderer, mitausschlaggebender Motive kann eine/n ArbeitgeberIn vom Vorwurf einer diskriminierenden Behandlung nicht entlasten, da den Realitäten der Arbeitswelt folgend davon auszugehen ist, dass unter Umständen auch mehrere Motive („Motivbündel“) – darunter auch sachliche – eine Rolle spielen können.4

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird die Antragsgegnerin, X GmbH, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 11. Dezember 2018

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 12 Rz 129.

3  Vgl. ebd. § 12 Rz 134.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 17 Rz 8.

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2019
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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