Entscheidungsdatum
23.12.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W108 2131898-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Clemens PICHLER, LL.M, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck vom 23.06.2016, Zl. 1 Jv 2633-5A/16s, betreffend Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher, beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang/Sachverhalt:
1. Mit am 17.06.2016 beim Landesgericht Innsbruck eingelangtem Antrag begehrte der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsangehöriger, gemäß § 4 Abs. 1 des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG) die Eintragung als Dolmetscher für die türkische Sprache in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher.
Der Beschwerdeführer gab dazu an, er verfüge über eine fünfjährige Berufstätigkeit als Übersetzer und Dolmetscher in Deutschland, einwandfreie Kenntnisse der deutschen und türkischen Sprache sowie über Kenntnisse und Grundzüge des österreichischen Rechts- und Gerichtswesens. Er sei bereits in Deutschland als Dolmetscher für die türkische Sprache tätig und habe umfassende Kenntnisse der Rechts- und Wirtschaftsterminologie in der deutschen und türkischen Sprache. Mit Antragstellung brachte der Beschwerdeführer seinen deutschen Personalausweis und ein von einer Akademie in Deutschland ausgestelltes Diplom, wonach der Beschwerdeführer die Abschlussprüfung als Dolmetscher für Deutsch/Türkisch erfolgreich abgelegt habe, in Vorlage.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Präsident des Landesgerichtes Innsbruck (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) den Antrag des Beschwerdeführers mangels Vorliegens der Eintragungsvoraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes oder Ort der beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Landesgerichtes Innsbruck ab.
Begründend wurde dazu ausgeführt, dass für die Eintragung in die Gerichtsdolmetscherliste die Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG, nämlich der gewöhnliche Aufenthalt oder Ort der beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Landesgerichtes, bei dessen Präsident der Bewerber die Eintragung beantrage, gegeben sein müsse. Dies sei nach dem Vorbringen im Antrag und den beigeschlossenen Urkunden nicht der Fall.
3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und führte aus, dass er sich in Umzugsvorbereitungen von Deutschland nach Innsbruck befinde. Der Beschwerdeführer habe sich bereits nach dem österreichischen Meldeverfahren erkundigt und nach einer Niederlassungsmöglichkeit im Großraum Innsbruck Ausschau gehalten. Damit liege auch eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes nahe. Da das Verwaltungsgericht seine Entscheidung anhand der zum Zeitpunkt gegebenen Sach- und Rechtslage zu treffen habe, wäre damit das Eintragungserfordernis des § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG wohl erfüllt. Mit dem angefochtenen Bescheid sei der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht auf Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV, wonach Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedsstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig seien, verboten seien, verletzt worden. Unzweifelhaft stelle die Erbringung von Dolmetscherleistungen im Rahmen gerichtlicher Verfahren eine Dienstleistung nach Art. 56 AEUV dar. Der Beschwerdeführer sei Unionsbürger und somit berechtigt, die Dienstleistungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. Ebenfalls unzweifelhaft sei die unmittelbare Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit. Das grenzüberschreitende Element liege im gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Deutschland und der gewollten Dienstleistungserbringung in Österreich. Unionsbürger, welche ihre Dienstleistungen als Dolmetscher in Österreich anbieten wollten, müssten nach der geltenden österreichischen Rechtslage über einen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Tätigkeit im Landesgerichtssprengel verfügen, was eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV darstelle. Ohne die Eintragung in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste sei die Ausübung der Tätigkeit als Gerichtsdolmetscher nicht möglich. Wegen des Anwendungsvorranges wäre die Norm des § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG nicht anzuwenden und dem Antrag des Beschwerdeführers zu folgen gewesen. Es werde angeregt, einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung des Art. 56 iVm Art. 51 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu stellen.
4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer die Gelegenheit gegeben, das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzung nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG (gewöhnlicher Aufenthalt oder Ort der beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Landesgerichtes, bei dessen Präsidenten die Eintragung beantragt wurde) nachzuweisen. Ein derartiger Nachweis wurde vom Beschwerdeführer nicht erbracht.
Anfragen des Bundesverwaltungsgerichtes im Zentralen Melderegister erbrachten hinsichtlich des Beschwerdeführers ein negatives Ergebnis.
Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in dem Verfahren zur Zahl E 828/2017 sowie bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dem Verfahren zur Zahl Ra 2017/03/0108 (über die Beschwerde bzw. Revision gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.01.2017, GZ: W170 2142753-1/2E, welcher wie im vorliegenden Fall der Sachverhalt zugrunde lag, dass der die Eintragung begehrende Bewerber weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch den Ort seiner beruflichen Tätigkeit im Inland hatte) aus.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 27.09.2017, E 828/2017-12, die Behandlung der Beschwerde gegen die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ab und führte dazu im Kern Folgendes aus:
"Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsausübungsfreiheit und auf Freizügigkeit sowie einen Verstoß gegen die sog. Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG, ABl. 2006 L 376, 36 ff.). Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen sowie insbesondere der Frage, ob vom Bundesverwaltungsgericht innerstaatliche einfachgesetzliche Normen oder unionsrechtliche Normen anzuwenden waren, insoweit nicht anzustellen (VfSlg. 14.886/1997; VfGH 28.6.2017, E 3297/2016; s. in diesem Zusammenhang auch EuGH 17.3.2011, Rs. C-372/09 ua., Peñarroja Fa).
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften (§ 2 Abs. 2 lit. g iVm § 10 Abs. 1 Z 1 Sachverständigen- und DolmetscherG) behauptet wird, lässt ihr Vorbringen angesichts des Umstandes, dass die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (sowie die Löschung aus der Gerichtssachverständigenliste) der Bestellung als Sachverständiger grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. § 126 StPO, § 351 ZPO), sowie im Hinblick auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Organisation der Rechtspflege die behauptete Rechtsverletzung, aber auch die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat."
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.10.2018, Ra 2017/03/0108, wurde die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, wobei zur Sache Folgendes ausgeführt wurde:
" 21 A.a. Zunächst ist für den vorliegenden Fall in Erinnerung zu rufen, dass das Recht eines Mitgliedstaates die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen grundsätzlich nicht zu konterkarieren vermag. Jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ des Mitgliedstaates ist verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen. Die Geltung des Unionsrechts kann durch einen Mitgliedstaat nicht durch Vorschriften des nationalen Rechts, auch wenn diese Verfassungsrang haben, beeinträchtigt werden. Ist es nicht möglich, die volle Wirksamkeit des Unionsrechtes im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts sicherzustellen, so hat ein innerstaatliches Gericht für die volle Wirksamkeit dieser unionsrechtlichen Normen im Wege des Anwendungsvorrangs Sorge zu tragen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt. Auch die Verwaltungsbehörden haben diesen Grundsätzen zu folgen (vgl. dazu aus der Rechtsprechung beispielsweise - alle mwH - VwGH 21.6.1999, 97/17/0501; VwGH 23.10.2000, 99/17/0193; VwGH 18.11.2004, 2001/07/0186, VwSlg. 16.495 A; VwGH 23.10.2013, 2012/03/0102, VwSlg. 18.726 A; VwGH 5.11.2015, Ro 2014/06/0078, VwSlg. 19.239 A; VwGH 19.6.2018, Ra 2017/03/0104).
22 In diesem Sinne ist es gemäß Art. 19 EUV, mit dem der Wert der in Art. 2 EUV proklamierten Rechtsstaatlichkeit konkretisiert wird, Sache der nationalen Gerichte und des EuGH, die volle Anwendung des Unionsrechts und in allen Mitgliedstaaten den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus ihm erwachsen. Diese Aufgabe erfüllen die nationalen Gerichte in Zusammenarbeit mit dem EuGH gemeinsam. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV stellt das Schlüsselelement des so gestalteten Gerichtssystems dar, um die Kohärenz, die volle Geltung, die Autonomie sowie letztlich den eigenen Charakter des durch die Verträge der Europäischen Union geschaffenen Rechts zu gewährleisten (vgl. dazu EuGH 8.3.2011, Gutachten 1/09 (Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems), Rn. 66 ff; ferner jüngst EuGH (Große Kammer) 27.2.2018, C-64/16, AssociaCão Sindical dos Juizes Portugueses, Rn. 27 ff; EuGH (Große Kammer) 6.3.2018, C- 284/16, Achmea BV, Rn. 36 ff; EuGH (Große Kammer) 25.7.2018, C-216/18 PPU, LM, Rn. 50 ff).
23 A.b. Ausgehend davon trifft die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden insbesondere die Verpflichtung, im Anwendungsbereich des Unionsrechts die einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zu identifizieren und deren Sinn auch anhand der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union, insbesondere des EuGH, der letztlich zur Auslegung der Rechtsvorschriften der Europäischen Union zuständig ist (vgl. Art. 267 AEUV), zu erfassen. Auf dieser Grundlage ist der Inhalt der österreichischen Rechtsvorschriften zu klären, die damit im Zusammenhang stehen. Dies betrifft insbesondere solche österreichischen Rechtsvorschriften, die unionsrechtliche Vorgaben umsetzen. Maßgebend für das Zusammenwirken zwischen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften sind - wie angesprochen - insbesondere die unionsrechtlichen Grundsätze des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts samt der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechtes.
24 Soweit die rechtliche Grundlage einer verwaltungsgerichtlichen oder einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung nicht nur österreichisches Recht, sondern auch (etwa im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung) Unionsrecht sein kann, erfordert die nach dem jeweils anzuwendenden Verfahrensrecht bestehende Begründungspflicht gegebenenfalls auch eine Begründung dafür, weshalb die Anwendung der nationalen Regelung entgegen dem (nicht erkennbar völlig grundlosen) am Unionsrecht orientierten Parteienvorbringen erfolgte. Dies schließt auch die Verpflichtung ein, sich mit den von einer Partei vorgetragenen Bedenken, sofern diese plausibel sind, auseinanderzusetzen. Verlangt die Begründung, weshalb die innerstaatliche Vorschrift entgegen solchen aus dem Blickwinkel des Unionsrechts bestehenden Bedenken angewendet wird, Sachverhaltsfeststellungen, sind diese in diesen Entscheidungen zu treffen (vgl. VwGH 21.6.1999, 97/17/0501; VwGH 27.6.2002, 99/10/0159).
25 Da eine etwaige Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV - wie sie hier von der revisionswerbenden Partei angeregt wird - nur auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts erfolgen kann, sind für die Unionsrechtsproblematik erforderliche Sachverhaltsfeststellungen zunächst von der Verwaltungsbehörde und in der Folge vom Verwaltungsgericht zu treffen, und zwar vom Verwaltungsgericht auch dann, wenn es von seiner Zuständigkeit zur Vorlage nach Art. 267 AEUV nicht Gebrauch macht und eine allfällige Vorlageverpflichtung dann dem Verwaltungsgerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zukommt (vgl. dazu nochmals VwGH 21.6.1999, 97/17/0501).
26 B. Dieser Rechtslage werden weder die angefochtene verwaltungsgerichtliche Entscheidung noch der diesem zugrunde liegende verwaltungsbehördliche Bescheid gerecht. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Verwaltungsbehörde hat die unionsrechtliche Rechtslage zur Gänze außer Acht gelassen, obwohl es für eine sachverhaltsmäßige Konstellation wie die vorliegende nicht übersehen werden kann, dass für einen deutschen Staatsangehörigen, der Dienstleistungen in Österreich erbringen möchte, die Freiheiten nach dem AEUV einschlägig sein können (vgl. Art. 48 ff).
27 Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts setzt sich mit unionsrechtlichen Rechtsvorschriften auseinander, wird ihnen aber im Ergebnis nicht gerecht. Der nach den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen in Deutschland tätige Revisionswerber wird mit der fraglichen Sachverständigentätigkeit für ein österreichisches Gericht im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit gegen Entgelt tätig (vgl. Art. 57 AEUV), wobei jedenfalls schon die grenzüberschreitende Übermittlung seines Gutachtens als Produkt seiner Dienstleistung die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 ff AEUV eröffnet ("Korrespondenzdienstleistung"; vgl. Tiedje, Art. 56 AEUV, Rn. 26 ff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg), Europäisches Unionsrecht7, Band 1 (2015); Kluth, Art. 57 AEUV, Rn. 32 f, in: Calliess/Ruffert (Hrsg), EUV/AEUV5 (2016); Kotzur, Art. 57 AEUV, Rn. 10, in: Geiger/Kahn/Kotzur, EUV, AEUV6 (2017); Khan/Eisenhut, Art. 57, Rn. 23 ff, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg), Europäsiches Unionsrecht2 (2018)). Darüber hinaus erbringt eine Person wie der Revisionswerber auch eine grenzüberschreitende Dienstleistung, wenn er im Rahmen der fraglichen Sachverständigentätigkeit in Österreich (insbesondere vor einem Gericht) tätig wird, oder wenn sich eine Person, die er sachverständig beurteilen soll, von Österreich zu ihm nach Deutschland begibt, damit der Revisionswerber dann dort seine Dienstleistung (partiell) erbringen kann (vgl. dazu Kotzur, a. a.O., Rn. 8 f; Khan/Eisenhut, a.a.O., insb. Rn. 27).
28 Diese Qualifikation korrespondiert mit der vom EuGH in seinem (vom Verfassungsgerichtshof und auch vom Revisionswerber genannten) Urteil vom 17. März 2011 in den Rechtssachen C-372/09 und C-373/09 betreffend den Fall Josep Peñarroja FA vertretenen Auffassung. Im Zusammenhang mit der Einstufung als Dienstleistung hat der EuGH insbesondere darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass ein Gerichtssachverständiger nur auf richterliche Bestellung hin bei einem Auftrag tätig wird, dessen Bedingungen vom Richter festgelegt werden, diesen Auftrag nicht grundlegend von den klassischen Vertragsverhältnissen auf dem Gebiet der Dienstleistungen unterscheidet (Rn. 39), und dass ferner der Umstand, dass die Vergütung für einen Gerichtssachverständigen nach einem von der Behörde festgelegten Tarif festgesetzt wird, für die Einstufung der Arbeiten, die Gerichtssachverständige zu verrichten haben, als Dienstleistung ohne Belang ist (Rn. 38). Wenn die Aussagen des EuGH in diesem Urteil fallbezogen auf Übersetzerdienste fokussiert sind, sind diese auf dem Boden des im vorliegenden Zusammenhang maßgebenden SDG auch für Gerichtssachverständige bedeutsam, zumal nach § 14 SDG Dolmetscher und Sachverständige bezüglich der sich aus § 2 Abs. 2 lit. g SDG ergebenden Einschränkung gleich behandelt werden. Von daher ist es auch für den vorliegenden Fall maßgebend, wenn der EuGH herausstellt, dass die Sachverständigentätigkeit die gerichtliche Würdigung und die freie Ausübung der rechtsprechenden Gewalt ungeschmälert lässt und der Sachverständigentätigkeit im Rahmen des behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahrens bloßer "Hilfscharakter" zukommt, weshalb diese keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung der öffentlichen Gewalt iSd Art. 45 Abs. 1 EG darstellt (vgl. Rn. 41 ff des eben zitierten Urteils). Dieses Verständnis des Begriffes "Ausübung öffentlicher Gewalt" liegt auch dem nunmehr maßgebenden Art. 51 Abs. 1 AEUV zugrunde (vgl. EuGH 1.2.2017, Rs C-392/15, Europäische Kommission gegen Ungarn, Rn. 108). Ausgehend davon ist es aber entgegen dem VwG nicht zutreffend, die Tätigkeit eines dem SDG unterfallenden gerichtlichen Sachverständigen der Ausnahmebestimmung des Art. 2 Abs. 2 lit. i DL-RL zu subsumieren, weil diese Sachverständigentätigkeit als Ausübung öffentlicher Gewalt zu qualifizieren wäre. Da die in Rede stehenden unionsrechtlichen Bestimmungen auch die Bundesrepublik Deutschland binden, erscheint im Übrigen der Hinweis des VwG auf eine völkerrechtliche Problematik betreffend die Ausübung von Hoheitsgewalt nicht überzeugend.
29 Da das VwG diese auf Grund des Unionsrechts unabhängig vom innerstaatlichen Recht vorgenommene rechtliche Beurteilung des EuGH nicht hinreichend beachtete und zum gegenteiligen Ergebnis kam, erweist sich schon deshalb seine hier angefochtene Entscheidung als inhaltlich rechtswidrig.
30 Lediglich der Vollständigkeit halber wird noch angemerkt, dass auch für den Bereich der österreichischen Rechtsordnung die Tätigkeit eines Sachverständigen grundsätzlich keine Mitwirkung an einer behördlichen Entscheidung darstellt, sondern ihr eine Hilfsfunktion an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes zukommt (vgl. VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027, VwSlg. 19.385 A, Rn. 33 ff; OGH 24.4.2001, 1 Ob 1/01f).
31 D. Auf dem Boden des zitierten Urteils des EuGH vom 17. März 2011, Rn. 30, ist schließlich für die Beurteilung des VwG im fortgesetzten Verfahren noch darauf hinzuweisen, dass auch das SDG offenbar vor allem das Ziel hat, die Einschaltung von Fachkundigen im gerichtlichen Verfahren zu erleichtern, es in Österreich aber - worauf der Verfassungsgerichtshof in dem oben genannten Beschluss hingewiesen hat - den Gerichten offensteht, auf Sachverständige zurückzugreifen, die nicht in einer Liste nach dem SDG genannt werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des EuGH, wonach nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den AEUV garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, mit diesen nur dann vereinbar sind, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So müssen sie in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des allgemeinen Interesses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa EuGH 9.3.2017, Rs C-342/15, Leopoldine Gertraud Piringer, Rn. 53). Ob die Regelung des § 2 Abs. 2 lit. g SDG diesen unionsrechtlichen Anforderungen gerecht wird, wird das VwG im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen haben."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Es wird von dem unter Punkt I. dargelegten Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen)/Sachverhalt ausgegangen.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen) und Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der von der belangten Behörde vorgelegten Akten des Verfahrens und aus dem Inhalt des Gerichtsaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu den Prozessvoraussetzungen:
Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.
3.3. Zur Sache:
3.3.1. Rechtslage:
3.3.1.1. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 2 des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG) lautet:
"Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher
§ 2. (1) Die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen sind von den Präsidenten der Landesgerichte (§ 3) als Zertifizierungsstellen in die elektronische Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste) einzutragen.
(2) Für die Eintragung in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste für ein bestimmtes Fachgebiet müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
1. in der Person des Bewerbers
a) Sachkunde und Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens,
b) zehnjährige, möglichst berufliche Tätigkeit in verantwortlicher Stellung auf dem bestimmten oder einem verwandten Fachgebiet unmittelbar vor der Eintragung; eine fünfjährige Tätigkeit solcher Art genügt, wenn der Bewerber als Berufsvorbildung ein entsprechendes Hochschulstudium oder Studium an einer berufsbildenden höheren Schule erfolgreich abgeschlossen hat,
c) Geschäftsfähigkeit in allen Belangen und Nichtbestehen einer aufrechten gesetzlichen Vertretung im Sinn des § 1034 ABGB,
d) persönliche Eignung für die mit der Ausübung der Tätigkeit des Sachverständigen verbundenen Aufgaben,
e) Vertrauenswürdigkeit,
f) österreichische Staatsbürgerschaft oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum sowie der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
g) gewöhnlicher Aufenthalt oder Ort der beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Landesgerichts, bei dessen Präsidenten der Bewerber die Eintragung beantragt, und
h) geordnete wirtschaftliche Verhältnisse,
i) der Abschluß einer Haftpflichtversicherung nach § 2a;
1a. die ausreichende Ausstattung mit der für eine Gutachtenserstattung im betreffenden Fachgebiet erforderlichen Ausrüstung;
2. der Bedarf an allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Fachgebiet des Bewerbers."
3.3.1.2. Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376/36 vom 27.12.2006, lautet auszugsweise:
"Artikel 2
Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.
(2) Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:
...
i) Tätigkeiten, die im Sinne des Artikels 45 des Vertrages mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind;"
3.3.1.3. Die relevanten Bestimmungen des EUV, BGBl. III Nr. 85/1999 idF BGBl. III Nr. 132/2009, lauten:
"ARTIKEL 2
Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.
...
ARTIKEL 19
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union umfasst den Gerichtshof, das Gericht und Fachgerichte. Er sichert die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge.
Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist."
3.3.1.4. Relevante Bestimmungen des AEUV, BGBl. III Nr. 86/1999 idF BGBl. III Nr. 171/2013, lauten:
"Artikel 51
(ex-Artikel 45 EGV)
Auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, findet dieses Kapitel in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Anwendung.
Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auf bestimmte Tätigkeiten keine Anwendung findet."
"DIENSTLEISTUNGEN
Artikel 56
(ex-Artikel 49 EGV)
Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.
Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind.
Artikel 57
(ex-Artikel 50 EGV)
Dienstleistungen im Sinne der Verträge sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.
Als Dienstleistungen gelten insbesondere:
a) gewerbliche Tätigkeiten,
b) kaufmännische Tätigkeiten,
c) handwerkliche Tätigkeiten,
d) freiberufliche Tätigkeiten.
Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt."
"Artikel 62
(ex-Artikel 55 EGV)
Die Bestimmungen der Artikel 51 bis 54 finden auf das in
diesem Kapitel geregelte Sachgebiet Anwendung."
3.3.1.5. Die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:
"Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen."
Gemäß § 28 Abs. 3, 3. Satz VwGVG ist die Behörde hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kommt bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
3.3.2. Ausgehend vom dargestellten Verwaltungsgeschehen/Sachverhalt und der angeführten Rechtslage liegen im vorliegenden Fall besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens im oben genannten Sinn aus folgenden Gründen vor:
Für die vom Beschwerdeführer begehrte Eintragung als Dolmetscher in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher müssen die Eintragungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SDG gegeben sein.
Eine Eintragungsvoraussetzung bildet nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG der "gewöhnlicher Aufenthalt oder Ort der beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Landesgerichts, bei dessen Präsidenten der Bewerber die Eintragung beantragt".
Im vorliegenden Fall begründete die belangte Behörde die Versagung der Eintragung ausschließlich damit, dass der in Deutschland wohnhafte und beruflich tätige Beschwerdeführer diese Voraussetzung nicht erfülle, weil er weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch den Ort seiner beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Landesgerichtes - im Inland - habe.
In einem ähnlich gelagerten Fall erging die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.10.2018, Ra 2017/03/0108, in der ausgeführt wurde, dass die Verwaltungsbehörde - wie hier - die unionsrechtliche Rechtslage zur Gänze außer Acht gelassen habe, obwohl für eine solche Sachverhaltskonstellation nicht übersehen werden könne, dass für einen deutschen Staatsangehörigen, der Dienstleistungen in Österreich erbringen möchte, die Freiheiten nach dem AEUV einschlägig sein können und zu beurteilen sei, ob die Regelung des § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG den unionsrechtlichen Anforderungen entspreche (s. Rz 26 der Entscheidung). Das SDG habe offenbar vor allem auch das Ziel, die Einschaltung von Fachkundigen im gerichtlichen Verfahren zu erleichtern, es in Österreich aber den Gerichten offenstehe, auf Sachverständige zurückzugreifen, die nicht in einer Liste nach dem SDG genannt würden. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des EuGH, wonach nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den AEUV garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, mit diesen nur dann vereinbar seien, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllten. So müssten sie in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssten aus zwingenden Gründen des allgemeinen Interesses gerechtfertigt sein, sie müssten geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten und sie dürften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei (s. Rz 31 der Entscheidung).
Auch im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die unionsrechtliche Rechtslage zur Gänze außer Acht gelassen und hat die nach dem Verwaltungsgerichtshof erforderlichen Auseinandersetzungen/Feststellungen zur Klärung der Frage, ob den unionsrechtlichen Anforderungen entsprochen wird, gänzlich unterlassen.
Die belangte Behörde hat die Versagung der begehrten Eintragung ausschließlich auf § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG gestützt, ohne zu begründen und festzustellen, aus welchen (sachverhaltsbezogenen) Gründen sie von einer Übereinstimmung dieser Bestimmung bzw. ihrer Entscheidung mit dem Unionsrecht ausgeht bzw. warum sie diese innerstaatliche Bestimmung angesichts der unionsrechtlichen Rechtslage anwendet. Dies wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben, zumal auch die Verwaltungsbehörden die Verpflichtung trifft, im Anwendungsbereich des Unionsrechts die einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zu identifizieren, deren Sinn auch anhand der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union zu erfassen und den Inhalt der österreichischen Rechtsvorschriften zu klären, die damit im Zusammenhang stehen. Soweit die rechtliche Grundlage einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung nicht nur österreichisches Recht, sondern auch Unionsrecht sein kann, erfordert die nach dem jeweils anzuwendenden Verfahrensrecht bestehende Begründungspflicht gegebenenfalls auch eine Begründung dafür, weshalb die Anwendung der nationalen Regelung entgegen dem am Unionsrecht orientierten Parteienvorbringen erfolgte. Verlangt die Begründung, weshalb die innerstaatliche Vorschrift entgegen aus dem Blickwinkel des Unionsrechts bestehenden Bedenken angewendet wird, Sachverhaltsfeststellungen, sind diese in der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu treffen (vgl. VwGH 10.10.2018, Ra 2017/03/0108, unter Hinweis auf VwGH 21.6.1999, 97/17/0501; VwGH 27.6.2002, 99/10/0159).
Aufgrund des (gänzlichen) Unterbleibens der aufgezeigten Ermittlungen/Feststellungen im behördlichen Verfahren zu diesen hier bedeutsamen Fragen im Tatsachenbereich steht der für eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache erforderliche Sachverhalt nicht fest. Die belangte Behörde hat Ermittlungen und Feststellungen in einem entscheidungswesentlichen Punkt unterlassen und hat insofern nur ansatzweise die notwendigen Ermittlungen (Feststellungen) durchgeführt (getroffen). Der angefochtene Bescheid ist in dieser Hinsicht von keiner nachvollziehbaren Begründung/Sachverhaltsdarstellung getragen. Im vorliegenden Fall liegen somit besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens im oben genannten Sinn vor (zum Fall der bloß ansatzweisen Ermittlungstätigkeit seitens der belangten Behörde vgl. etwa VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127 unter Hinweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; zum Umfang der noch fehlenden Ermittlungen, die eine Behebung und Zurückverweisung erlauben vgl. etwa VwGH 27.04.2017, Ra 2016/12/0071).
3.3.3. Es kann nicht gesagt werden, dass die Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht bei einer Gesamtbetrachtung zu einer - erheblichen - Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde, vielmehr dient in einem Fall wie dem vorliegenden die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des Sachverhalts. Vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und der Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG war daher von der Möglichkeit des Vorgehens nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG (Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und Zurückverweisung der Angelegenheit an dieselbe) Gebrauch zu machen.
3.3.4. Lediglich der Vollständigkeit halber wird noch auf Folgendes hingewiesen: Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Eintragung eines Dolmetschers/Sachverständigen, der wie der Beschwerdeführer nicht über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfügt, möglich, wenn der Ort seiner beruflichen Tätigkeit im Inland liegt. Ausweislich der Ausführungen in Dokalik/Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher3 [2013], Rz 4 zu § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG, genügt es hierfür allerdings, dass der Dolmetscher/Sachverständige einen Ort der beruflichen Tätigkeit wählt, der im Inland liegt, um damit die Zuständigkeit eines listenführenden Präsidenten zu begründen. Bei einer derartigen - unionsrechtskonform erscheinenden - Auslegung des Gesetzes wäre im Beschwerdefall zu prüfen, ob die Voraussetzung nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. g SDG nicht schon dadurch erfüllt wurde, dass der Beschwerdeführer, der offenbar Dienstleistungen in Österreich im Gerichtssprengel des Landesgerichtes Innsbruck erbringen möchte, in diesem Sinn einen Ort seiner beruflichen Tätigkeit, der im Inland liegt (nämlich das Gebiet des Gerichtssprengels des Landesgerichtes Innsbruck), gewählt hat, indem er die Eintragung beim Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck für dessen Gerichtssprengel begehrt hat. Bejahendenfalls hätte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die weiteren Eintragungsvoraussetzungen zu überprüfen.
3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden (vgl. etwa VwGH 25.09.2015, Ra 2015/16/0085, mwN). Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
Schlagworte
Auslandswohnsitz, Begründungsmangel, Dolmetscherliste,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W108.2131898.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.03.2019