Entscheidungsdatum
12.02.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W153 2188497-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2019, Zl: 1053632705-171118392, beschlossen:
A) Der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit
gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, wurde am 30.09.2017 im XXXX angetroffen und aufgrund eines vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG wegen illegalen Aufenthaltes erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen. Er wies sich mit einem tschechischen Führerschein aus.
Am 01.10.2017 wurde ein chinesischer Reisepass, ausgestellt am 24.09.2009 von der Botschaft der Volksrepublik China in Prag, gültig bis 23.09.2019, vorgelegt. Im Pass findet sich auf Seite 19 ein am 30.08.2017 ausgestelltes Visum Typ D für die Tschechische Republik, gültig von 01.09.2017 bis 29.11.2017.
Am 02.10.2017 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich zur beabsichtigten Anordnung der Schubhaft einvernommen. Der BF gab dabei im Wesentlichen an, in China würden seine Ehefrau, seine beiden Kinder und seine Eltern leben. Er selbst sei im vergangenen Monat von Prag nach Österreich zu seinem Restaurant gereist. An dem Lokal, in dem er angehalten worden sei, halte er Gesellschaftsanteile von 30%. Ein Gesellschafter halte weitere 30%, ein anderer 40% der Gesellschaftsanteile. Er sei am 04.10.2006 von China nach XXXX gereist und habe dort begonnen, als Küchenhilfe in einem Chinarestaurant zu arbeiten. Seit er die Gesellschaftsanteile habe, sei er öfter in Österreich. Er habe als Gesellschafter bis jetzt kein Geld bekommen und auch keine Entscheidungen getroffen. Er habe dort nur Geschirr gewaschen und in der Küche gearbeitet. Er sei nur selten im Restaurant und arbeite nur manchmal dort und müsse auch nicht arbeiten, manchmal komme er, um an Automaten zu spielen. Wenn oberhalb des Restaurants ein Zimmer frei sei, wohne er dort im Hotel. Seinen Lebensunterhalt finanziere er als Tellerwäscher in einem Chinalokal in Tschechien. Für seine Tätigkeit im Restaurant sei er nicht bezahlt worden. Er verfüge über einen Aufenthaltstitel in Tschechien und er wolle nicht nach China zurückkehren. Er verfüge in Österreich über keinen festen Wohnsitz und über kein Vermögen.
Mit Bescheid des BFA vom 02.10.2017, Zl. XXXX , wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung angeordnet.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.01.2018, XXXX , wurde der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft von 02.10.2017 bis 05.10.2017 für rechtswidrig erklärt.
Am 04.10.2017 wurde mit Bescheid vom 04.10.2017, Zl. XXXX , dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen den BF wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach "China" zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gegen den BF wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein "auf die Dauer von 3 (fünf) (sic!) Jahren befristetes" Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Mit Schreiben vom 09.10.2017 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der BF über ein Schengen-Visum, ausgestellt in der Tschechischen Republik, verfüge, welches ihn zum Aufenthalt in Österreich berechtige. Auch das erlassene Aufenthaltsverbot sei falsch, weil keine Gründe gemäß § 53 Abs. 2 FPG vorliegen würden. Weiters wurde auf die widersprüchlichen Zahlen in Spruchpunkt III. des gegenständlichen Bescheides verwiesen. Mit der Beschwerde wurde auch eine Stellungnahme der XXXX vom 09.10.2017 vorgelegt, wonach für den mit 40% an der " XXXX " beteiligten BF keine persönliche Arbeitspflicht bestehe und deshalb kein Beschäftigungsverhältnis (Dienstverhältnis) iSd § 4 Abs. 2 ASVG vorliege. Eine allfällige "Mittätigkeit" im operativen Betrieb erfolge jedenfalls unentgeltlich.
Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.2018, GZ: XXXX , beim BFA am 07.11.2018 eingelangt, wurde der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid des BFA gem. § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.
Im Wesentlichen wurde festgestellt, dass dem BF das Visum Typ D für die Tschechische Republik nach den dortigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften erteilt worden sei. Das Visum Typ D für die Tschechische Republik habe daher den BF nach Art. 21 Abs. 2a SDÜ (idF nach der Änderung durch die VO (EU) Nr. 265/2010) dazu berechtigt, sich aufgrund dieses Visums bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Schengenstaaten zu bewegen. Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt worden sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der BF aufgrund dieses Visums mehr als 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen im Bundesgebiet oder Hoheitsgebiet anderer Schengenstaaten aufgehalten habe.
Aufgrund des im Akt einliegenden Gesellschaftsvertrages (AS 31 ff) könne festgestellt werden, dass der BF in Österreich über 40% Gesellschaftsanteile an der " XXXX " verfüge und der BF eine Bareinzahlung von EUR 4.000,- auf die Stammeinlage der GmbH übernommen habe. Aus der Stellungnahme der " XXXX " vom 09.10.2017 (AS 193 ff) ergäbe sich zusammengefasst, dass der BF zu 40% an der " XXXX " beteiligt sei, er jedoch nicht Geschäftsführer der GmbH sei und auch sonst keine operative Funktion in der Gesellschaft ausübe, die eine laufende und regelmäßige Tätigkeit begründen würde. Er sei weder in regelmäßiger Form für die Gesellschaft tätig noch gäbe es eine persönliche Arbeitspflicht. Der BF als Gesellschafter sei weder an bestimmte Arbeitszeiten noch an bestimmtes Verhalten gebunden und unterliege keinen Weisungs- und Kontrollbefugnissen seitens der Geschäftsführung. Wann, wie lange und ob er im Betrieb mitarbeite, obliege ausschließlich ihm. Für etwaige Leistungen sei kein Entgelt vereinbart oder ausbezahlt worden. Es liege aufgrund der Beteiligungshöhe von 40% kein steuerliches Dienstverhältnis und auch keinesfalls ein Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG vor. Der BF sei bei der Mitarbeit im Restaurant " XXXX " angetroffen worden, sei jedoch dort Gesellschafter und es bestehe für ihn weder eine Arbeitspflicht noch sei für etwaige Leistungen ein Entgelt ausbezahlt worden. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass der BF im Restaurant " XXXX " einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre.
Wie festgestellt, sei der BF im Bundesgebiet nicht unerlaubt erwerbstätig gewesen, sodass eine analoge Anwendung des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG jedenfalls nicht in Frage komme. Der BF habe sich in Österreich rechtmäßig aufgehalten, weshalb die Voraussetzung des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG nicht erfüllt war und die erlassene Rückkehrentscheidung rechtsgrundlos ergangen ist.
Mit Schreiben vom 22.11.2018 langten beim BFA die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 10.10.2018, GZ XXXX ein. Im Erkenntnis gegen den Strafbescheid einer Landespolizeidirektion, wurde im Wesentlichen festgestellt, dass der BF einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, weshalb sein Aufenthalt in Österreich rechtswidrig gewesen sei.
Am 18.01.2019 wurde dem BF mit vorliegenden Bescheid ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen den BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach China zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gegen den BF wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass der BF illegal im Bundesgebiet aufhältig sei und mit illegaler Erwerbstätigkeit in Österreich seinen Unterhalt finanziert habe. Er habe keinen Unterstand im Bundesgebiet und sei auch nicht aufrecht gemeldet. Er sei mittellos. In Österreich habe er keine nennenswerten Familienangehörigen. Seine Kernfamilie lebe in China. Er habe "annähernd" keine Barmittel bei sich. In weiterer Folge stellte die Behörde zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes fest, der BF sei legal nach Österreich eingereist und habe unmittelbar mit der illegalen Erwerbstätigkeit begonnen.
Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass die Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 6 und 7 FPG im Fall des BF erfüllt seien. Seine illegale Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet würden einen Sachverhalt darstellen, welcher in heutiger Zeit die wirtschaftlichen und bürgerlichen Interessen massiv beeinträchtige. Weiters sei der BF mittellos, weil er laut seinen Angaben sein gesamtes Geld im Casino verspielt habe. Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten, d.h. im Hinblick darauf, wie der BF sein Leben in Österreich insgesamt gestalte, davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme, dass er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, gerechtfertigt sei.
In der am 01.02.2019 fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt, dass die Behörde bereits einen gleichlautenden Bescheid am 04.10.2017 erlassen habe, welcher vom Bundesverwaltungsgericht behoben wurde. Die Behörde habe sich damit über die Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts hinweggesetzt. Bereits aus diesem Grunde sei der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben. Im Übrigen werde bezüglich der weiteren Begründung auf die Beschwerde vom 09.10.2017 verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A):
Zur Zurückverweisung der Angelegenheit an das BFA:
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenen des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung der mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwVGV (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: Tatsachenbereich; Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsverfahren, Manz, Anmerkung 2 und 11, Seiten 150 und 153f).
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet, welche er seitdem in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0019; 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststehe. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergebe.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hätten, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen sei.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht würde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen komme daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen ließen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter
Weise aus folgenden Erwägungen unterlassen worden:
Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt wurde mit rechtskräftigem
Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.2018, GZ: XXXX , beim BFA am 07.11.2018 eingelangt, der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid des BFA vom 04.10.2017, Zl. XXXX , gem. § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.
Es wurde festgestellt, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides am 04.10.2017 aufgrund eines von 01.09.2017 bis 29.11.2017 gültigen tschechischen Visums mehr als 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen in Österreich aufgehalten habe und somit illegal aufhältig gewesen sei.
Nunmehr hat die Behörde mit dem angefochtenen Bescheid neuerlich eine Rückkehrentscheidung wegen nicht rechtmäßigen Aufenthaltes (§ 52 Abs. 1 Z. 1 FPG) des BF im Bundesgebiet erlassen. Es ist jedoch weder aus dem Akt noch aus dem Bescheid ersichtlich, dass sich der BF derzeit im Bundesgebiet aufhält. Die Behörde stellt lediglich gleichlautend wie im aufgehobenen Bescheid vom 04.10.2017 fest, dass eine Abfrage im zentralen Melderegister ergeben habe, dass der BF derzeit keinen aufrechten Unterstand im Bundesgebiet habe. Verwiesen wird auf die Niederschrift vom 02.10.2017, in der der BF angab, dass er in Österreich keinen gemeldeten Wohnsitz habe. Sofern ein Zimmer im Hotel des Lokals, in welchem er gearbeitet habe, frei sei, würde er dort nächtigen.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt hierzu fest, dass die Behörde keinerlei aktuelle Ermittlungstätigkeit entfaltet hat. Hätte die Behörde in das zentrale Melderegister Einsicht genommen, hätte ihr auffallen müssen, dass der BF vom 06.03.2014 bis 17.01.2018 zumindest formell gemeldet war.
Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob sich der BF im Bundesgebiet aktuell illegal aufhält bzw. ob Tatbestände des § 52 Abs. 1 FPG erfüllt sind.
Weiters hat die Behörde auch die Erlassung eines Einreiseverbotes aktuell zu prüfen. Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG ist dabei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht (vgl. zum Erfordernis einer Einzelfallprüfung aus der ständigen Rechtsprechung auch etwa VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310, 30.7.2014, 2013/22/0281).
Das BFA wird sich neben diesen Abwägungen in einer Einvernahme mit dem aktuelle Privat- und Familienleben des BF auseinanderzusetzen und dies in seine Beurteilung einzufließen haben.
Dass eine unmittelbare Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist im konkrete Fall nicht ersichtlich. Verwiesen wird diesbezüglich auch auf die jüngste Entscheidung des VwGH vom 25.10.2018 zu Ra 2018/20/0014-6, in der festgestellt wird, dass sich die Behörde nicht offenkundig notwendiger Erhebungen entledigen und diese auf das BVwG übertragen kann.
Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen seitens der belangten Behörde im gegenständlichen Fall nicht feststeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen und auch vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und den Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG von dem ihm in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zum Entfall der aufschiebenden Wirkung:
Eine gesonderte Erwägung bezüglich der allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 18 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.
Zu B):
Gemäß § 25 Absatz 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, illegaler Aufenthalt,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W153.2188497.2.00Zuletzt aktualisiert am
28.03.2019