TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/20 W148 2175749-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2019
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Entscheidungsdatum

20.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W148 2175749-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie - Flüchtlingsdienst gem. GmbH, vom 03.01.2019 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) gestellt. Bei seiner niederschriftliche Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.06.2016 gab der BF zu seinem Fluchtgrund befragt vor, dass die Lage in Afghanistan schlecht sei. Er habe niemanden gehabt. Er habe jahrelang gearbeitet und sich Geld gespart, damit er flüchten könne.

2. Bei seiner Einvernahme am 13.10.2017 führte der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, zu seinen Fluchtgründen aus, dass er aus Afghanistan geflüchtet sei, weil er dort niemanden habe. Er habe in der Nähe seiner Schwestern, die in England lebten, sein wollen. Außerdem sei er nach einem Bombenanschlag in der Nähe des Geschäfts in dem er gearbeitet habe schockiert gewesen und habe schlecht geträumt. Der Freund seines verstorbenen Vaters habe daraufhin seine Schwester angerufen und ihr gesagt, sie solle den BF zu sich holen. Der BF sei in seinem Herkunftsstaat nicht persönlich verfolgt worden und ihm sei auch nie etwas passiert. Er gab lediglich an, dass die Schiiten generell gefährlich leben.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF mit seinem Wunsch nach Bildung oder Arbeit und einem besseren Leben in Österreich keinen asylrelevanten Zusammenhang glaubhaft machen habe können. Auch mit seinem Vorbringen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan habe er keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung behauptet. Überdies habe der BF auch eine staatliche bzw. quasi-staatliche Verfolgung ausgeschlossen. Eine Rückkehr in seinen Heimatort in Mazar-e Sharif sei ihm zumutbar. Er habe dort eine Ziehfamilie, bei der er aufgewachsen sei und bei der er bis zu seiner Ausreise gelebt und gearbeitet habe. Mazar-e Sharif sei ein afghanisches Vorzeigeprojekt für wichtige ausländische Gäste und ziehe mit ihrem Gelegenheitsarbeitsmarkt viele Arbeitssuchende an. Mazar-e Sharif sei auch legal mit dem Flugzeug erreichbar. Für den BF bestünde auch die Möglichkeit sich in einer anderen sicheren Provinz seines Herkunftsstaates, wie Kabul oder Herat, niederzulassen. Auch seine Befürchtungen zu einer Rückkehr, aufgrund der generellen schlechten Lage in Afghanistan und der Benachteiligungen als Schiite, habe der BF nicht individualisieren und konkretisieren und somit auch nicht glaubhaft machen können.

4. Gegen den oben genannten Bescheid erhob der BF am 02.11.2017 beim Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Beschwerde.

5. Mit dem Erkenntnis vom 22.05.2018 (zu Zl. W192 2175749-1) wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des BF als unbegründet ab. Gegen dieses Erkenntnis wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs dieses somit in Rechtskraft.

6. Nach Erhalt dieses Erkenntnisses reiste der BF illegal nach Frankreich aus.

7. Am 28.06.2018 stellte die französische Asylbehörde einen Antrag auf Wiederaufnahme an Österreich, welchem am 03.07.208 zugestimmt wurde. Am 24.07.2018 wurde der BF zurück nach Österreich überstellt.

8. Der BF hat am 24.07.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) gestellt.

Im Zuge der Erstbefragung zum Folgeantrag am 25.07.2018 gab der BF an, dass er Österreich nie verlassen habe wollen. Er wolle hier leben, eine Ausbildung machen und lernen. Er habe hier sogar die HAK besucht. Er habe zwei Schwestern in England aber niemanden hier. Er sei Schiit, sie seien in Afghanistan eine Minderheit. Sie würden von den Pashtu sprechenden Sunniten, welche im Kontakt mit den Taliban stehen, verfolgt und verstoßen. Er könne in Afghanistan nicht leben, es gebe Bombardierungen und alle sprechen Pashtu. Er werde in Afghanistan nicht akzeptiert, da er im Iran gelebt habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst, dass er bei den Bombenangriffen getötet werde, er sei bereits von Bomben verletzt worden. Er habe auch Angst vor den Sunniten, dass sie seinesgleichen verfolgten und verstießen.

9. Am 17.08.2018 erfolgte zum Folgeantrag eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (in Folge: "BFA"). Zu den Umständen die sich seit dem negativen Abschluss seines letzten Verfahrens auf internationalen Schutz geändert hätten gab der BF an, dass er nicht mehr Moslem sei. Er gehöre seit ca. einem Jahr oder elf Monaten keiner Religion mehr an. Das zeige sich darin, dass er Alkohol trinke und Schweinefleisch esse. Auf die Frage, weshalb er seinen vermeintlichen Abfall vom Islam nicht bereits bei seiner Erstbefragung angegeben habe, antwortete der BF, dass es ihm schlecht gegangen sei, er habe Angst gehabt und sei krank gewesen.

10. Mit Bescheid des BFA vom 20.12.2018, Zl. XXXX, wurde der Folgeantrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Folgeantrages begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben die Erklärungen des BF warum er den vermeintlichen Abfall vom islamischen Glauben nicht bei seiner Erstbefragung angegeben habe, als Schutzbehauptungen gewertet werden. Das Vorbringen des BF entspreche nicht den Tatsachen, weil er den neuen Fluchtgrund vor der Einvernahme nie erwähnt habe und diesen auch nicht glaubhaft, schlüssig oder durch Beweismittel untermauern habe können. Es handle sich dabei um ein gesteigertes Vorbringen. Außerdem habe der BF sich laut eigenen Aussagen bereits vor der Rechtskraft des Erstverfahrens vom islamischen Glauben abgewendet, diesen Umstand aber nie vorgebracht. Zusammengefasst habe der BF keine tatsächlichen, neuen Fluchtgründe glaubhaft machen können.

11. Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung am 03.01.2019 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Verfahren vor der belangten Behörde sei mangelhaft. Es wurde auf Länderberichte und Judikate zu Atheismus und Apostasie verwiesen. Das BFA hätte den BF näher zu seiner Abkehr vom Glauben befragen müssen. Hätte das BFA näher nachgefragt, so hätte der BF erklärt, dass seine atheistische Weltanschauung zwar auch schon während seines ersten Asylverfahrens in Form einer diffusen Kritik und Ablehnung des Islam vorhanden gewesen sei, jedoch habe sie sich erst nach Rechtskraft des ersten Asylverfahrens konkretisiert und verfestigt. Der BF praktiziere den Islam in Österreich nicht mehr und neben dem Umstand Alkohol und Schweinefleisch zu konsumieren, habe er auch weibliche Freundinnen und schon Beziehungen mit Mädchen geführt. Außerdem habe er auch im November 2018 auf Instagram, in seiner Story, ein Statement gegen den islamischen Glauben veröffentlicht.

Im Falle einer Rückkehr drohe dem BF im Falle des offenen Auslebens seiner atheistischen Weltanschauung eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Der BF habe sich stets um seine Integration in Österreich bemüht. Er habe die Pflichtschule erfolgreich abgeschlossen und spreche auf hohem Niveau fließend Deutsch. Er habe zahlreiche freundschaftliche Kontakte mit Österreichern und europäischen Staatsbürgern aufgebaut.

Es wurde beantragt der Beschwerde des BF die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.01.2019 wurde der Beschwerde des BF antragsgemäß die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person und zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Name des BF ist XXXX und er wurde am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Weiters ist er Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari/Farsi, außerdem spricht er noch Deutsch. Die Feststellungen zur Identität des BF gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren.

1.1.2. Der BF stammt aus Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh, wo er sechs Jahre lang die Schule besucht hat und als Verkäufer für Schuhe sowie im Geschäft seiner Ziehfamilie gearbeitet hat.

1.1.3. Der BF hat keine leiblichen Verwandten mehr in seinem Herkunftsstaat. Er ist bei einer Ziehfamilie aufgewachsen, die in Mazar-e Sharif leben. Zwei volljährige Schwestern des BF leben gemeinsam mit ihren Familien in England. Eine seiner Schwestern hat die Ausreise des BF aus Afghanistan organisiert.

1.1.4. Der BF ist jung, gesund und arbeitsfähig. Sein Gesundheitszustand steht daher seiner Rückkehr nicht entgegen.

1.1.6. In Österreich hat er keine Verwandten und verfügt über keine maßgeblichen privaten oder familiären Beziehungen. Er ist für niemanden sorgepflichtig. Eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht ist nicht feststellbar. Er geht keiner legalen Beschäftigung nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist strafrechtlich unbescholten.

1.1.7. Zwischen rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens und der Zurückweisung des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 20.12.2018 ist keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten.

Der BF brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

1.1.8. Die individuelle Situation des BF hinsichtlich seines Herkunftsstaates Afghanistan hat sich nicht in einem Umfang verändert, dass von einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts auszugehen ist. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.

Dem BF würde bei einer Überstellung nach Afghanistan in seinen Herkunftsort Mazar-e Sharif kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK drohen. Bei einer Rückkehr nach Mazar-e-Scharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Die wesentlichen Feststellungen lauten:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 23.11.2018 - LIB 23.11.2018, S.42).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 23.11.2018, S. 42).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 23.11.2018, S. 45).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 23.11.2018, S. 53).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 23.11.2018, S. 46).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 19.10.2018, S. 40). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 23.11.2018, S.46 ff).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 23.11.2018, S. 85).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 23.11.2018, S. 86).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 23.11.2018, S. 86).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 23.11.2018, S. 85f).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 23.11.2018, S. 359f).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad (LIB 19.10.2018, S. 334 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden (LIB 23.11.2018, S. 342f).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 23.11.2018, S. 336).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 23.11.2018, S. 336f).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 23.11.2018, S. 349).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 23.11.2018, S. 350f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 23.11.2018, S. 351f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 23.11.2018, S. 352f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 23.11.2018, S. 353f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 23.11.2018, S. 354).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 23.11.2018, S. 354).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (LIB 23.11.2018, S. 301).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet.". Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es werden keine bestimmten sozialen Gruppen ausgeschlossen. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (LIB 23.11.2018, S. 302).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB 23.11.2018, S. 302).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden; andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (LIB 23.11.2018, S. 304 f.).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 23.11.2018, S. 305).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban- Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (LIB 23.11.2018, S. 305).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. In der afghanischen Gesellschaft existiert die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Mitglieder der Hazara-Ethnie beschweren sich über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. Die Arbeitsplatzanwerbung erfolgt hauptsächlich über persönliche Netzwerke; Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (LIB 23.11.2018, S. 305 f.).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB 23.11.2018, S. 306).

Angehörige der Hazara sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt.

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 23.11.2018, S. 292). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (LIB 23.11.2018, S. 293).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017) (LIB 23.11.2018, S. 292 f.).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018). Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht¬Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017) (LIB 23.11.2018, S. 293).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht¬muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017) (LIB 23.11.2018, S. 293).

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt. Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen. Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (LIB 23.11.2018, S. 295).

Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (LIB 23.11.2018, S. 295).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB 23.11.2018, S. 295).

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 29.10.2018, S. 288 f).

Es wurde zwar eine steigende Anzahl von Angriffen gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige registriert, wovon ein Großteil der zivilen Opfer schiitische Muslime waren. Die Angriffe haben sich jedoch nicht ausschließlich gegen schiitische Muslime, sondern auch gegen sunnitische Moscheen und religiöse Führer gerichtet (LIB 29.10.2018, S. 54 ff).

Angehörige der Schiiten sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht wurde auch genommen in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu W192 2175749-1 und damit zum Beschwerdeverfahren des vorangegangenen Asylverfahrens. Auskünfte aus dem Strafregister wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der vorgenommenen Beweiswürdigung vollinhaltlich anschließt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des BF und zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich ergeben sich aus seinen entsprechenden Äußerungen gegenüber dem BFA und den Sicherheitsorganen. Die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid blieben unwidersprochen.

Dass der BF gesund und arbeitsfähig ist ergibt sich daraus, dass sich unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen im Verfahren keine Hinweise ergeben haben, dass er an einer schweren körperlichen oder psychischen Krankheit leidet. Laut eigener Angabe befindet er sich derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und benötigt auch keine Medikamente (AS. 88). Auch in der Beschwerde wurde nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des BF in Österreich, sowie dass weder ein schützenswertes Privat- noch Familienleben im Sinne der EMRK, sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die erforderliche Intensität besteht, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben.

Der BF brachte weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde konkrete Angaben vor, welche die Annahme einer umfassenden Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht in Österreich rechtfertigen würden. Die von ihm beim BFA vorgelegten Unterlagen sind alle vor dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens datiert (AS. 93 f.). Alle von Seiten des BF vorgenommenen integrativen Schritte wurden bereits im Vorverfahren gesetzt, weshalb nicht von einer entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhaltes im Sinne einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden kann.

Die Feststellungen zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu den vom BF geltend gemachten Fluchtgründen stützen sich auf seine Angaben in den jeweiligen Asylverfahren.

Der BF hatte im Verfahren zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 22.06.2016 erklärt, dass er aus Afghanistan geflüchtet sei, weil er dort niemanden habe. Er habe in der Nähe seiner Schwestern, die in England lebten, sein wollen. Außerdem sei er nach einem Bombenanschlag in der Nähe des Geschäfts, in dem er gearbeitet habe schockiert gewesen und habe schlecht geträumt. Der Freund seines verstorbenen Vaters habe daraufhin seine Schwester angerufen und ihr gesagt, sie solle den BF zu sich holen. Der BF sei in seinem Herkunftsstaat nicht persönlich verfolgt worden und ihm sei auch nie etwas passiert. Er gab lediglich an, dass die Schiiten generell gefährlich leben. Das Bundesverwaltungsgericht kam im rechtskräftigen Erkenntnis vom 22.05.2018 (zu Zl. W192 2175749-1) zum Schluss, dass der Antrag unbegründet war.

Am 24.07.2018 stellte der BF nach seiner Rücküberstellung aus Frankreich einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 20.12.2018 ist nicht erkennbar. Bezüglich seiner Ausführungen in der Erstbefragung zum Folgeantrag, wonach er als Schiite in Afghanistan von den Sunniten, welche im Kontakt mit den Taliban stehen verfolgt und verstoßen werde sowie seiner Angst vor Bombenangriffen ist anzumerken, dass er diese Probleme bereits in seinem Vorverfahren vorgebracht hat und sich diesbezüglich seit Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung keine Änderung ergeben hat, weshalb kein neu entstandener Sachverhalt erkannt werden konnte.

Dass er in Afghanistan nicht akzeptiert werde, da er im Iran gelebt habe hat er außer in seiner Erstbefragung zum Folgeantrag im weiteren Verfahren nicht mehr erwähnt. Diese Angabe blieb auch völlig unsubstantiiert und es geht das Bundesverwaltungsgericht, in Übereinstimmung mit der belangten Behörde, davon aus, dass es sich dabei bloß um Mutmaßungen des BF handle.

Zu dem Vorbringen des BF in der Einvernahme zu seinem Folgeantrag vor dem BFA, wonach er kein Moslem mehr sei und vom islamischen Glauben abgefallen sei, ist beachtlich, dass ihm dies bereits etwa ein Jahr oder elf Monate vor seiner Einvernahme und somit zu einem Zeitpunkt bekannt war, als das Verfahren zu seiner ersten Asylantragsstellung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war und er hätte solches bereits in diesem Verfahren vorzubringen gehabt.

Der BF hat am 17.08.2018 vor der belangten Behörde auf die Frage wann genau er vom islamischen Glauben abgefallen sei geantwortet, dass dies vor ca. einem Jahr oder elf Monaten gewesen sei (AS. 90). Die Behauptung in seiner Beschwerde, dass er bei genauerer Nachfrage des BFA erklärt hätte, dass er unterschiedliche Phasen der Abkehr vom Islam durchgemacht habe und diese erst nach Rechtskraft seines ersten Asylverfahrens endgültig innerlich vollzogen habe und auch nach außen kundgetan habe, ist nicht nachvollziehbar. Der BF hatte bei seiner Einvernahme vor dem BFA ausreichend Zeit und Gelegenheit um sein Vorbringen zu einem Abfall vom Islam auszuführen. Er wurde ausdrücklich zu dem genauen Zeitpunkt seines Abfalls befragt. Angesichts der Tatsache, dass es sich gegenständlich um das zweite Asylverfahren (Folgeantrag) des BF handelt und er vor seiner Einvernahme über seine Mitwirkungspflichten aufgeklärt wurde, ist nicht verständlich, dass er seine Erläuterungen zu den "unterschiedlichen Phasen seiner Abkehr" in seiner Beschwerde nicht bereits vor dem BFA getätigt hat. Daher ist das Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, dass er erst nach Rechtskraft seines ersten Asylverfahrens vom Islam abgefallen sei, nicht glaubwürdig.

Abgesehen davon, dass er die von ihm behauptete Abkehr vom Islam bereits in seinem Verfahren zu seiner ersten Asylantragsstellung vorzubringen gehabt hätte, erachtet das BFA dieses Vorbringen auch nicht als glaubhaft. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Richter an, und zwar aus folgenden Gründen:

Zunächst hat der BF bei seiner Erstbefragung zu seinem Folgeantrag angegeben er sei Schiite (AS. 51). Bei den Ausführungen zu der Gefährdungslage im Herkunftsstaat wiederholte der BF diese Angabe. Er werde als Schiite von den Pashtu sprechenden Sunniten, welche in Kontakt mit den Taliban stünden, verfolgt und verstoßen (AS. 55). Nicht einmal einen Monat später erwähnte der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA erstmals, dass er kein Moslem mehr sei (AS. 89). Nachgefragt wieso er das bei seiner Erstbefragung nicht angegeben habe, erwiderte er, dass er nur ganz kurz befragt worden sei. Man hätte nur gefragt, ob er jemanden in Afghanistan habe (AS. 89). Im Anschluss an diese Antwort wurden ihm seine Aussagen in der Erstbefragung rückübersetzt, die der BF bestätigte. Wiederholt dazu befragt, antwortete der BF ausweichend, dass er den Abfall vom islamischen Glauben nicht angegeben habe, da es ihm schlecht gegangen sei, er Angst gehabt habe und er krank gewesen sei. Dabei wurde der BF vom einvernehmenden Referenten darauf hingewiesen, dass er in seiner Erstbefragung angegeben habe, dieser ohne Probleme folgen zu können (AS. 90). Der BF hat eingangs zu seiner Erstbefragung erklärt, dass er die Wahrheit gesagt habe, diese sei aber sehr kurz gewesen und er habe nicht alles vorbringen können (AS. 88). In der Beweiswürdigung des BFA wird zutreffend dargelegt, dass der BF bei seiner Erstbefragung sogar Details wie den Besuch einer HAK in Österreich angeben habe können. Es sei nicht verständlich, weshalb er bei einem tatsächlichen Abfall vom islamischen Glauben, diesen nicht primär bei seinen Erläuterungen zur Gefährdungslage vorgebracht habe. Dieser Würdigung der belangten Behörde hält der BF in seiner Beschwerde nichts entgegen.

Überdies sind die Äußerungen des BF zu seinem Glauben nicht miteinander vereinbar. Wenn man seinen eigenen Erklärungen folgend annimmt, er habe bei seiner Erstbefragung die Wahrheit gesagt, so ist seine Aussage vor dem BFA, wonach er seit ca. einem Jahr oder elf Monaten keiner Religion mehr angehöre, völlig widersprüchlich. Der BF hat in seiner Erstbefragung klar gesagt er sei Schiite und befürchte als solcher in Afghanistan Verfolgung. Es ist nicht logisch, dass man zuerst seine Religionszugehörigkeit als Verfolgungsgrund vorbringt und dann gegensätzlich dazu behauptet als Atheist verfolgt zu werden, insbesondere da zwischen diesen Angaben nicht einmal ein Monat vergangen ist. Daher ist die Behauptung des BF keiner Religion mehr anzugehören, in Übereinstimmung mit der belangten Behörde, als klare Steigerung seines Fluchtvorbringens zu werten und aus diesem Grund nicht glaubwürdig.

Außerdem hat der BF sein Vorbringen zu einem Abfall vom Islam auch nicht substantiiert. So hat er in seiner Einvernahme zu dem Umstand, dass er keiner Religion angehöre lediglich gesagt er trinke keinen Alkohol und esse kein Schweinefleisch, nur wenn das ein Moslem mitbekomme (AS. 90). Andere Beweise für seinen Abfall wurden vom BF nicht ins Treffen geführt. In seiner Beschwerde weist er darauf hin, dass er bei näherer Befragung zu seiner Abkehr durch das BFA zusätzlich angegeben hätte, dass er auch weibliche Freundinnen habe und auch schon Beziehungen mit Mädchen geführt habe. Außerdem habe er auch im November 2018 auf Instagram, in seiner Story, ein Statement gegen den islamischen Glauben veröffentlicht (AS. 292). Wie bereits bezüglich des Zeitpunkts seines Glaubensabfalls erörtert wurde, ist es nicht einleuchtend, dass der BF nicht schon von sich aus bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde Angaben zu Freundinnen und Beziehungen gemacht hat. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Aufgabe des BFA gesehen werden, seine ungenauen Angaben durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es am BF ein detailliertes und stimmiges Vorbringen von sich aus zu erstatten. Der Umstand, dass der BF Schweinefleisch esse und Alkohol trinke, genügt für sich genommen jedenfalls nicht um einen Abfall vom Islam aus innerer Überzeugung darzutun, wie auch in der Beweiswürdigung des BFA angeführt wurde.

Zu der Veröffentlichung eines Statements gegen den islamischen Glauben im November 2018 auf Instagram ist anzumerken, dass er eine solche erst mehr als drei Monate nach seiner Einvernahme vor der belangten Behörde in seiner Beschwerde gegen das zurückweisende Erkenntnis behauptet hat. Allerdings hat der VwGH ausgesprochen, dass die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen darf, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (VwGH 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235). Deshalb war das Beschwerdevorbringen des BF zu einem öffentlichen Statement nicht entscheidungsrelevant.

Im konkreten Fall deuten insbesondere die widersprüchlichen und unplausiblen Aussagen des BF stark auf ein konstruiertes Fluchtvorbringen hin. Das Bundesverwaltungsgericht stimmt daher der belangten Behörde zu, dass dem Vorbringen des BF zu einem Abfall vom islamischen Glauben kein glaubhafter Kern innewohnt, weshalb es letztlich als untauglicher Versuch, bei seinem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren eine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung zu belegen, zu qualifizieren ist.

In der Zusammenschau aller Umstände ist sohin den Ausführungen der belangten Behörde beizutreten, dass der BF keine glaubhaften Fluchtgründe und sohin keinen neuen entscheidungserheblichen Sachverhalt vorgebracht hat.

Im Übrigen ist der Vollständigkeit halber darauf zu verweisen, dass - wie in der rechtlichen Würdigung darzulegen sein wird - mit der Behauptung einer seit zumindest September 2017 bestehenden Abkehr vom Islam des BF im Rahmen des gegenständlichen Folgeantrags selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung nichts zu gewinnen wäre. Bereits deshalb war dem Antrag des BF in seiner Beschwerde zur zeugenschaftlichen Einvernahme einer Freundin, zum Beweis für die Abkehr vom Islam sowie sein öffentliches Kundtun derselben, keine Folge zu leisten.

Der BF bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zum Schluss, dass der BF im gegenständlichen Folgeverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vorbrachte. Dass sich die Situation in Afghanistan seit der rechtskräftigen Vorentscheidung maßgeblich geändert hätte, wurde vom BF nicht behauptet. Wenn der BF geltend macht, dass sich die belangte Behörde ausführlicher mit der Situation in Afghanistan in Zusammenhang mit seiner behaupteten Apostasie befassen hätte sollen, ist dem entgegenzuhalten, dass dieses Vorbringen ins Leere geht, weil dem diesbezüglichen Vorbringen des BF ohnehin kein glaubhafter Kern innewohnt. Aus demselben Grund sind auch die Ausführungen zu einer dem BF drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr im Falle des offenen Auslebens seiner atheistischen Weltanschauung nicht beachtlich. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch darauf zu verweisen, dass zwischen den zwei Asylverfahren weniger als ein Jahr liegt. Es ist daher insgesamt weder eine wesentliche Änderung der Rechts- noch der Sachlage erkennbar.

Wenn in der Beschwerde darüber hinaus angeführt wird, dass aufgrund des nachvollziehbaren Vorbringen des BF, welches unverschuldet nur wenig substantiiert gewesen sei, jedenfalls ein glaubhafter Kern zukomme, so ist dem entgegenzuhalten, dass das BFA aufgrund seiner Angaben in seinen Einvernahmen schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt hat, warum sie ihm die Glaubwürdigkeit hinsichtlich seines nunmehrigen Vorbringens abgesprochen hat, wobei auch seitens der Rechtsvertretung im Beschwerdeschriftsatz keine substantiierte Auseinandersetzung mit der seitens der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung erfolgte.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Eine wesentliche Änderung der Situation in Afghanistan, insbesondere im Herkunftsort des BF, in den letzten Monaten wurde aber - wie bereits ausgeführt - auch in der Beschwerde nicht behauptet und entspricht dies nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes. Es sind auch keine wesentlichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere Erkrankung oder ein sonstiger auf seine Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe. Der BF gab im gegenständlichen Verfahren an, gesund zu sein.

Ein schützenswertes Privat- oder Familienleben wurde seit Beendigung des Vorverfahrens auch nicht begründet. Es kann nicht von einer entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhaltes im Sinne einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden.

2.4 Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Die Situation in Afghanistan wäre nur dann einer näheren Prüfung zu unterziehen, wenn sie sich seit der rechtskräftigen Vorentscheidung maßgeblich geändert hätte. Weder aus dem Vorbringen des BF, noch aus den im Vorverfahren zugrunde gelegten Feststellungen zum Herkunftsstaat, unter Berücksichtigung von aktualisierten Versionen des dort verwendeten Quellenmaterials, ergeben sich Hinweise auf eine sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens maßgeblich geänderten Sachverhalt. Ein solcher wurde vom BF in seiner Beschwerde auch nicht behauptet.

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Es handelt sich dabei um Berichte diverser anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen bzw. Organisationen und bieten diese ein in inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich übereinstimmendes und ausgewogenes Bild zur Situation in Afghanistan. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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