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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §119 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der E m.b.H. in N, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 11. Mai 2017, Zl. RV/2100254/2015, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011) und Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die von 2005 bis 2012 Mitglied einer Unternehmensgruppe (§ 9 KStG 1988) war, wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer stellte u.a. fest, die Revisionswerberin habe (vor 2006) eine Reststoffverwertungsanlage (Müllverbrennung) errichten lassen und seit 2006 einen Zivilprozess gegen den Errichter der Anlage geführt. Im Jahr 2011 sei der Prozess verglichen worden; als Folge dessen habe die Revisionswerberin einen außerordentlichen Ertrag von 10,6 Mio. EUR verbucht. Die Anschaffungskosten der Anlage hätten 57,9 Mio. EUR betragen; der Buchwert zum 1. Jänner 2010 40,3 Mio. EUR. Per 31. Dezember 2010 habe die Revisionswerberin eine Teilwertabschreibung von 20,6 Mio. EUR durchgeführt. Der Teilwertabschreibung habe ein Gutachten zur Überprüfung des Wertes der Beteiligung an der Revisionswerberin im Vermögen ihrer Muttergesellschaft zugrunde gelegen. Zum 31. Dezember 2011 sei bei der Revisionswerberin eine weitere Teilwertabschreibung von 12,4 Mio. EUR durchgeführt worden. Diese Teilwertabschreibung sei damit begründet worden, dass die Geschäftsanteile an der Revisionswerberin von der Muttergesellschaft im Jahr 2012 um 4,5 Mio. EUR verkauft worden seien. Die Teilwertabschreibung zum 31. Dezember 2011 sei laut Prüfer zu Unrecht erfolgt, weil der Teilwert der Reststoffverwertungsanlage nicht allein aus dem Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile an der Revisionswerberin ableitbar sei und die Revisionswerberin keine dauernde Wertminderung der Anlage nachgewiesen habe.
2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ am 6. Oktober 2014 einen Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Feststellungsbescheides 2011 sowie einen der Ansicht des Prüfers entsprechenden Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011.
3 Die Revisionswerberin brachte sowohl gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch gegen den Feststellungsbescheid das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Hinsichtlich der Wiederaufnahme brachte sie vor, das Finanzamt habe es unterlassen, konkret darzulegen, welche Tatsachen und Beweismittel iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO neu hervorgekommen seien. In der Sache selbst führte sie u.a. aus, die Reststoffverwertungsanlage und der mit dieser Anlage realisierte betriebswirtschaftliche Erfolg hätten von Anfang an zu wünschen übrig gelassen. Unter anderem sei es zu einem Rechtsstreit mit dem Errichter der Anlage gekommen. Das Gerichtsverfahren habe mit einem Vergleich geendet, der im Jahr 2011 zu einem einmaligen sonstigen Ertrag von rund 11 Mio. EUR geführt habe. Es entspreche den Denkgesetzen des täglichen Wirtschaftslebens, dass Anlagen, für die ein "Schadenersatz" von 11 Mio. EUR geleistet werde, untauglich und in absehbarer Zeit zu ersetzen seien.
4 Der Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile der Revisionswerberin sei auf der Grundlage des Anlagevermögens "cash and debt free" vereinbart worden. Der Käufer der Gesellschaftsanteile sei ausschließlich am Erwerb der in Rede stehenden Reststoffverwertungsanlage interessiert gewesen und im Kaufpreis der Anteile sei ausschließlich der Teilwert der Anlagen zum Ausdruck gekommen. Die Gründe für die Wertminderung der Anlage bestünden nach wie vor. Sie lägen im schlechten technischen Zustand der Anlage und in der anstehenden Generalsanierung. Die Wertminderung werde voraussichtlich bis zum Ende der Restnutzungsdauer der Anlage gegeben sein.
5 Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor, welches die Revisionsweberin mittels Fragenvorhalt u.a. dazu aufforderte, die tatsächlichen Gründe (technische oder wirtschaftliche Abnutzung) für die Wertminderung der Jahre 2010 und 2011 bekanntzugeben.
6 Die Revisionswerberin führte dazu in ihrer Vorhaltsbeantwortung aus, zum 31. Dezember 2010 habe sich die Wertminderung aufgrund technischer Mängel und Schäden, die Gegenstand des Gerichtsverfahrens gewesen seien, ergeben. Die Wertminderung zum 31. Dezember 2011 habe sich aufgrund der beabsichtigten Veräußerung der Anlage infolge fehlender (geringer) Ertragsaussichten und drohender Ersatzinvestitionen ergeben.
7 Am 11. Mai 2017 führte das Bundesfinanzgericht in der Beschwerdesache der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2014, "betreffend Wiederaufnahme und Feststellung Gruppenmitglied 2011" eine mündliche Verhandlung durch. Laut der darüber aufgenommenen Niederschrift verkündete die Senatsvorsitzende am Ende der Verhandlung die "Abweisung der Beschwerde" sowie die "Unzulässigkeit der Revision" als Entscheidung des Gerichts.
8 Im Erwägungsteil der schriftlichen Ausfertigung des - die Beschwerde abweisenden - Erkenntnisses, führte das Bundesfinanzgericht zunächst aus, das Finanzamt habe die Wiederaufnahme des Feststellungsverfahrens 2011 mit einem Verweis auf den Betriebsprüfungsbericht bzw. die darin getroffenen Feststellungen zur Teilwertberichtigung begründet. Aus dem Bericht des Prüfers ergebe sich, dass dem Finanzamt die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Gründe für die Teilwertberichtigung 2011 und deren bloße Ableitung aus dem Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile der Revisionswerberin nicht bekannt gewesen seien.
9 In Bezug auf die Teilwertabschreibung wird in der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses der Standpunkt vertreten, dass der Teilwert der Reststoffverwertungsanlage allein aus den die Veräußerung der Beteiligung betreffenden Umständen nicht zweifelsfrei abgeleitet werden könne. Die Unzulässigkeit der Teilwertabschreibung wird weiters damit begründet, dass die Revisionswerberin trotz Aufforderung keine Gründe genannt habe, die für die Annahme einer dauernden Wertminderung sprächen. Insbesondere sei es ihr nicht gelungen darzutun, "welche wesentlichen Umstände genau im Jahr 2011 eingetreten sind, die zur Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert im Jahr 2011 berechtigen". Die vorgebrachte technische Abnutzung habe nämlich schon lange vor der Veräußerung bestanden.
10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Finanzamt - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Die Revision führt unter Punkt "1.3 Zum Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG" u. a. aus, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein relevanter Begründungsmangel der Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes die Zulässigkeit der Revision iSd § 25a VwGG bewirke (Hinweis auf VwGH 8.1.2015, 2014/08/0064; 27.7.2016, Ra 2015/13/0051).
15 Das Bundesfinanzgericht gehe im gegenständlichen Fall davon aus, dass der Teilwert der betreffenden Reststoffverwertungsanlage "nicht als objektiv feststehend betrachtet werden" könne. Diese Feststellung widerspreche logischen Denkgesetzen, denn der Wert der Reststoffanlage sei durch den stichhaltigsten Beweis nachgewiesen worden, welcher überhaupt erbracht werden könne: Durch den von einem fremden unabhängigen Dritten bezahlten Kaufpreis für den Erwerb einer gesamten Anlage unter Fortführung des Betriebes. Die Feststellung des Bundesfinanzgerichtes beruhe daher auf einer grob fehlerhaften Beurteilung.
16 Das Bundesfinanzgericht habe zudem gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen, indem es über die Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Feststellungsverfahrens Gruppenträger 2011 nicht entschieden habe. Der Spruch des Erkenntnisses (Anm: gemeint dessen schriftliche Ausfertigung) spreche lediglich von einer Beschwerde "betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011". Im Falle einer Beschwerde sowohl gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch gegen den Sachbescheid sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme und erst danach über die Beschwerde gegen den Sachbescheid zu entscheiden (Hinweis u.a. auf VwGH 22.11.2012, 2012/15/0193).
17 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
18 Soweit die Revision die Annahme des Bundesfinanzgerichtes betreffend den Teilwert der Anlage zum 31. Dezember 2011 rügt, zeigt sie keinen relevanten Begründungsmangel auf.
19 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert grundsätzlich nur dann anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige das Absinken des Teilwertes darlegen kann. Wer eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert durchführen will, hat die Entwertung des Wirtschaftsgutes nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen; der Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung muss sich auch auf die Umstände beziehen, auf Grund derer (auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der subjektiven Richtigkeit der Bilanz) gerade in einem bestimmten Wirtschaftsjahr die Voraussetzungen der Teilwertabschreibung gegeben seien und somit in jenem bestimmten Wirtschaftsjahr Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien (vgl. z.B. VwGH 20.12.2016, Ra 2014/15/0035, mwN).
20 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis einerseits den Standpunkt vertreten, dass der Teilwert der Reststoffverwertungsanlage nicht zweifelsfrei aus den Umständen betreffend die Veräußerung der Beteiligung abgeleitet werden könne. Andererseits hat es die Unzulässigkeit der in Rede stehenden Teilwertabschreibung (in Form einer Alternativbegründung) damit begründet, dass die Revisionswerberin nicht dargetan habe, "welche wesentlichen Umstände genau im Jahr 2011 eingetreten sind, die zur Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert im Jahr 2011 berechtigen". Gegen diese tragfähige Alternativbegründung wendet sich die Revision im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG (§ 28 Abs. 3 VwGG) nicht (kein Vorbringen betreffend wertmindernde Umstände, die aus der Sicht eines sorgfältig bilanzierenden Unternehmers gerade im Jahr 2011 eingetreten sind), weshalb sich der aufgezeigte Begründungsmangel als für den Ausgang des Verfahrens nicht relevant erweist.
21 Dem Vorbringen, wonach das Bundesfinanzgericht über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme nicht entschieden habe, ist zu entgegnen: Am 11. Mai 2017 hat das Bundesfinanzgericht in der Beschwerdesache der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 6.10.2014 "betreffend Wiederaufnahme (Anm: Feststellung Gruppenmitglied 2011) und Feststellung Gruppenmitglied 2011" eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Senatsvorsitzende hat am Ende der Verhandlung die "Abweisung der Beschwerde", also die Abweisung hinsichtlich der Wiederaufnahme und die Abweisung hinsichtlich des Sachbescheides, die beide Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die "Unzulässigkeit der Revision" als Entscheidung des Gerichtes verkündet. Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses enthält im Begründungsteil u.a. umfangreiche Ausführungen, mit denen dargelegt wird, aus welchen Gründen die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid mit dem gegenständlichen Erkenntnis abgewiesen wird. Es ist somit der Spruch des Erkentnnisses dahingehend zu interpretieren, dass die Beschwerde der Revisionswerberin auch hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung Gruppenmitglied 2011 abgewiesen worden ist.
22 Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
23 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017150058.L00Im RIS seit
25.06.2019Zuletzt aktualisiert am
25.06.2019