TE Vwgh Beschluss 2019/2/28 Ra 2019/01/0042

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

AVG §13a
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
AVG §46
StbG 1985 §10
StbG 1985 §27 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des S H in T, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Rathausplatz 18, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts

Niederösterreich vom 26. November 2018, Zl. LVwG-AV-497/001-2018, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Angefochtenes Erkenntnis

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Sache nach gemäß § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) festgestellt, dass der Revisionswerber seit 1. August 2016 die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt (1.). Eine ordentliche Revision wurde nicht zugelassen (2.)

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der in Belgrad geborene Revisionswerber sei im Jahr 2002 aus der jugoslawischen und der serbischen Staatsangehörigkeit entlassen worden. Mit Bescheid vom 11. Februar 2003 habe der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft erworben.

3 Am 1. August 2016 sei dem Revisionswerber antragsgemäß ein für 10 Jahre gültiger serbischer Personalausweis ausgestellt worden. Am 14. Juni 2016 habe der Revisionswerber in der Republik Serbien eine serbische Staatsangehörige geheiratet. In der Eheurkunde (Auszug aus dem serbischen Ehebuch) sei als Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers die Republik Serbien vermerkt worden. Diese Eheurkunde habe der Revisionswerber den österreichischen Behörden im Dezember 2016 im Rahmen eines Aufenthaltsverfahrens für seine Ehegattin vorgelegt.

4 Nach der serbischen Rechtslage setze der (Wieder)Erwerb der serbischen Staatsangehörigkeit die Abgabe einer positiven Willenserklärung voraus. Aufgrund dieser Bestimmungen und der Eintragungen im Personalausweis des Revisionswerbers und der Eheurkunde sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber die serbische Staatsagenhörigkeit durch Antrag wiedererworben habe, zumal es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass es anders zur Wiederverleihung der serbischen Staatsangehörigkeit gekommen sein sollte. Der Revisionswerber habe auch nie bestritten, dass er serbischer Staatsangehöriger sei, sondern allein vorgebracht, er habe die serbische Staatsangehörigkeit nie verloren. Dem stehe der Bescheid des Bundesministeriums für Innere Angelegenheiten der Republik Serbien entgegen, wonach der Revisionswerber als Voraussetzung für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus der jugoslawischen und der serbischen Staatsangehörigkeit entlassen worden sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende

außerordentliche Revision.

Zulässigkeit

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei "von der ständigen Rechtssprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes hinsichtlich des Umfanges der Mitwirkungspflicht der Partei bzw. der Voraussetzung des Entfalls weiterer Ermittlungen der Behörde zur Feststellung eines Sachverhalts nicht nachgekommen". Zudem sei das Verwaltungsgericht seiner Anleitungspflicht nach § 13a AVG nicht im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß nachgekommen. Dabei verweist die Revision auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 11. Dezember 2018, E 3717/2018. Der Revisionswerber habe vorgebracht, dass er offenbar nach wie vor als serbischer Staatsbürger in den Registern geführt werde. Das Verwaltungsgericht hätte durch Anfragen an die serbischen Behörden prüfen müssen, ob dies ein Fehler sei oder ob der Revisionswerber "auch materiell" nach wie vor serbischer Staatsbürger sei.

10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Konkrete Darlegung

11 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den "gesonderten" Gründen konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die pauschale, nicht näher konkretisierte Behauptung, wonach das Gericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, genügt dem Konkretisierungsgebot des § 28 Abs. 3 VwGG nicht (vgl. für viele VwGH 20.12.2018, Ra 2017/13/0071, mwN).

12 Der vorliegende pauschale Verweis auf nicht zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt diesen Anforderungen nicht. Die Revision erweist sich aber auch aus anderen Gründen als unzulässig:

Amtswegigkeit und Mitwirkungspflicht

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Verweis auf seine Rechtsprechung zum Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG festgehalten, dass das Verwaltungsgericht im Verleihungsverfahren nach dem StbG verpflichtet ist, den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln (vgl. VwGH 28.1.2019, Ro 2018/01/0018, mit Verweis u. a. auf VwGH 18.2.2015, Ra 2015/04/0007, mwN). Dies gilt auch für das Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 1 StbG.

14 Zu § 27 Abs. 1 StbG hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass in Bezug auf ausländisches Recht der Grundsatz "iura novit curia" nicht gilt, sodass dieses in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei aber auch hier die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist, soweit eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gegenüber der Pflicht zur amtswegigen Erforschung des gemäß § 27 Abs. 1 StbG maßgeblichen Sachverhalts umso größer, als es der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht unmöglich ist, personenbezogene Auskünfte über einen Betroffenen zu erhalten und es deshalb der Mitwirkung des Betroffenen bedarf (vgl. zu allem VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0364, mwN).

15 Auch der VfGH hat in der von der Revision zitierten Entscheidung VfGH 11.12.2018, E 3717/2018, festgehalten, dass das Verwaltungsgericht zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts verpflichtet ist (Rn. 63 f). Der VfGH hat gleichzeitig nicht ausgeschlossen, dass die Partei Mitwirkungspflichten treffen (Rn. 74).

16 In der vorliegenden Rechtssache hat das Verwaltungsgericht die maßgebliche serbische Rechtslage ermittelt und den für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt im Wege einer beweiswürdigenden Heranziehung von Beweismitteln (Eheurkunde, Personalausweis, Entlassungsbescheid) festgestellt. Dass diese Beweiswürdigung krass fehlerhaft gewesen wäre, wird nicht konkret dargetan und ist auch sonst nicht zu sehen (vgl. zur Überprüfung der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof für viele VwGH 21.12.2018, Ra 2018/01/0324, mwN).

17 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung (als Verletzung des Amtswegigkeitsprinzips und des § 13a AVG) rügt, die ihm in der mündlichen Verhandlung vom Verwaltungsgericht gesetzte Frist von 14 Tagen sei "bei weiten" zu kurz gewesen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Frist für die Vorlage "allfälliger von ihm noch eingeholter" (also bereits ihm vorliegender) Bestätigungen gesetzt worden ist und schon aus diesem Grund vom Verwaltungsgericht einzelfallbezogen als ausreichend angesehen werden durfte.

18 Eine solche Vorgangsweise, bei welcher der Partei die Gelegenheit zur Vorlage anderer, ihr zugänglicher Beweismittel gegeben wird, um den vom Verwaltungsgericht amtswegig (im Wege einer Würdigung von Beweismitteln und der ausländischen Rechtslage) festgestellten maßgeblichen Sachverhalt widerlegen zu können, stellt keine - unzulässige - Umkehr der formellen Beweislast dar (vgl. dazu VfGH 11.12.2018, E 3717/2018, Rn. 63).

19 Eine solche Vorgangsweise kann zunächst mit der Wahrung des Parteiengehörs begründet werden. Die Wahrung des Parteiengehörs, das zu den fundamentalen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit der Hoheitsverwaltung gehört, ist von Amts wegen, ausdrücklich, in förmlicher Weise und unter Einräumung einer angemessenen Frist zu gewähren. Das Parteiengehör besteht nicht nur darin, den Parteien im Sinn des § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis einer Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen, sondern ihnen ganz allgemein zu ermöglichen, ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen, mithin Vorbringen zu gegnerischen Behauptungen zu erstatten, Beweisanträge zu stellen und überhaupt die Streitsache zu erörtern (vgl. für viele VwGH 28.3.2018, Ra 2016/11/0085, mwN).

20 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 27 Abs. 1 StbG eine Beweiswürdigung der Staatsbürgerschaftsbehörde als schlüssig beurteilt, wonach (ausgehend von den Bestimmungen des fremden Staatsangehörigkeitsrechts) für den (Wieder-)Erwerb der Staatsbürgerschaft zwingend die Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben sei und Gegenteiliges - nämlich dass die Wiedereinbürgerung im konkreten Fall nicht mit dem Wissen und Willen der dortigen Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vorgenommen wurde - nicht glaubwürdig dargelegt worden sei (vgl. VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094, Rn. 34, mwN). Diese Rechtsprechung zeigt, dass Gegenteiliges, nämlich der Umstand, dass die Wiedereinbürgerung im konkreten Fall nicht mit dem Wissen und Willen des Betroffenen auf Grund seines Antrages vorgenommen worden sei, glaubwürdig dargelegt werden kann. Zu dieser Darlegung hat das Verwaltungsgericht vorliegend dem Revisionswerber Gelegenheit gegeben. Eine Beweislastumkehr liegt dagegen nicht vor.

21 Zu § 13a AVG ist zuletzt darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht Aufgabe der Behörde ist, zur Erhebung von Einwendungen und zu deren inhaltlicher Gestaltung anzuleiten und eine Beratung der Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu den Pflichten der Behörde zählt (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/04/0165, mwN).

Ergebnis

22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010042.L00

Im RIS seit

18.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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