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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der S H, (geboren am 18. Februar 1968), in Heiligenkreuz, vertreten durch Dr. Anton Draskovits, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Amerlingstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. August 1995, Zl. Fr 1694/95, betreffend Ausweisung und Zurückweisung eines Feststellungsantrages gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 11. August 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 und § 17 Abs. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen und ihr Antrag auf Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei am 26. März 1995 über Wien-Schwechat in das Bundesgebiet eingereist und nicht im Besitz des erforderlichen Reisedokumentes bzw. einer Aufenthaltsberechtigung gewesen. Am 28. März 1995 habe sie einen Asylantrag eingebracht, der mit Bescheid (des Bundesasylamtes) vom 31. März 1995 gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen worden sei. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung komme nur jenen Asylwerbern zu, die gemäß § 6 Asylgesetz (1991) direkt in das Bundesgebiet eingereist seien. Da bei der Beschwerdeführerin der Tatbestand der direkten Einreise nicht habe vorgefunden werden können, komme ihr somit auch nicht die von ihr behauptete Aufenthaltsberechtigung zu. Es seien daher für sie die fremdengesetzlichen Bestimmungen anwendbar. Der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens sei für die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde nicht erforderlich.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes führte die belangte Behörde weiters aus, dass die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt habe, weil sie illegal - ohne im Besitz des erforderlichen Reisedokumentes und einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung gewesen zu sein - nach Österreich eingereist sei. Da mit dem Irak kein Sichtvermerksabkommen bestehe, sei sie zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet nicht berechtigt gewesen und deshalb unter Missachtung der Bestimmungen des Fremdengesetzes nach Österreich gelangt. Sie sei innerhalb eines Monates nach ihrer Einreise betreten worden, und der Bescheid der Erstbehörde sei innerhalb eines Monates erlassen worden.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin messe die Rechtsordnung der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung passrechtlicher (nunmehr fremdengesetzlicher) Vorschriften ein solches Gewicht bei, dass selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwer wiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege.
Die erstinstanzliche Behörde habe festgestellt, dass die Beschwerdeführerin für ihren Aufenthalt nicht über ausreichende Barmittel verfüge. Dem Vorbringen, dass durch das Bundesbetreuungsgesetz der speziellen Situation der Beschwerdeführerin Rechnung getragen würde, sei entgegenzuhalten, dass die Bundesbetreuung mangels eines daraus abzuleitenden Rechtsanspruches für den Nachweis der Erbringung der Mittel zum Unterhalt nicht ausreiche.
Die im § 54 FrG genannte Behörde sei die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese. Der belangten Behörde komme daher vorerst keine Entscheidungskompetenz zur Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung zu.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, dass auf Grund der Beschwerdeausführungen ungeachtet des den gesamten Spruch betreffenden Aufhebungsantrages davon auszugehen ist, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Ausweisung der Beschwerdeführerin richtet. Demgemäß hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch nur mit diesem Teil des Bescheides zu befassen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 245, wiedergegebene hg. Judikatur; ebenso etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. Mai 1997, Zl. 97/18/0144, und vom 12. Februar 1999, Zl. 95/21/1122).
2. Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG - in der vorliegend anzuwendenden Fassung vor der FrG-Novelle BGBl. Nr. 436/1996 - können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zur ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten wurden (Z. 6).
3. Die Beschwerde macht geltend, dass die Beschwerdeführerin unmittelbar vom Irak aus nach Österreich eingereist und kein sicheres Drittland "dazwischen geschaltet" gewesen sei. Sie habe einen Tag nach ihrer Einreise nach Österreich dem Bundesasylamt ihren Asylantrag übergeben. Die Behörde habe bei ihren Erwägungen § 9 FrG (offensichtlich gemeint: Asylgesetz 1991) außer Acht gelassen.
4.1. Im Hinblick auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens für die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde nicht erforderlich sei, und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auf Grund der vorgelegten Verwaltungsakten ist davon auszugehen, dass der unter I. 1. genannte negative Bescheid des Bundesasylamtes bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht in Rechtskraft erwachsen war. Gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ist § 17 FrG auf Asylwerber anzuwenden, wenn ihnen weder eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Asylgesetz 1991 noch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 leg. cit. zukommt. Eine solche vorläufige Aufenthaltsberechtigung setzt voraus, dass der Asylwerber - außer der Voraussetzung der rechtzeitigen Stellung des Asylantrages - auch die Voraussetzungen des § 6 Asylgesetz 1991 erfüllt, nämlich dass er direkt aus dem Staat kommt (Art. 31 GFK), in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen, (Art. 6 Abs. 1 ) oder dass er gemäß § 37 FrG wegen Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem er direkt einreiste, hätte zurückgewiesen werden dürfen und ihm die Einreise formlos zu gestatten gewesen wäre (§ 6 Abs. 2).
4.2. Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid aus, dass die Beschwerdeführerin über Wien-Schwechat nach Österreich eingereist sei, ohne im Besitz des erforderlichen Reisedokuments bzw. einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung gewesen zu sein, und bei ihr der "Tatbestand der direkten Einreise, wie er auch im Asylverfahren festgestellt worden ist, nicht vorgefunden werden konnte".
Diese Ausführungen stellen keine ausreichende und schlüssige Begründung für die Annahme der belangten Behörde dar, dass der Beschwerdeführerin trotz ihres Asylantrages keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen sei. So hat sich die belangte Behörde nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Beschwerdeführerin gemäß § 37 FrG wegen Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem sie direkt einreiste, zurückgewiesen werden durfte. Hiezu wäre sie jedoch im Hinblick darauf verpflichtet gewesen, dass der Beschwerdeführerin offenkundig am Flughafen Wien-Schwechat von einem Grenzkontrollorgan die Einreise gemäß § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 formlos gestattet wurde. Das Fehlen einer Auseinandersetzung mit den näheren Umständen der Einreise der Beschwerdeführerin ist wesentlich, war doch auf Grund dessen die belangte Behörde nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Beschwerdeführerin eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zukam, die gemäß § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes einer Ausweisung entgegenstanden wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/1092).
5. Der angefochtene Bescheid ist daher mit einem wesentlichen Feststellungs- und Begründungsmangel behaftet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996210352.X00Im RIS seit
20.11.2000