TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/12 LVwG-1-66/2019-R3

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Veröffentlicht am 12.03.2019
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Entscheidungsdatum

12.03.2019

Norm

StVO 1960 §99 Abs2 litc
FSG 1997 §7 Abs3 Z3

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Böhler über die Beschwerde des T E, A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 18.01.2019, Zl X-9-2018/33980, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass es in der Übertretungsnorm zu Spruchpunkt 1. anstatt „§ 7 Abs 3 Ziffer 3 FSG“ nunmehr wie folgt zu lauten hat: „§ 99 Abs 2 lit c StVO“.

Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 % der über ihn verhängten Geldstrafe, mindestens jedoch 10 Euro zu bezahlen. Daher ergibt sich ein Kostenbeitrag von 40 Euro. Dieser Betrag ist zusammen mit der Geldstrafe und dem Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens an die Bezirkshauptmannschaft F zu entrichten.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.              Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten Folgendes vorgeworfen:

„Sie haben nachstehende Verwaltungsübertretung(en) begangen:

Fahrzeug: XXX

1.  Sie haben auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen ÜBERHOLEN VERBOTEN gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug unter besonders gefährlichen Verhältnissen überholt. Die besonders gefährlichen Verhältnisse waren durch eingeschränkte Sichtweite (langgezogene Rechtskurve), der Anzahl der überholten Fahrzeuge und einer nassen Fahrbahn gegeben.

2.  Sie haben die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren.

Tatzeit:

15.05.2018, 16:33 Uhr

Tatort:

L, Höhe Km XX, H Straße - Fahrtrichtung H

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.  § 16 Abs. 2 lit. a StVO i.V.m. § 7 Abs. 3 Ziffer 3 FSG

2.  § 9 Abs. 1 StVO

Wegen dieser/diesen Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Zu

Geldstrafe

falls diese uneinbringlich

Gemäß

 

Euro

ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

 

1

140,00

71 Stunden

§ 99 Abs. 2 lit. c StVO

2

60,00

27 Stunden

§ 99 Abs. 3 lit. a StVO

Zu

Freiheitsstrafe

Gemäß

 

 

 

Ferner haben Sie zu bezahlen:

Betrag

Für

Euro

 

14,00

Strafverfahrenskosten gemäß § 64 Abs.1+2 VStG

10,00

Strafverfahrenskosten gemäß § 64 Abs.1+2 VStG

Zu zahlender Gesamtbetrag (Strafe/Barauslagen):

Euro    224,00“

Verfall

2.              Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe bei ihrer Beurteilung fälschlich die Überholstrecke zugrunde gelegt, die für die gesamte Fahrzeugreihe erforderlich gewesen wäre. Die belangte Behörde verkenne aber, dass sich aus den Beweisergebnissen ergebe, dass zwischen den überholten Fahrzeugen ein mehr als ausreichender Sicherheitsabstand von rund 1,5 bis 2 Sekunden gegeben gewesen sei, weshalb der Überholvorgang jederzeit abgebrochen und ein gefahrloses Einordnen nach jedem Fahrzeug möglich gewesen wäre. Auf StrKm XX sei noch nicht überholt worden. Der Zeuge Inspektor W habe ausgesagt, dass der Beschwerdeführer auf Höhe StrKm XX erst nach links über die Sperrlinie gefahren sei. Diese Angaben seien aber in zweifacher Hinsicht ungenau. Zum einen könne daraus nicht abgeleitet werden, dass auf StrKm XX bereits überholt worden sei und zum anderen lasse sich nicht feststellen, ob auf Höhe StrKm XX begonnen wurde, nach links zu fahren, oder ob sich das Fahrzeug bereits bei diesem StrKm auf dem linken Fahrstreifen befunden habe. Allerdings ergebe sich aus den Angaben, dass auf Höhe StrKm XX nicht überholt worden sei. Seine Verantwortung, wonach er frühestens auf StrKm YY (nach der Baumreihe) begonnen habe, das erste Fahrzeug zu überholen, ergebe sich auch aus der vom Polizeibeamten W erstellten Lichtbildbeilage. So dokumentiere das Lichtbild Nr 2 den Beginn des Ausscherens nach links; hierbei handle es sich aber um den StrKm XX. Als Übertretungsort komme daher nicht StrKm XX sondern StrKm YY in Frage. Die Behörde gehe von einer Geschwindigkeit der überholten Fahrzeuge von 45 km/h aus. Die Geschwindigkeit der überholten Fahrzeuge sei von den Polizeibeamten geschätzt worden. Der Polizeibeamte W habe die Geschwindigkeit in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 02.11.2018 auf 40 bis 50 km/h geschätzt. Der Polizeibeamte W habe die Geschwindigkeit anlässlich seiner Einvernahme vom 31.07.2018 sowie in seiner Stellungnahme vom 29.10.2018 wiederum mit 40 bis 50 km/h beurteilt. Als Anhaltspunkt habe dem Polizeibeamten W laut dessen Angaben der ungeeichte Tachograph des Dienstfahrzeuges gedient. Es sei notorisch, dass ungeeichte Tachographen die Geschwindigkeit um mehrere km/h nach oben korrigierten. Es hätte daher dem Grundsatz in dubio pro reo folgend die Geschwindigkeit der überholten Fahrzeuge mit 40 km/h festgestellt werden müssen. Die vom Sachverständigen geschätzte Sichtweite von ca 150 m sei zu gering. Zum einen müsse auf die Sichtweite auf Höhe des tatsächlichen Überholvorganges (sowie nicht StrKm XX) abgestellt werden, zum anderen sei ihm die Sichtweite stets zur Verfügung gestanden und habe sich die Sichtweite aufgrund des immer größer werdenden Kurvenradius stets verlängert. Der Umstand, dass es sich um eine langgezogene Rechtskurve handle, spreche eher gegen das Vorliegen von besonders gefährlichen Verhältnissen. Im Gutachten sei nicht angeführt, von welchem Bezugspunkt aus die Sichtweite bestimmt worden sei. Aus den Angaben der Polizeibeamten ergebe sich, dass auf Höhe StrKm XX noch nicht überholt worden sei, sondern nur nach links ausgeschert worden sei. Auf dem Lichtbild Nr 2 der vom Polizeibeamten W erstellten Lichtbildbeilage ergebe sich der Ort, der den Beginn des Überholmanövers bzw das Ausscheren nach links zeige. Der Pfeil zeige zur dortigen Tafel. Bzgl Gefahreneinschätzung und Sichtweiten sei daher einzig das Lichtbild Nr 6 von Relevanz, weil dieses Lichtbild die tatsächlichen Sichtweiten, die beim Ausscheren bestanden hätten, zeige, weil dieses Lichtbild auf Höhe der dortigen Tafel gemacht worden sei. Sehe man sich dieses Lichtbild an, so seien auf dem Lichtbild sieben bis acht Leitpflöcke ersichtlich. Da die Leitpflöcke üblicherweise einen Abstand von 33 m aufweisen würden, sei sohin eine Mindestsichtweite von zumindest 260 m gegeben gewesen, weshalb die vom Sachverständigen eingeschätzte Sichtweite von 150 m nicht stimmen könne. Ihm sei die Sichtweite von 150 m stets zur Verfügung gestanden, sie habe sich im Laufe des Überholvorganges somit nicht verkürzt, sondern müsse sich aufgrund des Kurvenradius und der anschließenden geraden Strecke ständig erhöht haben. Bei der Beurteilung der Sichtweiten durch die Polizeibeamten müsse berücksichtigt werden, dass er, der sich während des Überholvorganges auf dem linken Fahrstreifen befunden habe, aufgrund der geänderten Perspektive eine bessere Sicht als die Polizeibeamten gehabt habe. Dies sei deswegen von Relevanz, da es den Polizeibeamten dadurch nicht möglich gewesen sei, die tatsächliche Sichtweite, die ihm zur Verfügung gestanden sei, und die Gefährlichkeit/Ungefährlichkeit des Überholvorganges nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Die objektiven Sichtweiten seien bis dato noch nicht ermittelt worden. Bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h betrage der notwendige Sicherheitsabstand 12,5 m. Da die Polizeibeamten W und M die Geschwindigkeit der zu überholenden Fahrzeuge mit 40 bis 50 km/h eingeschätzt hätten, müsse berücksichtigt werden, dass der notwendige Sicherheitsabstand von einer Sekunde bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h sohin rund 11 m betrage. Der Polizeibeamte W gehe von einem Sicherheitsabstand der Fahrzeuge zwischen 11 und 15 m, der Polizeibeamte M von rund 20 m aus. Somit ergebe sich, dass zwischen den überholten Fahrzeugen jedenfalls ein ausreichender Sicherheitsabstand bestanden habe. Bei einem Abstand von 20 m und der Zugrundelegung einer Geschwindigkeit von 40 km/h habe der Sicherheitsabstand sohin fast zwei Sekunden, bei einem Sicherheitsabstand von 15 m rund 1,5 Sekunden bestanden. Aus den Angaben der Polizeibeamten lasse sich sohin objektivieren, dass ein Abstand von 1,5 bis 2 Sekunden zwischen den Fahrzeugen eingehalten worden sei. Wenn aber die Abstände ausreichend gewesen seien, dann dürfe sich die Beurteilung der Gefahrenerheblichkeit nicht auf die gesamten überholten Fahrzeuge, sondern auf jedes einzeln überholte Fahrzeug beziehen. Es sei daher für jedes überholte Fahrzeug getrennt die Gefahrenerheblichkeit zu beurteilen. Bei einer Geschwindigkeit des eigenen Fahrzeuges von 80 km/h und einer Geschwindigkeit des fremden Fahrzeuges von 40 km/h sei eine Überholstrecke von 74 m und eine Überholzeit von 3,3 Sekunden errechnet worden. Es wäre sohin innert halber Sicht möglich gewesen, ein Fahrzeug zu überholen und sich im Anschluss aufgrund des tatsächlich bestehenden Sicherheitsabstandes einzuordnen. Wäre im denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, nämlich bei Beginn des Überholvorganges ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h entgegengekommen, dann ergebe sich bei einer Bremsverzögerung von 7 m/Sekunde² eine Anhaltestrecke für das entgegenkommende Fahrzeug von 57,5 m. Anhaltestrecke (57,5 m) und Überholstrecke (74 m) hätten daher pro überholtem Fahrzeug 131,5 m betragen, weshalb selbst eine Sichtweite von nur 150 m ebenfalls ausreichend gewesen wäre. Hätte das entgegenkommende Fahrzeug keine Reaktion gezeigt, dann hätte das entgegenkommende Fahrzeug für die Durchfahrt der zur Verfügung stehenden Strecke rund 3,42 Sekunden benötigt. In dieser Zeitspanne wäre sein Überholvorgang bereits abgeschlossen gewesen, weshalb eine besondere Gefährlichkeit nicht bestanden habe. Er hätte aber auch, sobald er ein entgegenkommendes Fahrzeug wahrgenommen hätte, den Überholvorgang abbrechen können. Da aufgrund des eingehaltenen notwendigen Sicherheitsabstandes ein gefahrloses Einordnen möglich gewesen wäre, seien keine besonders gefährlichen Verhältnisse vorgelegen. Bei der Berechnung der Überholstrecken für die gesamten Fahrzeuge betrage diese bei einer Geschwindigkeit der zu überholenden Fahrzeuge von 40 km/h, 180 m bzw 8,1 Sekunden. Ein mit 80 km/h entgegenkommender Pkw lege in dieser Zeitspanne ebenfalls rund 180 m zurück. In diesem Fall verkürze sich der vom Sachverständigen berechnete Überholweg von 430 m auf 360 m. Aus seinem Vorbringen ergebe sich, dass keine besonders gefährlichen Verhältnisse vorgelegen seien. Die besonders gefährlichen Verhältnisse könnten nicht mit der Anzahl der überholten Fahrzeuge begründet werden, weil jeder einzelne Überholvorgang isoliert zu beurteilen sei. Er habe nicht von Anfang die Absicht gehabt, die gesamte Fahrzeugkolonne zu überholen, sondern habe er dies erst gemacht, nachdem er sich vergewissert habe, dass dies gefahrlos möglich gewesen sei. Im Übrigen sei der überwiegende Teil der Überholvorgänge nach Aufhebung des Überholvorganges gesetzt worden. Weiters sei die Fahrbahn nicht durchgehend nass gewesen, sondern sei diese beim Abtrocknen gewesen bzw sei der Großteil der Fahrbahn bereits trocken gewesen. Sein Fahrzeug habe eine ordnungsgemäße Bereifung und Bremsleistung aufgewiesen, weshalb von der teilweisen nassen Straße keine zusätzliche konkrete Gefahr und keine Einschränkung der Sichtweite ausgegangen sei. Das Traktorgespann sei nicht geeignet gewesen, die Sicht derart einzuschränken, um damit besonders gefährliche Verhältnisse zu begründen. Er sei der begründeten Ansicht, dass er frühestens auf Höhe StrKm YY bzw ZZ begonnen habe, die Sperrlinie zu überfahren.

3.              Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Beschwerdeführer fuhr am 15.05.2018 um 16.33 Uhr in L auf der L in Richtung H. Kurz vor der Autobahnüberführung schloss er auf drei Fahrzeuge und einem Traktor mit Anhänger auf, welche alle mit einer Geschwindigkeit von ca 40 km/h unterwegs waren.

Von L kommend in Fahrtrichtung H ist ab StrKm WW eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h verordnet. Ab StrKm VV ist das Überholen von mehrspurigen Fahrzeugen verboten. Ausgenommen von diesem Verbot ist das Überholen von Zugmaschinen uä; gekennzeichnet ist dies durch eine Zusatztafel gemäß § 54 Abs 5 lit i StVO. Ab StrKm VV beginnt eine Sperrlinie, bei StrKm UU endet das Überholverbot, gleichzeitig auch die Sperrlinie. Zum Tatzeitpunkt herrschte Regen und war die Fahrbahn nass.

Die Fahrzeuge in der Kolonne hielten jeweils einen Abstand von ca 20 m ein. Auf Höhe StrKm XX wechselte der Beschwerdeführer die Fahrbahn, um einen Überholvorgang durchzuführen. Vor dem Spurwechsel hatte der Beschwerdeführer dabei eine Sichtweite in Fahrtrichtung H im Ausmaß von ca 150 m, nach dem Spurwechsel eine solche im Ausmaß von ca 200 m. Durch den am Kolonnenanfang befindlichen Traktor bestand eine (zusätzliche) Sichteinschränkung. Der Beschwerdeführer beschleunigte nach dem Spurwechsel sein Fahrzeug auf ca 80 km/h, wobei er die gesamte Kolonne (drei Pkw und Traktor mit Anhänger) überholte. Während des Überholvorganges hätte sich der Beschwerdeführer nicht gefahrlos wieder in die Kolonne einreihen können, da hierfür ein Abstand zwischen den beiden auf der rechten Spur befindlichen Fahrzeugen im Ausmaß von mindestens 30 m nötig gewesen wäre.

Der Gesamtüberholvorgang des Beschwerdeführers betrug ca 282 m. Für einen sicheren Überholvorgang wäre eine Sichtstrecke von 589 m erforderlich gewesen.

4.              Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der Zeugenaussage Inspektor W sowie des verkehrstechnischen Gutachtens als erwiesen angenommen.

Die von der Kolonne eingehaltene Geschwindigkeit ergibt sich insbesondere aus der Zeugenaussage von Inspektor W, der die Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h vom Tacho seines Dienstwagens abgelesen hatte. Das Landesverwaltungsgericht geht zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass die Kolonne eine Geschwindigkeit von 40 km/h eingehalten hat. Auch der Beschuldigte hat ausgeführt, dass die Kolonne eine Geschwindigkeit von ca 40 km/h eingehalten habe.

Hinsichtlich des Abstandes der in der Kolonne befindlichen Fahrzeuge von 20 m und der vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit von ca 80 km/h stützt sich das Landesverwaltungsgericht auf die Angaben des Beschwerdeführers.

Die Witterungs- und Straßenverhältnisse (Regen, regennasse Fahrbahn) ergeben sich aus der Zeugenaussage Inspektor W.

Dass durch den Traktor eine Sichteinschränkung bestand, ergibt sich aus dem Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen.

Dass der Beschwerdeführer seinen Spurwechsel auf Höhe StrKm XX durchführte, ergibt sich aus der Zeugenaussage von Inspektor W. Das Landesverwaltungsgericht schenkt der eindeutigen Angabe des Polizeibeamten mehr Glauben als der Angabe des Beschwerdeführers, der seine Verantwortung frei wählen kann. An dieser Beurteilung vermag auch das vom Polizeibeamten erstellte Lichtbild Nr 2, auf welchem ein roter Pfeil auf eine Gefahrenzeichen hinweist, nichts zu ändern. Der Polizeibeamte hat nämlich ausdrücklich angegeben, dass er nur die örtliche Situation darstellen habe wollen und nicht unbedingt auf das Gefahrenzeichen hinweisen habe wollen. Insbesondere aus den Lichtbildern Nr 3 und 4 ergibt sich, dass der Spurwechsel nicht auf Höhe der Gefahrenzeichen erfolgte.

Die Sichtweiten vor (ca 150 m) und unmittelbar nach (ca 200 m) dem Spurwechsel, der Gesamtüberholweg (ca 282 m), die Sichtstrecke für einen sicheren Überholvorgang (589 m) und der für ein gefahrloses Wiedereinreihen in die Kolonne erforderliche Abstand der in der Kolonne befindlichen Fahrzeuge (30 m) ergeben sich aus dem schlüssigen Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen.

5.1.           Nach § 16 Abs 2 lit a darf der Lenker eines Fahrzeuges außer in den in Abs 1 angeführten Fällen mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen „Überholen verboten“ gekennzeichnet sind, nicht überholen; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist.

Nach § 99 Abs 2 lit c StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, zB beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnisses oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, sofern nicht eine Übertretung nach Abs 2d oder 2e vorliegt.

Vom Vorliegen „besonders gefährlicher Verhältnisse“ kann nur gesprochen werden, wenn zur Verletzung einer bestimmten Verwaltungsvorschrift, von dem an sich strafbaren verkehrswidrigen Verhalten des Täters unabhängig, noch ein weiteres Sachverhaltselement hinzutritt, und ist daher eine bei einem Verstoß gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften unterlaufene Fahrlässigkeit „unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ dann anzunehmen, wenn sie entweder unter Umständen erfolgt, unter denen nach allgemeiner Erfahrung der Eintritt eines besonders umfangreichen und schweren und zunächst gar nicht überblickbaren Schadens zu erwarten ist, oder wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein umfangreicher und schwerer und zunächst gar nicht überblickbarer Schaden eintreten werde, wegen der vorliegenden Umstände besonders groß ist, und der Lenker, obwohl ihm die eine solche Verschärfung der Verkehrssituation bedingenden Umstände bewusst oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar waren, sich auf diese vom Vorstellungselement der Fahrlässigkeit umfassten höheren Gefahrenmomente dennoch eingelassen hat (vgl VwSlg 13494).

Unbestrittenermaßen hat der Beschwerdeführer im Bereich des Vorschriftszeichen „Überholen verboten“ (mit der Zusatztafel gemäß § 54 Abs 5 lit i StVO) (neben einem Traktor mit Anhänger) drei Pkw´s überholt.

Der Beschwerdeführer hatte dabei unmittelbar vor dem Spurwechsel aufgrund der dort befindlichen langen Rechtskurve eine Sichtweite auf den Gegenverkehrsbereich von 150 m. Selbst wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers jene Sichtweite heranziehen würde, die dieser unmittelbar nach dem Spurwechsel hatte (ca 200 m), so ist festzuhalten, dass in keinem der beiden Fälle eine für einen sicheren Überholvorgang erforderliche Sichtstrecke von 589 m vorgelegen ist. Die erforderliche Sichtstrecke für das Überholen von drei Pkw´s und einem Traktor mit Anhänger wurde somit eklatant unterschritten. Dazu kommt, dass durch den Traktor eine Sichteinschränkung bestand, da dieser speziell im Kurvenbereich ein Sichthindernis auf den Gegenverkehrsbereich bildete.

Weiters war im vorliegenden Fall von Bedeutung, dass es geregnet hat und die Fahrbahn nass war.

Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er das Überholmanöver nach Überholen eines einzelnen Fahrzeuges jederzeit abbrechen hätte können und sich wieder in die Kolonne einreihen hätte können, ist ihm zu erwidern, dass ein gefahrloses Wiedereinordnen aufgrund des geringen Abstandes der in der Kolonne befindlichen Fahrzeugen (20 m anstatt mindestens 30 m) nicht möglich war. Im Übrigen hat der verkehrstechnische Sachverständige dargetan, dass die Überholstrecke für einen sicheren Überholvorgang dann, wenn nur ein einziges Fahrzeug überholt würde, 272 m betragen müsse.

5.2.           Gemäß § 9 Abs 1 StVO dürfen Sperrlinien (§ 55 Abs 2) nicht überfahren, Sperrflächen (§ 55 Abs 4) nicht befahren werden. Wer gegen die vorgenannte Bestimmung verstößt, begeht nach § 99 Abs 3 lit a StVO eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen.

Dass der Beschwerdeführer die Sperrlinie überfahren hat, wurde von diesem nicht bestritten.

6.              Gemäß § 19 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Schutzzweck der übertretenen Rechtsvorschriften ist letztlich die Verkehrssicherheit. Diesen Schutzzwecken hat der Beschwerdeführer in nicht unerheblichem Ausmaß zuwidergehandelt. Als Verschulden war Fahrlässigkeit anzunehmen. Milderungs- bzw Erschwerungsgründe sind keine hervorgekommen. Hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse hat der Beschwerdeführer angegeben, er habe ein monatliches Nettoeinkommen von knapp 4.000 Euro. Er sei Eigentümer eines Hauses, wobei er hierfür Schulden in der Höhe von 300.000 Euro habe. Er sei sorgepflichtig für zwei Kinder und seine Gattin. Die Gattin habe ein eigenes Einkommen.

Unter Würdigung des vorgetragenen Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers findet das Landesverwaltungsgericht die von der Behörde festgesetzten Strafen schuld-, tat-, vermögens- und einkommensangemessen.

7.              Zu Spruchpunkt 1.: Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Zu Spruchpunkt 2.:Gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde. Im vorliegenden Fall durfte eine Geldstrafe von bis zu Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden. Auch wurde im Erkenntnis nur eine Geldstrafe von Euro ausgesprochen. Eine Revision wegen Verletzung in Rechten gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

besonders gefährliche Verhältnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2019:LVwG.1.66.2019.R3

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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